Urteil des LG Stuttgart vom 05.10.2010

LG Stuttgart (versicherung, avb, kapital, klausel, abzug, versicherungsnehmer, verbraucher, rente, rückkaufswert, höhe)

LG Stuttgart Urteil vom 5.10.2010, 20 O 87/10
Inhaltskontrolle einzelner Klauseln in Allgemeinen Versicherungsbedingungen
Leitsätze
Kapitallebensversicherung und Rentenversicherung:
Inhaltskontrolle einzelner Klauseln in Allgemeinen Versicherungsbedingungen
Unwirksamkeit der Klauseln betreffend Beitragsfreistellung, Kündigung und Abschlusskosten wegen Intransparenz
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes - und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer
Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR
250.000,00; Ordnungshaft, zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern der Beklagten, insgesamt höchstens 2
Jahre) zu unterlassen,
1. beim Abschluss von Verträgen über Kapital-Lebensversicherungen mit Verbrauchern folgende Klauseln zu
verwenden oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge der genannten Art auf folgende Klauseln zu
berufen:
[§ 9 Wann können Sie die Versicherung beitragsfrei stellen?
(1) Sie können sich zum Schluß einer Versicherungsperiode von der
Beitragszahlungspflicht befreien lassen.]
In diesem Fall setzen wir das Garantiekapital zur Altersvorsorge nach den
anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik herab. Der aus Ihrer
Versicherung für die Bildung des beitragsfreien Garantiekapitals zur Verfügung
stehende Betrag wird dabei um einen als angemessen angesehenen Abzug
gekürzt (§ 174 VVG).
Bei Beitragsfreistellung während der ersten Hälfte der vereinbarten
Beitragszahlungsdauer beträgt der Abzug bei einer Versicherungsdauer
bis zu 10 Jahren:
1,2 %
ab 11 bis 24 Jahren:
1,0 %
ab 25 Jahren:
0,8 %
der Differenz zwischen dem durchschnittlichen Garantiekapital des bisherigen
Versicherungsverlaufs und der Summe der bis zur Beitragsfreistellung gezahlten
Beiträge.
Bei Beitragsfreistellung während der zweiten Hälfte der vereinbarten
Beitragszahlungsdauer wird der für Ihre Versicherung geltende Prozentsatz für
die Berechnung des Abzugs reduziert. Der Prozentsatz sinkt von Jahr zu Jahr
um einen gleichbleibenden Wert, bis er am Ende der vereinbarten
Beitragszahlungsdauer null Prozent erreicht.
[… ]
Ist bei Ihrer Versicherung die Beitragszahlungsdauer kürzer als die
Versicherungsdauer, werden die vorstehend aufgeführten Prozentsätze jeweils
im Verhältnis von Beitragszahlungsdauer zur Versicherungsdauer reduziert.
[…
(2) …
Die Beitragsfreistellung Ihrer Versicherung ist mit Nachteilen verbunden. In
der Anfangszeit Ihrer Versicherung ist wegen der Verrechnung von
Abschlußkosten nach dem Zillmerverfahren (vgl. § 19) kein beitragsfreies
Garantiekapital vorhanden. Auch in den Folgejahren stehen nicht unbedingt
Mittel in Höhe der eingezahlten Beiträge für die Bildung eines beitragsfreien
Garantiekapitals zur Verfügung. Nähere Informationen zum beitragsfreien
Garantiekapital können Sie Ihrem Versicherungsschein entnehmen.
[§ 10 Wann können Sie die Versicherung kündigen?
(1) Sie können Ihre Versicherung … schriftlich kündigen:
Kündigen Sie Ihre Versicherung, zahlen wir – soweit vorhanden – den
Rückkaufswert. Er wird nach den anerkannten Regeln der
Versicherungsmathematik für den Schluß der laufenden Versicherungsperiode
als Zeitwert Ihrer Versicherung berechnet (§ 176 VVG).
Bei der Berechnung des Rückkaufswerts wird ein als angemessen
angesehener Abzug vorgenommen (§ 176 VVG).
Ist die Versicherung zum Zeitpunkt der Kündigung beitragspflichtig, stimmt der
Abzug der Höhe nach mit dem Abzug überein, der bei Umwandlung in eine
beitragsfreie Versicherung zum selben Zeitpunkt angesetzt würde.
[ …
Die Kündigung Ihrer Versicherung ist mit Nachteilen verbunden. In der
Anfangszeit Ihrer Versicherung ist wegen der Verrechnung von Abschlußkosten
nach dem Zillmerverfahren (vgl. § 19) kein Rückkaufswert vorhanden.
Rückkaufswert kann auch in den Folgejahren unter der Summe der eingezahlten
Nähere Informationen zum Rückkaufswert können Sie Ihrem
Versicherungsschein entnehmen.
[§ 19 Wie werden Abschlußkosten mit Ihren Beiträgen verrechnet?
Beim Abschluß von Versicherungsverträgen entstehen Kosten. Diese
sogenannten Abschlußkosten (§ 43 Abs. 2 der Verordnung über die
Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen) sind bei der Tarifkalkulation
berücksichtigt. Sie werden Ihnen nicht gesondert in Rechnung gestellt, sondern
mit den Beiträgen verrechnet.
Für Ihren Versicherungsvertrag ist das Verrechnungsverfahren nach § 4 der
Deckungsrückstellungsverordnung (Zillmerverfahren) vorgesehen. Hierbei
werden die ersten Beiträge zur Tilgung von Abschlußkosten herangezogen.
zu tilgende Betrag ist nach der erwähnten Deckungsrückstellungsverordnung auf 4 %
der von Ihnen während der Laufzeit des Vertrages zu zahlenden Beiträge beschränkt.
Dieses Verrechnungsverfahren hat keine Auswirkungen auf den vereinbarten
Versicherungsschutz. Er besteht von Anfang an in voller Höhe. Die Tilgung der Kosten
für den Abschluß Ihres Vertrages hat jedoch zur Folge, daß zunächst keine Beträge
zur Bildung des beitragsfreien Garantiekapitals oder des Rückkaufswertes zur
Die Entwicklung des beitragsfreien Garantiekapitals und des
Rückkaufswertes Ihrer Versicherung ist im Versicherungsschein dargestellt.
2. beim Abschluss von Verträgen über Rentenversicherungen mit Verbrauchern folgende Klauseln zu verwenden
oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge der genannten Art auf folgende Klauseln zu berufen:
[§ 14 Wann können Sie die Versicherung beitragsfrei stellen?
(1) Sie können sich zum Schluß einer Versicherungsperiode von der
Beitragszahlungspflicht befreien lassen.]
In diesem Fall setzen wir die Garantierente und das Garantiekapital zur
Altersvorsorge nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik
herab. Der aus Ihrer Versicherung für die Bildung der beitragsfreien
Garantierente und des beitragsfreien Garantiekapitals zur Verfügung stehende
Betrag wird dabei um einen als angemessen angesehenen Abzug gekürzt (§ 174
VVG)
Bei Beitragsfreistellung während der ersten Hälfte der vereinbarten
Beitragszahlungsdauer beträgt der Abzug 50 EUR zuzüglich bei einer
Aufschubdauer
bis zu 10 Jahren:
1,1 %
ab 11 bis 24 Jahren:
0,9 %
ab 25 Jahren:
0,7 %
der Differenz zwischen dem durchschnittlichen Garantiekapital des bisherigen
Versicherungsverlaufs und der Summe der bis zur Beitragsfreistellung gezahlten
Beiträge.
Bei Beitragsfreistellung während der zweiten Hälfte der vereinbarten
Beitragszahlungsdauer wird der für Ihre Versicherung geltende Prozentsatz für
die Berechnung des Abzugs reduziert. Der Prozentsatz sinkt von Jahr zu Jahr
um einen gleichbleibenden Wert, bis er am Ende der vereinbarten
Beitragszahlungsdauer null Prozent erreicht.
Ist bei Ihrer Versicherung die Beitragszahlungsdauer kürzer als die
Aufschubdauer, werden die vorstehend aufgeführten Prozentsätze jeweils im
Verhältnis von Beitragszahlungsdauer zur Aufschubdauer reduziert.
[…
(2) …
Die Beitragsfreistellung Ihrer Versicherung ist mit Nachteilen verbunden. In
der Anfangszeit Ihrer Versicherung ist wegen der Verrechnung von
Abschlußkosten nach dem Zillmerverfahren (vgl. § 24) keine beitragsfreie
Garantierente und kein beitragsfreies Garantiekapital vorhanden. Auch in den
Folgejahren stehen nicht unbedingt Mittel in Höhe der eingezahlten Beiträge für
die Bildung einer beitragsfreien Garantierente und eines beitragsfreien
Garantiekapitals zur Verfügung. Nähere Informationen zur beitragsfreien
Garantierente und zum beitragsfreien Garantiekapital können Sie Ihrem
Versicherungsschein entnehmen.
[§ 15 Wann können Sie die Versicherung kündigen?
(1) Sie können Ihre Versicherung vor Rentenbeginn … schriftlich kündigen:
Kündigen Sie Ihre Versicherung und ist ein Baustein Kapital bei Tod
eingeschlossen, zahlen wir – soweit vorhanden – den Rückkaufswert. Er wird
nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik für den Schluß der
laufenden Versicherungsperiode als Zeitwert Ihrer Versicherung berechnet (§ 176
VVG).
Bei der Berechnung des Rückkaufswerts wird ein als angemessen
angesehener Abzug vorgenommen (§ 176 VVG).
Ist die Versicherung zum Zeitpunkt der Kündigung beitragspflichtig, stimmt der
Abzug der Höhe nach mit dem Abzug überein, der bei Umwandlung in eine
beitragsfreie Versicherung zum selben Zeitpunkt angesetzt würde.
[…
(4) Kündigen Sie Ihre Versicherung, bei der kein Baustein Kapital bei Tod
eingeschlossen ist, gilt:
Haben Sie keine Beitragsrückzahlung und keine Hinterbliebenenrente vor
Rentenbeginn vereinbart, ist Ihre Versicherung beitragsfrei und enthält sie
keinen Baustein bei Tod, können Sie Ihre Versicherung nicht kündigen.
Die Kündigung Ihrer Versicherung ist mit Nachteilen verbunden. In der
Anfangszeit Ihrer Versicherung ist wegen der Verrechnung von Abschlußkosten
nach dem Zillmerverfahren (vgl. § 24) kein Rückkaufswert vorhanden.
Rückkaufswert kann auch in den Folgejahren unter der Summe der eingezahlten
Nähere Informationen zum Rückkaufswert können Sie Ihrem
Versicherungsschein entnehmen.
[§ 24 Wie werden Abschlußkosten mit Ihren Beiträgen verrechnet?
Beim Abschluß von Versicherungsverträgen entstehen Kosten. Diese
sogenannten Abschlußkosten (§ 43 Abs. 2 der Verordnung über die
Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen) sind bei der Tarifkalkulation
berücksichtigt. Sie werden Ihnen nicht gesondert in Rechnung gestellt, sondern
mit den Beiträgen verrechnet.
Für Ihren Versicherungsvertrag ist das Verrechnungsverfahren nach § 4 der
Deckungsrückstellungsverordnung (Zillmerverfahren) vorgesehen. Hierbei
werden die ersten Beiträge zur Tilgung von Abschlußkosten herangezogen.
zu tilgende Betrag ist nach der erwähnten Deckungsrückstellungsverordnung auf 4 %
der von Ihnen während der Laufzeit des Vertrages zu zahlenden Beiträge beschränkt.
Dieses Verrechnungsverfahren hat keine Auswirkungen auf den vereinbarten
Versicherungsschutz. Er besteht von Anfang an in voller Höhe. Die Tilgung der Kosten
für den Abschluß Ihres Vertrages hat jedoch zur Folge, dass zunächst keine Beträge
zur Bildung der beitragsfreien Garantierente oder des Rückkaufswertes zur Verfügung
Die Entwicklung der beitragsfreien Garantierente und des
Rückkaufswertes Ihrer Versicherung ist im Versicherungsschein dargestellt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist bezüglich des Ausspruchs unter I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 EUR und
bezüglich der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrags vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 50.000,00 EUR
Tatbestand
1
Der Kläger, ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 Abs. 1 UKlaG eingetragener Verein, nimmt
die Beklagte wegen mehrerer Klauseln in deren Allgemeinen Versicherungsbedingungen für
Lebensversicherungen auf Unterlassung in Anspruch.
2
Die Beklagte ist ein bundesweit tätiges Versicherungsunternehmen. Sie bietet u.a. den Abschluss von
Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen an.
3
Sie verwendete jedenfalls bis 31.12.2007 beim Abschluss von Kapitallebensversicherungen „Allgemeine
Versicherungsbedingungen für den Baustein zur Altersvorsorge: Zukunftskapital E 1“ (Anlage K 1/84; im
Folgenden: AVB Kapital E 1) und beim Abschluss von Rentenversicherungen „Allgemeine
Versicherungsbedingungen für den Baustein zur Altersvorsorge: Zukunftsrente E 70“ (Anlage K 2/94; im
Folgenden: AVB Rente E 70).
4
Streitgegenständlich sind Klauseln in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die sich mit den Folgen
einer Kündigung bzw. Beitragsfreistellung der Versicherung sowie der Verrechnung der Abschlusskosten
befassen. Die entsprechenden Regelungen finden sich für die Kapitallebensversicherung in den §§ 9, 10
und 19 der AVB Kapital E 1, für die Rentenversicherung in den §§ 14, 15 und 24 der AVB Rente E 70. Für
den Inhalt der Regelungen wird auf die vorgelegten AVB (Anlage K 1/84 und K 2/94) Bezug genommen. Die
vom Kläger beanstandeten Klauseln sind dem nachfolgend dargestellten Klagantrag zu entnehmen; es
handelt sich dabei um die fettgedruckten Textpassagen.
5
Die vorgenannten Klauseln in den AVB Kapital E 1 und in den AVB Rente E 70 verweisen für den
Rückkaufswert im Fall der Kündigung und das sogenannte „beitragsfreie Garantiekapital“ bzw. die
sogenannte „beitragsfreie Garantierente“ im Fall der Prämienfreistellung auf den Versicherungsschein.
Wegen des Inhalts des Versicherungsscheins wird auf die – nur für die Rentenversicherung – vorgelegte
Musterversicherungspolice (Anlage B 1/244) Bezug genommen.
6
Der Kläger ist der Auffassung, die Klauseln seien intransparent und daher wegen Verstoßes gegen § 307
Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Sie genügten nicht den vom Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen
vom 09.05.2001 (BGHZ 147, 354 und 373) formulierten Anforderungen.
7
Dem Versicherungsnehmer werde bereits nicht klar, dass es sich um Vereinbarungen handele, mit denen
vom Gesetz abgewichen werde. Ihm werde auch nicht hinreichend verdeutlicht, welche Folgen eine
Kündigung bzw. Beitragsfreistellung habe, und wie die Abschlusskosten verrechnet würden. Zudem werde
dem Versicherungsnehmer, der die berechtigte Erwartung hege, dass seine Prämien der Kapitalbildung
dienten, verschleiert, dass er bei einer Kündigung oder Beitragsfreistellung in den ersten Jahren der
Versicherungslaufzeit nichts erstattet erhalte und im Fall einer Kündigung Stornokosten zu tragen habe. Er
werde auch nicht deutlich darüber aufgeklärt, dass er mit seinen Prämien in jedem Falle auch bei einer
Fortführung der Versicherung bis zum Ende der vorgesehenen Laufzeit die Abschlusskosten der
Versicherung finanziere. Die genaue Höhe dieser Kosten wie auch ihre konkrete Zusammensetzung werde
verschwiegen.
8
Die Intransparenz werde auch nicht durch die wiederholten Verweisungen auf den Versicherungsschein
beseitigt. Zum einen müssten Klauseln aus sich heraus verständlich sein, zum anderen enthielte der
Versicherungsschein nicht alle Angaben, die erforderlich seien, um dem Versicherungsnehmer verständlich
zu machen, welche konkreten finanziellen Auswirkungen die streitgegenständlichen Klauseln hätten.
9
Die Klauseln seien darüber hinaus bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung auch inhaltlich
unangemessen, was einen Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB darstelle. Der Kläger verweist insoweit
auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 26.07.2005 (NJW 2005, 2376) und
15.02.2006 (NJW 2006, 1783).
10
Der Kläger beantragt - wobei die nachfolgend fett gedruckten Textpassagen Gegenstand des
Unterlassungsantrags sind -,
11
die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes - und für den Fall, dass dieses nicht
beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs
Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00; Ordnungshaft, zu vollziehen an
den Vorstandsmitgliedern der Beklagten, insgesamt höchstens 2 Jahre) zu unterlassen,
12
1. beim Abschluss von Verträgen über Kapital-Lebensversicherungen mit Verbrauchern folgende
Klauseln zu verwenden oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge der genannten Art auf
folgende Klauseln zu berufen:
13
[§ 9 Wann können Sie die Versicherung beitragsfrei stellen?
14
(1) Sie können sich zum Schluß einer Versicherungsperiode von der Beitragszahlungspflicht
befreien lassen.]
15
In diesem Fall setzen wir das Garantiekapital zur Altersvorsorge nach den anerkannten
Regeln der Versicherungsmathematik herab. Der aus Ihrer Versicherung für die Bildung
des beitragsfreien Garantiekapitals zur Verfügung stehende Betrag wird dabei um einen
als angemessen angesehenen Abzug gekürzt (§ 174 VVG).
16
Bei Beitragsfreistellung während der ersten Hälfte der vereinbarten
Beitragszahlungsdauer beträgt der Abzug bei einer Versicherungsdauer
17
bis zu 10 Jahren:
1,2 %
ab 11 bis 24 Jahren:
1,0 %
ab 25 Jahren:
0,8 %
18
der Differenz zwischen dem durchschnittlichen Garantiekapital des bisherigen
Versicherungsverlaufs und der Summe der bis zur Beitragsfreistellung gezahlten
Beiträge.
19
Bei Beitragsfreistellung während der zweiten Hälfte der vereinbarten
Beitragszahlungsdauer wird der für Ihre Versicherung geltende Prozentsatz für die
Berechnung des Abzugs reduziert. Der Prozentsatz sinkt von Jahr zu Jahr um einen
gleichbleibenden Wert, bis er am Ende der vereinbarten Beitragszahlungsdauer null
Prozent erreicht.
20
[… ]
21
Ist bei Ihrer Versicherung die Beitragszahlungsdauer kürzer als die
Versicherungsdauer, werden die vorstehend aufgeführten Prozentsätze jeweils im
Verhältnis von Beitragszahlungsdauer zur Versicherungsdauer reduziert.
22
[…
23
(2) …
24
Die Beitragsfreistellung Ihrer Versicherung ist mit Nachteilen verbunden. In der
Anfangszeit Ihrer Versicherung ist wegen der Verrechnung von Abschlußkosten nach
dem Zillmerverfahren (vgl. § 19) kein beitragsfreies Garantiekapital vorhanden. Auch in
den Folgejahren stehen nicht unbedingt Mittel in Höhe der eingezahlten Beiträge für die
Bildung eines beitragsfreien Garantiekapitals zur Verfügung. Nähere Informationen zum
beitragsfreien Garantiekapital können Sie Ihrem Versicherungsschein entnehmen.
25
[§ 10 Wann können Sie die Versicherung kündigen?
26
(1) Sie können Ihre Versicherung … schriftlich kündigen:
27
28
Kündigen Sie Ihre Versicherung, zahlen wir – soweit vorhanden – den
Rückkaufswert. Er wird nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik für
den Schluß der laufenden Versicherungsperiode als Zeitwert Ihrer Versicherung
berechnet (§ 176 VVG).
29
Bei der Berechnung des Rückkaufswerts wird ein als angemessen angesehener
Abzug vorgenommen (§ 176 VVG).
30
Ist die Versicherung zum Zeitpunkt der Kündigung beitragspflichtig, stimmt der Abzug
der Höhe nach mit dem Abzug überein, der bei Umwandlung in eine beitragsfreie
Versicherung zum selben Zeitpunkt angesetzt würde.
31
[ …
32
Die Kündigung Ihrer Versicherung ist mit Nachteilen verbunden. In der Anfangszeit
Ihrer Versicherung ist wegen der Verrechnung von Abschlußkosten nach dem
Zillmerverfahren (vgl. § 19) kein Rückkaufswert vorhanden.
Nähere Informationen
zum Rückkaufswert können Sie Ihrem Versicherungsschein entnehmen.
33
[§ 19 Wie werden Abschlußkosten mit Ihren Beiträgen verrechnet?
34
Beim Abschluß von Versicherungsverträgen entstehen Kosten. Diese sogenannten
Abschlußkosten (§ 43 Abs. 2 der Verordnung über die Rechnungslegung von
Versicherungsunternehmen) sind bei der Tarifkalkulation berücksichtigt. Sie werden
Ihnen nicht gesondert in Rechnung gestellt, sondern mit den Beiträgen verrechnet.
35
Für Ihren Versicherungsvertrag ist das Verrechnungsverfahren nach § 4 der
Deckungsrückstellungsverordnung (Zillmerverfahren) vorgesehen. Hierbei werden die
ersten Beiträge zur Tilgung von Abschlußkosten herangezogen.
ist nach der erwähnten Deckungsrückstellungsverordnung auf 4 % der von Ihnen während der
Laufzeit des Vertrages zu zahlenden Beiträge beschränkt.
36
Dieses Verrechnungsverfahren hat keine Auswirkungen auf den vereinbarten
Versicherungsschutz. Er besteht von Anfang an in voller Höhe. Die Tilgung der Kosten für den
Abschluß Ihres Vertrages hat jedoch zur Folge, daß zunächst keine Beträge zur Bildung des
Die
Entwicklung des beitragsfreien Garantiekapitals und des Rückkaufswertes Ihrer
Versicherung ist im Versicherungsschein dargestellt.
37
2. beim Abschluss von Verträgen über Rentenversicherungen mit Verbrauchern folgende Klauseln
zu verwenden oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge der genannten Art auf folgende
Klauseln zu berufen:
38
[§ 14 Wann können Sie die Versicherung beitragsfrei stellen?
39
(1) Sie können sich zum Schluß einer Versicherungsperiode von der Beitragszahlungspflicht
befreien lassen.]
40
In diesem Fall setzen wir die Garantierente und das Garantiekapital zur Altersvorsorge
nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik herab. Der aus Ihrer
Versicherung für die Bildung der beitragsfreien Garantierente und des beitragsfreien
Garantiekapitals zur Verfügung stehende Betrag wird dabei um einen als angemessen
angesehenen Abzug gekürzt (§ 174 VVG)
41
Bei Beitragsfreistellung während der ersten Hälfte der vereinbarten
Beitragszahlungsdauer beträgt der Abzug 50 EUR zuzüglich bei einer Aufschubdauer
42
bis zu 10 Jahren:
1,1 %
ab 11 bis 24 Jahren:
0,9 %
ab 25 Jahren:
0,7 %
43
der Differenz zwischen dem durchschnittlichen Garantiekapital des bisherigen
Versicherungsverlaufs und der Summe der bis zur Beitragsfreistellung gezahlten
Beiträge.
44
Bei Beitragsfreistellung während der zweiten Hälfte der vereinbarten
Beitragszahlungsdauer wird der für Ihre Versicherung geltende Prozentsatz für die
Berechnung des Abzugs reduziert. Der Prozentsatz sinkt von Jahr zu Jahr um einen
gleichbleibenden Wert, bis er am Ende der vereinbarten Beitragszahlungsdauer null
Prozent erreicht.
45
Ist bei Ihrer Versicherung die Beitragszahlungsdauer kürzer als die Aufschubdauer,
werden die vorstehend aufgeführten Prozentsätze jeweils im Verhältnis von
Beitragszahlungsdauer zur Aufschubdauer reduziert.
46
[…
47
(2) …
48
Die Beitragsfreistellung Ihrer Versicherung ist mit Nachteilen verbunden. In der
Anfangszeit Ihrer Versicherung ist wegen der Verrechnung von Abschlußkosten nach
dem Zillmerverfahren (vgl. § 24) keine beitragsfreie Garantierente und kein beitragsfreies
Garantiekapital vorhanden. Auch in den Folgejahren stehen nicht unbedingt Mittel in
Höhe der eingezahlten Beiträge für die Bildung einer beitragsfreien Garantierente und
eines beitragsfreien Garantiekapitals zur Verfügung. Nähere Informationen zur
beitragsfreien Garantierente und zum beitragsfreien Garantiekapital können Sie Ihrem
Versicherungsschein entnehmen.
49
[§ 15 Wann können Sie die Versicherung kündigen?
50
(1) Sie können Ihre Versicherung vor Rentenbeginn … schriftlich kündigen:
51
52
Kündigen Sie Ihre Versicherung und ist ein Baustein Kapital bei Tod
eingeschlossen, zahlen wir – soweit vorhanden – den Rückkaufswert. Er wird nach den
anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik für den Schluß der laufenden
Versicherungsperiode als Zeitwert Ihrer Versicherung berechnet (§ 176 VVG).
53
Bei der Berechnung des Rückkaufswerts wird ein als angemessen angesehener
Abzug vorgenommen (§ 176 VVG).
54
Ist die Versicherung zum Zeitpunkt der Kündigung beitragspflichtig, stimmt der Abzug
der Höhe nach mit dem Abzug überein, der bei Umwandlung in eine beitragsfreie
Versicherung zum selben Zeitpunkt angesetzt würde.
55
[…
56
(4) Kündigen Sie Ihre Versicherung, bei der kein Baustein Kapital bei Tod eingeschlossen ist,
gilt:
57
58
Haben Sie keine Beitragsrückzahlung und keine Hinterbliebenenrente vor
Rentenbeginn vereinbart, ist Ihre Versicherung beitragsfrei und enthält sie keinen
Baustein bei Tod, können Sie Ihre Versicherung nicht kündigen.
59
Die Kündigung Ihrer Versicherung ist mit Nachteilen verbunden. In der Anfangszeit
Ihrer Versicherung ist wegen der Verrechnung von Abschlußkosten nach dem
Zillmerverfahren (vgl. § 24) kein Rückkaufswert vorhanden.
Nähere Informationen
zum Rückkaufswert können Sie Ihrem Versicherungsschein entnehmen.
60
[§ 24 Wie werden Abschlußkosten mit Ihren Beiträgen verrechnet?
61
Beim Abschluß von Versicherungsverträgen entstehen Kosten. Diese sogenannten
Abschlußkosten (§ 43 Abs. 2 der Verordnung über die Rechnungslegung von
Versicherungsunternehmen) sind bei der Tarifkalkulation berücksichtigt. Sie werden
Ihnen nicht gesondert in Rechnung gestellt, sondern mit den Beiträgen verrechnet.
62
Für Ihren Versicherungsvertrag ist das Verrechnungsverfahren nach § 4 der
Deckungsrückstellungsverordnung (Zillmerverfahren) vorgesehen. Hierbei werden die
ersten Beiträge zur Tilgung von Abschlußkosten herangezogen.
ist nach der erwähnten Deckungsrückstellungsverordnung auf 4 % der von Ihnen während der
Laufzeit des Vertrages zu zahlenden Beiträge beschränkt.
63
Dieses Verrechnungsverfahren hat keine Auswirkungen auf den vereinbarten
Versicherungsschutz. Er besteht von Anfang an in voller Höhe. Die Tilgung der Kosten für den
Abschluß Ihres Vertrages hat jedoch zur Folge, dass zunächst keine Beträge zur Bildung der
Die
Entwicklung der beitragsfreien Garantierente und des Rückkaufswertes Ihrer
Versicherung ist im Versicherungsschein dargestellt.
64
Die Beklagte beantragt,
65
die Klage abzuweisen.
66
Sie verteidigt die angegriffenen Klauseln als gesetzeskonform und hinreichend verständlich. Sie macht
insbesondere geltend, bei der Beurteilung der Transparenz müsse auch der Inhalt des
Versicherungsscheins, der u.a. eine Rückkaufswerttabelle enthalte, berücksichtigt werden. Sie hält die
Klauseln auch und gerade unter Berücksichtigung der Urteile des Bundesgerichtshofs vom 09.05.2001
(BGHZ 147, 354; BGHZ 147, 373) und 12.10.2005 (BGHZ 164, 297; BGHReport 2006, 24) sowie des
Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 15.02.2006 für hinreichend transparent und
angemessen.
67
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat sie vorgebracht, es sei nicht zu befürchten, dass sie bei
Verträgen, die ab 01.01.2008 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen VVG - geschlossen worden
seien, noch die alten Klauseln verwendet habe.
68
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die von ihnen vorgelegten Schriftsätze nebst Anlagen
sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 31.08.2010 (Bl. 323 d.A.) Bezug genommen.
69
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wurde gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 UKlaG gehört. Sie hat
von einer Stellungnahme abgesehen.
Entscheidungsgründe
70
Die zulässige Klage ist begründet.
71
Der Unterlassungsanspruch folgt aus § 1 UKlaG. Die Anspruchsberechtigung des Klägers ergibt sich aus den
§§ 3, 4 UKlaG.
72
Die im Tenor genannten Klauseln benachteiligen den Verbraucher wegen eines Verstoßes gegen das
Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unangemessen.
73
Nach diesem Gebot ist der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen
von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und
durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klauseln in ihrer Formulierung für
den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich sind. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch,
dass die Klauseln die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den
Umständen gefordert werden kann (BGHZ 147, 354 und 373).
74
Diesen Anforderungen genügen weder die streitgegenständlichen Klauseln für die Kapitallebensversicherung
(1.) noch diejenigen für die Rentenversicherung (2.). Die Verwendung dieser Klauseln ist der Beklagten
uneingeschränkt, also nicht nur für Verträge, die bis zum 31.12.2007 abgeschlossen wurden, zu untersagen
(3.).
75
1. Kapitallebensversicherungen: §§ 9, 10 und 19 der AVB Kapital E 1
76
Die Regelungen zur Kündigung und zur Beitragsfreistellung einschließlich der jeweils in Bezug genommenen
Regelung über die sogenannten „Abschlusskosten“ sind wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot
unwirksam.
77
Der Verbraucher kann auch bei Wahrung der gebotenen Aufmerksamkeit und Sorgfalt nicht klar erkennen,
welche wirtschaftlichen Folgen eine Kündigung der Versicherung bzw. der Wunsch nach einer
Beitragsfreistellung hat. Die Klauseln sind teilweise bereits durch ihre nicht eindeutige Begrifflichkeit
unverständlich. Die Beklagte hat zudem ohne nachvollziehbaren Grund sachlich zusammengehörende
Regelungen auseinandergerissen. Insbesondere kann der Verbraucher die wirtschaftlichen Folgen der
Regelungen nicht sachgerecht einschätzen.
78
a) Beitragsfreistellung
79
Die insoweit maßgeblichen §§ 9, 19 der AVB Kapital E 1 sind bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des
Regelungskomplexes unwirksam. Mehrere Kernpunkte sind für den Verbraucher unverständlich und unklar, so
dass die Klauseln in dem beantragten Umfang für unwirksam zu erklären sind.
80
aa) § 9 der AVB Kapital E 1
81
(1) Bereits die Formulierung des § 9 der AVB Kapital E 1 beinhaltet begriffliche Verwirrungen.
82
Der Verbraucher, der die Klausel in § 9 AVB Kapital E 1 mit der gebotenen Sorgfalt liest, kann erkennen,
dass sein Wunsch nach einer Beitragsfreistellung zu einer Herabsetzung einer bestimmten, für den
Vertrag ersichtlich relevanten Kapitalsumme führt. Insoweit werden jedoch verschiedene Begriffe
verwendet. In Abs. 1 S. 1 ist die Rede vom „Garantiekapital“, in Abs. 1 S. 2 geht es um den Betrag, der
für die Bildung des „beitragsfreien Garantiekapitals“ zur Verfügung steht, und Abs. 1 S. 3 spricht von
einem „durchschnittlichen Garantiekapital des bisherigen Versicherungsverlaufs“. Relevant sind also aus
Sicht des Versicherungsnehmers möglicherweise drei, mindestens jedoch zwei verschiedene Beträge.
83
Der Verbraucher hat keine Möglichkeit, diese für ihn relevanten Beträge zu ermitteln.
84
Der Klausel selbst sind die Beträge nicht zu entnehmen. Dies ist zwar grundsätzlich nicht zu
beanstanden, da ansonsten das Klauselwerk so umfangreich wäre, dass es aus diesem Grund wiederum
intransparent wäre. Die Beklagte müsste nämlich in einem Anhang zu den AVB Kapital E 1 für alle
denkbaren Versicherungssummen, alle denkbaren Vertragslaufzeiten und alle denkbaren Zeitpunkte der
Beitragsfreistellung die entsprechenden Beträge auflisten. Vor diesem Hintergrund darf die Beklagte
darauf verweisen, wie sie dies in § 9 Abs. 3 letzter Satz der AVB Kapital E 1 tut, dass konkrete
Informationen zum Garantiekapital gesonderten Unterlagen zu entnehmen sind.
85
Es erscheint allerdings bedenklich, dass die Beklagte ihrem Vortrag zufolge die individuellen
Berechnungen erst im Versicherungsschein vornimmt. Die Versicherungspolice erhält der Verbraucher
nach Vertragsabschluss. Das Transparenzgebot soll es jedoch dem Verbraucher auch ermöglichen,
Marktchancen wahrzunehmen, also vor Vertragsabschluss die Angebote verschiedener
Versicherungsunternehmen bzw. Angebote anderer Kapitalanlageanbieter wie etwa Banken miteinander
zu vergleichen. Er ist nicht nur in seiner Eigenschaft als Versicherungsnehmer, sondern gleichermaßen in
seiner Eigenschaft als Versicherungsinteressent schützenswert. Seinem berechtigten
Informationsinteresse wäre nur genügt, wenn die Beklagte anbieten würde, einem Interessenten auf
Anfrage kostenlos schon vor Vertragsschluss für die gewünschte Versicherungssumme und die
gewünschte Vertragslaufzeit eine entsprechende tabellarische Übersicht zur Verfügung zu stellen. Dass
die Beklagte so verfährt, macht sie selbst nicht geltend.
86
Im vorliegenden Fall kann auch nicht beurteilt werden, ob die gesonderten Unterlagen ausreichende
Informationen zur Wahrung des Transparenzgebotes enthalten, da die Beklagte für die
Kapitallebensversicherung keine Musterpolice vorgelegt hat. Sie musste nicht ausdrücklich darauf
hingewiesen werden, dass dies erforderlich wäre. Sie hat sich in der Klagerwiderung mehrfach darauf
berufen, dass die Versicherungspolice die erforderlichen Informationen enthalte. Dass sie dann auch eine
entsprechende Musterpolice vorlegen muss, um ihren Vortrag zu substantiieren, kann einer anwaltlich
vertretenen Partei nicht verborgen bleiben. Zudem hat der Kläger in der Replik (S. 3, Bl. 275 d.A.)
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Versicherungsschein zur kapitalbildenden Lebensversicherung
nicht gewürdigt werden kann, da er nicht vorgelegt wurde. Spätestens dies hätte für die Beklagte Anlass
sein müssen, eine entsprechende Musterpolice vorzulegen.
87
Hilfsweise ist auf die Ausführungen zur Rentenversicherung (unten 2. a) aa)) zu verweisen. Für diese
Versicherung hat die Beklagte eine Musterpolice vorgelegt. Die Angaben, die in dieser Police enthalten
sind, sind nicht ausreichend. Auch wenn unterstellt wird, eine Police für die Kapitallebensversicherungen
enthielte die entsprechenden Angaben, so wären diese nicht geeignet, um in Verbindung mit der Klausel
die gebotene Transparenz herzustellen.
88
(2) Intransparent und irreführend ist § 9 Abs. 1 der AVB Kapital E 1 auch unter dem Aspekt des Abzugs,
der von der Beklagten vorgenommen wird.
89
Die Formulierung „Der […] zur Verfügung stehende Betrag wird […] um einen als angemessen
angesehenen Abzug gekürzt (§ 174 VVG).“ erweckt beim Versicherungsnehmer den unrichtigen Eindruck,
sowohl das „ob“ als auch das „wie“ der Kürzung, also die Höhe des Abzugsbetrags, seien durch § 174
VVG [a.F.] gesetzlich vorgeschrieben.
90
Tatsächlich ist der Versicherer nur zur Vornahme des Abzugs berechtigt, wenn er dies mit dem
Versicherungsnehmer vereinbart hat, was der Verbraucher dem Wortlaut der Klausel nicht entnehmen
kann.
91
Darüber hinaus legt § 174 Abs. 4 VVG die Höhe des Abzugs nicht fest, sondern regelt nur, dass der
Abzug angemessen sein muss. Die obige Formulierung suggeriert jedoch, dass die Höhe des Abzugs im
Gesetz festgelegt sei, also vom Gesetzgeber als angemessen angesehen werde. Tatsächlich hält
lediglich die Beklagte die Höhe der Abzüge für angemessen, was die Klausel verschleiert. Insoweit
unterscheidet sich die von der Beklagten verwendete Fassung der Klausel von derjenigen, die der
Entscheidung des LG Hamburg vom 20.11.2009, Az. 324 O 1136/07 bzw. des HansOLG Hamburg vom
27.07.2010, Az. 9 U 233/09 zugrundelag, denn dort lautete die Formulierung: „In welcher Höhe wir diesen
Abzug für angemessen halten, […]“.
92
(3) Die konkrete Höhe des Abzugs kann der Verbraucher der Klausel nicht entnehmen. Er ist auch nicht
imstande, diesen Betrag zu berechnen.
93
Die Klausel differenziert zwischen einer Freistellung während der ersten Hälfte der vereinbarten
Prämienzahlungsdauer und einer solchen in der Zeit danach.
94
Im ersten Fall berechnet sich der Abzug als Prozentsatz „der Differenz zwischen dem durchschnittlichen
Garantiekapital des bisherigen Versicherungsverlaufs und der Summe der bis zu Beitragsfreistellung
gezahlten Beiträge“. Den letztgenannten Wert kann der Versicherungsnehmer berechnen. Wie hoch das
„durchschnittliche[…] Garantiekapital des bisherigen Versicherungsverlaufs“ ist, wird ihm jedoch in der
Klausel nicht mitgeteilt.
95
Wird die Prämienfreistellung während der zweiten Hälfte der vereinbarten Prämienzahlungsdauer
beantragt, soll der Abzugsbetrag der Klausel zufolge jährlich linear sinken, bis er am Ende der
vereinbarten Beitragszahlungsdauer Null beträgt. Die Klausel lässt aber im Dunkeln, welches der
Ausgangsbetrag des Abzugs ist. Nur wenn neben dem Endbetrag von Null auch der Anfangsbetrag
bekannt wäre, könnte die lineare jährliche Veränderung und damit der Betrag des Abzugs für einzelne
Zeitpunkte zwischen der Mitte und dem Ende der vereinbarten Prämienzahlungsdauer berechnet werden.
Auch wenn unterstellt wird, der Ausgangsbetrag für den Abzug während der zweiten Hälfte der
vereinbarten Prämienzahlungsdauer entspreche dem im vorigen Absatz genannten Betrag von „0,8 % der
Differenz zwischen dem durchschnittlichen Garantiekapital des bisherigen Versicherungsverlaufs und der
Summe der bis zu Beitragsfreistellung gezahlten Beiträge“, hilft dies dem Verbraucher nicht weiter, da er
schon diesen Wert nicht berechnen kann, wie oben ausgeführt.
96
Nachdem die Beklagte, wie oben ausgeführt, keine Musterpolice für die Kapitallebensversicherung
vorgelegt hat, kann auch nicht geprüft werden, ob darin weitere Informationen enthalten sind, die die
Klausel in ihrer wirtschaftlichen Tragweite für den Versicherungsnehmer bzw. Versicherungsinteressenten
verständlich machen.
97
Hilfsweise ist auf die Ausführungen zur Rentenversicherung (unten 2. a) aa)) zu verweisen. Für diese
Versicherung hat die Beklagte eine Musterpolice vorgelegt. Die Angaben, die in dieser Police enthalten
sind, sind nicht ausreichend. Auch wenn unterstellt wird, eine Police für die Kapitallebensversicherungen
enthielte die entsprechenden Angaben, so wären diese nicht geeignet, um in Verbindung mit der Klausel
die gebotene Transparenz herzustellen.
98
(4) Über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Wunschs nach einer Beitragsfreistellung wird der
Versicherungsnehmer schließlich auch durch § 9 Abs. 3 S. 1 bis 3 der AVB Kapital E 1 nicht klar
informiert.
99
Dort heißt es: „Die Beitragsfreistellung Ihrer Versicherung ist mit Nachteilen verbunden. In der
Anfangszeit Ihrer Versicherung ist wegen der Verrechnung von Abschlußkosten nach dem
Zillmerverfahren (vgl. § 19) kein beitragsfreies Garantiekapital vorhanden. Auch in den Folgejahren stehen
nicht unbedingt Mittel in Höhe der eingezahlten Beiträge für die Bildung eines beitragsfreien
Garantiekapitals zur Verfügung. Nähere Informationen zum beitragsfreien Garantiekapital können Sie
Ihrem Versicherungsschein entnehmen.“
100
Dieser Hinweis ist zu pauschal und daher irreführend und intransparent. Beim Verbraucher muss dabei der
unrichtige Eindruck entstehen, dass es für ihn stets günstiger ist, wenn er eine Beitragsfreistellung, die
aus finanziellen Gründen unumgänglich ist, möglichst spät beantragt, umgekehrt also möglichst lange die
Prämien aufbringt. Erkennt allerdings ein Verbraucher schon kurz nach Beginn seiner Zahlungspflicht,
dass er demnächst die Prämien nicht mehr wird aufbringen können, z.B. weil sein Arbeitslohn nach einer
ordentlichen Kündigung mit einer Frist von mehreren Monaten wegfallen wird, ist es für ihn wirtschaftlich
günstiger, die Prämienzahlung sofort einzustellen. Anderenfalls dienen seine Prämien wegen des
Zillmerverfahrens primär zur Finanzierung der vom Versicherer zu leistenden Provisionszahlungen. In
dieser Konstellation liegt es also ausschließlich im Interesse des Versicherers, nicht jedoch des
Verbrauchers, dass noch möglichst lange Prämien bezahlt werden. Diese Interessenlage verschleiert die
Klausel.
101
bb) § 19 der AVB Kapital E 1
102 Diese Klausel ist ebenfalls intransparent und nicht geeignet, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen,
dass und in welchem Umfang seine Prämien entgegen den berechtigten Erwartungen, die er an eine auch zur
Kapitalanlage dienende Versicherung stellt, zu einem beachtlichen Teil dazu dienen, allgemeine, nicht
vertragsspezifische Aufwendungen der Versicherung für Provisionen und Werbung zu decken.
103
(1) Bereits der Aufbau der AVB Kapital E 1 ist unübersichtlich und damit unklar. Es gibt keinen
nachvollziehbaren Grund, warum die Regelung in § 19 der AVB Kapital E 1, auf die nur in den §§ 9 und 10
der AVB Kapital E 1 Bezug genommen wird, diesen Klauseln nicht als § 11 unmittelbar nachfolgt. Zwar
nimmt § 9 Abs. 3 (wie auch § 10 Abs. 4) der AVB Kapital E 1 ausdrücklich Bezug auf § 19 der AVB
Kapital E 1, jedoch hält die konkret verwendete Formulierung den Verbraucher eher davon ab, die zitierte
Klausel zu lesen. Es besteht die naheliegende Gefahr, dass er annimmt, in § 19 der AVB Kapital E 1
werde lediglich ein versicherungsmathematisches Verfahren, nämlich das Zillmerverfahren, erläutert. Es
ist für ihn nicht hinreichend verständlich, dass sich § 19 der AVB Kapital E 1 mit Kosten befasst, die dem
Versicherungsunternehmen entstehen, die aber der Versicherungsnehmer tragen soll.
104
(2) Zudem ist es irreführend, den Begriff der „Abschlusskosten“ zu verwenden, ohne ihn näher zu
erläutern. Die Formulierung „Beim Abschluss von Versicherungsverträgen entstehen Kosten“, dient nicht
der Klarstellung, sondern verstärkt die Irreführung. Der Hinweis auf § 43 Abs. 2 der Verordnung über die
Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen ist nicht ausreichend, um die gebotene Transparenz
herzustellen.
105
Dass beim Abschluss eines Versicherungsvertrags Kosten entstehen, ist für den interessierten
Verbraucher nachvollziehbar. Er kann erkennen, dass die Versicherung im Zusammenhang mit der
Gesundheitsprüfung Anfragen an Ärzte richten wird, zudem muss der Vertrag in der EDV angelegt
werden, die Versicherungspolice muss erstellt und ihm zugesandt werden, und im Einzelfall kann dem
Vertragsabschluss auch eine zeitaufwändige Beratung durch den Vertreter der Versicherung
vorausgegangen sein. Dass eine Partei ihre Vertragskosten auf den Vertragspartner abwälzt, ist für den
Verbraucher inzwischen auch nicht mehr überraschend. So berechnen etwa Fluggesellschaften
regelmäßig zusätzlich zum eigentlichen Flugpreis eine sogenannte „Ticket Service Charge“, die bis zu
100 EUR betragen kann, wie dem Internet zu entnehmen ist.
106
Die vorgenannten Kosten, deren Entstehung dem aufmerksamen und interessieren Versicherungsnehmer
nicht verborgen bleiben kann, machen jedoch nur einen geringen Teil der in Rede stehenden Kosten aus.
Besonders ins Gewicht fallen nämlich die Abschlussprovisionen, Zusatzprovisionen und Courtagen. Auch
wenn unterstellt werden kann, dass ein Versicherungsnehmer weiß, dass „sein Versicherungsvertreter“,
der ihm vor dem Abschluss nähere Informationen über das gewünschte Produkt erteilt hat, für
Abschlüsse eine Provision erhält, so weiß er damit noch nicht, dass diese Provisionen voll aus seinen
Prämien finanziert werden. Er kennt deren gerade bei Lebensversicherungen beträchtliche Höhe nicht.
107
Erst recht kann der Versicherungsnehmer der Klausel nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass
es nicht nur um die seinem Vertrag unmittelbar zurechenbaren Abschlussaufwendungen geht, sondern
dass die Versicherung auch ihre nicht unmittelbar vertragsbezogenen Werbeaufwendungen und
allgemeinen Sachaufwendungen vom Versicherungsnehmer finanzieren lassen will. Es ist irreführend,
wenn die Beklagte davon spricht, es gehe um Kosten, die „beim Abschluss von Verträgen entstehen“.
Werbeaufwendungen haben nichts mit Kosten für den Abschluss von Versicherungsverträgen zu tun,
sondern fallen völlig unabhängig davon an, ob es zu einem Abschluss kommt oder nicht.
108
Der Hinweis auf § 43 Abs. 2 der Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen
ist nicht ausreichend, um dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, welche Kosten von ihm getragen
werden sollen. Die Norm zählt zwar die Kosten im Einzelnen deutlich auf, insbesondere erwähnt sie an
erster Stelle die Provisionen, und nennt auch die Werbeaufwendungen. Für einen Versicherungsnehmer,
der nicht über einen Internetanschluss verfügt, ist es jedoch kaum möglich, sich den Verordnungstext zu
verschaffen.
109
(2) Darüber hinaus verschleiert die Klausel die Größenordnung der Kosten, die das
Versicherungsunternehmen auf den Versicherten überwälzt. Im zweiten Absatz heißt es lediglich, dass
„die ersten Beiträge“ zur Tilgung von Abschlusskosten herangezogen werden, und dass „zunächst“ keine
Beträge zur Bildung des beitragsfreien Garantiekapitals oder des Rückkaufswertes zur Verfügung stehen.
Im Übrigen wird auf den - für die Kapitallebensversicherung nicht vorgelegten - Versicherungsschein
verwiesen. Der für die Rentenversicherung vorgelegte Versicherungsschein weist jedenfalls diese Kosten
nicht gesondert aus. Dass die Kosten viele Monatsprämien verschlingen, kann der Verbraucher der
Klausel nicht annähernd entnehmen.
110
(3) Missverständlich und irreführend ist auch die Formulierung in Abs. 1 der Klausel, dass die
Abschlusskosten dem Versicherungsnehmer nicht gesondert in Rechnung gestellt, „sondern mit den
Beiträgen verrechnet“ würden. Eine Verrechnung ist im allgemeinen Sprachgebrauch eine Saldierung. Sie
setzt voraus, dass wechselseitige Forderungen bestehen. Der zu bildende Saldo ist stets geringer als die
höchste Einzelforderung. Verrechnet werden sollen der Klausel zufolge die Abschlusskosten und die
Beiträge. Dem Versicherungsnehmer ist klar, dass er die Versicherungsprämien, also die sog. Beiträge zu
bezahlen hat. Wenn mit diesen die Abschlusskosten verrechnet werden sollen, müsste dies nach dem
üblichen Verständnis des Begriffs „Verrechnung“ dazu führen, dass die vom Versicherungsnehmer zu
bezahlenden Prämien geringer werden. Tatsächlich aber werden die Versicherungsprämien dazu
verwendet, um die Abschlusskosten der Versicherung zu decken. Dies hat nichts mit einer Verrechnung
„mit den Beiträgen“ zu tun. Was die Beklagte meint, aber nicht verständlich ausführt, ist, dass sie den
Anspruch des Versicherungsnehmers auf Auszahlung der Versicherungsleistung mit ihrem Anspruch auf
Begleichung der vorgenannten Kosten verrechnen will.
111
In zweiten Absatz der Klausel wird zwar etwas deutlicher davon gesprochen, dass „die ersten Beiträge
zur Tilgung von Abschlusskosten herangezogen“ werden. Der Versicherungsnehmer wird zuvor jedoch
förmlich von der weiteren Lektüre abgeschreckt, indem er mit der für ihn weitgehend unverständlichen
Formulierung konfrontiert wird, für den Vertrag sei „das Verrechnungsverfahren nach § 4 der
Deckungsrückstellungsverordnung (Zillmerverfahren) vorgesehen“. Der durchschnittliche
Versicherungsnehmer hat, sofern er nicht über einen Internetanschluss verfügt, kaum eine Möglichkeit,
sich den Text der Verordnung zu verschaffen. Hinzu kommt, dass die bezeichnete Bestimmung auch für
einen besonders interessierten und aufmerksamen Versicherungsnehmer schlicht unverständlich ist.
112
Die Klausel erweckt zudem den unrichtigen Eindruck, als sei die sogenannte „Verrechnung“ - der Begriff
„Verrechnungsverfahren“ findet sich in § 4 der Deckungsrückstellungsverordnung nicht - durch diese
Verordnung vorgeschrieben. Dann aber besteht für den Verbraucher kein Anlass, sich den
Verordnungstext zu verschaffen, denn er muss annehmen, dass diese Vorgehensweise zwingend ist und
nicht der Vereinbarung der Vertragspartner unterliegt.
113
Die Klausel ist auch insoweit irreführend. Es ist keinesfalls zwingend, dass eine Versicherung ihre
Abschlusskosten iSd § 43 Abs. 2 der Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung auf den
Versicherungsnehmer überwälzt. § 4 der Deckungsrückstellungsverordnung begrenzt lediglich die
Höchstsätze der Zillmerung, schreibt aber ebenfalls nicht vor, dass der Versicherungsnehmer mit diesen
Kosten belastet werden muss.
114
b) Kündigung
115 Die §§ 10, 19 der AVB Kapital E 1, die die Folgen einer Kündigung regeln, sind bei der gebotenen
Gesamtbetrachtung des Regelungskomplexes unwirksam. Mehrere Kernpunkte sind für den Verbraucher
unverständlich und unklar, so dass die Klauseln in dem beantragten Umfang für unwirksam zu erklären sind.
116
aa) § 10 der AVB Kapital E 1
117 Die Formulierung in § 10 Abs. 2 und 3 der AVB Kapital E 1 entspricht in den insoweit relevanten Passagen
weitgehend der Formulierung in § 9 Abs. 1 der AVB Kapital E 1. Es kann auf die Darlegungen zur
Beitragsfreistellung (oben a) aa)) Bezug genommen werden.
118 Anders als bei der Regelung in § 9 Abs. 1 der AVB Kapital E 1 wird bei § 10 Abs. 2 und 3 der AVB Kapital E
1 einheitlich vom „Rückkaufswert“ gesprochen. Es werden also nicht mehrere, den Verbraucher verwirrende
Begriffe verwendet („Garantiekapital“, „beitragsfreies Garantiekapital“ etc.). Allerdings wird stattdessen der
Begriff des „Rückkaufswerts“ für verschiedene Dinge verwendet, was wiederum zu Verwirrung führt.
119 Der Einwand der Beklagten, die Terminologie der §§ 174, 176 VVG [a.F.] sei bezüglich des Begriffs
„Rückkaufswert“ nicht eindeutig, ist zutreffend. § 176 Abs. 3 VVG zufolge ist der Rückkaufswert der Zeitwert
der Versicherung. § 176 Abs. 4 VVG lässt es zu, einen Abzug vorzunehmen, wenn dieser vereinbart und
angemessen ist. Der sich unter Berücksichtigung des Abzugs ergebende Auszahlungsbetrag ist danach also
nicht identisch mit dem Rückkaufswert. Allerdings spricht § 174 Abs. 1 S. 1 VVG davon, dass der
Versicherer den Rückkaufswert zu erstatten hat, der nach § 176 Abs. 3 und 4 VVG zu berechnen ist. Danach
wäre der Rückkaufswert der um den Abzug verringerte Zeitwert, Rückkaufwert und Auszahlungsbetrag wären
identisch.
120 Die Intransparenz der Klausel beruht jedoch nicht auf diesen terminologischen Fragen. Entscheidend ist, dass
die Beklagte nicht verdeutlicht, dass es mehrere relevante Beträge gibt, wie auch immer sie diese nennen
mag. Sie müsste klarstellen, dass es einen nach versicherungsmathematischen Methoden ermittelten
Zeitwert der Versicherung gibt, dass sie von diesem Wert einen aus ihrer Sicht angemessenen Abzug
machen möchte, und dass der dann verbleibende Betrag der Betrag ist, der tatsächlich zur Auszahlung
kommt. Zudem müsste sie eine Differenzierung vornehmen zwischen dem garantierten Auszahlungsbetrag
und dem nicht garantierten, also nur prognostizierten Auszahlungsbetrag einschließlich einer möglichen
Überschussbeteiligung.
121 Die Klausel verweist den Verbraucher auf „anerkannte[…] Regeln der Versicherungsmathematik“. Zudem ist -
wie beim Garantiekapital im Fall der Beitragsfreistellung - die Rede von einem „als angemessen
angesehene[n] Abzug“, den tatsächlich nur die Beklagte einseitig als angemessen erachtet, und der nicht
etwa, was der Zusatz „(§ 176 VVG)“ nahelegt, nach Grund und Höhe gesetzlich vorgeschrieben ist. Ist die
Versicherung im Zeitpunkt der Kündigung beitragspflichtig, stimmt der Abzug gemäß § 10 Abs. 3 S. 2 der
AVB Kapital E 1 mit dem Abzug überein, der im Fall der Beitragsfreistellung vorzunehmen wäre. Auf die
Ausführungen zur Unwirksamkeit der entsprechenden Regelung in § 9 Abs. 1 der AVB Kapital E 1 wird Bezug
genommen (siehe oben a) aa)).
122 § 10 Abs. 4 der AVB Kapital E 1 stimmt in den wesentlichen Passagen wörtlich mit § 9 Abs. 3 der AVB
Kapital E 1 überein. Die Ausführungen zu dieser Klausel einschließlich des Hinweises auf die nicht von der
Beklagten vorgelegte Musterpolice gelten daher hier entsprechend (oben a) aa)).
123
bb) § 19 der AVB Kapital E 1
124 Die Klausel, die über § 9 Abs. 3 der AVB Kapital E 1 auch bei einer Beitragsfreistellung Anwendung findet,
wurde bereits erörtert. Es wird auf die Darlegungen zur Beitragsfreistellung (oben a) bb)) verwiesen.
125
2. Rentenversicherungen: §§ 14, 15 und 24 der AVB Rente E 70
126 Die Regelungen zur Kündigung und zur Beitragsfreistellung einschließlich der jeweils in Bezug genommenen
Regelung über die sogenannten „Abschlusskosten“ sind wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot
unwirksam.
127
a) Beitragsfreistellung
128 Die insoweit maßgeblichen §§ 14, 24 der AVB Rente E 70 sind bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des
Regelungskomplexes unwirksam. Mehrere Kernpunkte sind für den Verbraucher unverständlich und unklar, so
dass die Klauseln in dem beantragten Umfang für unwirksam zu erklären sind.
129
aa) § 14 der AVB Rente E 70
130 Die Klausel entspricht in den relevanten Passagen § 9 der AVB Kapital E 1, so dass auf die entsprechenden
Ausführungen zur Kapitallebensversicherung (oben 1. a) aa)) verwiesen werden kann. Auch in § 14 der AVB
Rente E 70 wird dadurch eine Unklarheit verursacht, dass nicht nur die Begriffe „Garantierente“ und
„Garantiekapital“ verwendet werden, sondern auch von einer „beitragsfreien Garantierente“ und einem
„beitragsfreien Garantiekapital“ sowie einem „durchschnittlichen Garantiekapital des bisherigen
Versicherungsverlaufs“ gesprochen wird.
131 Ebenso darf der Verbraucher auch hier nicht darauf verwiesen werden, die erforderlichen Zusatzinformationen,
die wegen ihres individuellen Bezugs zu einer konkreten Versicherungssumme und einer konkreten Laufzeit
praktisch nicht in den AVB untergebracht werden können, erst nach Vertragsschluss in Form des
Versicherungsscheins zu erhalten.
132 Darüber hinaus enthält auch die von der Beklagten für die Rentenversicherung vorgelegte Musterpolice nicht
die Informationen, die dem Verbraucher zur Vermeidung einer Intransparenz als konkrete Ergänzung der
abstrakten Ausführungen in der Klausel erteilt werden müssen.
133 Unter der Überschrift „Beitragsfreistellung und Rückkaufswert“ findet sich eine Tabelle mit vier Spalten. Die
erste Spalte nennt mögliche Zeitpunkte für die Beitragsfreistellung bzw. den „Rückkauf“, also die Kündigung.
Die zweite Spalte gibt die monatliche Garantierente nach Beitragsfreistellung ohne Überschussbeteiligung an.
Angaben zum nicht garantierten Rückkaufswert einschließlich Überschussbeteiligung finden sich in der dritten
Spalte. Die vierte Spalte betrifft den Sonderfall, dass der Rückkaufswert im Kündigungszeitpunkt höher ist als
die im Todesfall zu bezahlende Leistung. Auf der nächsten Seite ist schließlich das „in den Bedingungen
genannte durchschnittliche Garantiekapital, das als Berechnungsgrundlage des Abzugs bei
Beitragsfreistellung dient“, angegeben. In der Musterpolice beträgt es 57.565,00 EUR.
134 Der Verbraucher, der § 14 der AVB Rente E 70 aufmerksam liest, sucht, wie eingangs schon ausgeführt, die
„Garantierente“, das „Garantiekapital“, die „beitragsfreie Garantierente“, das „beitragsfreie Garantiekapital“
sowie das „durchschnittliche Garantiekapital des bisherigen Versicherungsverlaufs“. Die in der zweiten Spalte
genannte „Garantierente nach Beitragsfreistellung ohne Überschussbeteiligung“ kann er als „beitragsfreie
Garantierente“ identifizieren. Nach allen anderen Beträgen sucht er jedoch vergebens. Insbesondere fehlen in
der Tabelle jegliche Angaben zum Garantiekapital. Die Beklagte weist nämlich nur den gerade nicht
garantierten Rückkaufswert einschließlich Überschussbeteiligung aus. Der Verbraucher kann nicht erkennen,
wie hoch der garantierte Rückkaufswert ohne Überschussbeteiligung ist. Ihm bleibt verborgen, dass er über
lange Jahre hinweg schlicht Null beträgt. Schon aus diesem Grund erfüllen die Angaben im
Versicherungsschein entgegen der Ansicht der Beklagten nicht die Anforderungen, die der BGH in seinen
Entscheidungen vom 09.05.2001 aufgestellt hat.
135 Darüber hinaus kann der Versicherungsnehmer der Regelung in § 14 der AVB Rente E 70 zwar entnehmen,
dass die Versicherung die Garantierente und das Garantiekapital bei einer Beitragsfreistellung nach
versicherungsmathematischen Methoden herabsetzt und den sich ergebenden Betrag noch um einen Abzug
kürzt. Ob aber die Beträge in Spalte 2 der Tabelle diesen Abzug bereits enthalten, ist nicht hinreichend klar.
Für die Beklagte wäre es jedoch kein Problem, zunächst den Rentenbetrag auszuweisen, der sich nach der
versicherungsmathematischen Herabsetzung ergibt, dann gesondert den Abzug zu nennen und in einer dritten
Spalte den Betrag der herabgesetzten und um den Abzug verringerten Garantierente anzugeben. Gleiches gilt
für das Garantiekapital. Für den Verbraucher wäre eine derartige Darstellung klar und verständlich. Sie würde
es ihm insbesondere ermöglichen, seine Marktchancen wahrzunehmen und Angebote verschiedener
Versicherer bzw. anderer Kapitalanlageinstitute miteinander zu vergleichen.
136 Ohne die entsprechenden Angaben der Beklagten ist es dem Versicherungsnehmer auch unter
Berücksichtigung der in der Police enthaltenen Angaben nicht möglich, die Höhe des Garantiekapitals bzw.
der Garantierente wie auch des Abzugs zu errechnen.
137 Die Klausel differenziert bezüglich des Abzugs zwischen einer Beitragsfreistellung während der ersten Hälfte
der vereinbarten Prämienzahlungsdauer und einer solchen in der Zeit danach.
138 Im ersten Fall berechnet sich der Abzug als Prozentsatz „der Differenz zwischen dem durchschnittlichen
Garantiekapital des bisherigen Versicherungsverlaufs und der Summe der bis zur Beitragsfreistellung
gezahlten Beiträge“. Den letztgenannten Wert kann der Versicherungsnehmer errechnen. Wie hoch das
„durchschnittliche[…] Garantiekapital des bisherigen Versicherungsverlaufs“ ist, bleibt ihm jedoch verborgen.
Zwar nennt die Versicherungspolice den Betrag des durchschnittlichen Garantiekapitals, das als
Berechnungsgrundlage des Abzugs bei Beitragsfreistellung dient (in der Musterpolice 57.565 EUR), jedoch
muss der Versicherungsnehmer davon ausgehen, dass der in der Klausel enthaltene Zusatz „des bisherigen
Versicherungsverlaufs“ etwas zu bedeuten hat, dass also das durchschnittliche Garantiekapital ohne diesen
Zusatz nicht identisch ist mit dem durchschnittlichen Garantiekapital mit diesem Zusatz. Dass der Zusatz nur
für Fälle relevant ist, in denen die vertraglich vereinbarte Versicherungssumme während der Vertragslaufzeit
geändert wird, wie die Beklagte im Termin erläutert hat, ist der Klausel in keiner Weise zu entnehmen.
139 Wird die Prämienfreistellung während der zweiten Hälfte der vereinbarten Prämienzahlungsdauer beantragt,
soll der Abzugsbetrag der Klausel zufolge jährlich linear sinken, bis er am Ende der vereinbarten
Beitragszahlungsdauer Null beträgt. Da der Versicherungsnehmer aber bereits nicht berechnen kann, wie hoch
der Abzug am Ende der ersten Hälfte der vereinbarten Beitragszahlungsdauer ist, fehlt ihm der Ausgangswert,
um die erforderliche weitere Berechnung vorzunehmen.
140 Auch mit Hilfe der Angaben in der Versicherungspolice kann der Versicherungsnehmer also die Höhe des
Abzugs nicht ermitteln.
141 Schließlich sind die Angaben in der Versicherungspolice darüber hinaus auch deshalb unzureichend, weil
nicht einmal für den Ablauf jedes Versicherungsjahres Beträge genannt werden. Die Beklagte weist diese
Beträge nur für die ersten fünf Versicherungsjahre jährlich aus, danach beschränkt sie sich auf zweijährige
Angaben. Ein anerkennenswerter Grund dafür ist nicht ersichtlich. Es ist sicher zutreffend, was die Beklagte
im Termin vor der Kammer geltend gemacht hat, dass es mühevoll war, für das vorliegende Verfahren
nachträglich einen fiktiven Versicherungsschein zu erstellen, der auf einem Versicherungsbeginn am
01.09.2004 basiert. Im Rahmen ihres operativen Geschäfts erstellt die Beklagte jedoch derartige
Berechnungen bezogen auf einen bevorstehenden Versicherungsbeginn. Dass die EDV-Kapazitäten der
Beklagten nicht ausreichen sollten, die entsprechenden Beträge für alle Versicherungsjahre jährlich
auszuwerfen, erscheint mehr als fernliegend. Umgekehrt entspricht es einem anerkennenswerten Bedürfnis
des Verbrauchers, über möglichst engmaschige Angaben zu verfügen.
142
bb) § 24 der AVB Rente E 70
143 Die Klausel entspricht wörtlich der für die Kapitallebensversicherung geltenden Regelung in § 19 der AVB
Kapital E 1. Es kann daher auf die dortigen Ausführungen (siehe 1. a) bb)) verwiesen werden.
144 Ergänzend ist anzumerken, dass der Versicherungsschein Angaben enthält, die die Irreführung des
Verbrauchers, die durch die Verwendung des Begriffs „Abschlusskosten“ erzeugt wird, nicht beseitigen,
sondern eher verstärken. In dem Textabschnitt unmittelbar vor der Tabelle werden nämlich Beispiele für
Abschlusskosten genannt, und zwar „Kosten für die Beratung, die Antragsprüfung und die Einrichtung der
Verträge“. Es ist bereits zweifelhaft, ob ein Verbraucher die Formulierung „Kosten für die Beratung“
richtigerweise dahingehend versteht, dass Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler auch dann
Provisionen in Höhe von mehreren Hundert Euro verdient haben, wenn dem Abschluss keine oder nur eine
wenige Minuten dauernde Beratung vorausgegangen ist. Insbesondere aber werden im Versicherungsschein
nur Kosten genannt, die einen Bezug zum konkreten Vertrag aufweisen. Der Verbraucher, der den
Versicherungsschein liest, hat - wie schon nach der Lektüre der in der Klausel enthaltenen Formulierung
„Kosten für den Abschluß Ihres Vertrages“ - keine Anhaltspunkte dafür, dass er tatsächlich mit seinen
Prämien auch die Werbeaufwendungen und allgemeinen Sachaufwendungen des Versicherungsunternehmens
finanzieren soll.
145
b) Kündigung
146 Die §§ 15, 24 der AVB Rente E 70, die die Folgen einer Kündigung regeln, sind bei der gebotenen
Gesamtbetrachtung des Regelungskomplexes unwirksam. Mehrere Kernpunkte sind für den Verbraucher
unverständlich und unklar, so dass die Klauseln in dem beantragten Umfang für unwirksam zu erklären sind.
147
aa) § 15 der AVB Rente E 70
148 Die in den Versicherungsbedingungen geregelten Folgen der Kündigung einer Rentenversicherung hängen
davon ab, ob die Versicherung einen Baustein „Kapital bei Tod“ enthält oder nicht.
149 Ist der vorgenannte Baustein vereinbart, gilt § 15 Abs. 2 und 3 der AVB Rente E 70. Die dortige Regelung
entspricht § 10 der AVB Kapital E 1. Wegen der Gründe, die zur Intransparenz der Klauseln in § 15 Abs. 2
und 3 der AVB Rente E 70 führen, kann auf die Darlegungen zu § 10 der AVB Kapital E 1 (oben 1. b) aa))
Bezug genommen werden.
150 Enthält die Versicherung keinen Baustein „Kapital bei Tod“, sind zahlreiche verschiedene
Versicherungskonstellationen denkbar. Die Beklagte will mit § 15 Abs. 4 und 5 der AVB Rente E 70 die
Folgen einer Kündigung je nach Versicherungskonstellation unterschiedlich regeln. Es ist ihr aber nicht
gelungen, ein verständliches System zu entwickeln. Vielmehr ist auch der aufmerksame und interessierte
Verbraucher schlicht überfordert. Er kann nicht durchschauen, was in welchem Fall gilt und welche
finanziellen Folgen auf ihn zukommen. Auch diese Klauseln sind daher wegen eines Verstoßes gegen das
Transparenzgebot unwirksam.
151 § 15 Abs. 4 der AVB Rente E 70 verweist je nach den getroffenen Vereinbarungen hinsichtlich der
Beitragsrückzahlung und der Hinterbliebenenrente vor Rentenbeginn im Wesentlichen auf die intransparenten
und daher unwirksamen Klauseln in den §§ 14 Abs. 1 bzw. § 15 Abs. 2 und 3 der AVB Rente E 70, was zur
Folge hat, dass auch § 15 Abs. 4 der AVB Rente E 70 intransparent ist.
152 Der Sinn von § 15 Abs. 5 der AVB Rente E 70 und das Verhältnis dieser Regelung zu Abs. 4 hat sich auch
der erkennenden Kammer erst erschlossen, nachdem der Vertreter der Beklagten im Termin entsprechende
Erläuterungen abgegeben hat. Beide Klauseln regeln den Fall, dass der Baustein „Kapital bei Tod“ nicht
eingeschlossen ist. § 15 Abs. 4 der AVB Rente E 70 setzt voraus, dass die Versicherung kündbar ist. § 15
Abs. 5 der AVB Rente E 70 dagegen schließt die Kündigungsmöglichkeit ausdrücklich aus. Der Widerspruch
scheint unauflösbar.
153 Tatsächlich gehört § 15 Abs. 5 der AVB Rente E 70 zu der unter dem ersten Spiegelstrich von § 15 Abs. 4
der AVB Rente E 70 genannten Konstellation. Ist der Baustein „Kapital bei Tod“ eingeschlossen und ist weder
Beitragsrückzahlung noch Hinterbliebenenrente vor Rentenbeginn vereinbart, hängt die Kündigungsmöglichkeit
davon ab, ob laufende Beiträge bezahlt werden, also keine Einmalzahlung erfolgte. Werden laufende Beiträge
bezahlt, gilt § 15 Abs. 4 erster Spiegelstrich der AVB Rente E 70, die Versicherung ist (mit der Folge der
Beitragsfreistellung bzw. Auszahlung des Rückkaufswerts) kündbar. Wurde eine Einmalzahlung geleistet, gilt
§ 15 Abs. 5 der AVB Rente E 70, die Kündigung ist ausgeschlossen. Ohne den entsprechenden Querverweis
in § 15 Abs. 4 erster Spiegelstrich der AVB Rente E 70 („Haben Sie dagegen eine Einmalzahlung geleistet,
gilt Abs. 5“) ist dies aber in keiner Weise durchschaubar.
154 Für weitere Verwirrung sorgt in diesem Zusammenhang schließlich noch die - vom Kläger als solche nicht
angegriffene - Regelung in § 15 Abs. 1 der AVB Rente E 70. Dort werden die Kündigungsfristen festgelegt, die
unterschiedlich sind, je nachdem, ob die Versicherung beitragspflichtig ist oder nicht. Dass es Fälle geben
kann, in denen eine nicht beitragspflichtige Versicherung überhaupt nicht kündbar ist, wird nicht erwähnt.
Auch hier wäre ein Querverweis erforderlich.
155 § 15 Abs. 6 der AVB Rente E 70 entspricht wörtlich § 10 Abs. 4 der AVB Kapital E 1 und ist aus den zu
dieser Klausel genannten Gründen (siehe 1. b) aa)) unwirksam.
156
bb) § 24 der AVB Rente E 70
157 Die Klausel ist intransparent und daher unwirksam. Zur Begründung kann auf die Ausführungen zur
Beitragsfreistellung bei der Rentenversicherung (siehe a) bb)) und zu § 19 der AVB Kapital E 1 (siehe 1. a) bb)
verwiesen werden.
158 Nach alledem ist die Beklagte mit den streitgegenständlichen Klauseln in den AVB Kapital E 1 und in den
AVB Rente E 70 ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, Rechte und Pflichten ihres Vertragspartners
möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Wegen dieses Verstoßes gegen das Transparenzgebot des §
307 Abs. 1 BGB sind die Klauseln unwirksam. Ob sich die Unwirksamkeit auch aus einem Verstoß gegen §
307 Abs. 2 BGB ergibt, wie der Kläger meint, kann offen bleiben.
159
3. Umfang des Unterlassungsausspruchs
160 Das danach auszusprechende Unterlassungsgebot war nicht auf Verträge zu beschränken, die bis zum
31.12.2007 geschlossen wurden. Vielmehr sind die Voraussetzungen des § 1 UKlaG in gleicher Weise auch
für die Zeit danach gegeben, weshalb antragsgemäß ein umfassendes Verbot auszusprechen war, die
Klauseln beim Abschluss von Verträgen zu verwenden bzw. sich auf sie zu berufen.
161 Unbestritten hat die Beklagte in der Zeit bis 31.12.2007 die Klauseln verwendet. Dies indiziert die
Wiederholungsgefahr. Von der Möglichkeit, die Wiederholungsgefahr durch Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung zu beseitigen, hat die Beklagte keinen Gebrauch gemacht.
162 Die Tatsache, dass mit dem am 01.01.2008 in Kraft getretenen VVG gesetzliche Vorgaben vorliegen, die zum
Teil eine Änderung der bis dahin üblichen und auch von der Beklagten verwendeten AVB zwingend vorgeben,
hat nicht zur Folge, dass die Wiederholungsgefahr ohne Zutun der Beklagten entfallen ist. Die Kammer
vermag sich jedenfalls unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles insoweit nicht der
vom HansOLG Hamburg in seinen Urteilen vom 27.07.2010 (Az. 9 U 233/09, 9 U 235/09, 9 U 236/09 und 9 U
20/10) vertretenen Auffassung anzuschließen.
163 Zwar ist jeder Verwender von AGB verpflichtet, gesetzlich zwingende Vorgaben zu beachten, doch kann nicht
angenommen werden, dass auch jeder Verwender diesem Gebot gehorcht, wie die große Zahl erfolgreicher
Unterlassungsklagen zeigt. Für einen Verwender mag es im Einzelfall sogar lohnend sein, einen
Gesetzesverstoß und eine erfolgreiche Unterlassungsklage zu riskieren, wenn es ihm bis zum Zeitpunkt des
Unterlassungsurteils gelungen ist, in hinreichendem Maße wirtschaftliche Vorteile daraus zu ziehen, dass sich
zahlreiche Vertragspartner der entsprechenden Klausel in Unkenntnis ihrer Unwirksamkeit unterworfen haben.
Auch dieser Verwender hat sich möglicherweise „rational“ verhalten, wenngleich mit einem ganz anderen
Ergebnis als das HansOLG Hamburg dies meinte.
164 Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger bereits in der Klage vom 03.03.2010 (S. 10) darauf hingewiesen,
dass eine teilweise Beschränkung seines Unterlassungsantrags auf Verträge, die bis Ende 2007
abgeschlossen wurden, in Betracht käme, würde die Beklagte ihre seit Anfang 2008 verwendeten
Versicherungsbedingungen vorlegen und würde sie versichern, nur mit diesen Bedingungen zu arbeiten. Die
Beklagte ist in ihrer Klagerwiderung mit keinem Wort darauf eingegangen und hat auch keine neuen
Bedingungen vorgelegt.
165 Erst im Termin zur mündlichen Verhandlung am 31.08.2010 hat die Beklagte geltend gemacht, im Hinblick auf
die Gesetzesänderung zum 01.01.2008 sei nicht zu befürchten, dass sie bei den ab 01.01.2008
geschlossenen Verträgen die streitgegenständlichen alten Klauseln verwendet habe. Sie hat im Termin neue
Bedingungen „Zukunftskapital Klassik E 1“ und „Zukunftsrente Klassik E 70“ vorgelegt. Diese trugen
allerdings, worauf die Kammer hinwies, das Datum März 2010 (und nicht Januar 2008). Der im Termin
anwesende Vertreter der Beklagten erklärte dazu, die Bedingungen würden laufend angepasst und
überarbeitet, aufgedruckt sei das Datum der letzten Überarbeitung. Er gehe aber davon aus, dass die
Klauseln in den neuen Bedingungen, die sinngemäß den streitgegenständlichen Klauseln entsprechen, seit
01.01.2008 nicht verändert worden seien. Der Kläger hat bestritten, dass seit 01.01.2008 nur noch die im
Termin übergebene Fassung der Bedingungen verwendet worden sei bzw. dass die relevanten Klauseln seit
01.01.2008 nicht verändert wurden.
166 Die Beklagte hat also auf das Angebot des Klägers, seinen Antrag zu beschränken, zunächst nicht reagiert,
insbesondere hat sie die neuen Bedingungen nicht schon mit der Klagerwiderung vorgelegt, was jedoch im
Hinblick auf § 296 Abs. 1 ZPO geboten gewesen wäre. Sie hat auch keine strafbewehrte
Unterlassungserklärung für die Zeit ab 01.01.2008 abgegeben. Im Termin hat sie Bedingungen vorgelegt, die
nicht den Stand vom Januar 2008, sondern vom März 2010 wiedergaben. Da sie dies ersichtlich im Vorfeld
nicht bemerkt hatte, sondern erst vom Gericht darauf hingewiesen werden musste, konnte ihr im Termin
anwesender Vertreter mangels hinreichender Prozessvorbereitung nicht fundiert erklären, dass die Klauseln in
der Fassung März 2010 unverändert seit 01.01.2008 verwendet wurden, sondern konnte dies lediglich
vermuten.
167 Vor diesem Hintergrund kann ungeachtet der zwischenzeitlichen Gesetzesänderung nicht angenommen
werden, dass die durch die Erstbegehung indizierte Wiederholungsgefahr ausnahmsweise auch ohne die
Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung entfallen ist. Auf die weitere Frage, ob die im Termin
übergebenen neuen Bedingungen nicht wiederum intransparent sind, kommt es nicht an.
168 Die Klage ist damit in vollem Umfang begründet.
169 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den
§§ 709 S. 1, 2 ZPO.