Urteil des LG Stuttgart vom 30.10.2002

LG Stuttgart: vergleich, auflösung der gesellschaft, rücktritt vom vertrag, gesellschafter, versprechen, meinung, bilanz, schiedsgutachten, abhängigkeitsverhältnis, erlass

LG Stuttgart Urteil vom 30.10.2002, 27 O 211/02
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: EUR 54.080,42
Tatbestand
1
Der Kläger nimmt die Beklagten aus der Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz auf Schadenersatz in Anspruch.
2
Der Kläger war zusammen mit einem Günther Blank und einem Jörg Wolf Mitgesellschafter eines Architekturbüros, aus welchem Jörg Wolf
ausscheiden wollte. Die Gesellschafter vereinbarten am 11. 6. 1996 u. a. (Bl. 52 d. A.)
3
Die BGB- Gesellschaft wird zum 30. Juni 1996 aufgelöst. Auf diesen Tag wird eine Auseinandersetzungsbilanz durch das gemeinsam
beauftragte Steuerberatungsbüro … [die Beklagten] … erstellt.
4
Ab 1. Juli 1996 betreiben in den bisherigen Räumen des gemeinsamen Architektenbüros die Herrn Blank und … [der Kläger] einerseits und Herr
Wolf andererseits je ein eigenes Architekturbüro.
5
Die Beklagten erstellten daraufhin am 7. 4. 1997 eine erste Auseinandersetzungsbilanz, am 29. 9. 1997 eine überarbeitete Version und am 17.
11. 1997 eine Endfassung, welche zu einem Auseinandersetzungsguthaben des Klägers und des Herrn Blank gegen Wolf in Höhe von
DM
341.720,78
des Landgerichts (s. beigezogene Akten Az.: 24 O 55/97 - 291/00 – 6/01 – 20 U 62/01) geltend. Im Vorprozess, in dem sich der Kläger auf den
Standpunkt stellte, bei dem erstatteten Gutachten der Beklagten handele es sich um ein für die Gesellschafter verbindliches Schiedsgutachten,
kam es zur Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Baumgärtner zu den Fragen, ob die
Auseinandersetzungsbilanz grob fehlerhaft sei und wenn ja, welcher Ausgleichsanspruch sich zug. der damaligen Kläger ergebe (vgl. Bl. 249 d.
Akten des Vorprozesses). In seinem Gutachten kam der Gerichtssachverständige zu einem Ausgleichsanspruch von nur noch DM 225.776,26,
nach weiterer Korrektur
DM 252.095,59
ff, 288, 303 d. Vorakten). Auf der Grundlage dieses Gutachtens verhandelten die Parteien des Vorprozesses, beantragten das Ruhen des
Verfahrens, beauftragten den Gerichtssachverständigen mit der Überarbeitung seines Gutachtens. Diese Überarbeitung führte zu einem Betrag
von nur noch
DM 173.954,88
der verbliebene Kläger und der Beklagte des Vorprozesses, Wolf (s. Bl. 381):
6
Das Gutachten ... [des Gerichtssachverständigen] …gilt als Basis eines Vergleichs zwischen Blank – [Kläger] – Wolf.
7
Das Ergebnis in Höhe von DM 173.954,88 wird auf
DM 175.000,00
8
Herr Wolf wird den Vergleichsbetrag abzüglich bereits geleisteten Zahlungen (DM 125.000,00), d. h. DM 50.000,00 in 2 Raten zu je DM
25.000,00, zahlbar Oktober 1999, November 1999 überweisen
9
Gerichtskosten:
10 Die Gerichtskosten werden entsprechend der Vergleichssumme von den Parteien anteilig getragen.
11 Die Auseinandersetzungsbilanz Blank-[Kläger] ./. Wolf ist hiermit abgeschlossen.
12 Am 9. 10. 1999 vereinbarte der Kläger mit den Erben seines Mitstreiters im Vorprozess, dass die Ansprüche aus diesem Rechtsstreit dem Kläger
zustehen, dieser die Erben von Ansprüchen aus dem Rechtsstreit freistelle.
13 Der Beklagte des Vorprozesses, Wolf, bezahlte die erste Rate wie versprochen, zog aber von der zweiten Rate einen Betrag von DM 7.500,-- ab,
dann nach verschiedentlicher Mahnung und Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung des Klägers (vgl. dazu die Anlagen Bl. 382 ff, insbes. 386 d.
Vorakten) schließlich weitere DM 3.750,--. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 27. 12. 2000 (Bl. 388 d. Vorakten) erklärte der
Kläger gem. §§ 326 Abs. 1 S. 3, 325 BGB den Rücktritt vom Vertrag, rief – unbeeindruckt von den zwischenzeitlich eingegangenen weiteren zum
Vergleichsbetrag noch fehlenden DM 3.750,-- – das Verfahren wieder an und stellte den Antrag auf Zahlung von DM 341.720,78 abzüglich
erfolgter Zahlungen. Der Beklagte des Vorprozesses machte geltend, den letzten noch ausstehenden Restbetrag noch vor Zugang der
Rücktrittserklärung bezahlt zu haben. Auch sei ein Rücktritt schon deshalb nicht möglich, weil der abgeschlossene Vergleich keinen
gegenseitigen Vertrag darstelle und demzufolge §§ 325 f BGB nicht anwendbar seien.
14 Die Einzelrichterin der 24. Zivilkammer hat den Beklagten des Vorprozesses verurteilt (Bl. 417 ff d.VA). Auf seine Berufung kam es im Termin zur
mündlichen Verhandlung vor dem 20. Zivilsenat des OLG Stuttgart zu einem Vergleich, durch den sich der Beklagte des Vorprozesses
verpflichtete, über die bereits geleisteten Zahlungen – inzwischen DM 175.000,-- – hinaus weitere DM 25.000,-- zu bezahlen (Bl. 480 d. VA).
15 Der Kläger behauptet, im Termin vor dem 20. Zivilsenat habe der Präsident des OLG erklärt, bei dem Schiedsgutachten der Beklagten (des
jetzigen Rechtsstreits) handele es sich um eine Arbeit, die offensichtlich unrichtig sei und keine Bindungswirkung habe, weil die Beklagten, wie
der Auseinandersetzungsbilanz unschwer zu entnehmen sei, fehlerhaft von Buchwerten und nicht von Verkehrswerten ausgegangen seien. Bei
der Auseinandersetzung seien aber die wahren Werte anzusetzen und auch die stillen Reserven aufzulösen. Wegen dieses Fehlers müsse die
Auseinandersetzung noch einmal ganz von vorne beginnen. Erhebliche weitere Kosten würden dafür anfallen.
16 Im Hinblick auf diese Ausführungen habe sich der Kläger veranlasst gesehen, den Vergleich abzuschließen. Wäre die
Auseinandersetzungsbilanz der Beklagten richtig gewesen, hätte sich der Beklagte nicht vergleichen müssen, sondern den Prozess gegen
seinen früheren Mitgesellschafter gewonnen.
17 Der Betrag, zu dem die Beklagten bei richtiger Vorgehensweise entsprechend den Vorgaben des 20. Zivilsenats gekommen wären, belaufe sich
gerade auf den vom Gerichtssachverständigen ermittelten Betrag von DM 252.095,59. Da der Kläger nunmehr insges nur DM 200.000,-- tituliert
erhalten habe, belaufe sich sein Schaden auf zunächst
DM 52.095,59
den Kläger bei richtigem Vorgehen der Beklagten nicht betroffen haben, wenn sie überhaupt entstanden wären.
18 Der Kläger beantragt (vgl. Bl. 2, 102 d. A.),
19 die Beklagten unter Haftung als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger EUR 54.080,42 nebst 8,5 % Zinsen hieraus zu bezahlen.
20 Die Beklagten beantragen,
21 die Klage abzuweisen.
22 Die Auseinandersetzungsbilanz beruhe fast vollständig auf den von Blank und dem Kläger gelieferten Zahlen. Sämtliche Wertansätze seien mit
dem Kläger und Blank, nicht aber mit Wolf besprochen worden. Um ein Schiedsgutachten handele es sich bei der Auseinandersetzungsbilanz
nicht, da allen Beteiligten von Anfang an klar gewesen sei, dass keiner der Gesellschafter die Auseinandersetzungsbilanz als verbindlich
anerkennen wolle.
23 Die Auseinandersetzungsbilanz sei inhaltlich richtig. Buchwerte seien entgegen der Annahme des 20. Zivilsenats nicht angesetzt, vielmehr sog.
„Teilwerte“, was im Steuerrecht die Umschreibung für Verkehrswert darstelle.
24 Etwaige Fehler seien nicht ursächlich geworden, da nicht ersichtlich sei, dass Wolf außergerichtlich mehr, als was er bezahlt hat, hätte bezahlen
können.
25 Die Beklagten meinen: Der Kläger habe den Vergleich vor dem OLG nicht abschließen dürfen. Nach seinem eigenen Vortrag sei der Schaden ja
gerade durch den Vergleich erst herbeigeführt worden, durch diesen habe der Kläger den Geschehensablauf selbst unterbrochen. Nach
Abnahme der Bilanz könne Schadenersatz nur, da Werkvertrag, nach § 635 BGB verlangen. Die Voraussetzungen dafür - § 634 BGB – seien
aber nicht erfüllt, da keine Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt worden sei. Im übrigen seien etwaige Ansprüche verjährt. Der Schaden sei schon
mit Fertigstellung der Bilanz entstanden.
26 Mit Verfügung vom 25. 9. 2002 hat der Vorsitzende darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Annahme bestehen, vom abgeschlossenen
Vergleich könne gem. § 326 BGB zurückgetreten werden (Bl. 98 d. A).
27 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von ihnen
vorgelegten Unterlagen sowie ihre Erklärungen in der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
28 Die zulässige Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht aus dem mit den Beklagten abgeschlossenen Vertrag über Erstellung einer
Auseinandersetzungsbilanz kein Schadenersatzanspruch zu.
29 Es mag sein, dass die Auseinandersetzungsbilanz der Beklagten in der Fassung vom 17. Nov. 1997 fehlerhaft war und die Beklagten diese
Fehlerhaftigkeit auch zu vertreten haben. Es ist ferner klar, dass die Beklagten dafür grundsätzlich gem. § 635 BGB – auch ohne Fristsetzung (§
634 Abs. 2 BGB) – haften. Auch besteht kein Zweifel, dass etwaige Schadenersatzansprüche nicht gem. § 68 StBerG verjährt wären, weil die
Verjährung erst mit der Entstehung des Schadens beginnt und dieser nicht schon mit der Ablieferung einer fehlerhaften Bilanz als entstanden
angesehen werden kann (vgl. z. B. BGH NJW 92, 2766, 2767; 96, 2929). Die Urteil der 24. Zivilkammer, das dem Kläger sogar mehr
zugesprochen hat, als er jetzt noch begehrt, belegt dies eindrucksvoll. Schließlich ist die Kammer weit davon entfernt, eine Ursächlichkeit der
Pflichtverletzung der Beklagten für einen etwaigen Schaden schon deshalb zu verneinen, weil der Kläger durch den Vergleichsabschluss „den
Geschehensablauf selbst unterbrochen habe“. Die Kammer ist im Anschluss an die von der Rechtsprechung zu eigenschädlichem Verhalten
ausgehend von den sog. Verfolgungsfällen entwickelte „Herausforderungslehre“ (z. B. BGH NJW-RR 98, 1125, 1128 unter 3. b) durchaus der
Ansicht, dass sich ein Kläger in vergleichbarer Situation herausgefordert fühlen darf, einen Vergleich abzuschließen (vgl. dazu etwa BGH NJW
93, 1587, 1589 unter II. 2. b; 93, 1139, 1141 unter II. 3. b; 93, 1320, 1323 unter B II. 1; zuletzt BGH NJW 2002, 2322, 233 unter II. 2. b cc).
30 Die Klage scheitert allein deshalb, weil der durch die etwaige Pflichtwidrigkeit der Beklagten herausgeforderte Abschluss des gerichtlichen
Vergleichs nicht zu einer Vermögenseinbuße, sondern für den Kläger sogar zu einem Vermögensvorteil geführt hat. Hätte der Kläger den
Abschluss des gerichtlichen Vergleichs abgelehnt, hätte seine Klage in zweiter Instanz bis auf geringfügige Restbeträge (, die sich nach
Anwendung des § 367 Abs. 1 BGB ergeben) abgewiesen werden müssen. Die Annahme der 24. Zivilkammer, der außergerichtlich
abgeschlossene Vergleich sei durch den erklärten Rücktritt hinfällig und damit die alte Rechtslage vor Abschluss des außergerichtlichen
Vergleichs wiederhergestellt (§§ 326, 327, 346 BGB), ist nicht richtig. Von dem außergerichtlichen Vergleich konnte der Kläger nämlich nicht
gem. § 326 BGB zurücktreten. Die Vorschrift ist anwendbar nur für gegenseitige Verträge i. S. der §§ 320 ff BGB. Um einen solchen
gegenseitigen Vertrag handelte es sich bei dem außergerichtlichen Vergleich des Klägers mit seinem früheren Mitgesellschafter und Beklagten
des Vorprozesses aber nicht. Demzufolge war der Rücktritt unwirksam und der Kläger auf seinen Anspruch aus dem außergerichtlichen
Vergleich beschränkt. Diesen hatte der Beklagte des Vorprozesses aber – bis auf die zu verrechnenden Verzugszinsen – erfüllt.
31 1. Die Frage, ob ein Vergleich i. S. d. § 779 Abs. 1 BGB einen gegenseitigen Vertrag darstellt ist umstritten.
32 a) Die früher als herrschend zu bezeichnende Auffassung sieht in jedem Vergleich, der ein beiderseitiges Nachgeben voraussetzt, einen
gegenseitigen Vertrag. Die mit dem Vergleich erbrachten Anerkenntnisse und Verzichte würden typischerweise i. S. einer synallagmatischen
Rechtsgrundabrede erbracht. Auch der Gläubiger einer nach Vergleich nur einseitig verbliebenen Leistungspflicht könne daher, wenn der das
ihm nach dem Vergleich Zustehende nicht vertragsgemäß erhalte, nach § 326 BGB vom Vertrag zurücktreten (so Pecher in MK³, § 779 BGB, Rn.
36 mwN.). Dies ist im Grundsatz auch die Meinung der Reichsgerichtsrechtsprechung (RGZ 93, 290, 291), die nur im Einzelfall aus den Abreden
der Vergleichsparteien eine Anwendung der §§ 320 ff BGB ausschließen will (zweifelnd aber schon RGZ 106, 86, 87).
33 b) Eine moderne, im Vordringen begriffene Auffassung sieht im Vergleich nicht nur ein Verpflichtungsgeschäft, das – sei es auch nur eine
logische Sekunde später – durch entsprechende Verfügungsgeschäfte umgesetzt werden müsste, sondern ein kombiniertes Verpflichtungs- und
Verfügungsgeschäft, welches unmittelbar zur Abänderung früherer Schuldverhältnisse führe (so vor allem Larenz, SchR I § 7 IV, S. 95). Nach
dieser „Verfügungslehre“ könne im Vergleich nur dann ein gegenseitiger Vertrag gesehen werden, wenn durch den Vergleich selbst im
Abhängigkeitsverhältnis stehende wechselseitige Ansprüche begründet würden oder solche aus dem zugrundeliegenden Schuldverhältnis
bestehen blieben (so Marburger in Staudinger
13
§ 779 BGB, Rn. 49, 51 mwN).
34 c) Der BGH hat die Streitfrage bisher offengelassen. Zwar hat er vereinzelt ausgesprochen, dass es sich beim Vergleich um einen gegenseitigen
Vertrag handele. In jenen Fällen war es aber so, dass im jeweiligen Vergleich selbst wechselseitige im Abhängigkeitsverhältnis stehende
Leistungspflichten begründet waren (z. B. BGHZ 16, 388). Mit dieser Begründung hat der BGH die Entscheidung der Streitfrage bisher offen
lassen können (vgl. BGHZ 116, 319, 330 = NJW 92, 967, 970 f).
35 d) Der vorliegende Fall nötigt zu einer Entscheidung der Streitfrage. Durch den außergerichtlichen Vergleich sind keine wechselseitigen
Vertragspflichten begründet worden. Ergebnis des Vergleichs war, dass nur noch dem Kläger ein Anspruch zustehen sollte. Durch den
außergerichtlichen Vergleich sind auch nicht etwa aus dem ursprünglichen Schuldverhältnis der Parteien sich ergebende im
Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Pflichten bestehen geblieben. Da der Vergleich nach allg. Meinung in aller Regel keine novierende – ein
neues Schuldverhältnis begründende – Wirkung hat (BGH NJW-RR 87, 1426, 1427), bleiben im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende
Vertragspflichten bestehen, auch wenn sie im Vergleich nicht ausdrücklich erwähnt werden. So liegt der Fall hier nicht. Der zwischen dem Kläger
und dem ausscheidenden Gesellschafter bestehende Gesellschaftsvertrag wird zwar nach ständiger Rechtsprechung als ein gegenseitiger
Vertrag angesehen (Palandt
61
§ 705 BGB Rn. 13 mwN.). Nach Auflösung der Gesellschaft besteht aber nach Rechtsprechung nur noch ein
(aus vielen einzelnen Rechnungsposten resultierender) Saldo-Anspruch (BGH NJW 95, 2843, 2844 unter II. 1.), der demzufolge nicht in einem
Abhängigkeitsverhältnis zu Gegenansprüchen stehen kann. Der Kläger hat sich mit dem Beklagten des Vorprozesses nur hinsichtlich des Streits
über die Höhe dieses Saldos verglichen.
36 e) Die Kammer schließt sich der zweitgenannten Auffassung an.
37 Freilich kann nicht geleugnet werden, dass jeder Vergleich, auch ein solcher, der nur eine einseitige Verpflichtung begründet, hinsichtlich seiner
Entstehung („in der Genese“) jene dem gegenseitigen Vertrag eigentümliche Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung aufweist. Die eine
Seite ist nur zum Geben bereit, weil sich auch die andere zum (Nach-)Geben bereit zeigt. Jene als genetisches Synallagma bezeichnete
Verknüpfung ist aber nach Ansicht der Kammer für sich allein nicht ausreichend, die Anwendbarkeit der §§ 320 ff BGB zu begründen.
Entscheidend ist dafür, ob der Vergleich auch hinsichtlich der Abwicklung und der Bedingtheit des bestehenden Schuldverhältnisses
synallagmatisch ist.
38 Für das sog. funktionelle Synallagma, das die Hauptpflichten aus dem gegenseitigen Vertrag in der Form miteinander verknüpft, dass die eine
Leistung nur Zug um Zug gegen die andere verlangt werden kann (§ 320 BGB), ist bei einem Vergleich mit saldierender Wirkung kein Raum. Der
Anspruch aus dem Vergleich ist in seiner Durchsetzung nicht von einem irgendwie gearteten Gegenanspruch abhängig. Selbst wenn man mit
der älteren Auffassung von der ausschließlichen Verpflichtungswirkung des Vergleichs ausgeht und demgemäß als dinglichen Vollzug
Anerkenntnis bzw. Erlass fordert, im Vergleich also zunächst nur das Versprechen auf Anerkenntnis im Austausch zum Versprechen auf Erlass
sehen wollte, wäre ein funktionelles Synallagma nur hinsichtlich dieser Versprechen gegeben. Diese synallagmatische Verknüpfung wird aber
sofort wieder durch die – eine logische Sekunde später liegende – Erfüllung der beiderseitigen Versprechen gelöst. Die Annahme eines
funktionellen Synallagmas hat beim Vergleich mit einseitiger Leistungsverpflichtung keine Berechtigung.
39 Auch das sog. konditionelle Synallagma, das für die wechselseitig auflösende Bedingtheit der Vertragspflichten steht, ist beim einseitig
verpflichtenden Vergleich nicht gegeben. Es gibt keine der Leistungspflicht entgegenstehende Verpflichtung, die in Wegfall geraten und dadurch
auch die Leistungspflicht beseitigen könnte. Umgekehrt kommt der Wegfall der Leistungspflicht, die hier bloße Geldzahlungspflicht ist, nicht in
Betracht.
40 Einen gegenseitigen Vertrag bei einseitig verpflichtendem Vergleich abzulehnen, steht im Einklang mit dem regelmäßig zu vermutenden Willen
der Vergleichsparteien. Haben sich die Parteien nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen, nach Einholung sachverständigen Rats auf
einen Zahlungsbetrag geeinigt, so ist nicht davon auszugehen, dass die Einigung in ihrem Bestand von der rechtzeitigen Zahlung abhängig sein
soll. Die Erfahrung mit Vergleichsabschlüssen zeigt, dass Parteien, die eine solche Abhängigkeit wollen, diese in den Vergleich ausdrücklich,
etwa durch eine Verfallsklausel oder ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht, aufnehmen. Das ist jedenfalls bei Vertretung durch Rechtsanwälte die
Regel.
41 2. Da der vom Kläger abgeschlossene außergerichtliche Vergleich kein gegenseitiger Vertrag war, konnte der Kläger nicht gem. § 326 BGB
zurücktreten. Seine Klage im Vorprozess hätte daher schon in erster Instanz kostenpflichtig abgewiesen werden müssen.
42 Freilich steht wegen des in zweiter Instanz abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs nicht fest, wie der Rechtsstreit des Vorprozesses letztlich
entschieden worden wäre. Die Frage bedarf keiner Aufklärung. Im Regressprozess kommt es nicht darauf an, wie der Richter des Vorprozesses,
hier der 20. Zivilsenat des OLG Stuttgart, den Rechtsstreit aus seiner Sicht entschieden hätte, sondern wie er nach Überzeugung des
Regressrichters richtigerweise hätte entschieden werden müssen (st. Rspr.: vgl. etwa für RA: BGH NJW 96, 842, 843 unter B III. 1. a; NJW 2000,
1572, 1573 unter III. 3; 2000, 1263, 1266 unter II. 2.; 2001, 673, 674 unter II. 2. b; NJW 85, 2941; 93, 1323, 1325 unter II. 3.; 96, 2501 u. 1.; 96, 48,
49 unter I. 1. a; -RR 96, 567, 568 unter II. 2.; NJW 87, 3255; für StBer.: BGH NJW 93, 2799, 2801 unter II. 2. c; 97, 1008 unter II.; 2001, 146, 147
unter IV. 2.).
43 Der Kläger, dessen Klage im Vorprozess abgewiesen worden wäre, hat durch den Vergleich noch DM 25.000,-- zusätzlich erlangt. Ein Schaden
ist ihm deshalb nicht entstanden.
44 3. Der Kläger hat den Schaden nicht damit begründet, dass es bei einem richtigen Gutachten der Beklagten gar nicht zu einem
außergerichtlichen Vergleich und folglich auch nicht zu einem nach Meinung der Kammer nicht zulässigen Rücktritt gekommen wäre, mithin kein
Hinderungsgrund für eine Verurteilung des Beklagten des Vorprozesses bestanden hätte. Mit einem solchen Vortrag könnte er auch kein Gehör
finden:
45 Denn wenn der Kläger bereit war, sich auf einen Betrag von DM 175.000,-- außergerichtlich zu vergleichen, obwohl die Beklagten in ihrer
Auseinandersetzungsbilanz zu einem Betrag von DM 341.720,78 gekommen waren, ist die Annahme nicht fernliegend, der Kläger wäre mit dem
Vergleichsbetrag von DM 175.000,-- auch dann einverstanden gewesen, wenn die Beklagten – nach Behauptung des Klägers: richtigerweise –
den Ausgleichsanspruch auf DM 252.095,59 ermittelt hätten. Jedenfalls wird der Kläger nicht beweisen können, dass er sich in diesem Falle
nicht außergerichtlich verglichen haben würde.