Urteil des LG Stuttgart vom 02.04.2002

LG Stuttgart: rechtliches gehör, anhörung, sperre, ordre public, athlet, suspendierung, einstweilige verfügung, staatliches gericht, cas, disziplinarverfahren

LG Stuttgart Urteil vom 2.4.2002, 17 O 611/00
Wettkampfsperre wegen Dopingverstoßes: Kontrolle verbandsgerichtlicher Entscheidungen durch staatliche Gerichte; Fall Dieter Baumann
Tenor
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger, ein international bekannter Leichtathlet und Berufssportler, begehrt von dem beklagten Internationalen Leichtathletikverband
Schadensersatz wegen der Verhängung einer Dopingsperre durch dessen Arbitration Panel (im folgenden AP). Klageziel war außerdem,
feststellen zu lassen, dass diese Sperre und ihre wegen einer Zuwiderhandlung verfügte Verlängerung rechtswidrig gewesen seien.
2
Der Kläger, u.a. Olympiasieger 1992 über die 5.000-Meter-Distanz und vielfacher deutscher Meister, hat mit dem Deutschen
Leichtathletikverband (DLV) eine für den Zeitraum 01.01.1999 bis 31.12.2000 geltende "Athletenvereinbarung 1999/2000" geschlossen. Deren
Satz 1 und 2 der Ziff. 2 "Rechtsgrundlagen" lauten (vgl. Anl. K 16):
3
"Der Athlet erkennt die Regelungen der DLV-Satzung, der Internationalen Wettkampfbestimmungen (IWB), der Deutschen Leichtathletikordnung
(LAO), der Rechts- und Verfahrensordnung des DLV sowie die Dopingbestimmungen des Deutschen Sportbundes (Rahmenrichtlinien des DSB
sowie DKS = Dopingkontrollsystem) und die IAAF-Bestimmungen (IAAF-Regeln/Rules), einschließlich der Verfahrensrichtlinien für
Dopingkontrollen (Procedural Guidelines for doping control) in der jeweils gültigen Fassung im Training und Wettkampf als für sich verbindlich
an. Soweit die Vorschriften abweichende Regelungen enthalten, gelten die Vorschriften in folgender Reihenfolge: -DLV-Rechts- und
Verfahrensordnung, - IAAF-Regeln und Procedural Guidelines for doping control - Dopingbestimmungen des Deutschen Sportbundes."
4
Unter Ziff. 5 "Vertragsverletzungen" heißt es u.a. im dritten Absatz:
5
"Unberührt von diesen Bestimmungen bleibt eine Sanktion infolge einer Verletzung von Verpflichtungen aus dem Regelwerk des DLV (s. 2).
Ahndungen durch die IAAF, DSB, NOK oder andere Sportorganisationen bleiben von dieser Vereinbarung ebenfalls unberührt."
6
Wegen des weiteren Wortlauts wird auf Anlage K 16 verwiesen.
7
Die internationalen Wettkampfbestimmungen (IWB) des Beklagten lauten in der deutschen Übersetzung des DLV auszugsweise (vgl. Anl. K 15):
8
Ziff. 21.3:
9
"Dem IAAF-Schiedsgericht können folgende weitere Fälle unterbreitet werden:
10 b) Wenn ein Mitgliedsverband eine Anhörung gemäß Regel 59 durchgeführt hat und die IAAF glaubt, dass sich der Mitgliedsverband bei der
Durchführung der Anhörung und bei der daraus gezogenen Schlussfolgerung geirrt oder auf andere Weise eine falsche Schlussfolgerung
gezogen hat".
11 Ziff. 59:
12 "1. Hat ein Dopingverstoß stattgefunden, wird ein Disziplinarverfahren in drei Stufen durchgeführt:
13 a) Suspendierung,
14 b) Anhörung,
15 c) Entzug der Zulassung.
16 2. Der Athlet wird von dem Zeitpunkt an suspendiert, zu dem die IAAF oder ggf. der Gebiets oder Mitgliedsverband berichtet, dass Beweismittel
für einen Dopingverstoß vorliegen. Bei Dopingkontrollen in der Verantwortlichkeit der IAAF nach Regel 58.1 wird die entsprechende
Suspendierung von der IAAF ausgesprochen. Bei Dopingkontrollen in der Verantwortlichkeit des Gebiets- oder Mitgliedsverbandes spricht der
nationale Verband des Athleten die Suspendierung aus. Hat es ein Mitgliedsverband nach Meinung der IAAF versäumt, eine gerechtfertigte
Suspendierung auszusprechen, kann die IAAF dies selbst tun.
17 (Zum weiteren Satz 5 s.unten)
18 3. Jeder Athlet hat das Recht, um eine Anhörung vor dem zuständigen nationalen Verbandsgericht zu ersuchen, bevor eine Entscheidung über
seine Zulassung getroffen wird. Wenn der Athlet über den vermuteten Dopingverstoß schriftlich benachrichtigt wird, ist er auch auf sein
Anhörungsrecht hinzuweisen. Gibt ein Athlet die Benachrichtigung nicht innerhalb von 28 Tagen nach deren Erhalt zurück, wird angenommen, er
verzichtet auf sein Recht auf Anhörung.
19 4. Wird festgestellt, dass ein Athlet einen Dopingverstoß begangen hat und ist dies nach der Anhörung bestätigt oder der Athlet verzichtet auf sein
Recht auf Anhörung, wird er öffentlich verwarnt oder für nicht zugelassen erklärt. Wurde die Dopingkontrolle bei einem Wettkampf durchgeführt,
wird der Athlet außerdem von dieser Veranstaltung disqualifiziert und das Ergebnis dementsprechend geändert. Der Zeitraum seiner
Nichtzulassung beginnt ab dem Tag der Suspendierung. Nach der Probennahme erzielte Leistungen werden annulliert.
20 5. Findet eine Anhörung statt, hat die IAAF oder sein Mitgliedsverband zweifelsfrei zu beweisen, dass ein Dopingverstoß begangen wurde.
21 6. Ausführliche Richtlinien für die Durchführung von Disziplinarverfahren sind in den "Verfahrensrichtlinien für Dopingkontrollen" enthalten. Siehe
auch Regeln 21 bis 23 hinsichtlich der Durchführung von Anhörungen sowie die "IAAF-Richtlinien für die Durchführung von
Schiedsgerichtsverfahren"."
22 Im Februar 2000 wurde der Regel 59.2 der weitere Satz angefügt:
23 "Erklärt ein nationaler Verband nach erfolgter Anhörung einen Athleten für wieder zugelassen und leitet die IAAF den Fall nach Regel 21.3 b an
das IAAF-Schiedsgericht weiter, kann der IAAF-Rat den betreffenden Athleten bis zur Entscheidung des IAAF-Schiedsgerichts suspendieren."
24 Am 19.10. und 12.11.1999 wurden bei dem Kläger unangemeldet Trainingskontrollen durchgeführt, welche sich als "positiv" herausstellten.
25 Die Urinprobe vom 19.10.1999 wurde in K., Institut für Dopinganalytik und Sportbiochemie, Leiter Prof. Dr. M., untersucht, die Urinprobe vom
12.11.1999 in K., Institut für Biochemie, Leiter Prof. Dr. S.. Die Untersuchung der beiden A-Proben ergab das Vorhandensein von Metaboliten der
Substanz Nandrolon. Die am 28.12.1999 in K. und 29.12.1999 in K. durchgeführten Analysen der B-Proben bestätigten den Befund der A-
Proben. Nandrolon und seine Metaboliten gehören zu der Gruppe der anabolen androgenen Steroide und zählen nach den IAAF Procedural
Guidelines zu den als Dopingsubstanzen verbotenen Wirkstoffen. Sämtliche Proben-Analysen ergaben grenzwertübersteigende
Konzentrationen.
26 Der Kläger wurde daraufhin von der Anti-Doping-Kommission des DLV am 19.11.1999 vorläufig suspendiert.
27 Von Mitarbeitern des IOC-Labors in K. wurden aus dem Haus des Klägers u.a. eine Zahnpastatube der Marke "Elmex" untersucht und festgestellt,
dass diese die Substanz "Norandrostendion", ein Vorläufer von Nandrolon, enthielt.
28 Aufgrund dieses Sachverhalts erstattete der Kläger am 02.12.1999 bei der Staatsanwaltschaft T. Strafanzeige gegen unbekannt, woraufhin
Ermittlungen eingeleitet und am 07.12.1999 eine Hausdurchsuchung beim Kläger durchgeführt wurde. Die Untersuchung einer dabei
sichergestellten Zahnpastatube der Marke "Signal" ergab, dass auch diese Norandrostendion enthielt.
29 Am 28.01.2000 beantragte der DLV bei seinem Rechtsausschuss, wegen Dopingverstoßes gegen den Kläger eine Wettkampfsperre von zwei
Jahren zu verhängen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft T. wurden am 30.05.2000 eingestellt. Am 23.06.2000 hob der DLV-
Rechtsausschuss die Suspendierung des Klägers mit der Begründung auf, dass der erforderliche Verdacht eines Dopingvergehens nicht
bestehe.
30 Mit Beschluss vom 13.07.2000 wies der Rechtsausschuss den Sperr-Antrag des DLV zurück. In der Begründung wird ausgeführt, dass im
vorliegenden Fall die Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises unstatthaft sei, da Lagerung und Transport der Urinproben - wenn auch ohne
Einfluss auf die Ergebnisse der A- und B-Proben - unsachgemäß, d.h. nicht entsprechend den Verfahrensrichtlinien für Dopingkontrollen, erfolgt
seien. Der Beweis, dass der Athlet wissentlich verbotene Substanzen zu sich genommen habe, sei dem DLV jedoch nicht gelungen. Jedenfalls
würden dem Athleten aber erhebliche Erleichterungen für seine Beweisführung zugute kommen, weshalb auch bei Annahme der Anwendung
der Grundsätze des Anscheinsbeweises ihm kein vorsätzliches Dopingvergehen anzulasten sei. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage K 25
verwiesen.
31 Am 29.07.2000 wurde der Kläger Sieger des 5.000-Meter-Laufes bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig. Außerdem qualifizierte er
sich für die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Sydney.
32 Am 02.08.2002 wurde der "Fall B.", nachdem sich die Anti-Doping-Kommission des Beklagten damit befasst hatte, aufgrund eines Beschlusses
des Councils der Beklagten dem AP zur Entscheidung vorgelegt. Mit Schreiben vom 03.08.2000 informierte der Generalsekretär des Beklagten
den Präsidenten des DLV von der Anrufung des AP. Das unter dem Datum vom 10.08.2000 gefertigte "Statement of IAAF in Support of its
reference to Arbitration" des rechtlichen Vertreters der Beklagten, M. G., sowie die entsprechende Überweisungsmitteilung (Anlage B 8) wurden
vom DLV an den Prozessbevollmächtigten des Klägers weitergeleitet und gingen dort am 17.08.2000 ein. Die Stellungnahme des rechtlichen
Vertreters der Beklagten wurde am 11.08.00 per Telefax an den Vorsitzenden des AP der Beklagten, Herrn Prof. V., weitergeleitet. Mit Telefax
vom gleichen Tage wurde die Überweisungsmitteilung nebst Stellungnahme dem Präsidenten des DLV übersandt und dem DLV eine
Stellungnahmefrist bis zum 08.09.2000 gesetzt (Anlage Ast 9 - 17 O 460/00). Mit Schreiben vom 19.08.2000 teilte der Vorsitzende des AP, Prof.
V., dem Generalsekretär der Beklagten sowie dem DLV mit, dass die Anhörung im "Fall B." am 14. und 15. September 2000 in Sydney erfolgen
solle, wobei Mr. L. den Vorsitz führen und weitere Mitglieder M. H. sowie C. J. sein würden (Anlage Ast 12 - 17 O 460/00).
33 Am 30.08.2000 erließ das LG Stuttgart - 17 O 460/00 - unter teilweiser Zurückweisung eine einstweilige Verfügung gegen den Beklagten, die
diesem untersagte, bis zum Ende der Olympischen Spiele gegen den Kläger eine Wettkampfsperre auszusprechen, es sei denn, dass die strict-
liability-Regel (Verhängung von Sanktionen ohne Verschuldensfeststellung) nicht angewendet und der Kläger zuvor vom Schiedsgericht förmlich
angehört werde. Diese Verfügung wurde dem Beklagten am 04.12.2000 vom Kläger zugestellt, zuvor aber bereits unmittelbar nach Erlass per
Telefax diesem übersandt. Mit Telefax vom 07.09.2000 (Anlage K 10) an den Prozessbevollmächtigten des Klägers bestätigte der
Generalsekretär des Beklagten den Eingang, teilte aber unter Hinweis darauf, dass es sich nicht um eine ordnungsgemäße Zustellung handele,
mit, dass der Termin zur Anhörung vor dem AP am 14. und 15.09.2000 bestehen bleibe. Weiter heißt es in dem Fax wörtlich:
34 "As the DLV should have informed you, your client has the right to attend to make representations, call witnesses, examine documentation and
cross-examine the witnesses called by the IAAF, as if he were a party to the proceedings. If you require any further information about IAAF
Arbitration Panel hearings, such as the procedure to be followed or copies of previous decisions, please do not hesitate to contact me."
35 Unter dem 08.09.2000 richtete der Präsident des Beklagten ein weiteres Schreiben an den Prozessbevollmächtigten (K 11), in dem es u.a. heißt:
36 "The DLV should have given you formal notification of the time, place and date of the Arbitration Panel hearing to determine Mr. B."s eligibility. In
case they have not, I now give it to you. As you know, Mr. B. is invited to participate fully in the hearing by attending the hearing, instructing
lawyers, calling witnesses, cross-examining those witnesses and making submissions. A telephone link will be available so that Mr. B. may, if he
wishes, call witnesses from Europe.
37 The hearing is scheduled to take place on 14 and 15 September at the offices of Minter Ellison at 44 Martin Place, Sydney. As Mr. B. will be in
Sydney, it should not inconvenience him to attend."
38 Der DLV reichte seine Stellungnahme (Statement of Response, K 14) am 08.09.2000 und seine ergänzende Stellungnahme (Supplementary
Submission) am 13.09.2000 bei dem AP der Beklagten ein.
39 Mit Schreiben vom 09.09.2000 (K 13), das per Telefax übermittelt wurde, wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Generalsekretär des
Beklagten auf seine Rechtsauffassung, wonach für die Verhängung einer Wettkampfsperre die förmliche Beteiligung des Klägers erforderlich sei,
hin. Gleichzeitig hat er den Generalsekretär aufgefordert, das Verfahren in die Zeit nach den Olympischen Spielen zu verschieben sowie dem
Kläger eine vierwöchige Stellungnahmefrist einzuräumen.
40 Das Verfahren vor dem AP der Beklagten unter dem Vorsitz von L. wurde am 14., 15. und 16.09.2000 durchgeführt. Der Kläger selbst war nicht
Partei dieses Streitfalles zwischen der Beklagten und dem DLV. Am ersten Verhandlungstag wiederholte der Prozessbevollmächtigte des
Klägers vor dem AP seinen Antrag, dem Kläger die Stellung eines förmlich am Verfahren Beteiligten sowie eine Stellungnahmefrist von vier
Wochen einzuräumen. Der Antrag wurde abgelehnt mit der Begründung, dass der Kläger, wie sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung beim LG Stuttgart gezeigt habe, schon im Besitz der Erklärung des Beklagten vom 10.08.2000 betr. die Überweisung an das AP
gewesen sei, er somit eine angemessene Frist zur Regelung seiner Angelegenheiten und zur Abgabe einer Gegendarstellung gehabt habe.
Gleichzeitig wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers von dem AP folgendes mitgeteilt:
41 "Es bleibt dem Athleten überlassen, zu entscheiden, ob er an der Fortsetzung dieses Schiedsgerichtsverfahrens teilnehmen möchte, obwohl wir
der Ansicht sind, dass seine Anwesenheit äußerst wünschenswert ist, wobei folgendes berücksichtigt wurde:
42 a) Der Athlet wurde hinreichend rechtzeitig von der Anhörung in Kenntnis gesetzt;
43 b) er wird bei der Anhörung durch einen Rechtsvertreter vertreten;
44 c) er befindet sich zur Zeit in Sydney."
45 Am zweiten Tag der Verhandlung (15.09.2000), an dem weder der Kläger noch sein Prozessbevollmächtigter anwesend waren, erhob der DLV
Einwände gegen die Entscheidungskompetenz des AP, da das Vorlageverfahren, insbes. die Beschlussfassung des Councils vom 02.08.2000
nicht ordnungsgemäß abgelaufen sei. Das AP beschloss, dass es die schiedsgerichtliche Kompetenz in diesem Fall besitze. Am dritten
Verhandlungstag wurde der Kläger persönlich vom AP angehört.
46 Die Entscheidung des AP wurde am 18.09.2000 ausgesprochen (vgl. Anl. K 1). Der Kläger wurde wegen eines ersten Dopingvergehens unter
Anrechnung der Zeit seiner Suspendierung vom 19.11.1999 bis 13.07.2000 für zwei Jahre bis zum 21.01.2002 gesperrt. Die erzielten
Wettkampfleistungen ab dem Datum der Lieferung der Proben wurden annulliert. Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, dass der Beklagte das
Dopingvergehen des Klägers jenseits begründeter Zweifel nachgewiesen habe. Es habe daher beim DLV und/oder dem Kläger gelegen,
begründete Zweifel am Nachweis des Beklagten gegenüber dem AP anzumelden, was ihm jedoch nicht gelungen sei. In diesem
Zusammenhang setzte sich das AP in seiner Begründung (Ziff. 15.1 bis 15.5) mit den Problematiken "Kühlung und Verderben der Proben durch
Bakterien", "Bluttest", "Schamhaartest", "Manipulation von Zahnpasta durch Dritte, Kriminaluntersuchung in T. und Glaubwürdigkeit" sowie
"Sammlung verschiedener Daten" auseinander und kam unter Ziff. 15.6 (= Ziff.16 engl. Fassung) zu folgendem Schluss:
47 "Nach eingehender Betrachtung der vorgehenden Behauptungen im einzelnen und insgesamt sehen wir uns nicht in der Lage zu befinden, dass
sie im Hinblick auf die zwei Doping-Vergehen des Athleten keinen (richtig aber: einen, s. engl. Fassung: "...cast a reasonable doubt "")
begründeten Zweifel am vom IAAF erstellten prima facie-Fall aufkommen lassen. Es ist festzustellen, dass wir zu den oben genannten
Beschlüssen gekommen sind, ohne uns an der Anwendung der Doktrin der strengen Haftung bezüglich der Tatsachen dieses Falles
auszurichten. Wir sind uns darüber im Klaren, dass selbst wenn wir dies getan hätten, unser endgültiger Schluss, zu dem wir gekommen sind, in
keinster Weise anders ausgefallen wäre. Außerdem und ungeachtet des Tatbestandes zweier Dopingvergehen, sind diese als eine zum Zwecke
der Sanktion zu behandeln."
48 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die angegriffene Entscheidung, die in deutscher und englischer Sprache als Anlage K 1 vorgelegt
wurde, verwiesen.
49 Ein Gnadengesuch des Präsidenten des DLV namens des Klägers wurde vom Council des Beklagten in dessen Sitzung vom 19.09.2000
zurückgewiesen. Aufgrund der Entscheidung des AP des Beklagten entzog das IOC dem Kläger die Akkreditierung für die Olympischen Spiele in
Sydney. Wegen der Teilnahme am 5.000-Meter-Lauf am 27.09. (Vorlauf) und 30.09. (Endlauf) beantragte der Prozessbevollmächtigte des
Klägers mit Schreiben vom 20.09.2000 beim Court of Arbitration for Sports (CAS), Ad-hoc-Division, festzustellen, "dass die Entscheidung des
Arbitration Panel der IAAF vom 18. September 2000 mit der darin ausgesprochenen Sperre im Hinblick auf die Teilnahme an den Olympischen
Spielen unwirksam ist und die Zulassung des Athleten an den Olympischen Spielen nicht berührt" (K 5). Der CAS lehnte nach mündlicher
Verhandlung vom 21.09.2000 den Antrag mit schriftlichem Schiedsspruch vom 22.09.2000 ab (K 6).
50 Mit Schreiben vom 19.10.2000 (K 26) teilte der DLV dem Kläger mit, der DLV habe als Mitglied des Beklagten die Entscheidung des AP vom
18.09.2000 zu befolgen und umzusetzen. Dementsprechend seien dem Kläger alle seit dem 19.11.1999 erzielten Leistungen und Titel
abzuerkennen. Mit Beschluss vom 20.02.2001 verpflichtete dagegen der Rechtsausschuss des DLV diesen, dem Kläger die Starterlaubnis bei
den DHM am 25.02.2001 in Dortmund zu erteilen. Dieser Beschluss wurde vom OLG F. am 23.02.2001 für vollstreckbar erklärt. Am gleichen Tag
wurde der Kläger offiziell zu den DHM zugelassen. Am 25.02.2001 nahm der Kläger am 3.000m-Lauf teil. In der Folgezeit wurde vom Beklagten
die Auffassung vertreten, durch diesen seine Sperrentscheidung ignorierenden Start habe die zweijährige Sperre gemäß IWB- Regel 53.3 erneut
von vorne zu laufen begonnen, so dass der Kläger nun bis zum 25.03.2003 für die Teilnahme an Wettkämpfen gesperrt sei.
51 Der Kläger hat wegen dieser im Raum stehenden Sperrverlängerung die am 27.11.2000 erhobene Klage erweitert. Außerdem hat er Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt (17 O 327/01) mit dem Ziel, dem Beklagten zu untersagen, ihn über den ursprünglichen
Sperrfristablauf 21.01.2002 hinaus in der Wettkampfteilnahme zu beeinträchtigen.
52 Der Kläger ist der Auffassung, dass die Sperrentscheidung des AP des Beklagten vom 18.09.2000 aus einer Vielzahl von Gründen rechtswidrig
sei.
53 Der Beklagte habe schon keine Ordnungsgewalt über den Kläger. Durch die Athletenvereinbarung habe er sich nur mittelbar dem IAAF-
Regelwerk unterworfen. In der Athletenvereinbarung sei, für den Fall, dass die verschiedenen Regelwerke, die der Athlet mit der Vereinbarung
anerkennt, abweichende Regelungen enthalten, vorgesehen, dass diese in der Reihenfolge DLV- Rechts- und Verfahrensordnung, IAAF-Regeln
und Procedural Guidelines for doping control, Dopingbestimmungen des Deutschen Sportbundes gelten sollen. In der Rechts- und
Verfahrensordnung des DLV sei aber in § 6 geregelt, dass der Rechtsausschuss in erster und letzter Instanz entscheide, so dass es
denknotwendig zum gleichen Gegenstand kein zweites Sanktionsverfahren gegenüber dem Athleten geben könne. Der Vorrang der DLV-
Rechts- und Verfahrensordnung werde auch nicht durch Ziff. 5 Abs. 3 S. 2 der Athletenvereinbarung aufgehoben. Diese Klausel beinhalte
lediglich eine Klarstellung dahingehend, dass nach der Kompetenzverteilung der IAAF-Regeln 58 ff. in unmittelbarer Zuständigkeit der IAAF von
dort ausgesprochene Sperren unberührt bleiben würden. Der Kläger habe sich auch nicht durch Aufnahme in den "IAAF-Athlets-Club" im Jahre
1997 den Regeln der IAAF unterworfen. Er habe insoweit zu keinem Zeitpunkt eine "Declaration" unterschrieben und sei auch kein
entsprechendes Vertragsverhältnis mit dem Beklagten eingegangen. Selbst wenn durch die Aufnahme in den "IAAF-Athlets-Club" vertragliche
Beziehungen zwischen den Parteien entstanden seien, hätten diese lediglich für ein Jahr Gültigkeit gehabt.
54 Der Kläger habe sich auch nicht dadurch, dass er sich als Berufssportler im internationalen Sportmarkt bewege und dabei zwangsläufig mit
internationalen Regelwerken konfrontiert werde, der Ordnungsgewalt des Beklagten unterworfen. Bei den IAAF-Regeln handele es sich um
einseitig gesetzte Regeln eines Monopolverbandes, aus der eine solche Ordnungsgewalt nicht abgeleitet werden könne. Es würde den
Schutzcharakter der maßgeblichen Normen geradezu in sein Gegenteil verkehren, wenn ein Athlet durch bloßes einseitiges Handeln des
Monopolverbandes ohne weiteres dessen Regelwerk unterworfen werden könne. Für eine mittelbare Mitgliedschaft über den nationalen
Verband fehle es an der erforderlichen Satzungsverankerung.
55 Unabhängig von sonach fehlender Unterwerfung unter die Ordnungsgewalt des Beklagten existiere auch im IAAF-Regelwerk selbst keine
Grundlage zur Ausübung einer Ordnungsgewalt über den Kläger. Die Regel 21.3 beinhalte keine Befugnis des Beklagten zur Einleitung eines
Sanktionsverfahrens gegen einen Athleten oder gar die Befugnis zu dessen Verurteilung. Die Regel betreffe ausschließlich ein Verfahren
zwischen dem internationalen Verband und seinem Mitglied, also dem nationalen Verband. Im Übrigen handele es sich um eine bloße
Verfahrensvorschrift. Selbst gegenüber dem nationalen Verband, gegen den das Verfahren geführt werde, könne unmittelbar durch Regel 21.3
eine Maßnahme nicht ausgesprochen werden. Hierzu bedürfe es anderer Normen des IAAF-Regelwerkes. Nach Regel 21.3 könne dem AP des
Beklagten lediglich die durch den Council-Beschluss vom 02.08.2000 hervorgerufene interne Streitigkeit vorgelegt werden, ob der DLV bei der
Entscheidung seines Rechtsausschusses, eine Verurteilung des Klägers wegen Dopingverstoßes abzulehnen, die maßgeblichen Regeln richtig
angewandt habe. Keine dem AP vorzulegende Streitigkeit im Sinne dieser Regel sei es aber, ob der Kläger als im nationalen Sperrverfahren
betroffener Athlet doch noch verurteilt werden könne. Der Athlet sei nur bei einer eigenen freiwilligen Anrufung des AP dessen Ordnungsgewalt
unterworfen. Nur solche Streitfälle seien ausschließlich und ausdrücklich in Regel 21.3 aufgelistet. Den umgekehrten Fall eines vom
internationalen oder auch nationalen Verband selbst gegen den Athleten initiierten Streitfalls sehe Regel 21 nicht vor, insbesondere nicht Regel
21 Ziff. 3 b.
56 Eine Sperrbefugnis folge auch nicht aus Regel 59.2. Diese statuiere nur eine subsidiäre Zuständigkeit des Beklagten in Dopingverfahren. Nach
den IAAF-Regeln 20.2 c, 20.6 c, 58.2, 58.3, 59.2 liege das vorrangige und endgültige Entscheidungsrecht in Dopingverfahren beim
Mitgliedsverband. Der Council des Beklagten könne nur eingreifen, wenn ein Mitgliedsverband sich weigere, die erforderlichen Schritte
einzuleiten. Vorliegend habe der DLV jedoch das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt und mit dem Freispruch vom 13.07.2000
abgeschlossen. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeit des Beklagten, eigene Entscheidungen in Dopingverfahren zu treffen, seien
vorliegend daher nicht gegeben. Der letzte Satz der Regel 59.2 sei im Februar 2000 nicht rechtmäßig in die Satzung eingefügt worden, da der
die Satzungsänderung beschließende Council hierfür keine satzungsgemäße Befugnis habe. Im Übrigen könne diese erst im Februar 2000
eingefügte Regelung auf den Kläger, dessen Verfahren zu diesem Zeitpunkt bereits anhängig gewesen sei, nicht angewandt werden.
57 Der Beklagte besitze keine Ordnungsgewalt über den Kläger auch deshalb, weil im vorliegenden Fall die Kompetenz zur Durchführung des
Dopingverfahrens auf den nationalen Verband verlagert sei. Die Kompetenzverteilung werde durch Regel 58.1 vorgenommen, wonach der
Beklagte für internationale Wettkämpfe und der nationale Verband für nationale Wettkämpfe zuständig sei. Der Beklagte sei gemäß Regel 58.1
ausschließlich und insgesamt für Sanktionsverfahren zuständig, bei denen es um positive Dopingbefunde bei den dort aufgelisteten
Wettkämpfen gehe. Umgekehrt sei der nationale Verband bei anderen Wettkämpfen zuständig, was sich aus Regel 58.2 ergebe. Zwar regle Ziff.
58 dem Wortlaut nach nur Dopingkontrollen, die dortige Zuständigkeitsverteilung beziehe sich aber auf die Durchführung des gesamten
Disziplinarverfahrens, was sich gerade durch Regel 59.2 letzter Satz ergebe. Die - ungültige - Satzungsänderung betreffend Regel 59.2 belege
zudem, dass der Verband, der die Dopingkontrolle durchgeführt habe, auch Herr über das mit einhergehende Sanktionsverfahren gegen den
Athleten sei. In dieses Verfahren könne der Beklagte ggf. nur mittels einer eigenen Suspendierung eingreifen. Wenn Regel 59.2 neue Fassung
nach Abschluss eines nationalen Verfahrens auch eine neue Suspendierungsmöglichkeit schaffe, bedeute dies aber zwangsläufig, dass bis
dahin auch bei vorheriger eigener Suspendierung seitens des Beklagten die gesamte Verfahrenshoheit ausschließlich beim nationalen Verband
gelegen habe. Die - ungültige - Satzungsänderung vom Februar 2000 sei systemwidrig und verkenne, dass das Regelwerk wegen der
ausschließlichen Kompetenzzuweisung an den nationalen Verband in solchen Fällen eine originäre Sperrbefugnis gegenüber dem Athleten
nicht enthalte.
58 Darüber hinaus hält der Kläger die Sperrentscheidung des AP vom 18.09.2000 auch wegen schwerwiegender Mängel des Verfahrens für
unwirksam.
59 Die Entscheidung leide unter dem Prozesshindernis anderweitiger Rechtshängigkeit. Der Beklagte habe das Verfahren gegen den Kläger
eingeleitet, obwohl das nationale Verfahren noch nicht beendet gewesen sei. Der dem Kläger am 20.07.2000 zugestellte Freispruchentscheid
des RA des DLV vom 13.07.2000 sei erst nach Auslauf der dem DLV zustehenden Einspruchsfrist zur Anrufung des DSB-Schiedsgerichtes
rechtskräftig geworden. Die An- bzw. Rechtshängigkeit der Sache beim nationalen Sportgericht habe daher erst zum 20.08.2000 geendet. Das
Verfahren vor dem AP des Beklagten sei aber bereits am 02.08.2000 eingeleitet worden.
60 Der Entscheidung stehe weiter das Prozesshindernis des Strafklageverbrauches entgegen. Nach dem rechtskräftigen Freispruch durch den RA
des DLV sei bezüglich des dem Kläger aufgrund positiv getesteter Urinproben vom 19.10.1999 und 12.11.1999 vorgeworfenen
Dopingvergehens Strafklageverbrauch eingetreten. Das verfassungsrechtliche Verbot der Doppelbestrafung müsse sich auch auf den
Sperrentscheid des Beklagten erstrecken, da dieser sich unmittelbar und schwerwiegend auf Berufsausübung und Berufswahl des Klägers in
Deutschland auswirke.
61 Weiter habe bei der Entscheidung des AP ein befangener Richter mitgewirkt, indem der schon wegen seiner Nationalität befangene Vorsitzende
Prof. V. mit Schreiben vom 19.08.2000 den Parteien den Anhörungstermin und die Besetzung des AP mitgeteilt habe. Darüber hinaus habe Prof.
V. die gemäß Regel 23.6 c vorgeschriebene Fristsetzung zur Stellungnahme nicht wirksam vorgenommen. Obwohl der Kläger wegen der
Unwirksamkeit dieser prozessleitenden Handlungen des Prof. V. die Verlegung des Verfahrens in die Zeit nach den Olympischen Spielen
beantragt habe, sei diesem Antrag nicht stattgegeben worden.
62 Dem Kläger sei in dem Verfahren auch kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden. Zum einen habe bereits die Wahl des
Verhandlungsortes in Sydney eine Einschränkung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nach sich gezogen. Gemäß Regel 23.7 solle bei von
einem Athleten initiierten Verfahren das AP zur Anhörung der Sache einen Ort wählen, der sowohl für den Athleten günstig liege als auch aus
Sicht der Schiedsrichter unter Berücksichtigung aller Umstände zumutbar und praktikabel sei. Die Wahl von Sydney als Verhandlungsort sei für
den Kläger besonders ungünstig gewesen. Das Trainingslager der deutschen Athleten habe sich im ca. 1,5 Flugstunden von Sydney entfernten
Brisbane befunden. Darüber hinaus sei der Verhandlungsort Sydney auch deshalb ungünstig gewesen, da eine sachgerechte Beweisaufnahme
von vornherein nicht durchführbar gewesen, weil präsente Zeugen, auf deren mündliche Vernehmung es angekommen wäre, seien in Sydney
nicht greifbar gewesen. Bloße telefonische Vernehmungen zu in Deutschland nächtlicher Stunde seien für den Kläger völlig unakzeptabel
gewesen. Sowohl der Kläger als auch die Mitglieder des AP hätten kurzfristig weite, kräftezehrende Anreisen in Kauf nehmen müssen und hätten
gerade unter dem Aspekt der Zeitumstellung einen Verhandlungstermin etwa nach den Olympischen Spielen in Monaco sicherlich
angemessener wahrnehmen können.
63 Das rechtliche Gehör des Klägers sei auch wegen Verletzung der Regel 23.6 beschnitten worden. Danach seien allen in Betracht kommenden
Beteiligten sämtliche Unterlagen zuzuleiten und eine vierwöchige Stellungnahmefrist zu gewähren. Entsprechend Regel 23.8 seien sämtliche in
das Verfahren eingeführte Urkunden, Zeugenaussagen, Beweismittel etc. zu erörtern. Erst dann könne ein Urteil gefällt werden. Der Kläger habe
bereits im Vorfeld des Verfahrens von Sydney die Parteirechte gemäß Regel 23.6 eingefordert, was jedoch mit Schreiben vom 07.09.2000 (K 10)
und auch in der Anhörung abgelehnt worden sei. Dem Kläger sei nicht bekannt gewesen, dass der Beklagte im Vorfeld des Verfahrens in Sydney
ein Gutachten von Prof. H. und eine schriftliche Zeugenaussage des Doping-Kontrolleurs W. eingeholt und an sämtliche anderen Beteiligten mit
Telefax vom 08. bzw. 11.09.2000 versandt worden habe. Das Gutachten von Prof. H., das u.a. feststelle, der positive Dopingbefund könne auch
mit oraler oder sublingualer Tablettenaufnahme erklärt werden, hätte bei Kenntnis leicht durch bereits vorhandene Gutachten widerlegt werden
können. Die schriftliche Aussage W. sei falsch, sie widerspreche seinen Aussagen vor der Kriminalpolizei und den Nachfragen des RA des DLV
eklatant und könne deshalb nur mit einer Beeinflussung bzw. einem In-den-Mundlegen von dritter Seite erklärt werden. Mangels Kenntnis dieser
Unterlagen habe der Kläger keine Möglichkeit gehabt, diese Beweismittel bei der Anhörung in Sydney zu widerlegen.
64 Schließlich sei sein Recht auf rechtliches Gehör auch dadurch verletzt worden, dass man ihm eine förmliche Parteistellung vor dem AP
verweigert habe. Ihm selbst sei zu keinem Zeitpunkt eine Stellungnahmefrist eingeräumt worden. Soweit dem DLV eine solche Frist eingeräumt
worden sei, könne diese zum einen die ihm zustehenden Rechte nicht ersetzen, zum anderen sei auch dem DLV die vorgeschriebene Frist von
vier Wochen nicht eingeräumt worden. Durch das Schreiben des DLV vom 15.08.2000, bei seinem Prozessbevollmächtigten eingegangen am
17.08.2000, mit dem der DLV das Angebot übermittelt habe, innerhalb einer bis zum 05.09.2000 gesetzten Frist sich im Rahmen der
Klageerwiderung des DLV durch einen eigenen, in das Englische übersetzten Vortrag zu beteiligen, seien seine Rechte nicht ausreichend
gewahrt worden. Der Kläger selbst habe sich während des gesamten August 2000 im Trainingslager in St. Moritz/Schweiz aufgehalten. Sein
Prozessbevollmächtigter habe sich bis zum 22.08.2000 im Jahresurlaub befunden. Es sei daher schon organisatorisch nicht möglich gewesen,
bis zum 05.09. einen Vortrag mit dem Prozessbevollmächtigten des DLV, Rechtsanwalt Dr. E. aus Hamburg, abzustimmen. Die Fassung eines
eigenen Schriftsatzes unmittelbar an das AP habe man ausweislich des Inhalts des Schreibens vom 15.08.2000 dem Kläger nicht angeboten.
Ihm gegenüber habe man die vierwöchige Erwiderungsfrist der Regel 23 ebenso wenig eingehalten wie die zehntägige Frist zur Replik auf die
Erwiderung des DLV. Am 13.09.2000 habe der damalige Präsident des DLV Prof. Dr. D. dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten
unmissverständlich mitgeteilt, dass man auf keinen Fall deren Teilnahme an der Verhandlung wolle. Der Kläger sei daher am Abend des
13.09.2000 zurück ins Trainingslager nach Brisbane geflogen. Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers habe der damalige Präsident des DLV
am zweiten Verhandlungstag die Teilnahme untersagt. Erst am dritten Tag habe der DLV den Kläger aufgefordert, als Zeuge in eigener Sache
vor dem AP auszusagen.
65 Es sei dem Kläger schon grundsätzlich nicht zumutbar gewesen, sich eine Rechtswahrnehmung durch den DLV gefallen zu lassen, ohne selbst
Partei des Verfahrens zu sein. Aussagen unterschiedlicher Repräsentanten des DLV zufolge hätten diese noch wenige Tage vor der Anhörung
eine Verurteilung des Klägers verlangt. Eine die Rechte des Klägers verteidigende Haltung der Prozessvertreter des DLV in dem
Anhörungsverfahren sei daher unwahrscheinlich und auch unzureichend gewesen.
66 Bei dem Sperrverfahren in Sydney habe es sich um ein unzulässiges Sonderverfahren zu Lasten des Klägers gehandelt. In einem späteren
Verfahren gegen die Leichtathletin S. habe sich das AP des Beklagten zu seiner im Fall des Klägers vertretenen Rechtsauffassung in
Widerspruch gesetzt und festgestellt, dass die Athletin eine notwendige Partei mit zu achtenden Rechten sei, womit man dessen Anwesenheit bei
der Anhörung für erforderlich angesehen habe. Im Falle des Klägers sei es darum gegangen, das Verfahren unter Inkaufnahme von schweren
Verfahrensfehlern noch vor den Olympischen Spielen "durchzupeitschen".
67 Schließlich folge die Unwirksamkeit der Sperrentscheidung auch daraus, dass das AP die sog. Strict-Liability-Rule angewandt habe. Bereits die
Anklageschrift des Beklagten habe sich auf diese Regel berufen, nach welcher die Sperre eines Athleten auf bloßer Grundlage positiver
Dopingbefunde ohne die Möglichkeit eines Entlastungsbeweises bezüglich Handlung und Verschulden, ausgesprochen werden könne. Auch in
der angegriffenen Entscheidung selbst werde ausgeführt, dass sich der Kläger durch Unterwerfung unter das IAAF-Regelwerk der Strict-Liability-
Rule vertraglich unterstellt habe. Soweit das AP in der Begründung ausführe, die Strict-Liability-Rule sei vorliegend nicht angewendet worden,
handle es sich um ein bloßes Lippenbekenntnis. Der Beklagte habe nicht darlegen können, aufgrund welcher Tatsachen, Beweiserhebungen im
einzelnen und Würdigung solcher Beweise das AP zum Schluss gekommen sei, dass der Kläger schuldhaft einen Dopingverstoß begangen
habe. Dafür, dass auch im Falle des Klägers nach dem Strict-Liability-Grundsatz entschieden wurde, sprächen folgende Umstände:
68 -Bei sämtlichen Dopingfällen der Beklagten würden die Anklageschriften ausschließlich von der Strict-Liability-Rule ausgehen;
69 -sämtliche Mitglieder der Anti-Doping-Kommission der Beklagten hätten im vorliegenden Fall auf die unbedingt erforderliche Anwendung der
Strict-Liability-Rule hingewiesen;
70 -der IAAF-Council habe sich ohne weitere Befassung mit der umfangreich begründeten Entscheidung des RA des DLV und mit den
Verfahrensunterlagen der Auffassung der Anti-Doping-Kommission angeschlossen;
71 -eine tatsächliche Beweisaufnahme oder auch nur Beweiswürdigung der den Kläger entlastenden Umstände habe nicht stattgefunden und
wegen Nichtvorliegens der gesamten Verfahrensakten der nationalen Gerichtsbarkeit auch nicht stattfinden können.
72 Die geltend gemachten Ansprüche leitet der Kläger aus §§ 20, 33 GWB i.V.m. §§ 249 ff. BGB her, da es sich beim Beklagten um ein
marktbeherrschendes Unternehmen handle, von dem er als Anbieter von Sportleistungen am Markt abhängig sei. Darüber hinaus mache er aus
abgetretenem Recht auch Ansprüche der Firma B. P. GmbH geltend.
73 Dem Kläger bzw. der Firma B. P. GmbH sei bisher ein Schaden in Höhe von X DM entstanden. Aufgrund seiner Leistungsform kurz vor den
Olympischen Spielen gehe er davon aus, dass er, hätte er starten dürfen, voraussichtlich einen Medaillenplatz erreicht hätte. In diesem Fall hätte
er für nacholympische Fernsehauftritte X DM, für nacholympische Sonderwerbung X DM und für nacholympische Wettkämpfe Startgelder in Höhe
von X DM erzielen können. Darüber hinaus hätten seine Hauptsponsoren aufgrund der Sperrentscheidung des AP der Beklagten die Zahlung
der vereinbarten Gelder für das IV. Quartal 2000 in Höhe von X DM eingestellt. Schließlich hätte er in der Hallen- und Sommersaison 2001
Startgelder in Höhe von X DM realisieren können. Weitere Schäden seien angelegt und zu erwarten, und hierfür sei auch die nicht minder
rechtswidrige Verlängerung der Sperre bis 25.02.2003 ursächlich geworden. Die Schadensentwicklung sei bisher noch nicht abgeschlossen.
74 Der Kläger hat beantragt (Bl. 462 i.V.m. Bl. 378 v. 11.12.2001; frühere Anträge s. Bl. 2, 141, 368):
75 1. Die vom Beklagten am 18.09.2000 gegen den Kläger für den Zeitraum bis 21.01.2002 ausgesprochene Sperre wird aufgehoben.
76 2. Der Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft für jeden
einzelnen Fall der Zuwiderhandlung es zu unterlassen, auf Grundlage der Entscheidung seines Arbitration Panel vom 18.09.2000
Wettkampfteilnahmen des Klägers zu untersagen oder in sonstiger Weise zu beeinträchtigen.
77 3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger X DM zuzüglich 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
78 4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger sämtlichen über Klageantrag Ziff. 3 hinaus gehenden Schaden zu ersetzen hat, der diesem
und/oder der Firma B. P. GmbH mit Sitz in T. dadurch entstanden ist und noch entstehen wird, dass der Beklagte auf seiner Council-Sitzung vom
02.08.2000 seinen Arbitration Panel mit dem Ziel einer Wettkampfsperre des Klägers eingeschaltet und dieses dann den Kläger am 18.09.2000
tatsächlich gesperrt hat und er die Sperre des Klägers wegen dessen Teilnahme an den Deutschen Hallenmeisterschaften 2001 vom 25.02.2001
über 3.000 m bis zum 25.02.2003 verlängert hat.
79 In der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2002 hat der Kläger aufgrund der Umstände, dass der Beklagte Anfang Dezember 2001 auf die
Verlängerung der Sperre bis zum 25.02.2003 verzichtet hat und die "Grundsperre" seit 22.01.2002 ausgelaufen ist, die Klaganträge Ziff. 1 und 2
mit Kostenantrag zu Lasten des Beklagten für erledigt erklärt.
80 Der Beklagte hat sich - mit Kostenantrag zu Lasten des Klägers - den Erledigungserklärungen angeschlossen und hinsichtlich der bis zuletzt
aufrechterhaltenen Klageanträge beantragt,
81 die Klage abzuweisen.
82 Der Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei schon unzulässig, weil bereits drei Schiedsgerichte endgültig und abschließend über die
Rechtmäßigkeit der Wettkampfsperre entschieden hätten. Sowohl die Entscheidung des AP vom 18.09.2000 als auch die des Ad-hoc-
Schiedsgerichts des CAS vom 22.09.2000 stünden der Zulässigkeit gemäß § 1032 Abs. 1 S. 1 ZPO entgegen.
83 Davon unabhängig sei der Rechtsstreit nicht nach deutschem, sondern nach monegassischem Recht zu beurteilen. Der Beklagte sei ein
privatrechtlich organisierter Verband. Er sei zwar nicht von jedem staatlichen Recht unabhängig, unterstehe jedoch nicht dem deutschen Recht,
sondern nach der in Deutschland geltenden Sitztheorie dem Recht des Fürstentums Monaco. Nach diesem sei die Klage unbegründet. Die
Entscheidung des IAAF-AP entfalte gegenüber der hierarchisch niedriger angesiedelten Instanz, nämlich dem DLV-Rechtsausschuss,
Bindungswirkung, welche im Einzelfall nur noch aufgrund besonderer Umstände entfallen könne. Im vorliegenden Rechtsstreit sei insoweit die
rechtliche Bewertung der Bindungswirkung einer ausländischen Entscheidung, die monegassischem Recht unterliege, gegenüber einer
nationalen Entscheidung maßgeblich. Hierfür sei die Vorgabe des Art. 6 EGBGB der alleinige Prüfungsmaßstab. Nach Art. 6 EGBGB sei eine
Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führe, das mit wesentlichen Grundsätzen des
deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sei. Diese Vorbehaltsklausel nach Art. 6 EGBGB sei eng auszulegen. Eine Verletzung des ordre
public sei nur anzunehmen, wenn die Anwendung des ausländischen Rechts im konkreten Fall in einem krassen, untragbaren Widerspruch zu
grundlegenden deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen stünde. Die deutsche Rechtsordnung sei jedoch durch die vom AP des Beklagten
ausgesprochene Wettkampfsperre des Klägers nicht nachhaltig verletzt worden.
84 Die Entscheidungskompetenz des AP des Beklagten folge aus der Regel 21.3 b des IAAF-Regelwerks. Auch die Beweisregeln, die das AP in
Fällen wie dem vorliegenden anwende, stünden der deutschen Rechtsordnung nicht nachhaltig entgegen. Das AP habe vorliegend ein
differenziertes, zweistufiges Verfahren angewendet. Auf der ersten Stufe habe der Beklagte jenseits jeden berechtigten Zweifels nachweisen
müssen, dass der Kläger einen Dopingverstoß begangen habe. Dieser Beweis sei dem Beklagten durch die positiven A-Proben hinsichtlich
eines schuldhaften Dopingverstoßes im Wege des Anscheinsbeweises gelungen. In der zweiten Stufe könne dann der Athlet, also der Kläger,
den Gegenbeweis erbringen. Wenn der Athlet aufgrund seines Tatsachenvortrages darlegen könne, dass begründete Zweifel am
Anscheinsbeweis für den Dopingverstoß bestehen, sei er entlastet und werde nicht mit einer Wettkampfsperre belegt. Dieses sei dem Kläger
jedoch nicht gelungen. Das AP habe sich in der dreitägigen mündlichen Verhandlung und in der schriftlichen Entscheidung ausführlich mit den
vorliegenden Beweisen und Gutachten auseinandergesetzt. Es treffe nicht zu, dass man dem Kläger kein rechtliches Gehör gewährt habe. Er sei
zwar nicht förmlicher Verfahrensbeteiligter gewesen, habe aber seit 17.08.2000 Kenntnis davon gehabt, dass sein Dopingfall auf IAAF-Ebene
untersucht werde. Er habe demnach genügend Zeit gehabt, sich auf die mündliche Verhandlung vor dem AP vom 14. bis 16.09.2000
vorzubereiten. Der Kläger habe auch an der mündlichen Verhandlung teilgenommen und sei dort durch seinen Anwalt vertreten gewesen. Er
habe Gelegenheit gehabt, schriftlich und mündlich zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, habe Beweismittel vorlegen können und habe auch
dank einer eingerichteten Telefonleitung Gelegenheit gehabt, Zeugen in Deutschland vernehmen zu lassen. Das AP habe in keiner Weise
versucht, den Kläger in seiner Verteidigung zu beschränken oder Beweismittel zu unterdrücken, und es habe sich umfassend mit den
Argumenten des Klägers auseinandergesetzt.
85 Lediglich hilfsweise führt der Beklagte aus, dass die Klage auch nach deutschem Recht unbegründet sei.
86 Der Beklagte sei nicht marktbeherrschend im Sinne des § 20 GWB. Es fehle sowohl an einem Markt, auf dem Wettbewerbsverhältnisse
herrschen, als auch an der Verfolgung wirtschaftlicher Interessen durch den Beklagten. Der Beklagte verfolge in erster Linie nicht-wirtschaftliche,
d.h. gemeinnützige Zwecke. Der Kläger werde nicht unternehmerisch am kartellrechtlich relevanten Markt tätig.
87 Darüber hinaus fehle es aber auch an einer unbilligen Behinderung oder einer ungerechtfertigt unterschiedlichen Behandlung im Sinne des
GWB. Insoweit könne die Überprüfung der Wettkampfsperre im Rahmen des verfassungsrechtlich verankerten Selbstbestimmungsrechts von
Vereinen nach Art. 9 Abs. 1 GG selbst bei so gen. sozialmächtigen Verbänden nur eingeschränkt erfolgen. Die vom dem AP verhängte
Wettkampfsperre halte den von der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang entwickelten Prüfungskriterien stand. Der Kläger habe sich in der
Athletenvereinbarung 1999/2000 u.a. dem Regelwerk des Beklagten unterworfen. Für die Wettkampfsperre sei auch eine wirksame
Rechtsgrundlage in diesem Regelwerk gegeben. Nach der IAAF-Regel 21.3 b sei das AP im vorliegenden Fall berechtigt gewesen, trotz der
Entscheidung des DLV-Rechtsausschusses vom 13.07.2000 eine Sperre gegen den Kläger auszusprechen. Eine Kompetenzverlagerung auf
den nationalen Verband gebe es nicht. Die IAAF-Regel 58 betreffe schon nach ihrem klaren Wortlaut lediglich Dopingkontrollen, nicht aber das
Disziplinarverfahren bei Dopingverstößen. Allein aus der nationalen Zuständigkeit für die Dopingkontrolle eine ausschließliche Kompetenz auch
zur Durchführung eines Disziplinarverfahrens herzuleiten, sei abwegig. Aus der Ergänzung der Regel 59.2 im Februar 2000 könne nicht
geschlossen werden, dass vor der Ergänzung die gesamte Verfahrenshoheit ausschließlich beim nationalen Verband gelegen habe. Die
Ergänzung der Regel 59.2 betreffe lediglich Verfahren, die gemäß Regel 21.3 b vom Council des Beklagten an das AP zur Entscheidung
überwiesen worden seien.
88 Das Verfahren vor dem AP sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Fristsetzungen von Prof. V. in seinem Schreiben vom 12.08.2000 seien
lediglich Verfahrenshandlungen ohne materielle Wirkung gewesen. Im Übrigen seien diese Handlungen mit Schreiben vom 19.08.2000 durch
den Vorsitzenden dieses Verfahrens L. mit Schreiben vom 19.08.2000 wiederholt worden. Der Kläger habe auch ausreichendes rechtliches
Gehör in Anspruch nehmen können. Die Wahl des Verhandlungsortes Sydney sei für den Kläger nicht unzumutbar gewesen. Nach Abschluss
des Verfahrens hätte der Kläger noch genug Zeit gehabt, sich auf die Langstreckenläufe, die ab dem 27.09.2000 angesetzt gewesen seien,
vorzubereiten. Die Beweisaufnahme sei durch den Verhandlungsort nicht eingeschränkt gewesen. Den Verfahrensbeteiligten sei angeboten
worden, die entsprechenden Zeugen telefonisch oder per Videokonferenz zu befragen, wofür u.a. entsprechende Standleitungen vorgesehen
gewesen seien. Eine mündliche Vernehmung der Zeugen sei nicht notwendig gewesen, weil die entsprechenden Aussagen dem AP sämtlich
schriftlich vorgelegen hätten. Die IAAF-Regel 23.6 sei nicht verletzt worden. Mit Schreiben des Beklagten vom 07.09.2000 habe man dem Kläger
eine parteiähnliche Stellung zugebilligt. Er habe die Möglichkeit gehabt, sämtliche im Prozess verwendeten Beweismittel über den DLV als
Verfahrenspartei vor dem AP einzusehen. Dies gelte auch für das Gutachten von Prof. Dr. H. sowie die schriftliche Zeugenaussage des
Dopingkontrolleurs W. Dieses Verfahren entspreche der Üblichkeit. Allein darin, dass der Kläger nicht förmliche Partei des Verfahrens gewesen
sei, könne kein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Sinne des ordre public gesehen werden. Entscheidend sei, dass dem
Kläger im konkreten Fall Mittel der Einflussnahme auf das Verfahren zur Verfügung gestanden hätten. Er sei durch das Schreiben des DLV vom
15.08.2000 über das Verfahren und den Verhandlungstermin informiert gewesen. Es müsse allein dem Kläger zugerechnet werden, wenn dieser
- obwohl ihm ein Verfahren drohe, das aus seiner Sicht ungerecht sei - dennoch nicht bereit gewesen sei, sich in das Verfahren einzuschalten.
Abstimmungsprobleme zwischen dem DLV und dem Kläger bezüglich des Prozessverlaufes bzw. der Prozesstaktik seien für die Rechtmäßigkeit
des Verfahrens vor dem AP ohne Relevanz. Der DLV habe dem Kläger nicht vorschreiben können, ob und, wenn ja, wie er an dem Verfahren
teilnehme. Der Beklagte habe dem Kläger durch das Schreiben vom 07.09.2000 eine umfassende Anhörung angeboten. Es habe sich weder um
ein unzulässiges Sonderverfahren zu Lasten des Klägers gehandelt noch sei die Strict-Liability-Rule angewendet worden.
89 Auch an der Fehlerfreiheit der Tatsachenermittlung bestünden keine Bedenken. Die Tatsachenermittlung sei sehr gründlich durch den DLV-
Rechtsausschuss durchgeführt worden. Auf dieser Grundlage habe das AP entschieden.
90 Angesichts des Dopingverstoßes des Klägers sei eine Wettkampfsperre von zwei Jahren nicht unbillig. Eine derartige Sperre sei im Hinblick auf
die Notwendigkeit eines konsequenten Vorgehens des Beklagten gegen Dopingverstöße zur Sicherstellung eines geordneten Sport- und
Wettkampfbetriebes sowie der Gleichbehandlung aller Sportler und dem Ansehen des Sportes erforderlich.
91 Bezüglich des geltend gemachten Schadensersatzes ist der Beklagte der Auffassung, dass es insoweit schon an der Kausalität zwischen der
angeblich schädigenden Handlung und dem angeblichen Schaden fehle. Für den behaupteten Schaden sei nicht ein Verhalten des Beklagten
verantwortlich, sondern allein der Dopingverstoß des Klägers. Sämtliche gegenwärtigen und künftigen Schadenspositionen seien zu bestreiten.
Im Übrigen habe der Kläger den bezifferten Schaden nicht durch Urkunden belegt und den noch nicht bezifferten Schaden lediglich pauschal
behauptet. Diverse Einnahmen, die im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen seien, lasse der Kläger außer Ansatz.
92 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und beigezogenen Akten (17 O 460/00, 17 O 40/01 = 2
W 11/01, 17 O 104/01) sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 18.09.2000 (Bl. 283 bis 285) und 07.03.2002 (Bl. 460 bis 462)
verwiesen.
93 Den im Laufe des Verfahrens gestellten Verfügungsantrag 17 O 327/01 (Verbot, dem Kläger künftige Wettkampfteilnahmen nach dem 21.01.2002
zu untersagen) haben die Parteien nach dem Anfang Dezember 2001 erfolgten Verzicht des Beklagten auf die Sperrverlängerung für erledigt
erklärt und sich über die Kosten verglichen.
Entscheidungsgründe
94
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
I.
95
Zulässigkeit der Klage:
96
1.Das Landgericht Stuttgart ist international und örtlich zuständig.
97
a) Das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (EuGVÜ), das Regelungen der
internationalen Zuständigkeit für Vertragsstaaten enthält, ist vorliegend mit seinem Art. 5 Nr. 3 nicht heranzuziehen, da der beklagte Verband
seinen Sitz in Monaco hat, das kein Vertragsstaat ist. Aus der Nichtanwendbarkeit des EuGVÜ folgt weiter, dass sich der internationale
Gerichtsstand nach deutschem Recht richtet, so dass das örtlich zuständige Gericht auch international zuständig ist (so auch OLG München,
SpuRt 1996, 133, 136; s. auch Pfister, Hdb. d. Sportrechts, S. 461 Rz. 89 bei FN 270)).
98
b) Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgart folgt aus dem besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO.
Der Kläger macht Ansprüche aus Verstoß gegen kartellrechtliche Bestimmungen (§§ 20, 33 GWB) aus eigenem und abgetretenem Recht
geltend. Er legt insoweit dar, dass der Beklagte ein marktbeherrschendes Unternehmen im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB sei. Unternehmen im
Sinne dieser Vorschrift seien nicht nur Wirtschaftsunternehmen im landläufigen Sinne, sondern all diejenigen, die im Sinne des für das
Kartellrecht geltenden funktionellen Unternehmensbegriffs aktiv am Wirtschaftsleben teilnehmen. Daher seien auch Vereine Unternehmen,
soweit sie wirtschaftliche Tätigkeiten entfalten würden. Der Beklagte sei als Organisator internationaler Sportveranstaltungen auf dem Gebiet
der Leichtathletik ausschließlich und alleine tätig, wobei er vor allem wirtschaftliche Interessen vertrete, die sich in der Vergabe von
Fernsehrechten und Sponsorenverträgen etc. deutlich zeigen würden. Er sei auch marktbeherrschend, da er im internationalen Wettbewerb als
alleinige "Autorität" in der Leichtathletik auftrete und aufgrund des sog. "Ein-Platz-Prinzips" eine Monopolstellung ohne Wettbewerber inne
habe. Der Kläger sei gleichfalls ein Unternehmen im Sinne des GWB, da er seine Leistungen als Spitzensportler auf dem Markt der
Sportveranstaltungen selbst und über die Firma B. P. GmbH anbiete und Einkommen hieraus erziele. Die Sperre stelle eine unbillige
Behinderung dar, weil sie ohne Rechtsgrundlage ergangen sei und unter elementaren Verfahrensfehlern leide.
99
Die hiergegen gerichteten Einwände des Beklagten, es fehle sowohl an einer Marktbeherrschung als auch an einer wirtschaftlichen Betätigung,
stehen unabhängig von der Frage ihrer Begründetheit der Schlüssigkeit des Vorwurfs der unbilligen Behinderung nicht entgegen.
100 Begehungsort im Sinne des § 32 ZPO ist jeder Ort, an dem auch nur eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale verwirklicht worden ist. Das
ist bei Begehungsdelikten neben dem Ort, an dem der Täter gehandelt hat, auch der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen
wurde (sog. Erfolgsort; BGHZ 124, 245). Sowohl der Kläger als auch die Firma B. P. GmbH haben ihren Wohn- bzw. Firmensitz in T., die
Wettkampf sperrende Wirkung als tatbestandlicher Erfolg der angegriffenen Entscheidung des AP des Beklagten ist mithin im
Zuständigkeitsbezirk des Landgerichts Stuttgart (§ 87, 89 GWB i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 2 ZuVOJu vom 20.11.1998) eingetreten.
101 2.Der Zulässigkeit der Klage stehen auch weder die angegriffene Entscheidung des AP des Beklagten vom 18.09.2000 noch die Entscheidung
des Ad-hoc-Schiedsgerichts des CAS vom 22.09.2000 entgegen.
102 a) Die - vom Beklagten zwar erhobene - Einrede der Schiedsvereinbarung gemäß § 1032 ZPO kann vorliegend schon deshalb nicht
durchgreifen, da die geltend gemachten Schiedsverfahren vor dem AP der Beklagten und dem Ad-hoc-CAS bereits abgeschlossen sind. In
diesen Fällen tritt an die Stelle der Einrede des Schiedsvertrages die Einrede der entgegenstehenden Rechtskraft (§ 1055 ZPO; Zöller-Geimer,
ZPO, 22. Aufl., § 1032 Rz. 19; Maier, Handbuch der Schiedsgerichtsbarkeit, 1979, Rz. 253).
103 b) Die Rechtskraft der Entscheidung des AP vom 18.09.2000 steht der Zulässigkeit der Klage jedoch nicht entgegen.
104 Dabei kann es dahinstehen, dass nach Auffassung der Kammer nach deutschem Recht, das hier gemäß Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB
anzuwenden ist, eine verbandsinterne Gerichtsbarkeit grundsätzlich keine Schiedsgerichtsbarkeit im Sinne der § 1025 ZPO darstellt, die den
Kläger binden und der Anrufung des staatlichen Gerichts entgegenstehen würde (vgl. BGH NJW 95, 587). Denn es fehlt vorliegend jedenfalls
an den Voraussetzungen der materiellen Rechtskraft. Die materielle Rechtskraft eines Urteils bedeutet Bindung der Gerichte an die
Entscheidung in einem späteren Prozess zwischen den Parteien und hat die Wirkung, dass über den rechtskräftig entschiedenen Streit keine
neue Verhandlung und Entscheidung zulässig ist, jedenfalls aber keine abweichende Entscheidung. Nichts anderes gilt für den Schiedsspruch,
welcher gemäß § 1055 ZPO die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils hat.
105 In persönlicher Hinsicht wirkt gemäß § 1055 ZPO die Rechtskraft des Schiedsspruchs jedoch nur zwischen den Parteien. Der Kläger war aber -
was zwischen den Parteien insoweit unstreitig ist - nicht förmliche Partei des Verfahrens vor dem AP, so dass eine unmittelbare
Bindungswirkung bereits aus formalen Gründen ausscheidet. Eine Erstreckung der Bindungswirkung der Entscheidung des AP begegnet
unabhängig von dem formalen Aspekt auch deshalb durchgreifenden Bedenken, da andernfalls Athleten wie der Kläger
Disziplinarentscheidungen der Verbandsgerichtsbarkeit trotz massivster Auswirkungen für den Athleten schutzlos gegenüberstehen würden.
Eine solche Schutzlosstellung eines nicht am Verbandsgerichtsverfahren unmittelbar Beteiligten ist selbst unter Berücksichtigung der
verfassungsrechtlich geschützten Vereinsautonomie nicht hinzunehmen. Eine - theoretisch mögliche - Erstreckung der subjektiven Grenze der
Rechtskraft auf den Kläger (s. dazu auch Zöller-Geimer a.a.O., § 1055 Rz. 7) kommt hier mangels dessen Zustimmung nicht in Betracht.
106 c) Auch die Entscheidung des Ad-hoc-CAS vom 22.09.2002 entfaltet keine Bindungswirkung für den vorliegenden Rechtsstreit, da sie einen
anderen Streitgegenstand betrifft. Sowohl die dem Schiedsspruch (K 6) zugrunde liegende Schiedsvereinbarung (B 13 b) als auch der
Schiedsspruch selbst beziehen sich nur auf Sachverhalte im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen. Dementsprechend hat der
Prozessbevollmächtigte des Klägers das Ad-hoc-CAS auch lediglich mit dem Antrag angerufen, festzustellen, dass die vom AP
ausgesprochene Sperre im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2000 in Sydney unwirksam sei und die Zulassung zu den Spielen nicht
berühre. Auch das Ad-hoc-CAS selbst ging entgegen der Formulierung des Antrages des Klägers unter Ziff. 1.2.1 seiner Einleitung (die
Entscheidung der IAAF vom 18.09.2000 aufzuheben) in den schriftlichen Entscheidungsgründen davon aus, dass Streitgegenstand vor ihm die
Frage sei, "ob der Entzug der Akkreditierung begründet ist oder nicht" (Ziff. 4.2.1). Der Kläger hat, wie das Ad-hoc-CAS ausführt, sich in dem
Anmeldeformular zu den Olympischen Spielen damit einverstanden erklärt, dass jeder Streitfall in Verbindung mit den Olympischen Spielen
nach Ausschöpfung der zulässigen Rechtsmittel ausschließlich dem nationalen Sportschiedsgericht (CAS) zur endgültigen bindenden
Schlichtung vorgelegt werden muss. Bezüglich Streitigkeiten, die in Verbindung mit den Olympischen Spielen stehen, hat er in dem
Anmeldeformular auf jedes Recht verzichtet, diese im Verfahren vor einem staatlichen Gericht anhängig zu machen.
107 Betraf der Schiedsspruch aber ausweislich dieser einschränkenden Unterwerfung nur die Frage der Rechtswirksamkeit der Sperre vom
18.09.2000 im Zusammenhang mit der Startberechtigung bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney, steht er einer Anrufung eines
staatlichen Gerichts wegen darüber hinausgehender Folgen der Sperre nicht entgegen.
108 Im Übrigen fehlt es auch bezüglich des Schiedsspruchs vom 22.09.2001 an der beiderseitigen Parteistellung. Zwar wird der Beklagte formell als
Partei des Schiedsverfahrens aufgeführt. Da der Beklagte in dem Schiedsverfahren jedoch die Auffassung vertreten hat, er sei dem
Schiedsspruch des Ad-hoc-CAS nicht unterworfen, haben sich seine Vertreter in der Verhandlung am 20.09.200 zurückgezogen und waren nur
noch als "Beobachter" anwesend (Ziff. 4.1.1 der Schiedsspruchsbegründung).
109 3.Bezüglich des Klageantrages Ziff. 4 steht dem Kläger das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) zur Seite.
110 Der Kläger begehrt mit diesem Antrag Feststellung der Verpflichtung des Beklagten, ihm sämtlichen über Klageantrag Ziff. 3 hinausgehenden
Schaden zu ersetzen, der ihm und/oder der Firma B. P. GmbH zum einen durch die Sperre vom 18.09.2000, zum anderen durch die
Sperrverlängerung infolge seiner Teilnahme an den Deutschen Hallenmeisterschaften am 25.02.2001 entstanden ist oder entstehen wird.
111 Der Kläger macht hierzu geltend, dass die Folgen der Sperrentscheidung und deren Verlängerung durch den Beklagten noch nicht
abschließend beurteilbar seien und sich die Schadensentwicklung noch im Fluss befinde. Damit hat der Kläger die nicht eben fern liegende
Möglichkeit künftiger Verwirklichung einer Schadensersatzpflicht des Beklagten durch das Auftreten weiterer Schäden ausreichend dargelegt
(vgl. BGH NJW 1991, 2707; BGH NJW 1998, 160).
II.
112 Die Klage ist sowohl hinsichtlich des Klageantrages Ziff. 3 als auch bezüglich des Feststellungsantrages Ziff. 4, soweit er sich auf die
Sperrentscheidung vom 18.09.2000 bezieht, unbegründet, da der begehrte Schadensersatzanspruch bereits dem Grunde nach nicht besteht.
113 Zwar handelt es sich bei dem Beklagten als alleinigem Welt-Leichtathletikverband um ein marktbeherrschendes Unternehmen und bei dem
Kläger, der als Berufssportler seine sportlichen Fähigkeiten vielfältig vermarktet, um ein Unternehmen im Sinne des § 20 GWB. Die vom AP des
Beklagten ausgesprochene Wettkampfsperre bis zum 21.01.2002 war jedoch unter Beachtung des für ihre Überprüfung durch das staatliche
Gericht geltenden eingeschränkten Maßstabes nicht rechtswidrig und hat den Kläger daher nicht unbillig im Sinne des GWB behindert.
114 Bei der vorliegend angegriffenen Sperrentscheidung des AP des Beklagten handelt es sich um eine Entscheidung eines Verbandsgerichts, d.h.
eines verbandsinternen Organs, dem in Ausübung der autonomen Verbänden zustehenden Befugnis zur inneren Selbstorganisation die
Zuständigkeit zur Entscheidung über die Verhängung von Ordnungsmaßnahmen gegenüber der Verbandsstrafgewalt unterworfenen Personen
zugewiesen ist. Von einem solchen Verbandsorgan verhängte Sanktionen sind nicht Entscheidungen einer externen Schiedsgerichtsbarkeit,
sondern eigene Disziplinarmaßnahmen des betreffenden Verbandes selbst. Gegenüber solchen Disziplinarentscheidungen der Vereins- oder
Verbandsgerichtsbarkeit wird der gebotene Rechtsschutz des der Verbandsgewalt unterworfenen Personenkreises unter gleichzeitiger
Respektierung des Selbstbestimmungsrechtes privater autonomer Verbände nach ständiger Rechtsprechung dadurch gewährleistet, dass die
ordentlichen Gerichte die Entscheidung auf ihre Begründetheit im Gesetz und in wirksamen - ihrerseits der Inhaltskontrolle auf ihre
Angemessenheit unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben unterliegenden - Bestimmungen des maßgeblichen verbandsinternen
Regelwerkes kontrollieren und auf Einhaltung eines elementaren, rechtsstaatliche Normen und die eigene Verfahrensordnung des Verbandes
einhaltenden Verfahrens, auf Fehlerfreiheit der Tatsachenermittlungen sowie bei sozialmächtigen Verbänden wie dem Beklagten auf ihre
Billigkeit überprüfen (BGHZ 102,265; BGHZ 128,93 = NJW 95, 583, 587 = SpuRt 1995, 43; BGH NJW 1997, 3368; s. auch MK-Reuter, BGB, 3.
Aufl.; § 25 Rz. 35 ff).
115 Unter Zugrundelegung dieses vom BGH aaO. im sog. "Reiterfall" vorgegebenen Prüfungsmaßstabes ist nach Auffassung der Kammer die
Entscheidung des AP des Beklagten vom 18.09.2000 nicht zu beanstanden.
116 1.Die Ordnungsgewalt des Beklagten erstreckt sich auf den Kläger.
117 a) Zum Zeitpunkt der der Sperrentscheidung des AP zugrunde liegenden Trainingskontrollen, bei denen die positiv getesteten Urinproben des
Klägers genommen wurden, war dieser Mitglied im TSV B. L., welcher seinerseits DLV-Mitglied war. Der DLV war wiederum als nationaler
Leichtathletikverband Mitglied des beklagten internationalen Verbandes. Der Kläger, der seit Jahren zu den international leistungsstärksten
Athleten in seiner Disziplin gehört, startete in der Vergangenheit immer wieder bei vom Beklagten ausgerichteten und organisierten
Wettkampfveranstaltungen. Obwohl der Kläger nicht direktes Mitglied des beklagten Verbandes, dessen Mitglieder im Übrigen ausschließlich
nationale Sportverbände und keine natürlichen Personen sind, hat er sich bereits durch die wiederholte Teilnahme an internationalen
Wettkämpfen der Ordnungsgewalt des Beklagten unterworfen. Es entspricht allgemeiner Üblichkeit, dass die Regeln, denen sich der
Teilnehmer an sportlichen Wettkämpfen zu unterwerfen hat, in weitgehend standardisierten Sport- und Wettkampfordnungen der für die
betreffende Sportart zuständigen Spitzenverbände festgelegt sind, die nicht nur diese selbst, sondern auch die ihnen angeschlossenen
Verbände und Vereine den von ihnen ausgeschriebenen und organisierten Wettkämpfen zugrunde legen. Die in derartigen Ordnungen
enthaltenen Regeln haben sich aus der Eigenart des Sportes im allgemeinen und der betreffenden Sportart im besonderen heraus entwickelt.
Sie dienen vor allem der Gewährleistung der körperlichen Integrität der Teilnehmer, der Regelung von Klassifikations- und Qualifikationsfragen,
der Herstellung gleicher Start- und Wettkampfbedingungen, dem Ansehen der jeweiligen Sportart in der Öffentlichkeit und der Sicherstellung
der organisatorischen Durchführung eines geregelten Sport- und Wettkampfbetriebes. Ohne derartige sportliche Regelungen und ihre
Durchsetzung wäre ein geordneter Sport- und Wettkampfbetrieb undenkbar. Auf die Existenz derartiger Regelungen ist deshalb der Sport in
seiner Gesamtheit wie jeder einzelne, der am organisierten Sportbetrieb aktiv teilhaben will, unumgänglich angewiesen. Hierbei steht es auch
außer Frage, dass Regeln der bezeichneten Art nicht ohne Bestimmungen auskommen können, die ihre Durchsetzung sichern sollen und zu
diesem Zweck Sanktionen für den Fall ihrer Nichtbeachtung androhen. Besonders deutlich wird dieses Erfordernis im hier vorliegenden Bereich
der Dopingvergehen, welche im Interesse der Gesundheit der einzelnen Sportler, der Chancengleichheit und des Ansehens des Sports in der
Öffentlichkeit empfindliche Sanktionen nach sich ziehen müssen, da im Hinblick auf die fortschreitende Kommerzialisierung des Spitzensportes
mit einer freiwilligen Einhaltung der Dopingordnungen nicht zu rechnen ist.
118 Vor diesem Hintergrund geht jeder aktive Sportler ohne weiteres davon aus, dass für den von ihm ausgeübten Sport von dem zuständigen
Verband aufgestellte schriftliche Regelungen gelten, die von allen Teilnehmern an organisierten Sportveranstaltungen gleichermaßen zu
beachten sind. Dies schließt selbstverständlich ein, dass er die Regeln und die an Regelverstöße geknüpften Sanktionen als für sich verbindlich
anerkennt. Die eigene Unterwerfung unter die maßgebliche Sportordnung einschließlich der darin für Regelverstöße vorgesehenen
Ordnungsstrafmaßnahmen ist mithin nichts anderes als das Spiegelbild der von ihm erwarteten Bindung auch aller anderen Teilnehmer an
eben jene Regelwerke (BGH NJW 95, 583, 584). Den Grundsatz der Unterworfenheit unter die Verbandsgewalt hat der BGH im "Reiterurteil"
gerade für außenstehende Sportler ausgesprochen. Aus ihm ergibt sich, dass der Geltungsanspruch der Sanktionsgewalt aus der
Sportausübung selber und den sie prägenden Gegebenheit folgt. Dieser Geltungsanspruch führt zu einem mitgliedschaftsähnlichem
Rechtsverhältnis.
119 Diese Grundsätze können aber nicht jeweils isoliert für einen Wettkampf gelten. Andernfalls wäre gerade im Bereich der Dopingbekämpfung
eine effektive Sicherstellung der dargelegten Regelungszwecke nicht möglich. Spitzensportler wie der Kläger, die wiederholt an internationalen
Wettkämpfen teilnehmen, unterwerfen sich daher selbstverständlich auch in wettkampffreien Zeiten dem internationalen Regelwerk, vorliegend
den internationalen Wettkampfbedingungen (IWB), die mit den IAAF-Rules identisch und vom internationalen Verband für verbindlich anerkannt
worden sind.
120 b) Davon abgesehen hat der Kläger aber das Regelwerk des Beklagten auch durch die Unterzeichnung der Athletenvereinbarung 1999/2000
(K 16) ausdrücklich anerkannt. Zwar handelt es sich hierbei lediglich um eine Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem DLV, gleichwohl hat
sich der Kläger hierdurch auch der Ordnungsgewalt des Beklagten unterworfen. Gegenteiliges würde der historisch gewachsenen
Organisationsform des internationalen Sports, dessen Verbände nahezu ausnahmslos keine Mitgliedschaften einzelner natürlicher Personen
zulassen, widersprechen. Diese Organisationsform, die auch auf den Beklagten zutrifft (vgl. Regel 2 IAAF-Rules), setzt geradezu
denknotwendig voraus, dass die Athleten über ihre nationalen Verbände an das Regelwerk des internationalen Verbandes gebunden werden.
Eine ausdrückliche Vereinbarung zwischen Athleten und internationalem Verband ist daneben nicht erforderlich.
121 Nach Ziff. 2 S.1 der DLV-Athletenvereinbarung ist der Athlet neben der DLV-Satzung auch an die IAAF-Regeln (IWB) gebunden. Die DLV-
Satzung enthält ihrerseits die IAAF-Regeln. Daher kann, entgegen der auf die Rangfolgenregelung gestützten Ansicht des Klägers, kein Fall der
Abweichung beider Regelwerke vorliegen. Der Kläger kann daher nicht geltend machen, dass nach der Rangfolge die DLV-Regeln vorgehen
würden. Insbesondere geht somit § 6 der Rechts- und Verfahrensordnung des DLV nicht vor, in welchem die Entscheidung des RA des DLV für
unanfechtbar erklärt wird.
122 c) Ist der Kläger schon aus dem vorstehend Dargelegten der Ordnungsgewalt des Beklagten unterworfen, kann es dahinstehen, ob er - was er
bestreitet - im Zusammenhang mit der Aufnahme in den "IAAF-Elite-Athlets-Club" eine Deklaration unterzeichnet hat, dass er "zu allen Zeiten
und in jeder Hinsicht die IAAF-Regeln und Regularien einhalten" wird.
123 2.Für die ausgesprochene Sperre findet sich im Regelwerk des Beklagten, dem sich der Kläger wie dargelegt unterworfen hat, eine Grundlage.
Entgegen der Ansicht des Klägers fehlt dem Beklagten die in Anspruch genommene Aufgreifkompetenz nicht.
124 Der Beklagte war aufgrund Regel 59.4 in Verbindung mit 60.2 und 21.3 b der IWB berechtigt, den Kläger durch sein AP für zwei Jahre für den
Wettkampfbetrieb zu sperren. Gemäß Regel 59.4 S. 4 IWB war er auch berechtigt, Leistungen, die der Kläger in der Zeit nach der Probenahme
erzielt hat, zu annullieren.
125 a) Das Disziplinarverfahren bei Dopingverstößen ist in Regel 59 in sechs Absätzen geregelt und einem dreistufigen System unterworfen:
Suspendierung, Anhörung und Entzug der Zulassung. Dieser dreistufige Verfahrensablauf ist in Regel 59.1 vorangestellt, in den Regeln 59.2
bis 59.4 finden sich jeweils detaillierte Regelungen für die jeweilige Stufe des vorgesehenen Disziplinarverfahrens. So regelt Abs. 2 die
Suspendierungsbefugnisse, Abs. 3 die Anhörung und Abs. 4 die abschließende Rechtsfolge eines Dopingverstoßes, nämlich die öffentliche
Verwarnung oder die Nichtzulassungserklärung.
126 Bei der Kompetenz zur Suspendierung des positiv getesteten Athleten unterscheidet die Regel 59.2 danach, in wessen Verantwortlichkeit die
Dopingkontrolle vorgenommen worden ist. Bei einer Dopingkontrolle in der Verantwortlichkeit des Beklagten wird die Suspendierung vom
Beklagten ausgesprochen (Satz 2), bei einer Kontrolle im Verantwortlichkeitsbereich des Mitgliedsverbandes vom nationalen Verband (S. 3).
Die Zuständigkeiten für Dopingkontrollen sind in Regel 58 geregelt.
127 In Abs. 3 der Regel 59 ist bestimmt, dass jeder Athlet das Recht hat, angehört zu werden. Diese Anhörung erfolgt - ohne Unterscheidung, in
wessen Verantwortlichkeit die Dopingkontrolle durchgeführt wurde -, vor dem nationalen Verbandsgericht.
128 Schließlich regelt 59.4, dass der Athlet, der einen Dopingverstoß begangen hat öffentlich verwarnt oder für nicht zugelassen erklärt wird, wenn
sich der Verstoß nach der Anhörung bestätigt oder der Athlet auf sein Anhörungsrecht verzichtet hat. Eine Zuständigkeitsverteilung nach
Verantwortlichkeiten für die durchgeführte Dopingkontrolle wie in Abs. 2, erfolgt in Regel 59.4 nicht.
129 Ist somit lediglich für die Suspendierungsbefugnisse eine Verteilung der Zuständigkeiten geregelt, folgt für die Kammer im Umkehrschluss, dass
das Regelwerk hinsichtlich der abschließenden Disziplinarmaßnahme wegen eines Dopingverstoßes von einer Sperrkompetenz des Beklagten
ausgeht, auch wenn die Dopingkontrolle im Verantwortlichkeitsbereich des nationalen Verbandes vorgenommen worden ist. Eine international
effektive und konsequente Dopingbekämpfung wird auch kein anderes Ergebnis rechtfertigen können. Würde es der internationale Verband
abschließend den nationalen Verbänden überlassen, über einen Teil der Dopingverstöße ausschließlich und abschließend zu entscheiden,
wäre eine international einheitliche, konsequente und nachhaltige Dopingverfolgung nicht möglich. Es bestünde die große Gefahr, dass der
nationale Verband, der ja in der Regel ein Interesse an Spitzenleistungen seiner Athleten bei internationalen Wettkämpfen hat, sich sehr schnell
von der Unschuld des Athleten überzeugen lassen könnte. Wie die diesbezüglichen Erfahrungen bei den Staaten des ehemaligen Warschauer
Paktes und in anderen kommunistischen Staaten gezeigt haben, ist keineswegs gewährleistet, dass sämtliche Mitgliedsverbände des
Beklagten bezüglich ihrer Athleten eine konsequente Dopingbekämpfung vornehmen. Vor diesem Hintergrund kann und wird sich der
internationale Verband nicht die Kompetenz nehmen lassen, auch bei Dopingkontrollen im Verantwortlichkeitsbereich der nationalen Verbände
Wettkampfsperren auszusprechen. Selbstverständlich bleibt es bei der gewählten Regelung des Disziplinarverfahrens dem Beklagten
unbenommen, zunächst den Abschluss des nationalen Verfahrens abzuwarten und lediglich dann, wenn er das Ergebnis für falsch hält, das
Disziplinarverfahren von sich aus aufzugreifen.
130 b) Diese Interpretation der Regel 59 wird auch durch weitere Regelungen in den IWB unterstützt.
131 An erster Stelle ist insoweit die Regelung 21.3 b zu nennen, die gerade für die geschilderten Fälle (wie auch den vorliegenden) vorsieht, dass
solche dem AP des Beklagten unterbreitet werden können. Freilich wäre auch denkbar, dass es bei einer solchen Vorlage gemäß Regel 21.3 b
um eine Sanktionierung gegenüber einem nationalen Verband gehen soll, der nach Auffassung der IAAF schuldhaft eine falsche
Schlussfolgerung gezogen hat. Gegen eine solche Auslegung, die hier der Kläger vertritt, spricht jedoch neben den bereits dargelegten
Gründen einer international einheitlichen Drogenbekämpfung auch der Wortlaut der Regel 21.3 b. Dieser stellt darauf ab, dass der
Mitgliedsverband sich bei der aus der Anhörung gezogenen Schlussfolgerung geirrt oder auf andere Weise eine falsche Schlussfolgerung
gezogen hat. Eine solche Formulierung lässt es eher fern liegen, dass im Rahmen des 21.3 b Sanktionen gegen Mitgliedsverbände
ausgesprochen werden sollen, da es insoweit am notwendigen Verschuldenselement fehlt. Im Übrigen geht die Regel 20 der IWB davon aus,
dass derartige Sanktionen nicht von dem AP, sondern vom Council verhängt werden.
132 c) Weiter spricht auch Regel 59.2 für die vorgenommene Interpretation des Regelwerkes. Und dies gilt gerade auch in Berücksichtigung
dessen, dass ihr erst im Februar 2000 ihr jetziger Schlusssatz (Satz 5) hinzugefügt worden ist. Denn obwohl hier grundsätzlich die geschilderte
Kompetenzverteilung nach der Durchführung der Dopingkontrolle erfolgt, bleibt es der IAAF schon nach der alten Fassung unbenommen, eine
Suspendierung des positiv getesteten Athleten auszusprechen, wenn es der nationale Verband nach Auffassung der IAAF versäumt hat (Satz
4). Auch hier geht das Regelwerk offenbar davon aus, dass es nicht allein dem nationalen Verband überlassen wird, das Disziplinarverfahren
korrekt durchzuführen. Dem Beklagten wird eine Art Aufgreif- oder Einschreitenskompetenz eingeräumt. Eine derartige Aufgreif- oder
Einschreitenskompetenz ist dem deutschen Recht auch nicht fremd. So stehen den verwaltungsrechtlichen Aufsichtsbehörden unter bestimmten
Voraussetzungen im Wege der Rechts- oder Fachaufsicht vergleichbare Kompetenzen zu.
133 Schließlich wird die von der Kammer vorgenommene Interpretation der Regel 59 auch durch deren im Februar 2000 erfolgte Ergänzung in Abs.
2 Satz 5 unterstützt. Unabhängig davon, ob diese Ergänzung wirksam in das Regelwerk eingefügt wurde, was von dem Kläger in Zweifel
gezogen wird, geht auch sie davon aus, dass nach einem abgeschlossenen nationalen Verfahren der Beklagte das Verfahren aufgreifen und
gemäß Regel 21.3 b seinem AP vorlegen kann. Mit dem neuen Satz 5 der Regel 59.2 wird lediglich klargestellt, dass der Beklagte auch nach
einer Wiederzulassung des Athleten durch den nationalen Verband eine Suspendierung vornehmen kann, wenn er das Verfahren nach Regel
21.3 b aufgreift. Ob dies schon aufgrund des alten 59.2 Satz 4 möglich gewesen wäre, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, da - wie
dargelegt - die Regel 59.2 lediglich die Zuständigkeitsverteilung auf der Stufe der Suspendierung betrifft. Dies ist aber vorliegend nicht
Streitgegenstand.
134 d) Die Zuständigkeitsregelung der Regel 58 steht der vorgenannten Auslegung nicht entgegen. Diese regelt nach ihrem eindeutigen Wortlaut
lediglich die Verantwortlichkeit für Dopingkontrollen, nicht für das Disziplinarverfahren. Allein für die Zuständigkeit in Suspendierungsfragen
wird auf die Zuständigkeit für die Durchführung der Dopingkontrollen in Regel 59.2 abgestellt. Auch die vom Kläger insoweit weiter aufgeführten
Regelungen 20.2 c und 20.6 betreffen lediglich das Suspendierungsrecht, nicht aber eine umfassende ausschließliche Kompetenzzuweisung
an den nationalen Verband.
135 Auf § 6 der Rechts- und Verfahrensordnung (RVO) des DLV, welcher bestimmt, dass der Rechtsausschuss des DLV in erster und letzter Instanz
zuständig ist, kann sich der Kläger im Verhältnis zum Beklagten nicht berufen. Durch nationale Satzungen kann ein Disziplinarverfahren des
Beklagten gegenüber Athleten, die seiner Ordnungsgewalt unterstehen, eben diese nicht ausgeschlossen werden. Insoweit kann, abgesehen
vom Fehlverständnis des Klägers zur Rangfolgenordnung der Athletenvereinbarung (s.o. III. 1 b), auf die vorstehenden Erwägungen verwiesen
werden.
136 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Beklagte durch die Entscheidung des RA des DLV vom 13.07.2000 nicht gehindert war, ein
eigenes Disziplinarverfahren gegen den Kläger aufgrund der positiven Dopingkontrollen vom 18.10. und 12.11.1999 durchzuführen. Die
Gesamtschau der einschlägigen Bestimmungen des Regelwerkes ergibt, dass der Beklagte den Fall des Klägers trotz der nationalen
Wiederzulassungsentscheidung aufgreifen konnte. Die Rechtsgrundlage für die sodann erfolgte Anordnung der Sperre folgt aus Regel 59.4.
137 3.Fehler bezüglich des im Regelwerk des Beklagten vorgegebenen Verfahrens, die eine vom staatlichen Gericht festzustellende
Rechtswidrigkeit der Sperrentscheidung nach sich ziehen würden, liegen nicht vor.
138 a) Soweit vom Kläger bereits das Verfahren angegriffen wird, mit dem sein Fall durch den Council des Beklagten an das AP weitergeleitet
wurde, bedarf es nach Auffassung der Kammer keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Argumentation des Klägers. Abgesehen davon,
dass die Kammer dem Regelwerk des Beklagten keine Vorschriften entnehmen kann, die ein bestimmtes Vorlageverfahren vorsehen würden,
kann ein bloßer Verfahrensfehler bei Anrufung des AP die Unwirksamkeit der angegriffenen Entscheidung schwerlich nach sich ziehen. Auch
unabhängig von der Verfahrensordnung des Beklagten ist nicht ersichtlich, weshalb das beschließende Gremium - der Council des Beklagten -
sich umfassend mit dem Fall sollte befassen müssen, bevor er den Fall überweisen darf. Dem Rechtsschutzinteresse des betroffenen Athleten
wird durch einen korrekten Ablauf des Verfahrens vor dem AP ausreichend Rechnung getragen.
139 b) Der Kläger macht weiter geltend, das AP sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. Auch insoweit ist für die Kammer nicht ersichtlich,
welche Verfahrensvorschriften verletzt sein sollen. Der Beklagte trägt hierzu vor, dass sein AP, seines Erachtens ein ständiges Schiedsgericht,
aus neun Personen bestehe, die auf vier Jahre gewählt werden und ihrerseits einen Vorsitzenden wählen. Das AP entscheide in der Besetzung
mit drei Richtern, wobei kein Richter aus dem Land des betroffenen Mitgliedsverbandes stammen dürfe. Den Vorsitz des Verfahrens in Sydney
habe daher nicht der Deutsche Prof. V., sondern L. als erfahrenster Schiedsrichter übernommen. Die übrigen Schiedsrichter seien nach einem
rollierenden System ausgewählt. Substantiierte Einwendungen hat der Kläger hiergegen nicht erhoben. Das vom Beklagten geschilderte
Verfahren steht im Einklang mit Regel 22 IWB und stößt auf keine rechtsstaatlichen Bedenken, insbesondere hält es die Kammer nicht für
erforderlich, bei einem internen Verbandsgericht wie dem vorliegenden ähnlich strenge Anforderungen an das Besetzungssystem zu stellen,
wie dies bei einem staatlichen Gericht wegen Art. 101 GG erforderlich ist.
140 c) Des weiteren rügt der Kläger, dass weder ihm noch dem DLV die gemäß Regel 23.6 IWB vorgeschriebene Frist zur schriftlichen
Gegendarstellung eingeräumt worden sei.
141 Unabhängig von der im folgenden noch zu behandelnden Frage ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs, kann aus der behauptete
Nichteinhaltung der vorgesehenen Fristen schon deshalb nicht zur Rechtsunwirksamkeit der Entscheidung des AP führen, weil die betreffenden
Verfahrensvorschriften als bloße "Soll"-Vorschriften ausgestaltet sind. Ausdrücklich ist in Regel 23.1 bestimmt, dass das AP von
Verfahrensrichtlinien abweichen könne, wenn es nach seiner Meinung geboten und fair ist. Sieht das Regelwerk des Beklagten ein derartig
weites Ermessen des AP vor, ist die Kontrolle durch ein staatliches Gericht lediglich auf die - im folgenden vorzunehmende - Überprüfung der
Einhaltung elementarer rechtsstaatlicher (Verfahrens-) Normen beschränkt.
142 d) Soweit der Kläger rügt, dass es an einer förmlichen Protokollierung gefehlt habe, steht dies zum einen im Widerspruch zu seiner Behauptung
in der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2002, der Beklagte enthalte ihm die Protokolle der Anhörung vom 14. und 16.09.2000 vor. Zum
anderen findet sich eine Verfahrensvorschrift, ob und in welcher Form das Verfahren vor dem AP zu protokollieren ist, im Regelwerk - soweit es
der Kammer vorgelegt wurde - nicht.
143 In diesem Zusammenhang hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 07.03.2000 die Kopie eines Protokolls vom 15.09.2000 vorgelegt
mit dem Antrag, dem Beklagten gemäß § 142 n.F. ZPO aufzugeben, auch die Protokolle vom 14. und 16.09.2000 dem Gericht vorzulegen. Der
Beklagtenvertreter hat daraufhin erklärt, es seien alle verfügbaren Unterlagen vorgelegt. Wenn die Protokolle sich nicht bei den vorgelegten
Verfahrensunterlagen befänden, gäbe es solche auch nicht. Das Gericht war daher nicht gehalten, der beantragten Anordnung der
Urkundenvorlegung nachzukommen. § 142 n.F. ZPO dient nicht der Ausforschung, welche Urkunden sich im Besitz des Prozessgegners
befinden. Eine Anordnung der Vorlage von Urkunden, deren Existenz ausdrücklich bestritten wird, kommt daher nicht in Betracht.
144 Hiervon abgesehen ist in den Regelwerken des Beklagten, sowohl den IWB als auch den Arbitration Guidelines (B 18), keine Vorschrift
auffindbar, die die Anfertigung eines Protokolls verlangt. Auch der Kläger hat eine solche nicht aufgezeigt. Außerdem könnte die Verletzung evtl.
Protokollierungsvorschriften auch keinen Verstoß gegen den ordre public begründen.
145 4.Eine Verletzung von elementaren (Verfahrens-) Normen bei dem der Sperrentscheidung zugrunde liegenden Verfahren vor dem AP vermag
die Kammer aus ihrer Sicht bei der gebotenen beschränkten Überprüfbarkeit autonomer Verbandsentscheidungen ebenfalls nicht festzustellen.
146 a) In der Versendung der Überweisungsmitteilung und der Stellungnahme des Beklagten an den DLV mit Fristsetzung zur Abgabe einer
Gegendarstellung durch den deutschen Vorsitzenden des AP sieht die Kammer keine Mitwirkung eines befangenen Richters. Darin lag eine
reine prozessvorbereitende Handlung, die auf die inhaltliche Entscheidung keinen Einfluss gehabt hat. In der bloßen Terminierung der
Anhörung ist keine inhaltliche Befassung mit dem Fall des Klägers zu sehen. Soweit sich der Kläger durch die Terminsansetzung noch vor den
Olympischen Spielen in seinen Rechten beeinträchtigt sieht, wurde sein Verlegungsantrag am ersten Tag des Verfahrens vor dem AP ohne den
deutschen Prof. V. zurückgewiesen.
147 b) Dem Kläger wurde nach Auffassung der Kammer auch in ausreichendem Maße rechtliches Gehör gewährt.
148 Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG ist zum einen ein grundrechtgleiches Recht, zum anderen einobjektiv-
rechtliches Prinzip (BVerfGE 70, 180, 188). Er ist Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips sowie des Schutzes Menschenwürde und stellt ein
prozessuales "Urrecht" des Menschen dar (Pieroth in Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 5. Aufl. 2000, Art. 103 Rz. 1 m.w.N.). Zwar schützt Art. 103
Abs. 1 GG nur das rechtliche Gehör vor staatlichen Gerichten. Dass einem Sportler aber auch vor einem Verbandsgericht rechtliches Gehör zu
gewähren ist, ergibt sich aus der Pflicht zur ordnungsgemäßen Untersuchung und ist ein Gebot der natürlichen Gerechtigkeit (BGHZ 29, 352,
355). Dies gilt um so mehr, als dass der Kläger durch die Sperrentscheidung in seinem grundrechtlich geschützten Recht auf freie
Berufsausübung negativ betroffen ist.
149 aa) Allein aus der Tatsache, dass der Kläger nicht förmliche Partei des Verfahrens vor dem AP gewesen ist, folgt kein Verstoß gegen den
Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs.
150 Zwar ist nach deutschem Rechtsverständnis in der Regel eine Person, deren Rechte von einer Entscheidung betroffen werden, auch förmlich
als Partei dieses Verfahrens zu behandeln. Im strafgerichtlichen Bereich reicht dieser Grundsatz gar so weit, dass nur in eng bestimmten
Ausnahmefällen ein Verfahren ohne Anwesenheit des Angeklagten durchgeführt werden darf. Auf der anderen Seite ist es dem deutschen
Verfahrensrecht nicht völlig fremd, die Bindungswirkung einer Entscheidung auch auf andere Personen als die Parteien selber zu erstrecken,
soweit ihnen Gelegenheit zur eigenen Beteiligung gegeben worden ist. Als Beispiele sind die Interventionswirkung des § 68 ZPO gegenüber
Streitverkündeten und Nebenintervenienten im Zivilverfahren, die Beigeladenen im kartellrechtlichen Vergabeverfahren (§ 109 GWB) und im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 65 VWGO) zu nennen. Die Kammer verkennt nicht, dass es bei derartigen Verfahren, anders als im
vorliegenden, nicht um unmittelbare Sanktionen zu Lasten der Dritten geht. Gleichwohl rechtfertigt sich die bisherige Praxis des Beklagten, im
Verfahren nach Regel 21.3 b lediglich die nationalen Verbände, nicht die Athleten, um deren Startberechtigung es letztlich geht, als Parteien zu
behandeln, aus der Organisation des internationalen Sportbetriebs sowie aus der Verbandsstruktur und der Verbandsautonomie des
Beklagten. Das gilt jedenfalls so lange, wie dem Athleten die nötigen Beteiligungsrechte und Mitwirkungsmöglichkeiten der Sache nach
gewährt werden.
151 Sachlicher Hintergrund des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist, neben den oben Ziff. 4 b) vor aa) dargestellten Grundlagen, der Gedanke, dass
das rechtliche Gehör die Richtigkeitsgewähr einer Entscheidung erhöht. Eine der Kernfragen des vorliegenden Rechtsstreits ist daher, ob
bereits der Umstand, dass nach dem Regelwerk des Beklagten keine förmliche Parteistellung des Klägers vorgesehen ist, als so schwerer
Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs gewertet werden muss, dass schon allein seinetwegen die gegen den Kläger
ausgesprochene Sperre als unwirksam angesehen werden muss. Dieser engen und formalen Betrachtung folgt die Kammer nicht. Vielmehr
kommt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs erst dann in Betracht, wenn dem Kläger als dem materiell Betroffenen konkrete Mitwirkungs- und
Einflussmöglichkeiten verschlossen oder unzumutbar erschwert gewesen wären. Dies ist im Ergebnis jedoch nicht der Fall.
152 bb) Dem Klägers ist ausreichend Gelegenheit zur Darstellung seiner Positionen gewährt worden. Ihm sind auch ausdrücklich parteigleiche
Rechte eingeräumt worden.
153 Wie der Kläger im Laufe des Verfahrens unstreitig gestellt hat, ist das Überweisungsschreiben des Generalsekretärs des Beklagten sowie das
beigefügte "Statement of IAAF in Support of its reference to Arbitration" (B 8) beim Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17.08.2000, mithin
vier Wochen vor dem ersten Verhandlungstag in Sydney (14.09.2000) eingegangen. Bereits zuvor hatte der Kläger damit gerechnet, dass sein
Fall vom Council des Beklagten an dessen AP weitergeleitet wird. Bereits am 26.07.2001 hat sich der Prozessbevollmächtigte an den Beklagte
gewandt und auf die seines Erachtens bestehende Bindungswirkung der Entscheidung des Rechtsausschusses des DLV vom 13.07.2000
hingewiesen. Mit Telefax vom 07.08.2000 hat der Vorsitzende des AP Prof. V. dem DLV eine Stellungnahmefrist bis 08.09.2000 gesetzt und ihn
aufgefordert, "die entsprechenden Maßnahmen des betroffenen Athleten zu koordinieren". Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers
vor der Kammer die einstweilige Verfügung vom 30.08.2000 erwirkt und dem Beklagten zugesandt hatte, hat ihn der Generalsekretär
ausdrücklich auf sein Recht hingewiesen (K 10), Stellungnahmen abzugeben, Zeugen zu laden, Dokumente zu prüfen und die von dem IAAF
geladenen Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen, als ob er eine Partei des Verfahrens wäre. In einem weiteren Schreiben ist der Kläger ebenfalls
vom Generalsekretär des Beklagten darauf hingewiesen worden, dass bei der Anhörung in Sydney eine Telefonverbindung verfügbar sein
werde, um Zeugen in Europa zu vernehmen. Im selben Schreiben spricht der Generalsekretär eine ausdrückliche Einladung an den Kläger aus,
an der Anhörung in vollem Umfang teilzunehmen (K 11).
154 Von diesen angebotenen Rechten hat der Kläger nur eingeschränkt Gebrauch gemacht. In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 09.09.2000
hat sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf beschränkt, die fehlende förmliche Parteistellung seines Mandanten zu rügen und die
Einräumung einer vierwöchigen Stellungnahmefrist sowie die Verlegung des Verfahrens auf die Zeit nach den Olympischen Spielen zu
beantragen (K 13). Auch bei der Anhörung in Sydney hat sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers am ersten Verhandlungstag auf
derartige Anträge beschränkt. Erst am dritten Verhandlungstag hat der Kläger selbst an der Anhörung teilgenommen und "in eigener Sache" als
Zeuge ausgesagt.
155 Der Kläger hatte also seit spätestens 17.08.2000 die Möglichkeit, sich auf das Verfahren in Sydney vorzubereiten. Spätestens seit dem
07.09.2000 wusste der Prozessbevollmächtigte des Klägers, dass der Kläger mit parteigleichen Rechten an dem Verfahren teilnehmen kann.
Hat er gleichwohl von diesen Rechten nur eingeschränkt und mit überwiegend formaljuristischer Argumentation Gebrauch gemacht, geht dies
allein mit ihm heim und kann dem Kläger jedenfalls keine Grundlage dafür liefern in der Nachprüfung vor dem staatlichen Gericht mit erfolg die
Missachtung oder Einschränkung des rechtlichen Gehörs durch den Beklagten zu rügen.
156 Soweit der Kläger geltend macht, er sei durch das Verhalten des DLV gehindert worden, seine Rechte in der Anhörung wahrzunehmen, kann
dies die Beurteilung nicht ändern. Nachdem dem Kläger mit Schreiben vom 07.09. und 08.09.2000 (K 10 und 11) ausdrücklich alle
wesentlichen Rechte einer Partei eingeräumt worden waren, war es allein seine Entscheidung, sich nicht am Verfahren zu beteiligen.
Eventuelle Unstimmigkeiten zwischen Kläger und DLV können nicht auf die Rechtmäßigkeit des Zustandekommens der Sperrentscheidung des
AP des Beklagten durchschlagen. Ebenso ist nicht ersichtlich, weshalb der Kläger wegen Abstimmungsschwierigkeiten mit dem
Prozessbevollmächtigten des DLV bei der Erstellung einer schriftlichen Gegendarstellung gehindert gewesen sein soll.
157 cc) Das Verfahren kam für den Kläger nicht völlig überraschend. Bereits vor dem Rechtsausschuss des DLV hatte er sich ausgiebig und
umfassend mit den maßgeblichen Aspekten auseinandergesetzt. Im zeitlichen Ablauf (Kenntnis: vier Wochen vor der Anhörung, volle
Einräumung von parteigleichen Rechten: eine Woche vor der Anhörung) kann die Kammer daher keine unrechtmäßige Einschränkung des
Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör erkennen. Einen rechtswidrigen Missbrauch der Abkürzung der in Regel 23.6 c vorgeschriebenen
Fristen durch das AP im Rahmen der Regel 23.1 sieht die Kammer mithin nicht. Vielmehr ist dem Beklagten zuzugestehen, dass es ihm und
dem AP gerade darauf ankommen durfte, den noch nicht abschließend geklärten Dopingfall des Klägers noch vor den Olympischen Spielen zu
verhandeln, um ggf. einen Start dort zu verhindern. Dass es dem Ansehen des Sports abträglich gewesen wäre, wenn das AP dem Kläger nach
den Olympischen Spielen die Zulassung entzogen und seine eventuell bei den Wettbewerben erzielten Leistungen annulliert hätte, liegt ohne
Weiteres auf der Hand.
158 Diese Erwägungen verschaffen sich nach Ansicht der Kammer Geltung auch insoweit, als der Kläger eine nicht nur das rechtliche Gehör,
sondern auch sein Grundrecht aus Art. 12 GG verletzende und somit rechtswidrige, unbillige Behinderung darauf stützt, dass das Verfahren vor
dem AP entgegen seinem Antrag nicht auf die Zeit nach den Olympischen Spielen verlegt worden ist, wodurch ihm die Wahrnehmung seiner
Rechte gewährleistet gewesen wäre. Gerade auch im Hinblick darauf, dass der Kläger sich auf § 20 GWB beruft, muss eine
Interessenabwägung stattfinden. In diese einzustellen sind die gerügten Grundrechtsbeschränkungen einerseits und die Notwendigkeit
effektiver Dopingbekämpfung im Interesse der Chancengleichheit im sportlichen Wettbewerb andererseits. Letzteres machte gerade eine
Entscheidung noch vor Beginn der Wettkämpfe notwendig. Denn im Hinblick auf die Chancengleichheit in den anstehenden Vorläufen war es
kein gangbarer Weg, das Verfahren zu verschieben und dem Kläger evtl. von ihm erzielte Leistungen/Medaillen abzuerkennen. Für durch seine
Teilnahme am Weiterkommen gehinderte Konkurrenten wären irreparable Zustände geschaffen worden.
159 dd) Den Gründen, die der Kläger dafür anführt, dass der Verhandlungsort Sydney derart ungünstig gewesen sei, dass allein schon deshalb sein
Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei, kann die Kammer sich ebenfalls nicht anschließen. Anlässlich der Olympischen Spiele
waren die meisten der Beteiligten, insbesondere auch der Kläger, ohnehin in Australien. Die Tatsache, dass der Verhandlungsort es
erschwerte, Zeugen persönlich zu vernehmen, ist dagegen zu vernachlässigen, da dies im Bereich der internationalen Sportgerichtsbarkeit
ohnehin der Regelfall sein wird. Daneben kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, dass die Regel 23.7 einen dem Athleten günstigen
Verhandlungsort nur in einer vom Athleten selber - wie hier nicht - eingereichten Dopingangelegenheit (als Sollvorschrift) vorsieht. Immerhin
aber kann unterstützend daraus gefolgert werden, dass das Regelwerk der zügigen Entscheidung eines vom Beklagten aufgegriffenen
Dopingfalles einen hohen Stellenwert einräumt, was seinerseits seine Rechtfertigung wiederum im schutzwürdigen Interesse des Verbandes
findet, die Chancengleichheit unter den Athleten zu wahren und Dopingverstöße effektiv und konsequent zu bekämpfen.
160 ee) Soweit sich der Kläger weiter darauf beruft, dass vor dem AP keine Dolmetscher anwesend waren, so ist er - vergleichbar dem
strafrechtlichen Revisionsverfahren - mit einem derartigen nachträglichen Einwand ausgeschlossen, da er dies während der Verhandlung
rechtzeitig hätte rügen müssen. Dergleichen hat er aber nicht vorgetragen.
161 ff) Schließlich sieht die Kammer auch im Zusammenhang mit der Behauptung des Klägers, dass ihm nicht sämtliche Unterlagen, die dem
Verfahren zugrunde lagen, vorgelegt worden seien, keine Verletzung von elementaren Normen. Dabei kann es dahin stehen, ob diese
Behauptungen des Klägers, insbesondere auch bezüglich des im Schriftsatz vom 17.10.2001 (Bl. 286 ff.) aufgeführten Gutachtens von Prof. H.
und der schriftlichen Aussage des Zeugen W., zutreffen. Denn selbst die Richtigkeit des Klägervortrages unterstellt, folgt hieraus nicht die
Rechtswidrigkeit der Entscheidung des AP. Der Kläger hat sich nur eingeschränkt an dem Verfahren beteiligt. Dass er Einsicht in die Unterlagen
beantragt habe und ihm diese verweigert worden sei, hat er nicht vorgetragen. Deshalb würde sich an der Beurteilung selbst dann nichts
ändern, wenn ihm das AP das Gutachten und die Zeugenaussage nicht vorgelegt hätte Auch im deutschen Verfahrensrecht, insbesondere im
Strafverfahren, ist es nicht vorgeschrieben, dem Betroffenen ohne Antrag Akten zu übersenden oder anderweitig umfassende Einsicht zu
gewähren. Eine Einschränkung von elementaren rechtsstaatlichen Verfahrensrechten oder Grundrechten des Klägers sieht die Kammer daher
nicht.
162 gg) Sind sonach die elementaren Verfahrensrechte vorliegend durch das AP oder den Beklagten nicht verletzt worden, kann sich die Kammer
auch nicht der Wertung des Klägers anschließen, es habe sich um ein unzulässiges Sonderverfahren zu seinen Lasten gehandelt.
163 5.Die Entscheidung des AP der Beklagten ist auch nicht wegen einer Anwendung des Grundsatzes der Strict-Liability rechtswidrig. Dem Kläger
ist zwar insoweit zu folgen, dass aus der Anwendung der Strict-Liability-Rule, also der strengen Haftung des Athleten ohne
Entlastungsmöglichkeit, die Rechtswidrigkeit einer sich hierauf stützenden Entscheidung folgen würde. Denn nach deutschem
Rechtsverständnis, und insoweit auch den unabdingbaren Kern der öffentlichen Rechtsordnung prägend, darf niemand mit einem auch nur
zeitweiligen Berufsverbot belegt werden, wenn ihm nicht auch ein persönlicher Schuldvorwurf gemacht werden kann (OLG Frankfurt am Main,
Urteil vom 18.04.2001, 13 U 66/2001, Anlage B 21). Zum Nachweis eines Verschuldens kennt die deutsche Rechtsordnung die Rechtsfiguren
des Anscheinsbeweises, der Beweislastumkehr und der Beweiserleichterung (speziell zum Verschulden kraft Anscheinsbeweises s. BGHZ 4,
138 - Arzt; BGH VersR 1987, 1241 - Kraftfahrer). In Wegfall gerät der Anscheinsbeweis, wenn der ihn stützende typische Geschehensablauf
dadurch erschüttert wird, dass der Beweisgegner die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Ablaufs beweist, wobei
die Tatsachen, aus denen eine solche Möglichkeit abgeleitet werden soll, des vollen Beweises bedürfen (BGH NJW 1991, 230, 231).
164 Das AP hat in der schriftlichen Begründung seiner Sperrentscheidung unter Ziff. 12 ausgeführt, dass es die Regel 59.5 IWB, wonach die IAAF
"zweifelsfrei zu beweisen (hat), dass ein Dopingverstoß begangen" wurde, so anwende, dass, wenn der Athlet in der Lage ist, einen
begründeten Zweifel zu erheben, ihm damit das Recht auf sofortige Entlastung zusteht und die Angelegenheit hiermit endet, ohne dass es dann
eine Rückverlagerung auf den IAAF gäbe, damit dieser eine zweite Möglichkeit hätte, seinen Fall nachzuweisen. Ausgeführt wird vom AP dort
weiter, dass auf der Grundlage dieser Auslegung der Regel 59.5 der geforderte Beweisstandard für den Athleten sogar weniger belastend sei
als die entsprechende deutsche Bestimmung. Darüber hinaus stellt die schriftliche Entscheidung ausdrücklich klar, dass das Prinzip der
strengen Haftung nicht angewendet worden ist (vgl. deutsche Fassung Ziff 15.6., englische Fassung Ziff. 16). Und im folgenden setzt sich die
schriftliche Entscheidungsbegründung mit den vom Kläger bereits im Verfahren vor dem DLV-Rechtsausschuss vorgetragenen Einwänden
auseinander. Diese Vorgehensweise spiegelt im wesentlichen die oben dargestellten von der deutschen Rechtsprechung entwickelten
Grundsätze zum Anscheinsbeweis wider. Sie können nach Auffassung der Kammer zum Nachweis eines Dopingverstoßes ohne weiteres
angewendet werden. Im Ergebnis wertet die Kammer die Entscheidung des AP vom 18.09.2000 so, dass sie entgegen der Behauptung des
Klägers nicht dem Grundsatz "strict-liability" verhaftet geblieben ist, sondern unter Anwendung der Regel "prima facie" im Ausgangspunkt sich
im weiteren nicht die Überzeugung hat verschaffen können, dass der DLV und der Kläger den zunächst gegen den Kläger gerichteten Anschein
eines schuldhaften Dopingverstoßes hat erschüttern (aaO: "einen begründeten Zweifel") können.
165 Die Heranziehung der Grundsätze des Anscheinsbeweises für die Frage des Verschuldens des Athleten begegnet im Hinblick auf das
rechtsstaatliche Prinzip "keine Strafe ohne Schuld", das auch für Verbandsstrafen gilt (MK-Reuter aaO § 25 Rz. 30), keinen Bedenken. Ohne
diese Beweiserleichterung besäße ein Sportverband keine Chance zur erfolgreichen Dopingbekämpfung. Die Anforderungen an ihn wären
überspannt, würde man ihm die volle Beweisführungslast für alle Einzelheiten der Zuführung einer verbotenen Substanz auferlegen. Nicht nur
der durch die Erfahrung gestützte typische Ablauf, sondern auch die dem Sphärengedanken entsprechende persönliche Verantwortlichkeit des
Athleten für seine Ernährung, medizinische Betreuung und allgemein für den Umgang mit seinem Körper rechtfertigen es, in einer prima-facie-
Betrachtung die Verantwortung zunächst ihm aufzuerlegen. Die im Bereich des Strafrechts geltende Unschuldsvermutung ("in dubio pro reo")
kann daher auf die Verbandsstrafgewalt nicht übertragen werden. Im Gegenzug aber erfordert das Verschuldensprinzip, dem Athleten die
Möglichkeit einzuräumen, den Anschein zu erschüttern mit der - jedenfalls im deutschen Recht anerkannten - Folge, dass die volle Beweislast
dem die Sanktion verhängenden Verband obliegt. Der Anscheinsbeweis ist daher der im Bereich von Dopingsanktionen notwendige und auch
angemessene Beweisführungsstandard (so auch OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2000, 1117, vorgelegt als K 24 S.16).
166 Die Analyse der Entscheidung des AP ergibt, dass dort nicht der blanke Grundsatz "strict-liability", sondern die Regeln des Anscheinsbeweises
zur Anwendung gekommen sind. Zwar verkennt die Kammer nicht, dass der in Ziff. 14 formulierte Satz dahin verstanden werden könnte, das AP
habe doch nach dem Prinzip "strict-liability" geurteilt. Dies würde aber die gegenteiligen Äußerungen in Ziff. 12 und Ziff. 15.6 (engl. Text Ziff 16)
missachten, insbesondere aber dem Gesamtinhalt der im Beschluss niedergelegten Erwägungen nicht gerecht werden. Diese zeigen
hinreichend deutlich auf, dass das AP sich mit den zur Verfügung stehenden Unterlagen befasst und diese gewürdigt hat. Im Fall bloßer
Ausrichtung an den Urinproben wären sie überflüssig. Dass das AP die ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel anders gewürdigt hat, als
dies der Kläger für richtig hält, kann angesichts der beschränkten Überprüfungskompetenz des staatlichen Gerichts nicht dazu führen, dass die
Kammer eine eigene Würdigung anstelle des AP vorzunehmen hätte.
167 Soweit der Kläger der Auffassung ist, die Ausführungen des AP seien reine Lippenbekenntnisse, um der einstweiligen Verfügung der Kammer
vom 30.08.2000 (17 O 460/00) Rechnung zu tragen, so berühren diese Einwände einen Bereich, der gleichsam den "Kernbereich des
Tatrichters" ausmacht und der einer Überprüfbarkeit durch die Kammer nicht zugänglich ist. Wie in der mündlichen Verhandlung vom
18.09.2000 nachdrücklich erörtert worden ist, ist es nicht Gegenstand und Aufgabe des vorliegenden Verfahrens, dass das staatliche Gericht
sich in der Beurteilung der Frage, ob der Kläger hinreichend als eines Dopingverstoßes überführt oder er als Opfer eines Anschlages
anzusehen ist, an die Stelle des verbandsinternen Entscheidungsgremium setzt. Im Hinblick auf die verfassungsrechtlich geschützte
Vereinsautonomie des Beklagten und seiner Mitgliedsverbände ist eine inhaltliche Überprüfung der Entscheidung von Verbandsgerichten in
Disziplinarverfahren auch bei Auswirkungen auf die Berufsfreiheit des betroffenen Athleten unzulässig. Dieses vorliegend anzuwendende
"Tatrichterprivileg" umfasst neben der Frage, ob das Verbandsgericht aus den erhobenen Tatsachen die richtigen Schlüsse gezogen hat, auch
diejenige, ob die - mündlich oder schriftlich - geäußerten Erwägungsgründe auch tatsächlich der Entscheidung zugrunde gelegen haben. Einer
näheren Auseinandersetzung mit der insoweit vom Kläger vorgebrachten Argumentation bedarf es daher nicht.
168 Gleiches gilt für die Überprüfbarkeit der vom AP vorgenommenen Auseinandersetzung mit den vom Kläger vorgebrachten, ihn entlastenden
Umständen und die Bewertung des AP dahin, dass diese nicht geeignet seien, den durch die positiven Urinproben gesetzten Beweis des ersten
Anscheins zu erschüttern. Mit den von den Parteien erläuterten Gutachten, Zeugen- und Sachverständigenaussagen, dem Bluttest, der
Haaranalyse, den angeblich manipulierten Zahnpastatuben sowie der Glaubwürdigkeit des Klägers braucht sich die Kammer daher nicht
auseinander zu setzen.
169 6.Die Gesetzmäßigkeit der Sperre begegnet auch weder grundsätzlich noch speziell im Hinblick auf ihre Dauer durchgreifenden Bedenken.
Dass ein verschuldeter Dopingverstoß eines Athleten im Interesse einer effektiven Dopingbekämpfung empfindliche Sanktionen nach sich
ziehen muss, bedarf nach Auffassung der Kammer keiner weiteren Rechtfertigung. Da eine wirksame Abschreckung nur durch
Wettkampfsperren und damit verbundene finanziellen Einbußen erreicht werden kann, sind derartige Sanktionen auch nicht wegen der
grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit der betroffenen Athleten eingeschränkt. Derartige Einwirkungen privatrechtlich organisierter
Sportverbände sind im Interesse der erforderlichen Dopingbekämpfung hinzunehmen und gerechtfertigt.
170 Auch die Dauer der Sperre steht nicht im Widerspruch zu deutschem (Verfassungs-) Recht. Wie bereits dargelegt, kann nur durch empfindliche
Strafen die erforderliche Abschreckungswirkung erreicht werden. Eine Sperre von zwei Jahren Dauer, wie sie das Regelwerk des Beklagen
vorsieht, hält die Kammer bei einem Erstverstoß nicht für unangemessen lang. Das AP hat sich bei der Berechnung an Regel 60.2 IWB
gehalten, indem es von der für Erstverstöße vorgesehenen Zwei-Jahres-Sperre lediglich die Zeit der Suspendierung des Klägers vom
22.01.2000 bis zur Entscheidung des Rechtsausschusses des DLV (13.07.2000) abgezogen hat. Auch wenn die Leistungen, die der Kläger in
der Zeit zwischen dem 13.07.2000 und der Entscheidung des AP erzielt hat, im Einklang mit Regel 59.4 S. 3 annulliert wurden, ist hierin keine
Sperre zu sehen. Insgesamt war der Kläger daher nicht, wie er meint, zwei Jahre drei Monate, sondern lediglich zwei Jahre lang gesperrt.
171 7.Insgesamt kommt daher die Kammer zu dem Ergebnis, dass im Rahmen der eingeschränkten Kontrolle der Sperrentscheidung des AP vom
18.09.2000 durch ein staatliches Gericht diese nicht als rechtswidrig angesehen werden kann. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers
kommt daher wegen dieser Entscheidung nicht in Betracht.
III.
172 Soweit der Kläger innerhalb des Klagantrages Ziff. 4 die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten begehrt, ihm den Schaden zu ersetzen,
den er durch die Verlängerung der Sperre bis zum 25.02.2003 erlitten habe und künftig erleiden werde, ist dieser Antrag ebenfalls unbegründet.
173 Es fehlt bereits an der behaupteten Sperrverlängerung durch den Beklagten. Zwar hat sich dieser bisher - auch schriftsätzlich - auf den
Standpunkt gestellt, dass die zweijährige Sperre des Klägers vom 18.09.2000 wegen dessen Start am 25.02.2001 automatisch ohne weiteres
Verfahren oder eine Anhörung von vorne zu laufen beginne. Aber unabhängig davon, dass die Kammer eine solche Automatik einer
Sperrverlängerung ohne Entlastungsmöglichkeit wegen des damit verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit des Klägers für mit
rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar hält, ist es zu einer entsprechenden Beeinträchtigung des Klägers in der Ausübung von
Wettkämpfen gar nicht gekommen. Der Beklagte hat den Kläger Anfang Dezember 2001, damit gut zwei Monate vor Ablauf der in Sydney
ausgesprochenen zweijährigen Sperre, wieder für Wettkämpfe ab 22.01.2002 zugelassen. Insoweit ist nicht ersichtlich, an welches
schadensbegründende Verhalten der Kläger mit seinem Feststellungsantrag Ziff. 4 anknüpft, soweit dieser auf ein Sperr-Ende am 25.02.2003
abhebt. Allein in der Einnahme eines Rechtsstandpunktes und dessen Mitteilung kann die Kammer jedenfalls keine schuldhafte Verletzung der
Rechte des Klägers sehen. Auf die weiteren Zweifel im Hinblick darauf, ob dadurch gegenwärtige oder auch künftige Schäden des Klägers
verursacht werden konnten, kommt es daneben nicht mehr an.
174 Im Übrigen muss darauf hingewiesen werden, dass die von der Kammer für die Verlängerung für erforderlich gehaltene Anhörung des Klägers
ohne weiteres vom Beklagten noch vor dem 21.01.2002 hätte nachgeholt werden können. Anders als der ursprünglich geltend gemachte,
sodann für erledigt erklärte Unterlassungsanspruch (Klagantrag Ziff 2), für den die erforderliche Erstbegehungsgefahr gegeben gewesen ist,
hätte der insoweit geltend gemachte Schadensersatz-Feststellungsantrag seine Rechtsgrundlage erst nach Inkrafttreten der automatischen
Sperrverlängerung, mithin nach dem 21.01.2002, und nur dann finden können, wenn der Beklagte ein Anhörungsverfahren nicht noch
rechtzeitig durchgeführt hätte. Beides ist jedoch aufgrund des Verzichtes des Beklagten von Anfang Dezember 2001 obsolet geworden.
IV.
175 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 Abs.3 S.2, 91 a ZPO. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits sowohl insoweit zu tragen, als
die Klage abgewiesen (Klageanträge 3 und 4) und teilweise zurückgenommen, als auch soweit die Hauptsache von den Parteien
übereinstimmend für erledigt erklärt wurde (Klageanträge 1 und 2).
176 Die Klageanträge Ziff. 1 und 2 bezogen sich in der zuletzt gestellten Fassung (Schriftsatz vom 11.12.2001, Bl. 378) lediglich noch auf die
Sperrentscheidung vom 18.09.2000. Soweit die mit Schriftsatz vom 17.10.2001 (Bl. 368) gestellten Anträge auch die Sperrverlängerung
aufgrund des Starts des Klägers bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Dortmund am 25.02.2001 umfassten, wertet die Kammer die
Umstellung dieser Anträge nach dem Verzicht auf die Verlängerung als teilweise Klagerücknahme. Die Kostenübernahmepflicht des Klägers
folgt insoweit aus § 269 Abs.3 S.2 ZPO.
177 Die übereinstimmend für erledigt erklärten Klageanträge Ziff. 1 und 2 hätten wegen der dargelegten Rechtswirksamkeit der Sperrentscheidung
vom 18.09.2000 keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Gemäß § 91 a ZPO waren daher dem Kläger die Kosten des Verfahrens auch insoweit
aufzuerlegen.
178 Soweit die Klage abgewiesen wurde, folgt die Kostentragungspflicht aus § 91 ZPO.
179 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO in Verbindung mit
§ 12 Abs. 2 S. 1 GKG festgesetzt.