Urteil des LG Stuttgart vom 24.07.2002

LG Stuttgart: gewalt, bier, unerlaubtes entfernen, üble nachrede, totschlag, mittäter, nacht, körperverletzung, eifersucht, schuldfähigkeit

LG Stuttgart Urteil vom 24.7.2002, 9 Ks 115 Js 86771/01
Totschlag in einem besonders schweren Fall und Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe
Leitsätze
Es finden sich kaum BGH-Entscheidungen, die die Strafzumessung der lebenslangen Freiheitsstrafe beim Totschlag in einem besonders schweren
Fall bestätigen. Überwiegend werden Entscheidungen veröffentlicht, bei denen die Entscheidungsgründe der ersten Instanz die lebenslange
Freiheitsstrafe nicht getragen haben.
Dies mag daran liegen, daß bestätigende BGH-Entscheidungen regelmäßig nicht veröffentlicht werden, wenn sie als offentsichtlich unbegründet
ergangen sind. Auch hier hat der BGH ohne weitere Begründung die landgerichtliche Entscheidung bestätigt.
Tenor
Die Angeklagten J. B. und A. Z. sind des Totschlags und der gefährlichen Körperverletzung schuldig.
Der Angeklagte J. B. wird zu lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.
Der Angeklagte A. Z. wird zu 11 Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.
Bei den Angeklagten J. B. und A. Z. wird die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
Beim Angeklagten A. Z. sind vor dem Vollzug der Maßregel 5 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe einschließlich der Untersuchungshaft zu vollstrecken.
Der Angeklagte A. M. wird wegen Diebstahls zu der Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt.
Den Angeklagten werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Angewandte Vorschriften:
bei den Angeklagten J. B. und A. Z.:
§§ 212, 224 Absatz 1 Nr. 4, 223, 25 Absatz 2, 53, 64 StGB beim Angeklagten A. M.: § 242 StGB
Gründe
1
(bezüglich des Angeklagten A. M. abgekürzt nach § 267 Absatz 4 StPO)
2
Am Mittwoch, dem 7. November 2001, zwischen 1.00 Uhr und 2.00 Uhr misshandelten die Angeklagten J. B. und A. Z., zur Tatzeit 39 Jahre
beziehungsweise 31 Jahre alt, in E.-Z. in der Pension "Eiche" in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken aus nichtigem Anlass den
Mitangeklagten A. M., 23 Jahre alt, mit zahlreichen Faustschlägen ins Gesicht. Im Anschluss daran verprügelten sie in der gegenüber liegenden
Pension "Nelke" aus demselben nichtigen Anlass den angetrunkenen Schlosser Bernd S, 46 Jahre alt, auf noch brutalere Weise ebenfalls mit
zahlreichen Faustschlägen auf Kopf und Gesicht, wobei sie den für ein Schädel-Hirn-Trauma typischen Verlauf in Kauf nahmen, er werde an
den damit einhergehenden Gehirnverletzungen sterben. Tatsächlich kam Bernd S. durch Ersticken zu Tode, weil er von seinen Peinigern nach
diesen Schlägen in handlungsunfähigem Zustand auf seinen abgewinkelten Beinen hockend, Mund und Nase dicht auf dem Teppich
aufliegend, wobei Blut und Schleim aus den von den Schlägen eröffneten Wunden zusätzlich die Atemwege verstopften, zurückgelassen
wurde. Die Angeklagten J. B. und A. Z. waren für ihre Gewalttaten in der Nacht strafrechtlich voll verantwortlich. Ihr üblicher Bierkonsum seit dem
Aufstehen am Morgen hatte ihre Schuldfähigkeit nicht erheblich vermindert.
3
Der Angeklagte A. M., der ins Gefolge seiner Mitangeklagten gezwungen war und selbst medizinischer Hilfe bedurft hätte, entwendete dem
hilflosen Bernd S. den Geldbeutel mit 140 DM aus der Gesäßtasche, um das Geld für die von ihm beabsichtigte Taxifahrt ins Krankenhaus zu
verwenden.
4
Beim Angeklagten J. B. würdigte die Schwurgerichtskammer den Totschlag als besonders schweren Fall, weil die Verwerflichkeit der Tat dem
beim Mord vorausgesetzten Unwert angesichts der Banalität und Belanglosigkeit des Tatmotivs gleichkam und weil der deswegen vorbestrafte
Angeklagte den im Sommer 1991 begangenen Versuch des Totschlags nun in einem verblüffend gleichgelagerten Hergang mit finalem
Ausgang duplizierte.
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Im einzelnen hat die Schwurgerichtskammer folgende Feststellungen getroffen:
6
I. Persönliche Verhältnisse
7
1. Angeklagter J. B.
8
Der Angeklagte J. B. wurde 1962 in S. geboren. Sein leiblicher Vater verließ die Familie, als der Angeklagte zwei oder drei Jahre alt war. Die
Familie bestand dann aus der Mutter, deren neuem Partner und insgesamt sieben Kindern, von denen der Angeklagte das vierte in der
Geschwisterreihe war. Er hat zwei Brüder und vier Schwestern. Die Mutter war Alkoholikerin. Schläge gehörten zu den Erziehungsmaßnahmen
beider Eltern.
9
Im Jahr 1968 starb die Mutter an einem Magengeschwür. Der Angeklagte war gerade eingeschult. Mit seinen Geschwistern kam er nach einem
halbjährigen Zwischenaufenthalt in einem Heim in S. in das Kinderheim "H." in K. Der Stiefvater, der den Kontakt zu den Kindern durch Besuche
aufrechterhalten hatte, starb etwa im Jahr 1969 oder 1970.
10
Im Jahr 1979 erwarb der Angeklagte den Hauptschulabschluss in der heimeigenen Schule. Anschließend begann er eine Berufsausbildung als
Bäcker in der Bäckerei "H." in S. Als Unterkunft bekam er vom Lehrbetrieb ein Zimmer zur Verfügung gestellt. Er vernachlässigte seine
Ausbildung im Zuge von "Sauftouren", die er mit einem anderen Bäckerlehrling unternahm. Zuletzt blieb er einfach dem Arbeitsplatz fern. Daher
verlor er nach einem Jahr sowohl die Ausbildungsstelle als auch die Unterkunft. Danach begnügte er sich mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten.
11
Im Jahr 1980 kam der Angeklagte erstmals nach E., wo er Unterkunft in einem Wohnheim bekam. Da ihm das durch "Jobs" verdiente Geld nicht
reichte, besserte er seine Einkünfte durch Diebstähle auf. Wegen seiner bis Oktober 1980 begangenen Taten wurde er mit Urteil des
Amtsgerichts E. vom 2. Juni 1981 zu 1 Jahr 6 Monaten Jugendstrafe verurteilt (Aktenzeichen 2 Ls 295/81). Nachdem er 1 Jahr verbüßt hatte,
wurde der Rest der Strafe zur Bewährung ausgesetzt und mit Wirkung vom 10. Februar 1986 erlassen. Nach Entlassung aus der Haft kehrte er
in das Wohnheim in E zurück.
12
Etwa von 1982 bis 1984 hatte der Angeklagte eine Beziehung mit Jutta G, aus der im Jahr 1983 der nichteheliche Sohn David hervorging. Der
Angeklagte war 21 Jahre alt, als er Vater wurde. Das Zusammenleben der Familie in einer kleinen Wohnung war aber, ebenso wie es sich dann
auch bei den folgenden Beziehungen wiederholte, durch überzogene Eifersucht von Seiten des Angeklagten belastet. Er unterstellte der
Partnerin regelmäßig, sie gehe fremd, wenn sie auch nur einen anderen Mann anlächelte. Da seine Eifersucht mit Tätlichkeiten verbunden war,
brach die Freundin die Beziehung ab. Mit dem Ende der Beziehung im Jahr 1984 blieb er auch der Arbeitsstelle fern, die er zuletzt in einer
Gießerei in S.-U. aufgenommen hatte.
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In der folgenden Zeit ohne ernsthafte Beziehung - zeitweise will er auch mehrere Freundinnen zugleich gehabt haben - führte der Angeklagte
wieder einen unsteten Lebenswandel, der von Trinkgelagen mit "alten Kumpels" und Straftaten geprägt wurde, die Verurteilungen wegen
Diebstahls, unerlaubten Entfernens vom Unfallort, fahrlässige Trunkenheit im Straßenverkehr, Nötigung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach
sich zogen.
14
In den Jahren 1986 bis 1989 hatte der Angeklagte eine Beziehung mit Petra M. Ihr Vater, ein Polizeibeamter, war gegen die Verbindung, weil er
von den Vorstrafen des Angeklagten erfahren hatte. Durch diese Freundin, so ließ sich der Angeklagte ein, kam er zum "Bodybuilding". Aus
Eifersucht begleitete er sie ins Sportstudio, wo er selbst Gefallen daran fand, seinen Körper aufzubauen. Fünf Jahre lang trainierte er
regelmäßig und intensiv, aber auch danach legte er Wert darauf, seinen Körper durch Krafttraining fit zu halten. Die Freundin Petra M. musste
ebenfalls unter seiner Eifersucht leiden. Nachdem er mit einer kräftigen Ohrfeige ihr Trommelfell zum Platzen gebracht hatte, trennte sie sich
von ihm.
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Am 15. Juni 1989 gegen 2.30 Uhr (die Beziehung mit Petra M. war schon beendet) machte sich der Angeklagte des Raubes zum Nachteil der
Prostituierten Marie-Louise M. schuldig. Er beging die Tat in angetrunkenem, aber nicht volltrunkenem Zustand zusammen mit dem
Heranwachsenden Rainer S. An Beute erlangten sie 850 DM Bargeld. Der Angeklagte wurde deshalb vom Amtsgericht S. -
Jugendschöffengericht - am 28. August 1989 zu 1 Jahr Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt (Aktenzeichen D. 3 Ls 1141/89). Die
Strafaussetzung wurde später widerrufen.
16
Am 10. Mai 1990 trank sich der Angeklagte auf dem Frühlingsfest in S. bis gegen Mitternacht in den Zustand der Volltrunkenheit. Aus nichtigem
Anlass wurde er nacheinander gegen zwei Personen aggressiv. Deshalb verurteilte ihn das Amtsgerichts S. vom 10. Dezember 1990 wegen
fahrlässigen Vollrausches zu der Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 25 DM (Aktenzeichen D. 3 Ls 1533/90).
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Im Sommer 1990 ging der Angeklagte eine Beziehung mit Martina Z. ein. Gemeinsam bewohnten sie eine Ein-Zimmer-Wohnung in S.-R. Seine
Eifersucht wurde durch den Verdacht genährt, sie sei "zuviel mit ihrem Ex-Freund in der Disko". Dies brachte ihr Schläge ein.
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Am 25. Juli 1991 machte sich der Angeklagte des versuchten Totschlags schuldig. Die damit verbundene Verhaftung bedeutete zugleich das
Ende der Beziehung mit Martina Z. Sie war auch insofern der Anlass der Gewalttat gewesen, als sie es spät abends abgelehnt hatte, der
Aufforderung des Angeklagten Folge zu leisten, in die Kneipe "Endstation" in S.-H. zu kommen. Seine Wut über die Abfuhr der Freundin traf
gegen 23.00 Uhr den Spätaussiedler Oleg P., der ihm und seinem "Kumpel" Gerd M. zuvor ein Bier spendiert und mit ihnen eine mitgebrachte
Flasche Wermut "Martini" geteilt hatte. Der Angeklagte war angetrunken, aber nicht volltrunken (für die Tatzeit wurde bei ihm eine
Blutalkoholkonzentration von 2,63 Promille festgestellt). Er brach auf der Straße einen Streit mit Oleg P. vom Zaun und ließ sich auf einen
Zweikampf ein. Als er gegenüber dem Sportlehrer und Ringertrainer zu unterliegen drohte, ließ er sich von seinem Trinkkumpanen Gerd M. mit
einer Maurerschraubzwinge "helfen" (dieser hatte das Werkzeug für einen spontanen Einbruch von einer Baustelle mitgenommen). Mit dem
1,10 M. langen und circa 4 kg schweren Gerät schlugen der Angeklagte und Gerd M. in wechselnder Besetzung mit zahlreichen Hieben dem
Oleg P hauptsächlich auf Kopf und Nacken. In erster Linie wollten sie ihn damit kampfunfähig machen, seinen Tod nahmen sie aber auch in
Kauf. Als Oleg P. fast bewusstlos zusammengesunken war, nur noch leiste stöhnte und stark blutete, ließen ihn der Angeklagte und sein
Kumpan liegen und machten sich auf den Heimweg. Weil sie sich verliefen, kamen sie danach noch einmal am Tatort vorbei. Abermals
versetzten sie dem Verwundeten, der sich gerade auf Händen und Knien aufrappelte, abwechselnd mit der Maurerschraubzwinge noch einige
Schläge, bis er erneut leise stöhnend zu Boden ging. Durch die brutale Gewalt war dem Oleg P. im wahrsten Sinne des Wortes "der Schädel
eingeschlagen" worden: der Schädelknochen wurde auf einer Fläche von 4 cm x 4 cm bis zu 1 ½ cm tief ins Schädelinnere hineingedrückt. Von
den Verletzungen waren beispielhaft der Trümmerbruch des linken Augenhöhlenbodens und der Bruch des Unterkiefers hervorzuheben. Das
Schädel-Hirn-Trauma mit Einblutung ins Schädelinnere war lebensgefährlich. Es war ein Wunder, dass das Opfer überlebte. Das Landgericht S.
verurteilte den Angeklagten und seinen "Kumpel" Gerd M. am 15. September 1992 wegen des gemeinschaftlich begangenen versuchten
Totschlags jeweils zu 7 Jahren Freiheitsstrafe (Aktenzeichen 9 Ks 42/91). Zunächst musste der Angeklagte aber das 1 Jahr der widerrufenen
Freiheitsstrafe wegen Raubes aus dem Urteil des Amtsgerichts S. vom 28. August 1989 verbüßen (Aktenzeichen D. 3 Ls 1141/89). Zu diesem
Zweck war die Untersuchungshaft in der Strafsache 9 Ks 42/91 unterbrochen worden.
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In der Justizvollzugsanstalt M. gelang es dem Angeklagten, die Berufsausbildung als Bäcker abzuschließen. Er arbeitete aber nie in diesem
Beruf. Der Verdienst war ihm zu gering und die Arbeitsbedingungen - das frühe Aufstehen - waren ihm zu unbequem.
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Ab Dezember 1996 nutzte der Angeklagte die Möglichkeit, im Wege des Freigangs eine Ausbildung als Konditor in H. zu beginnen. Wegen
einer Französin riskierte er die Flucht. Nach drei Monaten wurde er wieder ergriffen und verlor sowohl die Haftvergünstigungen als auch die
Ausbildungsstelle. Schließlich wurde die Strafvollstreckung eines verbliebenen Strafrests am 5. Dezember 1997 dann doch zur Bewährung
ausgesetzt, um ihm eine Alkoholtherapie im "M.hof" in K. zu ermöglichen. Wegen eines Bandscheibenvorfalles wurde die Suchtbehandlung
abgebrochen. Diese Reststrafe wurde erlassen am 16. August 2001.
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Ab Mai 1998 wohnte der Angeklagte eine Zeitlang bei seinem Bruder in V. Er fand Arbeit als Dachdeckerhelfer bei der dort ansässigen Firma L.
und bezog dann eine eigene Ein-Zimmer-Wohnung für 800 DM monatlich. In dieser Zeit gab es eine kurze Beziehung mit einer Türkin aus B.,
die bereits eine Tochter hatte. Auch in dieser Beziehung spielte seine Eifersucht eine Rolle. Er machte ihr "Stress", weil er ihren Beteuerungen
misstraute, sie sei mit Freundinnen ausgegangen, wenn sie, statt wie angekündigt um 22.00 Uhr, erst um 24.00 Uhr zurückkehrte. Außerdem
begann er ein Verhältnis mit der Ehefrau seines Bruders.
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Zu dieser Zeit trank der Angeklagte regelmäßig eine Alkoholmenge von rund 10 Bier am Tag. Nach seiner Einschätzung war er bei der Arbeit
auf dem Dach "besser schwindelfrei", wenn er angetrunken war. Sein Chef machte ihm deswegen aber "Probleme", ohne jedoch die Kündigung
auszusprechen. Die Arbeitsstelle musste er dann im Jahr 1999 wegen einer Operation in einer Klinik in M. aufgeben. Die
Verschleißerscheinungen am Schultergelenk wegen seines Krafttrainings konnten nicht zufriedenstellend behoben werden. Seither war er nach
eigenen Angaben nicht mehr zu Arbeiten "über Kopf" fähig. Eine reguläre Arbeitsstelle nahm er nicht mehr auf.
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Im Jahr 1999 gab es noch eine Verbindung, die ein halbes Jahr dauerte. Bei dieser Frau wurde seine Eifersucht genährt, weil bei ihr "zu viele
Jungs anriefen". Sie beendete die Beziehung, als er ein Bügelbrett durchs Haus warf. Mit diesem aggressiven Verhalten hatte er ihr Angst
gemacht.
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Etwa von Frühjahr bis Ende 2000 dauerte die Beziehung mit Regina P., die er in der "Rockfabrik" in L. kennen gelernt hatte. Er zog zu ihr in den
Schwarzwald, wo sie mit zwei Kindern im Schulalter lebte. Da er ihr vorwarf, jeden Tag mit dem "Exfreund" Kontakt gehabt zu haben, war auch
dieses Verhältnis von Eifersucht geprägt. Die "Bewachung" rund um die Uhr war ihm möglich, da er damals vom Krankengeld lebte. Sie
empfand es als "täglichen Terror", wenn er ihr seine Begleitung aufdrängte, sobald sie aus dem Haus wollte. Beispielsweise bestand er auf der
Abschlussfeier ihrer Freundin darauf, sie bis vor die Toilette zu begleiten und vor der Tür auf sie zu warten, um sie am unbeaufsichtigten Kontakt
mit anderen Männern zu hindern. Seine "Vergangenheit" mit Strafhaft verklärte er ihr romantisch mit einer Verurteilung, weil er eine Freundin "in
flagranti erwischt" und "rot gesehen" habe.
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Anschließend wohnte der Angeklagte in H.dorf, wo er sich, so ließ er sich ein, eine Zeitlang als "Callboy" betätigte.
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Seit März 2001 lebte der Angeklagte von Sozialhilfe und bewohnte das Zimmer in der "Eiche" in E.-Z., das er noch zur Tatzeit hatte.
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Vorstrafen und Untersuchungshaft
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Seit seiner Strafmündigkeit im Jahr 1976 - ein Zeitraum von rund 25 Jahren - ließ sich der Angeklagte J. B. strafrechtliche Verfehlungen in einem
breit gefächerten Spektrum zu schulden kommen - namentlich Diebstahl, Leistungserschleichung, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort,
fahrlässige Trunkenheit im Verkehr, Nötigung, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Raub, fahrlässiger Vollrausch, Beleidigung, versuchter Totschlag
und Missbrauch von Ausweispapieren. Insgesamt wurden gegen ihn rechtskräftig 1 Jahr 6 Monate Jugendstrafe und 8 Jahre 10 Monate
Freiheitsstrafen verhängt. Davon musste er fast 9 Jahre verbüßen. Dabei handelte es sich um ein 1 Jahr der Jugendstrafe, um Freiheitsstrafe
von 1 Jahr wegen des am 15. Juni 1989 begangenen Raubes, deren Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen worden war, und die
Freiheitsstrafe von 7 Jahren wegen des am 25. Juli 1991 begangenen versuchten Totschlags. Im übrigen wurden ihm die Strafen nach Ablauf
der Bewährungszeiten erlassen.
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In vorliegender Sache wurde der Angeklagte J. B. am Nachmittag des Tattages, dem 7. November 2001, vorläufig festgenommen. Am folgenden
Tag wurde er dem Haftrichter beim Amtsgericht E vorgeführt, der den Haftbefehl vom 8. November 2001 wegen Totschlags erließ und in Vollzug
setzte (Aktenzeichen 3 Gs 597/01). Seither befindet sich der Angeklagte in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt S.
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2. Angeklagter A. Z.
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Der Angeklagte A. Z. wurde 1970 in E geboren. Seine Mutter starb im Jahr 1991 an Leukämie, sein Vater, 58 Jahre alter Reprofotograf, lebt
heute in A-S. Seit der Verhaftung intensivierte sich der Kontakt wieder.
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Der Angeklagte wuchs als Einzelkind bei seinen Eltern in E.-Zo. auf. Da beide Eltern berufstätig waren, wurde er über weite Strecken von seiner
Großmutter väterlicherseits betreut, die im benachbarten N. wohnte. Dort ging er auch in den Kindergarten. Die Großmutter hatte mit der
Erziehung des Angeklagten keine glückliche Hand. Ihre Anweisungen versuchte sie mit übermäßiger Strenge, insbesondere Prügelstrafen,
durchzusetzen. Nach Angaben des Angeklagten sperrte sie ihn einmal eine Woche lang in den Keller, ein andermal schlug sie ihm eine
Flasche auf den Kopf, was eine Behandlung im Krankenhaus erforderlich machte. Mit zunehmendem Alter verlor der Angeklagte den Respekt
vor ihr und brachte sie gezielt mit Frechheiten "zur Weißglut". Wenn sie dann zum Kochlöffel griff, um ihn zu schlagen, zerbrach er ihn und lachte
sie aus.
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Im Jahr 1987 erwarb der Angeklagte den Hauptschulabschluss. Anschließend begann er eine Berufsausbildung als Kfz-Mechaniker. Er musste
die Lehre abbrechen, weil er ein ärztliches Attest gefälscht hatte, um den Krankenstand unberechtigt um drei Tage zu "verlängern". Tatsächlich
traf er sich mit Freunden, der "Zo-Clique" zum Trinken und "Herumhängen". Danach nahm er keine dauerhafte Arbeit mehr auf. Der Alkohol,
bevorzugt Rotwein und Bier, wurde ihm zur Gewohnheit. Auf bis zu 1,5 Liter Wein und 2 bis 3 Bier konnte er es am Abend bringen.
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Im Jahr 1991 wurde der Angeklagte zum Bundeswehrdienst eingezogen. Er war in U stationiert. Weil er nach dem Wochenende lieber bei den
alten Freunden in E blieb, anstatt zur Truppe zurückzukehren, wurden Disziplinarmaßnahmen gegen ihn verhängt. Sein übermäßiger
Alkoholkonsum, den er auch während des Wehrdienstes gepflegt hatte, führte im Jahr 1992/93 zu einem zeitweiligen Entzug der Fahrerlaubnis.
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Im Jahr 1992 heiratete der Angeklagte die damals 19 Jahre alte Madeleine Z., geborene M., die er seit einem Jahr kannte. Sie war in der
Ausbildung als Justizbeamtin beim Amtsgericht E. Er behandelte sie schlecht. Er brauchte keinen ernsthaften Grund dafür, sie zu misshandeln,
beispielsweise wenn sie das falsche Essen kochte, oder wenn sie nicht anwesend war, wenn er nach Hause kam. Dann schlug er zu, sowohl
mit der flachen Hand als auch mit der Faust. Am Tag der Staatsprüfung zum Abschluss ihrer Ausbildung hatte sie zwei blaue Augen, die ihr der
Angeklagte am Tag zuvor beigebracht hatte, weshalb sie nicht zur Prüfung erschien. Aus Scham verheimlichte sie an der Dienststelle den
wahren Grund, weshalb sie keine Gelegenheit zur Wiederholung der Prüfung bekam. Zu den gravierenden Folgen seiner Gewalt zählten des
weiteren eine gebrochene Nase und ein ausgeschlagener Zahn. Nachdem sie eine Platzwunde im Gesicht vom Arzt hatte nähen lassen
müssen, ging der Angeklagte dazu über, sie in den Bauchraum zu schlagen, um sichtbare Verletzungen zu vermeiden. Im Juni 1994 wurde der
gemeinsame Sohn Carsten geboren. Die Ehefrau kümmerte sich allein um die Versorgung des Kindes. Obschon der Angeklagte keiner
geregelten Arbeit nachging, war er ihr keine Hilfe im Haushalt und bei der Erziehung. Im Gegenteil, er schadete dem Kind nachhaltig: Er sperrte
den Sohn, als dieser 1 ½ Jahre alt war, in die dunkle Toilette, um ihn zur Sauberkeit zu erziehen. Nach 20 Minuten wurde das Kind von der
Mutter befreit. Weil der Angeklagte lieber mit seinen Freunden "herumhing", war die Familie auf Sozialhilfe, Kindergeld und Zuwendungen der
Mutter der Ehefrau angewiesen. Trotz der körperlichen Gewalt traute sich die Ehefrau lange nicht, die Trennung zu verlangen. Sein Hinweis "Du
weißt, wir haben ein Kind" genügte, ihre Angst zu schüren, er werde womöglich dem kleinen Sohn etwas antun. Im Jahr 1996 kam der
Angeklagte dem Wunsch der Ehefrau nach und suchte sich eine eigene Unterkunft. Die Scheidung wurde zwei Jahre später ausgesprochen.
Die geschiedene Ehefrau behielt zum Vater des Angeklagten, dem Großvater des Sohnes Carsten, ein gutes Verhältnis. Nach der Verhaftung
des Angeklagten half sie dem ehemaligen Schwiegervater, das Zimmer des Angeklagten in der "Eiche" zu räumen.
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Im Jahr 1997 nahm der Angeklagte zum ersten Mal die Beziehung mit Dagmar H. auf. Das Verhältnis dauerte etwa ein ¾ Jahr. Etwa 2 Monate
lang wohnten sie in E. zusammen und lebten von Sozialhilfe. In dieser Beziehung ließ der Angeklagte seine Wut nur an Sachen aus. Einmal
ging die Glasscheibe der Küchentüre zu Bruch. Als im Februar 1998 die gemeinsame Tochter Michaela geboren wurde, war das Paar schon
wieder getrennt.
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Der Angeklagte musste die gefundene Wohnung bald wieder aufgeben, weil er mit den Mietzahlungen in Rückstand geriet und
Räumungsklage gegen ihn erhoben wurde. Danach kam er bei Freunden unter, bis er etwa ab dem Jahr 2000 in der "Eiche" in E.-Z. Quartier
bezog, wo er noch zur Tatzeit wohnte. Er lebte von Sozialhilfe. Daneben war er von Mai bis August 2000 bei der Transportfirma Sü. in Sch. als
Fahrer tätig.
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Im Sommer 2001 lebte die Beziehung mit Dagmar H. wieder auf. Es wurde die gemeinsame Tochter Lena gezeugt, die nach der Verhaftung des
Angeklagten im Mai 2002 geboren wurde. Ungeachtet dessen war das Verhältnis oberflächlich. Der Angeklagte ließ seine Freundin in dem
Glauben, er wohne in S.-O. Den Wohnsitz in der heruntergekommenen Pension "Eiche" offenbarte er ihr nicht. Er sprach davon, einen Freund
zu besuchen, wenn er sich nach E.-Z. aufmachte.
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Vorstrafen und Untersuchungshaft
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Der Angeklagte A. Z. ist nicht vorbestraft. Eingetragen im Bundeszentralregisterauszug vom 5. Februar 2002 ist allerdings die vom Landratsamt
E. - Kreisjugendamt - veranlasste Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung wegen des Unterhalts seiner Kinder.
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In vorliegender Sache wurde er am Nachmittag des Tattages, dem 7. November 2001, vorläufig festgenommen. Am folgenden Tag wurde er
dem Haftrichter beim Amtsgericht E. vorgeführt, der den Haftbefehl vom 8. November 2001 wegen Totschlags erließ und in Vollzug setzte
(Aktenzeichen 3 Gs 597/01). Seither befindet sich der Angeklagte in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt S.
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3. Angeklagter A. M.
43
Der Angeklagte A. M. wurde 1978 in E geboren. Er verließ im Jahr 1992 - damals war er 14 Jahre alt - sein Elternhaus und brach den Kontakt zu
den Eltern völlig und zur Schwester, die verheiratet ist und fünf Kinder hat, und zum Bruder weitgehend ab. Er schlug sich bei Freunden und im
Jugendwohnheim durch.
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Der Angeklagte erwarb den Hauptschulabschluss in der Max-Eyth-Schule in K (T). Nach dem Berufsvorbereitungsjahr begann er eine
Berufsausbildung als Dachdecker, die er abbrach. Seither lebte er von Sozialhilfe und Beschaffungskriminalität.
45
Von allen drei Angeklagten ist der Angeklagte A. M. am meisten alkohol- und drogenabhängig. Er kannte massive Entzugserscheinungen in
Form von Schüttelfrost und Wadenkrämpfen. Aufgrund von Anlässen, die für ihn in der polizeilichen Ausnüchterung endeten, wurden bei ihm
Blutalkoholwerte von 3 Promille gemessen. Als übliche Tagesdosis nannte er eine Flasche Doppelkorn beziehungsweise 10 bis 15 Bier.
46
Etwa seit dem Jahr 2000 bewohnte der Angeklagte das Zimmer in der "Nelke", das er noch zur Tatzeit hatte. Aus seiner Beziehung mit der
Maschineneinstellerin Melanie S. ging die Tochter Charlotte hervor, die - nach der Tat - im Dezember 2001 geboren wurde. Melanie S.
beschränkte zuletzt den Kontakt zu ihm auf einer freundschaftlichen Basis, da sie seine Alkoholabhängigkeit nicht billigte. Wenn er sich mit ihr
treffen wollte, bestand sie auf absoluter Abstinenz in ihrer Gegenwart, was er dann auch einhielt.
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Zur Zeit der Hauptverhandlung befand sich der Angeklagte zur Alkoholentgiftung in der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses
Nürtingen. Er hat die Zusage für eine anschließende Entziehungstherapie in der Therapieeinrichtung "R".
48
Vorstrafen
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Der Angeklagte A. M. hat laut Auskunft des Bundeszentralregisters vom 5. Februar 2002 zwei rechtskräftige Eintragungen. Wegen Beleidigung
und Bedrohung, begangen am 23. Juni 1998 sah die Staatsanwaltschaft S. nach § 45 Absatz 2 JGG von der Verfolgung ab (Aktenzeichen 55 Js
55797/98). Wegen Unterschlagung, begangen am 11. Januar 2000, verurteilte ihn das Amtsgericht E mit Strafbefehl vom 25. April 2000 zu 20
Tagessätzen zu je 10 DM (Aktenzeichen 3 Cs 83 Js 21381/00).
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II. Vorgeschichte
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Die Angeklagten J. B., A. Z. und A. M. gehörten ebenso wie das Tatopfer Bernd S. dem Alkoholikermilieu in E-Z an. Als Tatorte spielten die
Pensionen "Eiche" und "Nelke" in E-Z eine Rolle, die mit den Adressen X.straße 121/2 ("Eiche") beziehungsweise X.straße 126 ("Nelke") schräg
gegenüber lagen. Die Häuser blieben unter den Namen der früheren Gaststätten bekannt, obwohl mittlerweile im Erdgeschoss der "Eiche" das
chinesische Restaurant "Ba" und im Hochparterre der "Nelke" das italienische Restaurant "La Casa" betrieben wurde. In beiden Häusern
dienten die Zimmer in den oberen Geschossen als Unterkünfte für sozial schwache Personen. Bei allen drei Angeklagten entrichtete das
Sozialamt die Miete direkt an den Vermieter.
52
In der "Eiche" hatten die Angeklagten J. B. und A. Z. ihre Zimmer im zweiten Obergeschoss über der Gaststätte. Ihre Zimmer lagen einander
gegenüber. Die Gemeinschaftsküche der Etage war am Kopf der Treppe. Das Messer, das bei der Tat eine Rolle spielte, gehörte ursprünglich
den Hausmitbewohnern Anja und Paul B., die ihre Unterkunft im ersten Obergeschoss hatten. Bis etwa zwei Wochen vor der Tat gehörte auch
Thomas F. zu den Hausbewohnern.
53
In der "Nelke" hatten der Angeklagte A. M. und Bernd S., das Opfer der Tat, ihre Zimmer ebenfalls im zweiten Obergeschoss über der dortigen
Gaststätte. Auf ihrer Etage wohnte auch der Mitbewohner Alexander M. Darunter, im ersten Obergeschoss, wohnte der Russe Dato M., bei dem
gelegentlich auch sein Bruder Tariel M. nächtigte.
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Die Angeklagten A. Z. und A. M. kannten sich "vom Zo. her", wo sie schon als Jugendliche zugange waren. Der Angeklagte A. M. war infolge
seiner Alkoholabhängigkeit körperlich angeschlagen. Er wog 60 kg bei 179 cm Körperlänge (zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung hatte er ein
Gewicht von 71 kg).
55
Die Angeklagten J. B. und A. Z. lernten sich kennen, als der Angeklagte J. B. im März 2001 in der "Eiche" einzog. Sie wurden "beste Freunde",
wie es der Angeklagte J. B. ausdrückte, und verbrachten regelmäßig einen großen Teil des Tages zusammen. Zusätzlich waren sie durch den
Besitz ihrer Hunde verbunden, jungen Mischlingen aus Labrador und Jagdhund - der des Angeklagten J. B. - beziehungsweise aus Wolfs- und
Schäferhund - der des Angeklagten A. Z. Über die Tiere deckte sich der Tagesablauf beider Angeklagter weitgehend insofern, als sie morgens
durch die Hunde zeitig geweckt wurden. So trafen sie sich häufig zum Ausführen der Tiere und verbanden dies mit Biertrinken zuvor oder
danach. Gemeinsam erledigten sie auch "Schwarzarbeit" für den Vermieter, der sie bei der Instandsetzung und Renovierung des Hauses
einsetzte. Die Angeklagten J. B. und A. Z. ergänzten einander in fataler Weise. In ihrem Verhältnis untereinander war der Angeklagte J. B. "der
Chef". Er beanspruchte in seinem narzisstischen Selbstverständnis als "starker Mann" auch das Sagen im gesamten sozialen Randmilieu von
"Eiche" und "Nelke". Tatsächlich hatte er sich auch die entsprechende Autorität bei den Bewohnern verschafft, nicht zuletzt aufgrund der
langjährigen Haftstrafe, die er selbst bekannt machte, und durch seinen kraftsporttrainierten Körper von 78 kg Gewicht bei 177 cm Körperlänge,
was ihn als "Bodybuilder" etikettierte. Mit seinem Intelligenzquotienten von 89 Punkten liegt er im durchschnittlichen Bereich. Der Angeklagte A.
Z. war mit 95 Punkten dem Freund intellektuell überlegen, ordnete sich aber unter. Er partizipierte an dem allgemeinen Respekt, der dem
Freund aufgrund der Konstitution entgegen gebracht wurde. Dabei vermochte der Angeklagte A. Z. mit seinen 76 kg bei 197 cm Körperlänge
gleichfalls ein enormes Aggressionspotential beizusteuern. Gemeinsam hielten sie sich für unschlagbar.
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Bernd S., geboren 1955 in J, hatte den Beruf des Schlossers erlernt und ging einer geregelten Arbeit nach. Sein Zimmer war mitunter Treffpunkt
für die Bewohner der Häuser "Nelke" und "Eiche", nicht zuletzt deswegen, weil er sich von seinem Arbeitslohn einen Getränkevorrat leisten und
seine Gäste bewirten konnte. Bernd S. war Alkoholiker und hatte dadurch bereits gesundheitliche Schäden davongetragen, die sich in Form
einer Fettleber und in einer geringfügigen Atrophie seines Gehirnes abzeichneten. Er entwickelte ansatzweise die typischen "Storchenbeine"
eines Alkoholikers, das heißt, die Beinmuskulatur war nur noch mäßig ausgeprägt. Er war mit 71 kg bei 178 cm Körperlänge von schlanker, aber
(noch) nicht abgemagerter Statur.
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Bernd S. hatte unter Alkoholeinfluss gestanden, als er am 14. Dezember 1995 gegen seine Ehefrau und den Sohn tätlich wurde, weshalb die
Ehefrau mit dem Kind ins Frauenhaus flüchtete. Er wurde deshalb durch Urteil des Amtsgerichts C. vom 5. Dezember 1996 zu 6 Monaten
Gesamtfreiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt (Aktenzeichen 6 Ds 460 Js 8075/96). Sein Alkoholproblem schlug sich darüber hinaus in
Verurteilungen wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr und zweimal wegen Vollrausches nieder, zuletzt begangen am 8. Juni 1998
und geahndet durch Urteil des Amtsgerichts E vom 28. Juli 1999 (1 Cs 100 Js 58476/98). In der "Nelke" fiel er in betrunkenem Zustand durch
verbale Ausfälligkeiten auf. Er muss auch schon wiederholt Opfer von Gewalthandlungen gegen seinen Kopf von ähnlicher Schwere gewesen
sein wie bei der vorliegenden Tat. Sein Gehirn wies entsprechende alte Schädigungen auf, die von multiplen Schädel-Hirn-Traumata mit
Hirnblutungen herrührten, die er in der Vergangenheit überstanden hatte.
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1. Vorfall mit Thomas F.
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Im Oktober 2001, etwa zwei Wochen vor der Tat, rief Thomas F. nachts aus dem Lokal "Uli's Express" in E per Handy die Angeklagten J. B. und
A. Z. um Hilfe, weil er bedroht werde. Trotz der späten Stunde eilten beide sofort hin. Da hatten sich die Widersacher aber bereits verzogen,
ohne dass es zu einer Handgreiflichkeit gekommen war. Wegen der vergeblichen Anreise und des fehlenden Störfalles schlug der Angeklagte
A. Z. den Thomas F. mehrfach kräftig mit der flachen Hand ins Gesicht. Der Angeklagte J. B. griff zu diesem Zeitpunkt weder beschwichtigend
noch mitwirkend in das Geschehen ein.
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Später allerdings übermittelte der Angeklagte J. B. dem Thomas F. per Handy die Drohung, wenn er nach Hause komme, schlage er ihm den
Schädel ein. Thomas F. nahm die Drohung ernst und fürchtete um sein Leben. Er wagte sich in dieser Nacht nicht mehr in die "Eiche" zurück,
sondern zog es vor, bei seinem Vater um Unterkunft zu bitten. Am folgenden Tag räumte er sein Zimmer in der "Eiche".
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2. "Streitschlichtung"
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Am Abend des 5. November 2001, einem Montag, ging der Angeklagte J. B. mit dem Hund spazieren. In der "Nelke" hörte er "Theater", das bei
seiner Rückkehr vom Spaziergang immer noch andauerte. Dort waren der Angeklagte A. M. und Alexander M. bei dem Zimmernachbarn Bernd
S. zu Besuch. Alle drei waren erheblich alkoholisiert.
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Der Angeklagte J. B. ging hinauf, um nach dem Rechten zu sehen. Bernd S. kam ihm schon auf der Treppe entgegen und kündigte ihm an, er
wolle die Polizei rufen, weil A. M. und Alexander M. nicht bereit seien, aus seinem Zimmer zu gehen. Er brauche aber seinen Schlaf, da er am
nächsten Tag - im Gegensatz zu den Besuchern - arbeiten müsse. Der Angeklagte J. B. bot sich an, die Angelegenheit für ihn zu regeln. Polizei
brauche man dazu nicht. Darauf ging Bernd S. ein. Gemeinsam begaben sie sich in dessen Zimmer.
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Der Angeklagte J. B. sorgte, wie versprochen, innerhalb weniger Minuten dafür, dass Bernd S. allein im Zimmer war. Seine verbale
Aufforderung genügte, da man Respekt vor ihm hatte. Es kam allerdings zu einer kurzen Handgreiflichkeit zwischen dem Angeklagten A. M. und
Alexander M. Außerdem erschien der Hausmitbewohner Dato M., der sein Zimmer im Stockwerk darunter hatte, und beschwerte sich über den
Lärm. Da dies zu den üblichen Vorkommnissen im Hause gehörte, registrierte Dato M. den Vorfall nicht weiter.
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3. "Üble Nachrede"
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Am Dienstag, dem 6. November 2001, zwischen 19.30 Uhr und 20.00 Uhr suchten die Angeklagten J. B. und A. Z. mit ihren Hunden den Bernd
S. in seinem Zimmer in der "Nelke" auf. Anwesend war auch dessen Zimmernachbar Alexander M. Gemeinsam tranken sie Bier. Dabei
berichtete Bernd S, er sei vom Angeklagten A. M. nach der erfolgten "Streitschlichtung" vom Abend zuvor gebeten worden, er möge den
Angeklagten J. B. aufsuchen und ihn "beruhigen", da dieser "aggressiv" sei. Der Angeklagte J. B. geriet über diese Mitteilung in Wut, da er sie
als üble Nachrede empfand. Er sah sich vom Angeklagten A. M. als "Streithammel" verunglimpft, obwohl er doch gerade als "Friedensstifter"
agiert hatte.
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In seiner Wut beschloss der Angeklagte J. B., dem Angeklagten A. M. für den "dummen Spruch" Prügel zu verpassen, sobald er nach Hause
kommen würde. Er nahm sich vor, ihm den ersten Schlag versetzen, noch bevor dieser ein Wort zu sagen in der Lage sein würde. Diesen Plan
eröffnete er den Anwesenden. Da der Angeklagte A. M. in der "Nelke" auf dem gleichen Flur wie Bernd S. sein Zimmer hatte, warteten die
Angeklagten J. B. und A. Z. zunächst im Zimmer des Bernd S. auf die Heimkehr des Angeklagten A. M.
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Gegen 22.30 Uhr schickten sich die Angeklagten J. B. und A. Z. an, die "Nelke" zu verlassen, weil ihre beiden Hunde unruhig wurden und
ausgeführt werden mussten. Da der Angeklagte A. M. bis dahin immer noch nicht erschienen war, trug der Angeklagte J. B. dem Bernd S. auf,
dieser solle dem Angeklagten A. M., sobald dieser in der "Nelke" eintreffe, ausrichten, zu ihm in die "Eiche" zu kommen.
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Zurück in der "Eiche" hielt der Angeklagte J. B. an seinem Vorhaben fest, den Angeklagten A. M. bei der ersten Gelegenheit eine Abreibung zu
verpassen. Auch davon informierte er den Angeklagten A. Z., der diese Vorgehensweise gegenüber dem Angeklagten A. M., seinem Freund,
billigte. Eigentlich hatte der Angeklagte A. Z. nur der Spur nach verstanden, um was es eigentlich ging. Letztlich war ihm dies auch egal. Es
genügte ihm, wenn sein Freund, der Angeklagte J. B., die Angelegenheit, was der Angeklagte A. M. zu Bernd S. gesagt hatte, für
klärungsbedürftig und den Angeklagten A. M. gegebenenfalls für abstrafenswürdig hielt.
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Der Angeklagte A. M. nahm um 0.43 Uhr die S-Bahn von Ober E., wo er mit seiner Freundin Melanie S, die damals hochschwanger war, in der
Gaststätte "Zwiebel" gewesen war, zum Ortsteil Z. Er war nüchtern, da er seiner Freundin den Gefallen getan hatte, keinen Alkohol zu trinken,
wenn er mit ihr zusammen kam. Trotz der späten Stunde wollte er dem Angeklagten J. B. noch den Betrag von 10 DM überbringen. Dabei
handelte es sich um den Kaufpreis für Babyausstattung, die seine Freundin Melanie S. angesichts der bevorstehenden Geburt von einer
Bekannten namens "Sissi" erworben hatte. Der Angeklagte J. B. sollte als Bote den Geldbetrag bei Gelegenheit an "Sissi" übergeben, wenn er
ihr im "Uli's Express" begegnen würde. Deshalb ging der Angeklagte A. M. in jener Nacht auf direktem Wege zur "Eiche". Wenn ihn Bernd S.
hatte warnen wollen, kam er nicht mehr dazu.
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III. Taten
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Es war nach Mitternacht am Mittwoch, dem 7. November 2001, in der Zeit zwischen 1.00 Uhr und 2.00 Uhr, als die vorliegenden Taten
begangen wurden.
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Die Angeklagten J. B. und A. Z. waren durch den im Lauf des Tages genossenen Alkohol in ihrer Steuerungsfähigkeit nicht erheblich
vermindert. Beide hatten seit dem Aufstehen, spätestens um 9.00 Uhr, nicht mehr als 10 Dosen Bier à 0,5 Liter getrunken. Dies war im Rahmen
ihrer durchschnittlichen Tagesration. Mit einem derartigen Pegel waren sie in der Lage, die üblichen Verrichtungen ihres täglichen Lebens zu
erledigen. Die Blutalkoholkonzentration erreichte beim Angeklagten J. B. 1,66 Promille und beim Angeklagten A. Z. 1,75 Promille.
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1. Gefährliche Körperverletzung
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Gegen 1.00 Uhr war es, als die Angeklagten J. B. und A. Z. die erste Gewalttat zum Nachteil des Mitangeklagten A. M. verübten.
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Um diese Zeit war der Angeklagte A. M. in der "Eiche" eingetroffen. Er läutete. Der Angeklagte J. B. öffnete die Haustüre und versetzte ihm
unvermittelt, wie er es sich vorgenommen hatte, einen Faustschlag kraftvoll auf die Nase, noch bevor ein Wort gesprochen wurde. Dieser erste
Schlag brach dem Angeklagten A. M. das Nasenbein. Die Verletzung begann sofort stark zu bluten. Mit den Händen bedeckte A. M. die
schmerzende Stelle, wovon auch seine Handflächen blutverschmiert wurden. Auf seinen Wegen, die er in dieser Nacht noch zurücklegte,
hinterließ er zahlreiche Blutantragungen.
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Der Angeklagte J. B. befahl dem Angeklagten A. M., nach oben zu gehen, der unter dem Eindruck der Gewalt gehorchte und weil er sich dem
Stärkeren nicht zu widersetzen traute. Zu keinem Zeitpunkt der Misshandlungen, denen er in dieser Nacht ausgesetzt wurde, wagte sich der
Angeklagte A. M. zu wehren.
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Im Flur des Stockwerks, wo die Angeklagten J. B. und A. Z. ihre Zimmer hatten, kam der Angeklagte A. M. mit den Händen seine blutende Nase
haltend an. Im Flur erwartete ihn der Angeklagte A. Z. und erkannte an dessen Haltung, was geschehen war. Der Angeklagte J. B. hatte seine
Drohung, den Freund mit einem Gewaltakt zu empfangen, wahrgemacht.
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Im weiteren Verlauf der Misshandlungen des Angeklagten A. M. waren die Angeklagten J. B. und A. Z. gleichzeitig zugegen. Dabei wirkten sie in
der Weise bewusst und gewollt zusammen, als sie durch ihre Aktionen unter den Augen des jeweils anderen und im abwechselnden Agieren
dem Handeln des jeweils anderen zustimmten. Mit ihrem Auftritt als Duo versicherten sie sich in bewährter Manier ihrer Unschlagbarkeit.
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Der Angeklagte A. M. konnte sich nicht erklären, womit er diese Behandlung verdient hatte. Er wagte zu fragen, warum er "eine bekommen"
habe. Der Angeklagte J. B. antwortete, weil er bei Bernd S. einen "Scheiß" über ihn geredet habe.
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Dann verlangte der Angeklagte J. B. vom Angeklagten A. M., genau zu wiederholen, was er dem Bernd S. gesagt habe. Der Angeklagte J. B.
begleitete seine Forderung mit weiteren Schlägen ins Gesicht des Angeklagten A. M., da ihm dessen Antwort, er habe nichts zu Bernd S.
gesagt, nicht passte. Er war entschlossen, die Schläge sowohl mit flacher Hand als auch mit Fäusten solange fortsetzen, bis der Angeklagte A.
M. sagen würde, was der Angeklagte J. B. hören wollte.
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Noch auf dem Flur im Bereich vor dem Eingang zur Küche ging der Angeklagte A. M. zu Boden, wo er vom Angeklagten J. B. zusätzlich mit
einem Fußtritt - er trug Sportschuhe - in den Mundbereich traktiert wurde. Auf dem Boden des Flurs, wo sich diese Episode abspielte, sammelte
sich reichlich Blut an, das vor allem aus der Nase des Verletzten tropfte. Es gelang dem Angeklagten A. M., sich vom Boden aufzurappeln und
er wurde vom Angeklagten J. B. in die Küche hineingestoßen.
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In der Küche setzte der Angeklagte J. B. den Gewaltakt fort. Dabei nahm er ein Küchenmesser zur Hand, das eine Gesamtlänge von 32 cm
aufwies. Die 20 cm lange Klinge war einseitig geschliffen und verjüngte sich von 4,5 cm Breite zur Spitze hin. Damit wollte er der begleitenden
Drohung mehr Wirkung geben: "Ich schlag' Dir den Schädel ein, ich stech' Dich ab, überleg' was Du zum Bernd S. gesagt hast". Der Angeklagte
A. M. blieb dabei, er habe zu Bernd S. nichts gesagt.
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In der Küche übernahm der Angeklagte A. Z. die eigenhändige Tatausführung, um den Angeklagten J. B. bei dessen Vorhaben, den
Angeklagten A. M. zum Reden zu bringen, zu unterstützen. In diesem Sinne versetzte der Angeklagte A. Z. dem blutenden A. M. zwei bis drei
Faustschläge ins Gesicht, die er mit den Worten begleitete: "Sag's ihm, sonst schlägt er Dich tot!".
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In bewusstem und gewollten Zusammenwirken schlugen die Angeklagten J. B. und A. Z. noch mehrfach auf Kopf und Gesicht des Angeklagten
A. M. ein. Dabei überwog die vom Angeklagten J. B. ausgeübte Gewalt sowohl von der Anzahl der Schläge als auch von der Intensität her. Weil
die Angeklagten J. B. und A. Z. des weiteren in die bereits blutenden Gesichtsverletzungen hineinschlugen, entstand ein ausgedehntes
Blutspritzerfeld, das sich über die Küchenwand und den Küchenschrank erstreckte. Auf dem Boden in diesem Bereich bildete sich eine
Blutlache.
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Der Angeklagte A. M. hatte Todesangst. Die Schläge wollten kein Ende nehmen. Egal was er zu sagen vermochte, es würde die beiden nicht
besänftigen. Gab er zu, den Angeklagten J. B. als aggressiv und beruhigungsbedürftig bezeichnet zu haben, hatte er die Fortsetzung der Prügel
als Abstrafung zu erdulden. Stritt er weiterhin ab, etwas derartiges zu Bernd S. gesagt zu haben, hatte er die Fortsetzung der Prügel als
Druckmittel zu erwarten. Erschwerend kam für A. M. die ihm fehlende Erinnerung an den Wortwechsel vom Vorabend hinzu, ob und was er
dabei über den Angeklagten J. B. zu Bernd S. gesagt hatte. Aus Sicht des A. M. konnte es sich nur um eine völlig belanglose Bemerkung
gehandelt haben.
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In dieser verzweifelten Lage versprach sich der Angeklagte A. M. Rettung von einer direkten Aufklärung durch Bernd S. Der Angeklagte A. M.
bat deshalb die Angeklagten J. B. und A. Z. darum, jetzt sofort den Bernd S. in der "Nelke" aufzusuchen und zu befragen. Die Angeklagten J. B.
und A. Z. gingen darauf ein. Der Angeklagte A. M. hatte es vornehmlich seiner Redegewandtheit zu verdanken, wenn seine "Freunde" vorläufig
von weiteren Gewalthandlungen gegen ihn abzusehen bereit waren. Der Angeklagte A. Z. versorgte ihn mit abgewickeltem Toilettenpapier, um
wenigstens notdürftig die blutenden Wunden zu stillen. Jedenfalls war allen Beteiligten klar, egal wie die "Gegenüberstellung" ausginge, einer
von beiden, der Angeklagte A. M. oder Bernd S. würden Prügel beziehen.
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2. Totschlag
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Es war gegen 1.30 Uhr, als die Angeklagten J. B. und A. Z. den Totschlag an Bernd S. begannen.
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Um diese Zeit trafen die Angeklagten J. B., A. Z. und A. M. bei Bernd S. in seiner Unterkunft in der Pension "Nelke" ein. Der Angeklagte J. B.
klopfte bei Alexander M, um ihn als Publikum bei der bevorstehenden Demonstration seiner Dominanz dabei zu haben.
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Insgesamt rund 15 Minuten dauerte die Gewalttat, während der Bernd S. von den Angeklagten J. B. und A. Z. mit zahlreichen Schlägen der
Hände und Fäuste auf Kopf und Gesicht geplagt wurde, um ihn zum Reden zu bringen, was der Angeklagte A. M. zu ihm gesagt habe. Auch bei
der gegen Bernd S. gerichteten Tat überwog die vom Angeklagten J. B. ausgeübte Gewalt sowohl von der Anzahl der Schläge als auch von der
Intensität her.
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Im Zuge der Brutalität und der Vielzahl der gegen den Kopf gerichteten Schläge nahmen die Angeklagten in bewusstem und gewolltem
Zusammenwirken den Tod des Bernd S. in Kauf. Mit ihrem Selbstverständnis als schlagkräftiges Duo waren sie sich vom ersten gegen Bernd S.
gerichteten Gewaltakt an über die Wirkung im Klaren, die aus der Summe ihrer beider Schläge resultieren würde. Ohne Rücksicht auf die
möglichen Folgen in Form von Schädel-Hirn-Traumata und damit verbundener Gehirnblutungen, um deren Risiko bis hin zu einem tödlichen
Verlauf sie wussten, setzten sie ihr Handeln unbeeindruckt fort, bis Bernd S. völlig handlungsunfähig war.
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Beim Eintreffen der drei Angeklagten war Bernd S. noch am Bier trinken. Er war angetrunken, aber nicht volltrunken. Seine
Blutalkoholkonzentration betrug 2,62 Promille. Er hatte auf seinem Bett von der Längsseite her Platz genommen, wo der Teppichläufer davor
lag. Das Bett stieß mit dem Kopfende an der Wand mit weißer Raufasertapete an. Dort stand etwa 30 cm entfernt ein Rollcontainer, der ihm als
Nachttisch diente. Das Bett ragte im übrigen frei in den Raum hinein, das Fußende nahe der Zimmertüre. Entlang der Wand parallel zur anderen
Längsseite des Bettes befanden sich eine Kommode und ein Kleiderschrank, der etwa 1 M. vor der Zimmertüre endete.
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Der Angeklagte A. M. griff in das Gewaltgeschehen nicht ein. Er war mit sich selbst beschäftigt, indem er das Blut aus seiner verwundeten Nase
mit dem Toilettenpapier auffing und sich daraus Tamponaden formte, die er sich in die Nasenlöcher steckte. Benützte Papierstreifen und Knäuel
mit Blutantragungen legte er auf den Tischchen im Zimmer ab. Aufgeregt ging er vor dem Bett auf und ab. Er hatte weiterhin Todesangst, weil er
eine Fortsetzung von ihm geltenden Prügel befürchtete, je nachdem, was Bernd S. sagen würde.
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Zunächst forderte der Angeklagte J. B. den Bernd S. auf, zu wiederholen, was er zum Angeklagten A. M. gesagt habe. Und der Angeklagte J. B.
nährte die berechtigte Angst des A. M. um sein Leben mit der an Bernd S. gerichteten Aufforderung: "Wenn Du wiederholst, was Du gesagt hast,
steche ich den A. M. auf der Stelle ab". Bernd S. schwieg und schaute die Besucher lediglich an.
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Nun übernahm der Angeklagte A. Z. die Befragung, die er intensivierte, indem er ihn am Kragen packte und drohte: "ich zentrier' Dir jetzt gleich
eine". Dieses Stadium der Geschichte veranlasste Alexander M., sich in sein eigenes Zimmer zurückzuziehen, zumal ihm auch der Anblick des
blutüberströmten Angeklagten A. M. einen gehörigen Schrecken eingeflößt hatte. Er verschloss die Ohren vor dem Drama, dessen Geräusche
aus dem benachbarten Zimmer noch zu ihm dringen sollten, als ginge ihn das alles nichts an.
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Die Antwort des Bernd S. "halt die Gosch', ich hab nichts gesagt" erboste den Angeklagten A. Z. Er entschloss sich, die angedrohten Prügel
auszuteilen, teils um ihn wegen der Äußerung abzustrafen, teil um eine befriedigende Antwort zu erzwingen. Da er sich dabei nicht selbst
verletzen wollte, forderte er sein designiertes Opfer auf, die Brille abzunehmen. Bernd S. gehorchte und legte seine Brille auf den Rollcontainer
neben dem Kopfende des Bettes. Anstalten, sich zu wehren, machte er auch während der gesamten Prozedur, die ihm bevorstand, nicht.
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Der Angeklagte A. Z. versetzte dann dem auf der Bettkante sitzenden Bernd S. den ersten kräftigen Schlag ins Gesicht. Dieser mit dem
Handballen von unten nach oben ausholende Schlag traf Bernd S. mit solcher Wucht an der Nase, dass deren knorpelige Anteile dadurch
verschoben wurden. Dem ließ er noch zwei Faustschläge folgen, weil ihn Bernd S. "frech angrinste". Bernd S. fiel, von der Wucht der Schläge
umgeworfen, mit dem Rücken auf das Bett. Sein Kopf geriet dabei ans Fußende. Die Beine waren zum Kopfkissen hin ausgerichtet. Durch die
Verletzung im Inneren der Nase begann, je nach Lage des Kopfes, Blut aus den Nasenlöchern heraus oder in den Rachenraum zu fließen.
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Nun übernahm der Angeklagte J. B. die eigenhändige Ausführung. Dazu setzte er sich auf den Oberkörper des Bernd S., indem er mit einem
Knie dessen Leib fixierte. Dann umklammerte er fest mit der linken Hand den Hals des Bernd S. und schlug mit der rechten Faust, teilweise
auch mit der flachen Hand, mit aller ihm zur Verfügung stehenden Kraft auf die Schläfen, die Augenpartie, das Gesicht, den Mundbereich und
den Schädel des Opfers ein. Durch das Umklammern des Halses trafen die gezielten Schläge den fixierten Kopf mit aller Wucht. Dem
Angeklagten war, klar, dass die Faustschläge schwerwiegende Verletzungen, insbesondere auch am Gehirn verursachen und so den Tod
herbeiführen können. Dies nahm er hin.
100 Durch den Griff an den Hals wurde dem Opfer die Blutzufuhr und -abfuhr zeitweise abgeschnitten. Er ließ nach zahlreichen Schlägen den Griff
los, aber nur, um anschließend den linken Arm um den Hals des Bernd S. zu schlingen und ihn mittels des "Schwitzkastens" wieder die
Blutzufuhr und -abfuhr zu drosseln, und den Kopf festzuhalten, um ihn weiter ungehindert zu treffen.
101 Begleitend benützte der Angeklagte J. B. den bemitleidenswerten Zustand des Angeklagten A. M. als zusätzliche Drohung und klärte Bernd S.
darüber auf, dass es für ihn keines Grundes bedarf, jemanden so zuzurichten: "Schau' den A. M. an, wie der aussieht, alles für nix". Es ging dem
Angeklagten J. B. nicht wirklich darum, irgendeine Antwort vom Opfer zu erhalten. Er wollte einfach sich und den anderen zeigen, zu welcher
Gewaltausübung er imstande und fähig ist und billigte es, Bernd S. zu Tode zu prügeln. Es ging ihm darum, seine Macht, seine Überlegenheit
und sein "Können" zu demonstrieren.
102 Mehr als eine Minute lang quälte der Angeklagte J. B. mit den beschriebenen Griffen um den Hals sein Opfer Bernd S. Es bildeten sich durch
die Störung der Blutzufuhr und -abfuhr punktförmige Einblutungen in den Bindehäuten der Augen. Die grobe Behandlung des Halses
verursachte im übrigen weitere Einblutungen im tieferen Gewebe am Hals über der Schilddrüse, im Bereich der linken birnenförmigen Bucht
sowie am rechten oberen Kehlkopfhorn.
103 Währenddessen drosch der Angeklagte J. B. mit der rechten Faust beziehungsweise Hand auf den Kopf des so Fixierten ein. Es waren
gleichsam Rammstöße, die Bernd S. zu erdulden hatte. Von der brutalen Aktion am Fußende des Bettes reichten Blutspritzer bis zu der etwa 80
cm entfernten Schranktür, wo sie Abrinnspuren hinterließen, weil der Angeklagte auch in schon blutende Wunden hineinschlug.
104 In der Phase, während der Angeklagte J. B. auf Bernd S. kniete und ihn im Schwitzkasten hatte, erschien Tariel M., der bei seinem Bruder Dato
M. übernachtete, in der offenen Zimmertür und beschwerte sich über den Lärm. Der voll orientierte Angeklagte J. B. ließ sich davon in seinem
entsetzlichen Tun unterbrechen. Ihm war daran gelegen, den Störer rasch los zu werden. Tariel M. erschrak angesichts des vielen Blutes, das er
am Angeklagten A. M. als auch an Bernd S. bemerkte. Tariel M. kam deshalb der Aufforderung des Angeklagten J. B. zu gehen augenblicklich
nach und zog sich schnell zurück. Tariel M. alarmierte nicht die Polizei, sei es, weil er mit der Polizei nichts zu tun haben wollte, sei es aus
Furcht vor dem Angeklagten J. B., der für ihn "der Bodybuilder" war. Um weiteren Störungen vorzubeugen, befahl der Angeklagte J. B. dem
Angeklagten A. M., die Türe zu schließen. Der Angeklagte A. M. gehorchte.
105 Der Angeklagte A. Z., der die Misshandlung des Bernd S. eröffnet hatte und dem dies bewusst war, billigte die Handlungsweise seines
Freundes. Ihm war klar, dass die minutenlangen Schläge auf den Kopf und das Gesicht des Bernd S. mit einem starken Blutverlust
einhergingen, er also schwer verletzt war, der Angeklagte J. B. aber in diese Wunden weiter hineinschlug und sie so vertiefte. Dem Angeklagten
A. Z. war weiter klar, dass diese Verletzungen auch tödlich sein konnten, zumal Bernd S. zu keiner Gegenreaktion in der Lage war, gleichsam
zu einer leblosen Puppe wurde, an der die Gliedmaßen aktionsunfähig herunter hingen. Der Angeklagte A. Z. griff nicht ein, sondern war damit
einverstanden, dass Bernd S. auch lebensgefährliche Verletzungen am Kopf, insbesondere am Gehirn, erleidet.
106 Der Angeklagte J. B. entließ Bernd S. nach einer gewissen Zeit aus dem lebensgefährdenden Griff, aber nur, um beide Hände zum
Weiterschlagen freizuhaben. Er schlug beidhändig zu.
107 Es folgten dann weitere Schläge von Seiten beider Angeklagter im Wechsel, wobei es auch zu einer Lageveränderung des Opfers kam. Danach
war der Kopf des Bernd S. zum Kopfende des Bettes ausgerichtet. Um sich selbst dem Verlangen, einen hilflosen Menschen zu quälen, zu
erniedrigen und seine Überlegenheit zu demonstrieren, aber auch, um dem Mitstreiter Bayer zu zeigen, er stehe voll hinter ihm und billige seine
möglicherweise todbringende Tat, schlug der Angeklagte A. Z. abwechselnd mit dem Angeklagten J. B. auf Bernd S. mit den Fäusten ein. In
dieser Episode entstand ein Blutspritzerfeld an der weißen Raufasertapete am Kopfende des Bettes, das bis auf eine Höhe von 170 cm über
dem Boden reichte, und an dem dort befindlichen Rollcontainer.
108 Bernd S. war zum Ende der Tortur hin von dem gegen ihn verübten Übergriff stark gezeichnet. Er hatte ein ausgeprägtes Brillenhämatom; die
linke Gesichtsseite - bedingt dadurch, dass die meisten Schläge des rechtshändigen Angeklagten J. B. diese Seite des Kopfes getroffen hatten -
war an Schläfe und Stirn blutunterlaufen, desgleichen der Kinnbereich und beide Wangen. Diese Bereiche wiesen zudem Schürfungen auf; die
Lippen waren angeschwollen und eingeblutet, massive Einblutungen breiteten sich in der Lippenschleimhaut aus, die erhebliche Defekte
aufwies. Die inneren Hirnhäute waren infolge der Faustschläge filmartig unterblutet. Bernd S. hatte ein Schädel-Hirn-Trauma verbunden mit
frischen Hirnverletzungen erlitten, mit denen eine schwere Bewusstseinsstörung einherging.
109 Der Angeklagte A. M. war gezwungen, das Martyrium des Bernd S. mit anzusehen. Angesichts der unbarmherzigen Brutalität wünschte er sich
inständig, Bernd S. möge überleben. Auch er erkannte, dass Bernd S. in Lebensgefahr geraten war. Denn im Vergleich zu der eigenen zuvor
erlittenen Gewalt, da er schon bei sich selbst "die Lichter ausgehen" sah, empfand er die gegen Bernd S. gerichtete Gefühllosigkeit, "wo das
Blut nur so spritzte", als eine deutliche Steigerung. Zugleich hoffte A. M. angstvoll, Bernd S. werde nichts sagen, was ihn selbst wieder in das
Visier der Schläger bringen könnte.
110 Als Schlussakt übernahm der Angeklagte A. Z. noch einmal allein die eigenhändige Ausführung. Er wollte Bernd S., dessen Handlungsfähigkeit
und Bewusstsein für ihn erkennbar schon kaum noch vorhanden war, am Revers ziehend aufrichten, wodurch dieser, schlaff in seinem Griff
hängend, aus dem Bett rutschte. Dabei prallte Bernd S. mit dem Hinterkopf gegen den Rollcontainer. Neben dem Bett glitt er zu Boden und
sackte auf den Knien zusammen, zu keiner Bewegung mehr fähig. Mit dem Gesicht kam er dabei flach auf dem Teppichläufer zu liegen. Mund
und Nase drückten sich fest in die weichen Fasern. Die Arme waren wie lahme Flügel seitlich an den Beinen entlang angelegt. Er war zu keiner
Handlung mehr imstande. Das Sitzen auf den Beinen und das Gesicht fest auf dem Boden gestützt verlieh ihm eine relativ stabile Lage.
111 Der Angeklagte A. Z. schickte sich an, den Bewegungslosen wieder auf das Bett zu hieven. Bernd S. gelang es, ein "lass' mich"
herauszubringen, weshalb ihn der Angeklagte A. Z. wieder in die zuvor eingenommene Position mit Mund und Nase auf dem Teppich absinken
ließ. Dabei blieb es, weil der Angeklagte J. B. mit den Worten so entschieden hatte: "Lass ihn liegen, wenn er im Bett liegt und blutet, dann
erstickt er vielleicht an seinem Blut." Den beiden Angeklagten war aber klar, dass Bernd S. sich nicht mehr bewegen und nicht mehr handeln
konnte. Dieser gab bereits röchelnde und blubbernde Geräusche von sich, weil ihm durch das Blut- und Schleimgemisch im Mund, Rachen-
und Nasenraum die Atemwege immer mehr verlegt wurden. Die Flüssigkeit konnte nicht abfließen, weil Mund und Nase dicht auf dem Teppich
lagen und Bernd S. so stark beeinträchtigt war, dass er sich nicht mehr seitlich abkippen konnte, um in die Seitenlage zu gelangen, so dass das
Blut/Schleimgemisch hätte (teilweise) abfließen können. So aber entstand ein undurchdringlicher Flüssigkeitspegel, der die Luftzufuhr
blockierte.
112 Beiden Angeklagten war klar, durch die zahlreichen Faustschläge auf Kopf und Gesicht Bernd S. möglicherweise tödliche Verletzungen,
insbesondere am Gehirn, beigebracht zu haben. Sie sahen bereits geraume Zeit das blutbesudelte Opfer und seine Bewegungslosigkeit und es
war ihnen infolge ihrer Lebenserfahrung bewusst, dass das Opfer aufgrund schwerer, ungeschützt ertragener Faustschläge gleichsam "k.o." war
und sich deshalb nicht bewegen konnte. Und es war ihnen weiter klar, dass es jedenfalls ärztlicher Hilfe bedurfte, um seinen drohenden Tod
abzuwenden. Hätten sie aber Hilfe geholt, so hätten sie sich nach ihrer Vorstellung als Täter entlarvt. Das wollten sie vermeiden. Das Schicksal
des Bernd S, sollte es auch tödlich enden, war ihnen gleichgültig. Diesen Ausgang nahmen sie in Kauf, als sie ihr hilfloses Opfer verließen.
113 Aufgrund der Position, in der Bernd S. zurückgelassen worden war, wobei Blut und Schleim aus den von den Schlägen eröffneten Wunden
zusätzlich die Atemwege verstopften und den Teppich tränkten, bekam er schließlich keine Luft mehr. Seine Handlungsunfähigkeit
einhergehend mit einer tiefen Bewusstseinsstörung versagte ihm, seine Position zu verändern. Er erstickte. Der Tod trat vermutlich alsbald ein,
jedenfalls wenig später als gegen 2.30 Uhr.
114 3. Diebstahl
115 Bevor die Angeklagten etwa in der Zeit zwischen 1.45 Uhr und 2.00 Uhr das Zimmer verließen, fiel dem Angeklagten A. M. der Geldbeutel des
Bernd S. auf, der diesem in der zuvor beschriebenen Position auf den Knien kauernd aus der Gesäßtasche herausschaute. Der Angeklagte A.
M. zog dem Wehrlosen den Geldbeutel aus der Hose, um das darin enthaltene Geld für sich zu behalten. Er hatte vor, damit das Taxi ins
Krankenhaus zu bezahlen. Der Angeklagte A. Z. nahm dem Angeklagten A. M. das aus dem Geldbeutel entnommene Bargeld von 140 DM
sogleich ab, um es später in der "Eiche" zu verteilen. Dem Angeklagten A. M. gestand er 20 DM zu, sich selbst und dem Angeklagten J. B. beließ
er jeweils 60 DM.
116 IV. Geschehen nach der Tat
117 Nach der Tat begaben sich die Angeklagten J. B., A. Z. und A. M. in die "Eiche". Letzterer schloss sich den beiden anderen gezwungenermaßen
an und musste damit sein Vorhaben aufgeben, sich mit dem Taxi ins Krankenhaus bringen zu lassen. Die "Empfehlung" des Angeklagten J. B.,
es sei besser, die Nacht bei ihnen zu verbringen, damit ihn die Polizei nicht sehe, war ihm Befehl. Die Angeklagten J. B. und A. Z. wollten nicht
das Risiko polizeilicher Ermittlungen eingehen, was aber zu besorgen gewesen wäre, hätten sie den Angeklagten A. M. "freigelassen". Die
behandelnden Ärzte könnten zutreffend allein die Verletzungen als unmissverständliche Zeichen der Gewalttat an dem Patienten deuten, selbst
wenn der Angeklagte A. M. von sich aus nichts Belastendes gesagt hätte.
118 In der "Eiche" kamen die drei Angeklagten noch auf ein Bier im Zimmer des Angeklagten J. B. zusammen. Die Verletzungen des Angeklagten A.
M. wurden etwas versorgt. Der Angeklagte A. Z. teilte das gestohlene Geld auf. Bereits bei dieser ersten Lagebesprechung bemühten sich die
Angeklagten um eine Absprache, wie im Falle von Ermittlungen der Polizei auszusagen sei. Diesbezügliche Ideen bauten sie bis zur
vorläufigen Festnahme am Nachmittag des Tattages aus, insbesondere nachdem ihnen am Vormittag wegen der weißen Anzüge der
Kriminaltechniker das ganze Ausmaß ihrer prekären Lage aufgegangen war. Von Seiten des Angeklagten J. B. kam der Vorschlag, man solle
übereinstimmend angeben, der Angeklagte A. M. habe sich mit Bernd S. geschlagen und die Angeklagten J. B. und A. Z. hätten sie getrennt.
Dem hielt der Angeklagte A. M. mit Erfolg entgegen, keiner werde ihm dies glauben, da Bernd S. körperlich viel zu schwach sei, ihn derart zu
"ramponieren". Letztlich wurde der Version der Vorzug gegeben, wonach der Angeklagte A. M. bei seiner Rückkehr mit der S-Bahn in Ober E
von drei Unbekannten zusammen geschlagen worden sei. Diese erfundene Geschichte versuchten dann auch der Angeklagte A. M. - aus Angst
vor den Mitangeklagten, sie würden ihn im Falle des Verrats wie Bernd S. behandeln - und der Angeklagte A. Z. - um sich der strafrechtlichen
Verantwortung zu entziehen - zuerst bei ihren kriminalpolizeilichen Vernehmungen anzubringen.
119 Darüber hinaus entschied der Angeklagte J. B., die blutgetränkte Kleidung müsse gewaschen werden. Er forderte den Angeklagten A. M. auf:
"Zieh' Deine blutverschmierten Klamotten aus, so kannst Du nicht rumlaufen!". Allen dreien war klar, ebenso wie die Verletzungen des
Angeklagten A. M. würden die Blutspuren an ihrer aller Kleidung die Gewalttat aufmerksamen Dritten, insbesondere der Polizei, verraten. Mit
der "Arbeit" beauftragte der Angeklagte J. B. den Angeklagten A. Z., der noch in der Nacht die Waschmaschine anstellte. (Den Wäschetrockner
befüllte er erst nach dem Schlafen am Morgen.)
120 Zum Schlafen wiesen die Angeklagten J. B. und A. Z. dem Angeklagten A. M. ein leeres Zimmer auf ihrem Stockwerk zu. In der Nacht schauten
sie mehrfach nach ihm. Ihre Sorge war zweifach begründet, wie es ihm gehe beziehungsweise ob er noch anwesend sei. Der Angeklagte A. M.
wagte es nicht unter dem Eindruck des vorausgegangenen Geschehens, sich in der Nacht davon zu machen.
121 Am Vormittag hieß der Angeklagte J. B. den Angeklagten A. M., obwohl dieser sich vor Schmerzen kaum rühren konnte, die Blutlachen vom
Boden im Flur und in der Küche aufzuwischen. Die oberflächliche Reinigung hinterließ sichtbare Schlieren, die später von der Kriminaltechnik
dokumentiert wurden.
122 In Begleitung der Angeklagten J. B. und A. Z. bemühte sich der Angeklagte A. M. um ärztliche Hilfe. Er ließ die Wunden letztlich unbehandelt
heilen, da die zuerst aufgesuchte Praxis geschlossen hatte und der dann konsultierte Arzt Dr. K den Patienten abwies, weil er sich bei früherer
Gelegenheit unangemessen benommen hatte.
123 Kriminalpolizeiliche Ermittlungen
124 Am Morgen des 7. November 2001 gegen 8.30 Uhr wurde die Leiche des Bernd S. vom Stockwerksmitbewohner Alexander M. entdeckt. Er
hörte auf dem Gang das Radio im Nachbarzimmer und wunderte sich, weshalb Bernd S. noch nicht zur Arbeit gegangen sein sollte. Alexander
M. klopfte an der Türe. Dann schaute er nach. Er fand die Leiche des Bernd S. in derselben Position, in der dieser von den Angeklagten in der
Nacht verlassen worden war. Die Leichenstarre hatte sich bereits voll entwickelt. Die Hände waren bläulich angelaufen. Alexander M. berührte
die Gestalt an der Schulter, ohne seine Lage zu verändern. Danach war es für ihn offensichtlich: Bernd S. war tot.
125 Um 8.37 Uhr erschien Alexander M. beim 100 M. entfernten Polizeiposten E.-Z. und meldete Polizeioberkommissar K den Leichenfund des
Bernd S. in der "Nelke". Telefonisch informierte der allein diensttuende Beamte das Polizeirevier E zur Unterstützung durch den dortigen
Streifendienst.
126 Gegen 8.45 Uhr traf Polizeioberkommissar K. am Tatort ein und fand den Toten ebenfalls in der bereits beschriebenen Lage vor.
Polizeioberkommissar W, der wenige Minuten später angekommen war, machte erste Lichtbilder von der Auffindesituation sowie von der Leiche
in Rückenlage, in die sie für die Untersuchung durch den herbeigerufen Arzt Dr. K. gedreht wurde.
127 Ab 9.45 Uhr war Kriminalkommissar S. von der Kriminaltechnik vor Ort. Mit seinem Team sicherte er die Blutantragungen im Opferzimmer, die
sich schwerpunktmäßig auf drei Bereiche konzentrierten: An dem als Nachttisch genutzten Rollcontainer wurde die Richtung der angetragenen
Spritzer mit Pfeilen markiert. Auf der weißen Raufasertapete über dem Kopfteil des Bettes reichten Blutantragungen bis auf eine Höhe von 170
cm über dem Boden. Sie hatten sich neben einzelnen Spritzern mit Antragsrichtung von oben nach unten als feinster Nebel abgezeichnet. Am
Kleiderschrank fanden sich etwa 80 cm vom Bett entfernt mehrere von oben nach unten verlaufende Blutspritzer. Kriminalkommissar S. hielt die
von Dr. K. gemessenen Leichentemperaturwerte fest, die 29,8 Grad Celsius um 12.16 Uhr und 28,9 Grad Celsius um 12.40 Uhr betrugen.
Gleichfalls notierte er die von seinen Kollegen gemessene Temperatur im Zimmer mit 20,5 Grad Celsius beziehungsweise 18,2 Grad Celsius.
128 Gegen 16.00 Uhr traf der Sachbearbeiter Kriminalkommissar D. die Angeklagten J. B., A. Z. und A. M. in der "Eiche" an und erklärte allen dreien
die vorläufige Festnahme. Der Tatverdacht hatte sich erst auf sie konzentriert, nachdem der Leichenfinder Alexander M. am Nachmittag zur
Vernehmung wieder gefunden worden war.
129 Die Angeklagten wurden als Beschuldigte parallel vernommen, der Angeklagte J. B. von 17.55 Uhr bis 20.15 Uhr durch Kriminaloberkommissar
Ht., der Angeklagte A. Z. von 16.40 Uhr bis 19.45 Uhr durch Kriminalhauptmeister D. und der Angeklagte A. M. von 16.40 Uhr bis 19.40 Uhr
durch Kriminalhauptkommissar H. Der Angeklagte A. M. wurde anschließend auf freien Fuß gesetzt, da ihn sein jämmerlicher Zustand aufgrund
der selbst erlittenen Schläge vom Vorwurf entlastete, zum Totschlag an Bernd S. beigetragen zu haben. Kriminalhauptmeister D. hatte in seiner
rund 20-jährigen Berufserfahrung selten ein - am Leben gebliebenes - Opfer gesehen, das derart schlimm zugerichtet war.
130 Mehr als 16 Stunden lag die Tat zurück, als den Angeklagten die Blutproben entnommen wurden. Beim Angeklagten J. B. wurde die
Blutalkoholkonzentration für 18.25 Uhr mit 0,94 Promille beziehungsweise für 19.10 Uhr mit 0,83 Promille ermittelt. Die
Blutalkoholkonzentrationen der Angeklagten A. Z. und A. M. waren praktisch Null.
131 Am 21. und 22. Januar 2002 beziehungsweise am 28. und 29. Januar 2002 wurden die Angeklagten J. B. und A. Z. durch den psychiatrischen
Sachverständigen Dr. C. in der Justizvollzugsanstalt Tübingen exploriert.
132 V. Einlassungen
133 Auf drei wesentliche Punkte beschränken sich die Abweichungen in den Einlassungen der Angeklagten, die sie in der Hauptverhandlung zur
Sache gemacht haben, vom festgestellten Sachverhalt.
134 1. Tötungsvorsatz
135 Beide Angeklagten, J. B. und A. Z., sind sich in ihren Einlassungen einig gewesen, sie hätten den Tod des Bernd S. nicht gewollt. Im Gegenteil,
und darauf haben sie besonders hingewiesen, hätten sie nach der Tat dafür Sorge getragen, ihn vor dem Ersticken zu bewahren, indem sie mit
Bedacht davon abgesehen hätten, ihn ins Bett zu legen.
136 2. Jeweiliger Tatbeitrag
137 Beide Angeklagten, J. B. und A. Z., - insofern widersprechen sich ihre Einlassungen - haben den eigenen Tatbeitrag so weit wie möglich
heruntergespielt, um damit die Verantwortlichkeit jeweils dem anderen zuzuschieben, ohne die Freundschaft durch ausdrückliche, belastende
Angaben verraten zu müssen.
138 Der Angeklagte J. B. hat geltend gemacht, er habe nur noch unvollständige Erinnerungen an die Tatnacht. Er wisse lediglich von Ohrfeigen, die
er sowohl dem A. M. als auch dem Bernd S. gegeben habe. Bei letzterem habe er in Erinnerung, wie er neben ihm auf dem Bett gekniet habe.
Das nächste Bild sei, wie Bernd S. vor dem Bett zusammen gesunken sei.
139 Der Angeklagte A. Z. hat im Detail angegeben, in der Küche habe A. M. von ihm "zwei gefangen", das sei alles gewesen. Er wisse nicht, warum
das passiert sei, er entschuldige sich. Die Schläge des Mitangeklagten habe er - abgesehen von dem Fußtritt, als A. M. zu Boden gegangen sei
- nicht genau verfolgen können, weil ihm dieser mit seinem Körper die Sicht auf A. M. versperrt habe.
140 Er habe Bernd S. insgesamt nur drei Schläge ins Gesicht versetzt. Er habe, weil dieser nichts gesagt und dann frech gegrinst habe, einmal mit
der flachen Hand und zweimal mit der Faust zugeschlagen. Dann, als J. B. auf den rückwärts ins Bett gefallenen Bernd S. draufgesessen sei
und ihn am Hals festgehalten habe, habe er sich abgewandt. Denn seine Hand habe weh getan. Für ihn sei die Angelegenheit damit erledigt
gewesen. Als er wieder hingeschaut habe, habe Bernd S. schon vor dem Bett am Boden gelegen, so wie er später gefunden worden sei.
141 3. Alkoholisierung
142 Der Angeklagte J. B. hat sich dahin eingelassen, er habe sich nach 9 bis 10 Dosen Bier "nicht mehr nüchtern" gefühlt. Der Angeklagte A. Z. hat
bei seiner Einlassung seine Trinkmenge vor der Tat auf 8 bis 11 Dosen Bier geschätzt.
143 VI. Beweiswürdigung
144 Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten beruhen hauptsächlich auf ihren Einlassungen. Sie stimmen mit den
Angaben zur Lebensgeschichte überein, welche die Angeklagten J. B. und A. Z. in der Exploration gegenüber dem psychiatrischen
Sachverständigen Dr. C. gemacht haben.
145 Für die Gewalttätigkeiten des Angeklagten J. B. gegenüber seinen früheren Lebensgefährtinnen hat sich die Kammer auf seine Darstellung in
der Exploration gestützt, die der psychiatrische Sachverständige im Rahmen seines Gutachtens referiert hat. In der Hauptverhandlung hat der
Angeklagte in der für ihn typischen Weise versucht, die von ihm verabreichten "Schläge" als "Ohrfeigen" zu bagatellisieren. Die Kammer ist aber
von einer weit gröberen Handlungsweise überzeugt, wie sie der Angeklagte im Zwiegespräch mit dem Psychiater offenbart hat, weil er dort für
seine Übergriffe auch Beschreibungen wie "prügeln" (bei der Freundin Petra M) und "er habe sich nicht mehr unter Kontrolle gehabt" (bei der
Freundin Jutta G) verwendet sowie das geplatzte Trommelfell der Petra M. als Verletzungsfolge in der Hauptverhandlung eingeräumt hat. Die
Aussage der Zeugin Regina P. vermag die Kammer nicht vom Gegenteil zu überzeugen. Sie hat bei ihrer Vernehmung die erlittenen Übergriffe
wider besseres Wissen heruntergespielt und hat sich nicht einmal an die "Ohrfeige" erinnern wollen, die der Angeklagte in der
Hauptverhandlung eingeräumt und ihr vorgehalten hat. Die Kammer ist überzeugt, die Zeugin, die den Eindruck vermittelt hat, auf eine
selbstbewusste Wirkung und ein gepflegtes Äußeres bedacht zu sein, hat sich vor der Öffentlichkeit geschämt, sich als Opfer körperlicher
Gewalt in der Partnerschaft zu offenbaren. Ebenso ist sie verfahren, als sie das Thema Alkohol mit der Behauptung, den Angeklagten in dem
dreiviertel Jahr des Zusammenlebens "nie betrunken erlebt" zu haben, beschönigt hat, um sich nicht selbst des ebenso leichtfertigen Umgangs
mit Alkohol bezichtigen zu müssen. Damit hat sie sich gleichfalls in Widerspruch zu der Einlassung des Angeklagten gesetzt, der sich zu seinem
übermäßigen Alkoholkonsum bekannt hat, woran die Kammer, wie unter dem Abschnitt "Persönlichkeitsstörung und Alkoholabhängigkeit"
näher dargelegt, keinen Zweifel hegt. Welch rohe Brutalität tatsächlich dahinter steckt, wenn der Angeklagte von "Ohrfeigen" spricht, davon hat
sich die Kammer durch die hier abgeurteilten Gewaltakte ein Bild machen können, bei denen es sich nach seiner Einlassung ebenfalls nur um
"Ohrfeigen" gehandelt haben soll. Glaubhaft hat die Zeugin Regina P der Kammer eine Vorstellung davon vermittelt, wie die Eifersucht des
Angeklagten im einzelnen ausgeartet ist, indem sie den "täglichen Terror", wenn sie alleine aus dem Haus hat gehen wollen, sowie das Beispiel
der Begleitung bis auf die Toilette geschildert hat.
146 Die Gewalttätigkeiten des Angeklagten A. Z. gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau hat das Schwurgericht festgestellt, wie sie von der Zeugin
Madeleine Z. glaubhaft berichtet worden sind. Soweit die letzte Gefährtin des Angeklagten, die Zeugin Dagmar H, abgesehen von Gewalt
gegen Sachen, wie den Bruch der Glastüre der Küche und einen Tritt gegen die Wand, keine Übergriffe gegen sich oder andere Personen
erlebt haben will, ist die Kammer überzeugt, dass die Zeugin hier sehr zurückhaltend ausgesagt hat, um dem Angeklagten A. Z. zu einem guten
Eindruck vor Gericht zu verhelfen. Dabei ist augenfällig gewesen, wie sie bei ihrer Vernehmung die Dauer der Beziehung als langjährig und
intensiv darzustellen versucht hat, obwohl das Zusammenleben im Jahr 1997 nur ein dreiviertel Jahr und die Erneuerung des Kontaktes im
Sommer des Jahres 2001 durch die Verhaftung im November beschränkt worden ist. "Sie seien sich nicht sicher gewesen", hat die Zeugin als
Begründung dafür angeführt, weshalb sie bei der polizeilichen Vernehmung vom 16. November 2001 das Wiederaufleben der Beziehung
verleugnet hatte, zumal ihr damals auch die ungeplante Schwangerschaft mit der im Mai 2002 geborenen Tochter Lena als Folge des Wechsels
des verwendeten Kontrazeptivums noch nicht bekannt gewesen sei. In offensichtlichen Widerspruch verwickelt hat sie sich beim Thema
Alkohol, als sie den Konsum des Angeklagten herabgespielt hat, "sie habe ihn schon einigermaßen hingekriegt", während sie zugleich das
"Saufen" - so deutlich hatte sie sein Trinkverhalten bei der polizeilichen Vernehmung beschrieben - als Trennungsgrund bezeichnet hat. Die
Kammer kann sich nicht des Eindrucks erwehren, die Zeugin macht sich, sollte sie das wirklich denken, selbst etwas vor, wenn sie bei der
Vernehmung schwärmt, sie könne sich keinen besseren Vater für ihre Kinder vorstellen als den Angeklagten. Die Realität zeichnet ein
gegenteiliges Bild: Sie ist mit ihren Kindern auf Sozialhilfe angewiesen, weil ihr der Angeklagte noch nie Unterhalt bezahlt hat. Nach der Geburt
der Tochter Michaela im Februar 1998 - die Beziehung war schon zu Ende - hat der Angeklagte seine Besuche "nach Lust und Laune" auf
einmal im Jahr beschränkt. Das anfangs schlechte Verhältnis im Zuge des Trennungsstreits hatte die Kindsmutter zudem veranlasst, dem Vater
den Umgang mit der Tochter zunächst zu verwehren. Nach der Wiederaufnahme der Beziehung im Sommer 2001 hatte der Angeklagte nur
wenige Monate Zeit, seine Fähigkeiten als Vater unter Beweis zu stellen. Wie die Zeugin selbst bekundet hat, ist die Verbindung auch nicht
besonders ernsthaft gewesen, solange sie nicht durch die Kenntnis von der Schwangerschaft eine verantwortungsvolle Note bekommen hatte.
Das ist erst nach der Verhaftung gewesen. Die Zeugin hatte nichts von dem wahren Wohnort ihres Freundes in der "Eiche" gewusst. Auch dies
spricht für die lockere Einstellung vor dem Hintergrund ihrer Geschlechtsvertraulichkeit.
147 1. Vorgeschichte
148 Den Vorfall mit Thomas F. vom Oktober 2001 - etwa zwei Wochen vor der Tat - haben die Angeklagten in Übereinstimmung mit den
Feststellungen in groben Zügen berichtet. Im Detail basiert der Sachverhalt ergänzend auf den Angaben des betroffenen Zeugen Thomas F. Er
hat der Kammer glaubhaft vermittelt, welch nachhaltigen Eindruck die Abstrafungsaktion des Angeklagten A. Z. und die anschließende
telefonische Drohung des Angeklagten J. B. auf ihn gemacht haben: er ist spontan aus der "Eiche" ausgezogen. Die von dem Zeugen in Kauf
genommene Konsequenz des überstürzten Wohnungswechsels, auch wenn sich der Aufwand angesichts des geringen Hausrats in Grenzen
gehalten haben mag, lässt sich mit der gewaltigen Angst des Zeugen vor dem Angeklagten J. B. erklären. Die Sorge des Zeugen ist - im
Nachhinein betrachtet - berechtigt gewesen, wie die vorliegend abgeurteilten Taten zeigen. Er hat die Wut der Angeklagten auf sich gezogen,
weil sie aus ihrer Sicht "grundlos" mitten in der Nacht zur Hilfe gerufen worden waren und unverrichteter Dinge wieder hatten ziehen müssen.
Weit weniger hat es zwei Wochen später bedurft, um die Gewalttaten gegen A. M. und Bernd S. auszulösen.
149 Von der "Streitschlichtung" am Vorabend der Tatnacht hat der Angeklagte J. B. die Schwurgerichtskammer informiert. Seine Angaben sind durch
den Angeklagten A. M. und die Zeugenaussage des "Nelke"-Mitbewohners Alexander M. bestätigt worden, soweit deren Erinnerung aufgrund
des an diesem Abend von beiden reichlich genossenen Alkohols gereicht hat. Der Mitbewohner Dato M. hat sich bei seiner
Zeugenvernehmung an diesen Abend nicht mehr im Detail erinnert.
150 Die "üble Nachrede", die zum Anlass der vorliegenden Taten werden sollte, hat die Schwurgerichtskammer festgestellt, wie sie von den
Angeklagten J. B. und A. Z. in den sich ergänzenden Einlassungen dargestellt worden ist. Diese Banalität in Erinnerung zu behalten und
wiederzugeben, sind die Angeklagten wohl nur deshalb in der Hauptverhandlung noch in der Lage gewesen, weil die mühevolle
Erinnerungsarbeit mit Hilfe der Vernehmungsbeamten Kriminaloberkommissar Ht. und Kriminalhauptmeister D. noch am Festnahmetag
geleistet worden ist, wie diese als Zeugen bekundet haben. Die Belanglosigkeit hat zu der Eskalation beigetragen, weil der Angeklagte A. M.
weder in der Situation der gegen ihn gerichteten Tat noch bei seiner polizeilichen Vernehmung noch bei seiner Einlassung in der
Hauptverhandlung hat rekapitulieren können, ob und was er in Bezug auf die nächtliche "Streitschlichtung" des Angeklagten J. B. zu Bernd S.
gesagt hatte.
151 2. Jeweiliger Tatbeitrag
152 Die Angeklagten J. B. und A. Z. haben sich als Mittäter für die Gewalttaten im Gesamten zu verantworten. Jeder von ihnen muss sich den
Tatbeitrag des anderen zurechnen lassen. Die Einstellung des Angeklagten A. Z., er habe bei A. M. doch nur zweimal und bei Bernd S. nur
dreimal zugeschlagen, ist Ausdruck seines Bemühens, sich von den brutalen Taten zu distanzieren, um eine härtere Ahndung seiner Straftaten
zu vermeiden.
153 Zweifelsfrei steht für die Kammer die mittäterschaftliche Beteiligung des Angeklagten A. Z. aufgrund des dem Sachverhalt zugrunde gelegten
Tatgeschehens fest, bei dem er im Wechsel mit dem Angeklagten J. B. ebenfalls die tatbeherrschende Ausführung erneut übernommen hat,
indem er dabei die Schlagfolge gegen den auf dem Bett liegenden Bernd S. mit eigenen Händen vorgenommen hat, in voller Billigung des
vorausgegangenen Tatbeitrags seines Freundes.
154 Soweit in den Feststellungen gleichwohl eine Differenzierung nach den Tatbeiträgen erfolgt ist, wird dies zur Berücksichtigung im Rahmen der
Strafzumessung relevant.
155 Das Schwergewicht der eigenhändigen Ausführung sowohl dem Umfang als auch der Intensität nach hat beim Angeklagten J. B. gelegen. Dies
entspricht den Angaben des Angeklagten A. M. Der Angeklagte J. B. hat gegenüber A. M. ansatzlos die Tat begonnen und mit dem Messer
einen brutal zusammengeschlagenen Menschen weiter in Todesangst gehalten. Er hat Bernd S. durch Abschnüren der Blutzufuhr und -abfuhr
gepeinigt und dessen Handlungsunfähigkeit ganz entscheidend durch die rammbockartigen Fauststöße herbeigeführt.
156 Nicht gefolgt ist die Kammer dem Angeklagten A. M., soweit er in der Hauptverhandlung den Tatbeitrag des Angeklagten A. Z., den er weiterhin
als seinen Freund betrachtet, fast auf das Maß einer Bagatelle herunterzuspielen versucht hat. Die Kammer hat deshalb dem Sachverhalt die
Beschreibung des Angeklagten A. M. zugrunde gelegt, die er gegenüber dem Vernehmungsbeamten Kriminalhauptkommissar H angegeben
hat, der dies als Zeuge wiedergegeben hat. Die vergleichsweise stärkere Belastung des Angeklagten A. Z. bei der Polizei hat der Angeklagte A.
M. in der Hauptverhandlung damit zu rechtfertigen gesucht, er habe es "aus Hass so gesagt", weil ihm der Freund "nicht hundertprozentig
geholfen" habe. Dies ist, gelinde gesagt, eine Untertreibung angesichts der Äußerung, die der Angeklagte A. M. unmittelbar zuvor gemacht
hatte, neben zwei bis drei Ohrfeigen habe ihm der Angeklagte A. Z. auch Faustschläge verpasst - aber eben "nicht halb so stark" wie die des
Angeklagten J. B. Für die Überzeugung der Kammer, wonach der Angeklagte A. M. bei der polizeilichen Vernehmung eine stimmige
Darstellung gegeben hat, stellt die Kammer auch darauf ab, wie der ausgesprochen redegewandte Betroffene seine Erlebnisse damals unter
dem frischen Eindruck der Tat und den erlittenen Verletzungen, die ihm in der Vernehmungssituation noch akute Schmerzen bereitet hatten, in
flüssiger und detailreicher Weise geschildert hat. Daran hat sich der Vernehmungsbeamte Kriminalhauptkommissar H als Zeuge gut zu erinnern
vermocht, zumal er den damaligen Beschuldigten gleich zu Beginn der Vernehmung bei der Lüge, was die angeblich unbekannten Schläger
vom Bahnhof Ober-E. anbelangt, ertappt hatte. Die Rückkehr zur wahrheitsgemäßen Aussage in diesem Punkt hat den Bann gebrochen und
der Beschuldigte ist für den Rest der Vernehmung nach Einschätzung des Zeugen Kriminalhauptkommissar H. nicht mehr ambitioniert
gewesen, ihn zu täuschen.
157 Die sorgfältige Unterscheidung des Angeklagten A. M. bei seiner polizeilichen Vernehmung hinsichtlich der Tatbeiträge der Mitangeklagten ist
mit Hilfe des Zeugen Kriminalhauptmeister H. herausgearbeitet worden, der davon berichtet hat, wie der Beschuldigte sich im Einzelfall revidiert
hat, wo er sich unklar oder verkürzt ausgedrückt hatte, um den komplexen Sachverhalt klar verständlich zu vermitteln.
158 Für die Feststellung, wonach der Angeklagte A. Z. über die Eröffnung der Gewalt gegen Bernd S. hinaus, die er mit den drei Schlägen nach der
Aufforderung, die Brille abzunehmen, eingeräumt hat, eine weitere Schlagfolge eigenhändig ausgeführt hat, stützt sich die Kammer ebenfalls
auf die Angaben des Angeklagten A. M. bei dessen polizeilicher Vernehmung, beide Mitangeklagten hätten den Bernd S. mit ihren Fäusten
"immer wieder" ins Gesicht geschlagen. Dies deckt sich mit den eigenen Angaben des Angeklagten A. Z., die dieser bei seiner polizeilichen
Vernehmung gegenüber dem Kriminalhauptmeister D. gemacht hatte. Davon hat der Zeuge - inzwischen Kriminalkommissar - bei seiner
Vernehmung in der Hauptverhandlung die Kammer glaubhaft informiert und dabei anschaulich vermittelt, wie er unter Vorhalt der Aussage des
Mitbeschuldigten A. M. dem Angeklagten A. Z. "in zähem Ringen" das weitgehende Geständnis entlockt hat.
159 3. Tötungsvorsatz
160 Auf bedingten Tötungsvorsatz bei den Angeklagten J. B. und A. Z. hat das Schwurgericht geschlossen aufgrund der Brutalität, mit der die
Schläge in kurzen Abständen während des Tatzeitraums von rund 15 Minuten mit Händen und Fäusten gegen Kopf und Gesicht des
widerstandslosen Opfers Bernd S. niedergeprasselt sind. Von der mit dem Zuschlagen verbundenen Härte hat sich die Kammer aufgrund des
Gutachtens des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. M. ein Bild gemacht. Die gegen den Schädel des Opfers eingesetzte Kraft hat
ausgereicht, um ein Schädel-Hirn-Trauma verbunden mit Blutungen im Gehirn hervorzurufen. Auch wenn diese Hirnverletzungen von ihrem
Ausmaß her nicht direkt tödlich gewesen sind und den konkreten Tötungserfolg nicht direkt herbeigeführt haben, so ergeben sich doch ganz
deutliche Hinweise auf die Stärke der angewandten Gewalt, weil sie dem Misshandelten das Bewusstsein schwer beeinträchtigt und fast
aufgehoben hatten. Nach der Einlassung der Angeklagten hat er nurmehr geröchelt und blubbernde Geräusche von sich gegeben. Lediglich
ein "lass' mich" hat er noch herausgebracht. Die Erkenntnisse zur Differenzierung nach frischen und alten Traumata und Hirnblutungen sowie
die Aufklärung der Kausalitätsfrage hat der Sachverständige aus der von ihm vorgenommenen Obduktion der Leiche in Verbindung mit dem
von ihm ausgewerteten Bericht der neuropathologischen Zusatzuntersuchung des Gehirns gewonnen und dem Gericht nachvollziehbar
vermittelt.
161 Faustschläge hat der Sachverständige als das Tatmittel der erheblichen stumpfen Gewalteinwirkungen verantwortlich gemacht. Diese
Rekonstruktion hat sich ihm anhand des vorgefundenen Verletzungsbildes infolge seiner langjährigen Erfahrung als Gerichtsmediziner
erschlossen. Die dafür sprechenden Befunde wie großflächige Unterblutungen im Wangenbereich und Defekte der Lippenschleimhaut hat er
der Kammer anhand der Lichtbilder der Obduktion verdeutlicht. Dies stimmt überein mit der Beobachtung des Angeklagten A. M., der von
heftigen und vielen Faustschlägen in rascher Folge berichtet und diese auch als geradezu todbringend empfunden hat. Als Indizien dafür sieht
die Kammer auch die beiden Blutspritzerfelder am Kleiderschrank und an der Raufasertapete an. Derartige Antragungsformen bilden sich
typischerweise aus, wenn in bereits blutende Wunden mehrfach hineingeschlagen wird.
162 Die konkrete Todesursache des Erstickens an dem Blut- und Schleimsumpf in den Atemwegen, bedingt durch die Position des
handlungsunfähigen Opfers mit dem Gesicht und damit mit Mund und Nase auf dem Teppichläufer, hat der Sachverständige als logische und
zwangsläufige Entwicklung in Kombination mit der weiteren Tatsache plausibel erläutert, dass infolge der Hirnblutungen die
Handlungsunfähigkeit und Bewusstseinsstörung des Opfers gegeben war und es sich nicht mehr aus der Position befreien konnte, sei es
willkürlich, sei es unwillkürlich, in die es der Angeklagte A. Z. gebracht und in der die beiden Angeklagten es auch verlassen hatten. Alle drei
Angeklagten bestätigten an Hand der in Augenschein genommenen Tatortfotos, dass sich die Leiche in derselben Position befunden hatte, in
der sie den (vielleicht) noch lebenden Stock verlassen hatten.
163 Der Hinweis des Angeklagten J. B., Bernd S. könne auf dem Bett an seinem Blut ersticken, und sein Belassen vor dem Bett, ändert nichts daran,
dass die Angeklagten J. B. und A. Z. den Tod ihres Opfers billigend in Kauf genommen haben. Es ist schon wenig glaubhaft, man wollte
vermeiden, dass Bernd S. am Blut ersticken solle. Tatsächlich erstickte er aber daran, weil sie ihn dennoch mit Mund und Nase im Teppich
gleichsam stecken ließen, anstatt ihn zumindest auf die Seite zu legen. Diese Einlassungen zeigen aber, dass die beiden Angeklagten J. B. und
A. Z. um die Lebensgefährlichkeit ihrer vorausgegangenen Misshandlungen wussten und sie in ihre Überlegungen einbezogen. Aufgrund ihrer
gemeinschaftlich verübten Faustschläge waren Hirnblutungen entstanden, die Bernd S. handlungs- und bewegungsunfähig gemacht hatten.
Dies war ihnen vor Augen geführt worden, als Bernd S. "wie ein Kartoffelsack" zu Boden glitt und in einer Stellung verblieb, die völlig
ungewöhnlich war. Ihnen war klar, dass die "inneren Verletzungen" des Opfers die Hirnleistung, sei es die der willkürlichen, sei es die der
unwillkürlichen Art, entscheidend in ihrer Funktion beeinträchtigt hatten.
164 Der Angeklagte J. B. hatte bereits anlässlich des Ermittlungsverfahrens und der Hauptverhandlung wegen seiner Straftat vom Juli 1991 vor
Augen geführt bekommen, dass durch Schläge auf den Kopf ein Schädel-Hirn-Trauma entstehen kann, so dass Lebensgefahr besteht, die
allenfalls durch die ärztliche Kunst ausgeräumt werden kann.
165 Es ist aber schon eine allgemeine Lebenserfahrung, die dem medizinischen Laien in wesentlichen Zügen geläufig ist, dass durch
Schädigungen des Hirnes es zu subduralen Einblutungen in den Liquor kommt, durch die infolge der Enge des Schädels weitere traumatische
Schädigungen der Hirnmasse entstehen, die tödliche Folgen haben können. Den beiden Angeklagten war aus ihrer Lebenserfahrung bekannt,
dass es nicht eines Werkzeuges bedarf, um ein Hirn nachhaltig zu schädigen, wie dies die Unfälle im Boxsport beispielweise demonstrieren,
die ungeachtet der durch Boxhandschuhe gemilderten Wirkung vorkommen. Im vorliegenden Fall hatte Bernd S. mit der bloßen Faust
zahlreiche Schläge auf den Schädel erhalten.
166 Als sie mit der Tat begonnen hatten, war Bernd S. zwar betrunken, aber handlungsfähig gewesen und hatte den Befehlen Folge geleistet (Brille
abnehmen) oder sich bewusst widersetzt (zu reden). Als sie gingen, war er, wie die Angeklagten wussten, völlig handlungsunfähig und sie
wussten aus ihrer Tatbegehung heraus, dass seine Lebenskraft entscheidend beeinträchtigt war, wie die Erwägung zeigt, er könne am eigenen
Blut ersticken. Es war ihnen klar, dass die drohende Gefahr des Todes nicht durch bloßes Zuwarten ausgeräumt wird, sondern dass ärztliche
Hilfe geboten ist. Da sie das Opfer aber sich selbst überließen, nahmen sie den Tod des Bernd S. hin, sollte dieser eintreten. Ihre
Verantwortlichkeit für den (vorsätzlich) begangenen Totschlag wird nicht dadurch ausgeräumt, dass das Opfer nicht den Hirntod erlitt, sondern
an seinem Blut und Schleim erstickte. Die Hirnverletzungen waren die konkreten Ursachen, dass Bernd S. handlungsunfähig und
bewusstseinsgestört war und er nicht in der Lage war, infolge willkürlicher oder unwillkürlicher Reaktionen auf den drohenden Erstickungstod
zu reagieren. Dies ist eine unwesentliche Abweichung von dem Kausalverlauf, den die Angeklagten (von Anfang an) als möglich erachteten. Es
bedurfte keiner genauen Vorstellung des tatsächlichen Kausalverlaufs bei ihnen, um sie für den Tod des Opfers verantwortlich zu machen.
167 Es sei noch ergänzend hervorgehoben, dass die Angeklagten bereits vor der Tat zum Nachteil des Bernd S. auch darüber kommuniziert haben,
dass Faustschläge tödlich sein können. Der Angeklagte J. B. drohte dem Angeklagten A. M., er schlage ihm den Schädel ein, um ihn zu
Äußerungen zu zwingen. Dies hörte auch A. Z. und erinnerte selbst den Angeklagten A. M. noch einmal daran, der gemeinsame "Freund"
schlage ihn tot, wenn er nichts sage.
168 Auch das Tatnachverhalten unterstreicht, dass sie mit dem Tod rechneten. So versuchten sie gedanklich, Bernd S. als Täter ihrer eigene Tat
zum Nachteil des Angeklagten A. M. aufzubauen, was den naheliegenden Gedanken in sich birgt, Bernd S. werde infolge seines Todes die
wahren Täter nicht benennen können. Und als sie die Kriminaltechniker in ihren weißen Overalls erblickten und, wie sei bestätigten, somit
wussten, dass Bernd S. verstorben ist, reagierten sie, indem sie die Absprachen, was der Polizei zu sagen sei, vertieften.
169 4. Verantwortlichkeit des Angeklagten J. B.
170 Der Angeklagte J. B. ist bei der Tat in strafrechtlicher Hinsicht voll verantwortlich gewesen. Diese Schlussfolgerung hat die
Schwurgerichtskammer auf Grund der fachkundigen Beratung durch den psychiatrischen Sachverständigen Dr. C. von der Universitätsklinik für
Psychiatrie und Psychotherapie Tübingen getroffen. Das Ergebnis steht zur Überzeugung der Kammer fest, weil beim Angeklagten eine
erhebliche Alkoholintoxikation zum Zeitpunkt der Tat gerade nicht zu der bei ihm festgestellten Persönlichkeitsstörung und der vorhandenen
Alkoholabhängigkeit hinzugetreten ist. Und für diese Konstellation hat der Sachverständige nachvollziehbar eine dekulpierende Wirkung in der
Größenordnung, die den Bereich der §§ 20, 21 StGB eröffnet, ausgeschlossen.
171 a) Persönlichkeitsstörung und Alkoholabhängigkeit
172 Vorausschickend hat der Sachverständige beim Angeklagten J. B. das Vorhandensein der überdauernden psychiatrischen Diagnosen in Form
der langjährigen Alkoholabhängigkeit und der kombinierten Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und dependenten Zügen erläutert. Beide
Diagnosen erfüllen nach dem Befund des Sachverständigen jeweils für sich die Voraussetzungen der Zuordnung zum juristischen
Eingangsmerkmal "schwere andere seelische Abartigkeit" der §§ 20, 21 StGB. Auf eine negative Auswirkung auf die Steuerungsfähigkeit, die
eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit zur Folge gehabt hätte, kann aber deshalb nicht automatisch geschlossen werden. Zur
Begründung, weshalb beim Angeklagten die Steuerungsfähigkeit bei der Tat gleichwohl intakt gewesen ist, wird auf den nachfolgenden
Abschnitt Bezug genommen, in dem im einzelnen dargestellt ist, weshalb seine Steuerungsfähigkeit sogar unter zusätzlicher Berücksichtigung
des vor der Tat genossenen Alkohols nicht erheblich vermindert gewesen ist.
173 Zur Bestimmung der Alkoholabhängigkeit hat der Sachverständige auf die Kriterien der ICD-10-Klassifikation abgestellt, von denen bereits drei
als Grundlage der Diagnose ausgereicht hätten. Als im Vollbild vorliegend hat der Sachverständige exemplarisch hervorgehoben: Zwanghafte
Komponente beim Alkoholkonsum (erstes Bier nach dem Aufstehen), Nachweis einer Toleranz (Dosissteigerung bei gleichbleibender Wirkung,
Effekt der Alkoholgewöhnung), eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit Alkohol (Lebensmittelpunkt ist das Beschaffen und Trinken von
Alkohol), anhaltender Konsum trotz schädlicher Folgen gesundheitlicher oder sozialer Art (erhöhte Leberwerte, Verlust des Arbeitsplatzes). Der
Sachverständige hat den von ihm der Gesundheitsakte der Justizvollzugsanstalt entnommenen erhöhten Gamma-GT-Wert von 116 (als normal
gilt ein Ergebnis bis zu 28) bei der Eingangsuntersuchung als eindeutigen Hinweis auf eine alkoholbedingte Beeinträchtigung der Leber
interpretiert, weil sich dieser Wert durch erzwungene Enthaltsamkeit in der Haft innerhalb eines Monats bis zur Kontrolluntersuchung auf 87
reduziert hatte.
174 Für die kombinierte Persönlichkeitsstörung hat der Sachverständige beim Angeklagten folgende Muster hervorgehoben, die er in
Übereinstimmung mit den Kriterien der ICD-10-Klassifikation gefunden hat: Wut und Scham als affektive Folge von Kritik, manipulatives
Verhalten, betont selbstsicheres Auftreten, latente Größenfantasien mit Anspruchsdenken, Wunsch nach Aufmerksamkeit und Anerkennung,
geringes Einfühlungsvermögen (narzisstische Züge), Verlassenheitsängste, katastrophisierende Verarbeitung von Beziehungsbeendigungen
(dependente Züge). Als charakteristisch für das Persönlichkeitsbild hat der Sachverständige an die Eifersucht des Angeklagten in Beziehungen
erinnert, die ein normales Maß weit überschritten hat, beispielsweise wenn der Angeklagte die Partnerin zur Toilette begleitet und vor der Tür
auf sie wartet, sowie "Schläge" - so hat es der Angeklagte in der Exploration bezeichnet - gegen seine Partnerinnen im Zuge von eifersüchtig
motivierten Szenen. Beispiele für das Bedürfnis des Angeklagten, als besonders männlich zu erscheinen, was mit seinem betont selbstsicheren
Auftritt einhergeht, sind die Anstrengungen um einen muskulösen und fit erscheinenden Körper durch regelmäßiges Krafttraining sowie die -
zum Anlass der Tat gewordene - Rolle des "Ordnungshüters" in der Szene um "Eiche" und "Nelke", in der er sich bewegt hat. Mit seinem auf
Optik bedachten Körperkult hat der Angeklagte Erfolge gehabt, wie die Bezeichnung "Bodybuildertyp" zeigt, die ihm vom Zeugen Tariel M., der
ihn nicht mit Namen gekannt hatte, zuteil geworden ist. Die Anstrengungen um körperliche Fitness stehen im auffälligen Kontrast zu dem
gleichwohl betriebenen körperschädigenden Alkoholmissbrauch. Dadurch sieht die Kammer die Suchtqualität weiter bestätigt, die der
Alkoholkonsum beim Angeklagten erreicht hat.
175 b) Alkoholwirkung zur Tatzeit
176 Zu einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit ist es beim Angeklagten J. B. nicht gekommen, weil die vorstehend dargelegten
psychiatrischen Diagnosen auch in der Kombination mit dem vor der Tat genossenen Alkohol die Voraussetzungen der Zuordnung zum
juristischen Eingangsmerkmal "tiefgreifende Bewusstseinsstörung" der §§ 20, 21 StGB nicht erfüllen. Bei erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit
bedarf (lediglich) die Steuerungsfähigkeit der Erörterung, inwieweit es dem Angeklagten möglich geblieben ist, seine Handlungen an der
Einsicht in das Unrecht der Tat auszurichten. Markante Ausfallerscheinungen, die über ein Schwanken, von dem der Angeklagte A. M. in
Verbindung mit dem ersten Schlag berichtet hat, hinausgegangen wären, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Die subjektive Einschätzung
des Angeklagten, die er mit seiner Einlassung, er habe sich "nicht mehr nüchtern" gefühlt, gegeben hat, sieht die Kammer durch die
nachfolgend dargestellten Indizien, welche die Realitätsverbundenheit des Angeklagten aufzeigen, bezüglich des Schweregrades der
Erheblichkeitsgrenze als widerlegt an.
177 Für die Beurteilung der Steuerungsfähigkeit hat der psychiatrische Sachverständige Dr. C. die Kammer auf Anhaltspunkte aufmerksam
gemacht, an denen, wenn sie aufgrund der Beweisaufnahme festzustellen sind, eine intakte Handlungs- und Entscheidungskompetenz präzise
zu messen ist. Damit haben sich der Schwurgerichtskammer zahlreiche Belege offenbart, die in ihrer Summe und infolge ihrer Verteilung vor,
während und nach der Tat keinen Zweifel mehr haben bestehen lassen, wonach es beim Angeklagten nicht zu einer relevanten Einengung
seines Bewusstseins gekommen ist: Er hat die Abstrafung des A. M. in räumlicher Distanz überlegt. Er hat eine stundenlange Wartezeit bis zur
Ausführung des Entschlusses verstreichen lassen. Er ist Argumenten intellektuell zugänglich gewesen, indem er sich von dem Vorschlag des A.
M., die Angelegenheit aufzuklären, hat überzeugen lassen und die Gewaltausübung unterbrochen hat. Er hat während der Gewalttat gegen
Bernd S. in der Begegnung mit dem Hausmitbewohner Tariel M. adäquat reagiert, indem er ihn "hinauskomplimentiert" hat und weiteren
Störungen durch den Befehl an A. M., die Türe zu schließen, vorgebaut hat. Selbst die Überlegung unmittelbar nach der Tat, den Verletzten so
und nicht anders liegen zu lassen, zeigt die vorhandene Beherrschung der Situation. Nach der Tat hat er sich an der Diskussion beteiligt, wie im
Falle polizeilicher Ermittlungen zu verfahren sei. Umsichtigen Handelns entspricht auch, wie er sich der Anwesenheit des Verletzten A. M. für
die Nacht versichert hat, um nicht polizeiliche Nachforschungen heraufzubeschwören. Er hat die Notwendigkeit der Spurenbeseitigung bedacht,
als er die Anweisung zum Waschen der blutbefleckten Kleidungsstücke gegeben hat.
178 Die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit von höchstens 1,66 Promille, die für den alkoholgewohnten und bereits über erhöhte Toleranz
verfügenden Angeklagten J. B. als moderat zu bezeichnen ist, bestärkt die Schwurgerichtskammer in dem gewonnenen Ergebnis, wonach der
Angeklagte in seiner Schuldfähigkeit nicht erheblich vermindert gewesen ist. Von der Rückrechnung ausgehend von der über 16 Stunden nach
der Tat entnommenen Blutprobe hat die Kammer abgesehen, weil dabei wegen der 16-fachen Multiplikation des für den günstigsten Fall
anzunehmenden Abbauwertes von 0,2 Promille pro Stunde keine hinreichend zuverlässige Bestimmung für die Tatzeit herauskommt, zumal der
Angeklagte seither nicht abstinent geblieben ist. Die Berechnung ist vielmehr nach der Widmark-Formel aufgrund der bis zur Tat genossenen
Alkoholmenge erfolgt.
179 Berechnung nach der Widmark-Formel:
180 Alkoholmenge im Körper = 178,2 g
3,26 Promille
-----------
Körpergewicht x Reduktionsfaktor 78 kg x 0,7
abzüglich Abbau in 16 Stunden x 0,1 Promille 1,60 Promille
-------------
Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit
1,66 Promille
181 Für die vorstehende Berechnung sind die insoweit glaubhaften Angaben des Angeklagten aus seiner Einlassung zu Grunde gelegt worden, er
habe seit dem Aufstehen maximal 10 Dosen Bier à 0,5 Liter getrunken. Als Trinkbeginn hat die Kammer zu seinen Gunsten 9.00 Uhr
angenommen, da der Hund für ein zeitiges Aufstehen sorgt - der Angeklagte hat selbst von üblicherweise 6.00 Uhr gesprochen - und der
Konsum des ersten Bieres regelmäßig vor dem morgendlichen Ausführen des Hundes erfolgt. Bis zum Beginn der Tat gegen 1.00 Uhr haben
danach 16 Stunden zum Alkoholabbau zur Verfügung gestanden. Zugunsten des Angeklagten ist die Kammer für den Alkoholabbau vom
Mindestwert mit 0,1 Promille pro Stunde ausgegangen. Seine mittlere Konstitution ist mit dem Reduktionsfaktor von 0,7 berücksichtigt.
182 In die Formel ist die Alkoholmenge in Gramm einzusetzen, die beim Angeklagte durch das Trinken von 5 Litern Bier mit 5 Volumenprozent in
seinen Körper gelangt sind:
183 5.000 ml Bier x 5/100 x 0,79054 g/ml 198 Gramm
abzüglich 10 % Resorptionsdefizit = 19,8 Gramm
------------
Alkoholmenge im Körper
178,2 Gramm
184 Das Resorptionsdefizit, das regelmäßig zwischen 10 Prozent und 30 Prozent liegt, ist mit dem Mindestwert zugunsten des Angeklagten
berücksichtigt.
185 5. Verantwortlichkeit des Angeklagten A. Z.
186 Der Angeklagte A. Z. ist bei der Tat ebenfalls in strafrechtlicher Hinsicht voll verantwortlich gewesen. Dabei hat der psychiatrische
Sachverständige Dr. C. ungeachtet der bagatellisierenden Angaben des Probanden auch bei ihm mit der Diagnose der Alkoholabhängigkeit
die Voraussetzungen der Zuordnung zum juristischen Eingangsmerkmal "schwere andere seelische Abartigkeit" der §§ 20, 21 StGB für
gegeben erachtet, wobei er zugleich darauf hingewiesen hat, es lägen höchstens diskrete Zeichen der Alkoholstigmatisierung vor.
Insbesondere ist der aus der Gesundheitsakte entnommene Gamma-GT-Wert von 28 bei der Eingangsuntersuchung noch in der normalen
Bandbreite. Die gestellte Diagnose hat der Sachverständige auf vier Kriterien der ICD-10-Klassifikation gestützt: verminderte Kontrollfähigkeit,
Entwicklung einer Toleranz (Steigerung der Dosis zur Unterstützung der Realitätsflucht), eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit Alkohol,
fortgesetzter Konsum trotz schädlicher Folgen gesundheitlicher oder sozialer Art (Verlust des Führerscheins, negative Auswirkungen auf die
Arbeits- und Beziehungsfähigkeit, Auftreten von amnestischen Episoden).
187 Beim Angeklagten A. Z. hat sich die Frage der verminderten Schuldfähigkeit, wie der psychiatrische Sachverständige Dr. C. zutreffend in seinem
Gutachten erläutert hat, lediglich vor dem Hintergrund der vor der Tat getrunkenen Alkoholmenge gestellt. Unter paralleler Betrachtung zum
Mittäter hat der Sachverständige betont, beim Angeklagten A. Z. gebe es erst recht keine Anhaltspunkte für eine Herabsetzung der
Steuerungsfähigkeit im Sinne einer "tiefgreifenden Bewusstseinsstörung" gemäß §§ 20, 21 StGB, welche den Erheblichkeitsbereich des § 21
StGB erreichen würde. Die beim Mittäter für das Funktionieren rationaler Denkvorgänge angeführten Beispiele treffen auch für den Angeklagten
A. Z. zu, zumal die Angeklagten ihr entsprechendes Handeln miteinander im Gesprächskontakt abgestimmt haben, beispielsweise das
Ablassen von A. M., um zur "Gegenüberstellung" zu Bernd S. aufzubrechen, der verbale Austausch, in welcher Lage Bernd S. nach der Tat
zurückzulassen sei, die Diskussion bezüglich etwaiger Angaben gegenüber der Polizei und das Waschen der blutbefleckten Kleidung, wobei
der Angeklagte A. Z. entsprechend seiner "Rangordnung" gegenüber dem Mittäter für die Erledigung dieses Arbeitsganges zuständig gewesen
ist.
188 Die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten A. Z. zur Tatzeit von höchstens 1,75 Promille steht mit dem vorstehend gewonnen Ergebnis in
Einklang, wonach der Angeklagte in seiner Schuldfähigkeit nicht erheblich vermindert gewesen ist.
189 Die Berechnung nach der Widmark-Formel stellt sich für ihn wie folgt dar:
190 Alkoholmenge im Körper = 178,2 g
3,35 Promille
-----------
Körpergewicht x Reduktionsfaktor 76 kg x 0,7
abzüglich Abbau in 16 Stunden x 0,1 Promille 1,60 Promille
--------------
Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit
1,75 Promille
191 Lediglich das unterschiedliche Körpergewicht hat zu dem gegenüber dem Mittäter geringfügig höheren Ergebnis geführt. Für die übrigen
Variablen haben sich dieselben Werte herausgestellt. Die Trinkmenge von 5 Litern Bier (10 Dosen à 0,5 Liter) entspricht der Größenordnung,
die der Angeklagte A. Z. in seiner Einlassung angegeben hat. Soweit er dabei die Bandbreite nach oben auf 11 Dosen auszudehnen versucht
hat, ist ihm die Kammer nicht gefolgt, weil er ausgehend von der polizeilichen Vernehmung mit 5 bis 6 Dosen die behauptete Trinkmenge stetig
gesteigert hat. Die Abbauzeit von ebenfalls 16 Stunden ab 9.00 Uhr bis 1.00 Uhr hat die Kammer angesetzt, weil auch der Angeklagte A. Z.
nach seiner Einlassung den Trinkbeginn mit dem Wecken durch seinen Hund verbindet, was an besagtem Tag ungefähr um 8.30 Uhr
geschehen sei.
192 VII. Rechtliche Würdigung
193 Die Angeklagten J. B. und A. Z. haben sich durch die gemeinschaftlich begangenen Taten zum Nachteil des Bernd S. des Totschlags und zum
Nachteil des Mitangeklagten A. M. der gefährlichen Körperverletzung gemäß §§ 212, 224 Absatz 1 Nr. 4, 223, 53 StGB schuldig gemacht. Die
Tatmodalität "mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich", welche die Körperverletzung nach § 223 StGB zur "gefährlichen" qualifiziert, ist
erfüllt (§ 224 Absatz 1 Nr. 4 StGB).
194 Die Angeklagten haben mit direktem Vorsatz hinsichtlich der körperlichen Misshandlungen und mit bedingtem Vorsatz hinsichtlich der Tötung
des Bernd S. gehandelt. Es gehört zur allgemeinen Lebenserfahrung, wonach heftige Faustschläge gegen den Kopf und ins Gesicht einen
Menschen durch Gehirnblutungen zu Tode bringen können. Dies hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich betont in der Entscheidung vom 19.
März 1997 und dabei besonders hervorgehoben, dies sei nicht einmal fraglich, wenn die Erkenntnisfähigkeit eines Täters wegen seiner
alkoholbedingten Bewusstseinstrübung nachhaltig vermindert gewesen ist (Aktenzeichen 5 StR 21/97, veröffentlicht in NStZ-RR 1997, 296).
Auch den Angeklagten ist dieses Wissen geläufig, insbesondere auch weil sie im gewaltbereiten Alkoholikermilieu verkehrt haben. Der
tatsächliche Todeseintritt durch Ersticken infolge der brutalen Gewalt, die Bernd S. insbesondere durch die "Rammstöße" hat erleiden müssen,
stellt demgegenüber nur eine unwesentliche Abweichung vom typischen Kausalverlauf dar. Wie gering der Unterschied der beiden Varianten
für die Angeklagten gewesen ist, wird durch ihren eigenen Erfahrungsschatz aufgezeigt, zu dem sogar diese Alternative des Ablebens bei
einem hilflos Betrunkenen gehört. Entsprechend haben sie beim Verlassen des Opfers die Möglichkeit des Erstickens an Blut und Erbrochenem
thematisiert. In Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit haben die Angeklagten mit ihrer Überlegung aber nicht auf einen guten Ausgang
"vertraut", sondern im Gegenteil ihrer gefühllosen Einstellung Ausdruck verliehen, wie gleichgültig ihnen das besiegelte Schicksal ihres Opfers
gewesen ist. Als "selbstverschuldete Begriffsstutzigkeit" hat es im übrigen die höchstrichterliche Rechtsprechung betrachtet, wenn Zweifel an
einer jedermann offenkundigen Einsicht der realen Grundlage entbehren (BGH 1 StR 538/99 Urteil vom 7. Dezember 1999). Mit dieser
Überlegung hat der Bundesgerichtshof die Erwägung entkräftet, der dort angeklagte Täter habe sich möglicherweise "der Einsicht in die
Gefährlichkeit verschlossen", wonach heftiges Schütteln eines Kleinkindes zum Tode führen kann. Entsprechendes gilt, wenn die Angeklagten
vorliegend glauben machen wollen, sie hätten nicht daran gedacht, ihr handlungsunfähiges Opfer könne in der zurückgelassenen Position auf
seinen abgewinkelten Beinen hockend, Mund und Nase dicht auf dem Teppich aufliegend, wobei Blut und Schleim aus den von den Schlägen
eröffneten Wunden zusätzlich die Atemwege verstopfen, ersticken.
195 Beide Angeklagten müssen sich als Mittäter das Handeln des jeweils anderen zurechnen lassen (§ 25 Absatz 2 StGB). Bewusstes und
gewolltes Zusammenwirken ist in dem konkludenten Verhalten zu erkennen, mit dem die Angeklagten "ihren" Gewaltbeitrag vor den Augen des
anderen geleistet haben, womit sie sich dessen Billigung versichert und mit neuerlichem Tatbeitrag den vorangegangenen des Mitstreiters
bestätigt haben. Im Falle der Schläge gegen Bernd S. muss der Angeklagte A. Z. die brutalen "Rammstöße" des Angeklagten J. B. auch deshalb
vertreten, weil der Angeklagte A. Z. durch die gemeinsam getragene Aktion bei dem unmittelbar vorausgegangenen Gewaltakt gegen den
Mitangeklagten A. M. den Schulterschluss mit dem Angeklagten J. B. unmissverständlich dokumentiert hat. Darüber hinaus hat der Angeklagte
A. Z. die körperliche Misshandlung des Bernd S. eigenhändig eröffnet, weshalb er sich von da an nicht mehr wirksam der Verantwortung hat
entziehen können, soweit er selbst mit geringerer Intensität geschlagen und solange er dem Mittäter die Handgreiflichkeit überlassen hat.
196 Beide Angeklagten sind für ihre Taten strafrechtlich voll verantwortlich. Die Voraussetzungen, unter denen ihre Schuldfähigkeit im Sinn der §§
20, 21 StGB erheblich vermindert oder gar aufgehoben gewesen wäre, haben nicht vorgelegen. Der genossene Alkohol und die beim
Angeklagten J. B. vorhandene Persönlichkeitsstörung haben ihre Steuerungsfähigkeit nicht in strafrechtlich relevantem Ausmaß beeinflusst.
197 Der Angeklagte A. M. ist des Diebstahl gemäß § 242 StGB schuldig. Von einer Bestrafung wegen eines besonders schweren Falles des
Diebstahls hat die Kammer aber abgesehen. Obwohl der gesetzliche Tatbestand des § 243 Absatz 1 Nr. 6 StGB erfüllt ist, weil der sterbende
Bernd S. zur Verteidigung seiner Habe nicht mehr in der Lage gewesen ist, hat die Strafkammer in dem konkreten Fall die typischerweise
erhöhte Schuld, wenn ein Regelbeispiel erfüllt ist, nicht feststellen können, weil sich der Angeklagte ebenfalls in hilfsbedürftiger Lage befunden
hat.
198 VIII. Strafe
199 Bei keinem der Angeklagten ist eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB festgestellt worden, weshalb auch keine fakultative
Strafrahmenmilderung zu berücksichtigen ist, die nach den Regeln des § 49 Absatz 1 StGB einen für die Angeklagten günstigeren Strafrahmen
bewirkt hätte.
200 1. Angeklagter J. B.
201 Das Schwurgericht hat den Angeklagten J. B. zu lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt (§ 54 StGB). Die Gesamtstrafe ist aus
lebenslanger Freiheitsstrafe für den Totschlag und 5 Jahren Freiheitsstrafe für die gefährliche Körperverletzung gebildet worden.
202 a) Totschlag
203 Auf lebenslange Freiheitsstrafe gemäß § 212 Absatz 2 StGB hat die Schwurgerichtkammer beim Angeklagten J. B. erkannt, weil sie den
Totschlag als besonders schweren Fall erachtet hat.
204 Zu diesem Ergebnis ist das Gericht im Rahmen der Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten gekommen.
Ausschlaggebend sind dabei die Banalität und die Belanglosigkeit des Tatmotivs, die Vorstrafe wegen versuchten Totschlags sowie die
besondere Brutalität, die aus seinem eigenhändigen Tatbeitrag hervorgeht, ins Gewicht gefallen. Demgegenüber vermag die Strafkammer den
Umständen, die mit der Persönlichkeitsstörung und der alkoholischen Beeinflussung zugunsten des Angeklagten sprechen könnten, keine
besondere Entlastung beizumessen. Es erscheint der Kammer nicht angezeigt, deswegen den Regelstrafrahmen für Totschlag, der 5 bis 15
Jahren Freiheitsstrafe vorsieht, anzuwenden. Der Angeklagte weiß um seine charakterlichen Mängel, die er in zahlreichen Beziehungen
ausgelebt hat. Er ist aber auch in der Lage, sich, wenn er es für angebracht hält, zu beherrschen. So hat er sich der Argumentation des
Angeklagten A. M. eröffnet und dessen Misshandlungen für die "Gegenüberstellung" mit Bernd S. eingestellt. Dort hat er auf die Unterbrechung
durch den Mithausbewohner Tariel M. situationsangepasst reagiert und hat sich solange zurückgehalten, bis er den "Störer" aus dem Zimmer
verwiesen hatte. Ebenso weiß der Angeklagte J. B. um seine Neigung zum Alkoholkonsum, der ihn im Jahr 1991 schon einmal wegen eines
Verbrechens, das er vor dem Hintergrund der damals gewährten Strafrahmenmilderung nach § 21 StGB mit den Worten "Suffaktion im
Vollrausch" abgetan hat, auf die Anklagebank des Schwurgerichts gebracht hatte. Auch vorliegend hat der Angeklagte bagatellisierende
Tendenzen in seiner Einlassung erkennen lassen: "Ich weiß, es war Schwachsinn; ich war halt betrunken; es war nicht geplant, dass der Abend
so verläuft." Beim wiederholten Mal ist das Schwurgericht nicht mehr bereit, den unreflektierten und leichtfertigen Umgang des Angeklagten mit
Alkohol als strafmildernd hinzunehmen.
205 Die erforderliche Vergleichbarkeit der Tatschwere mit der eines Mordes hat das Schwurgericht in der Banalität und Belanglosigkeit des
Tatmotivs ausgemacht. Der Angeklagte hat selbst kaum in Worte fassen können, um was es eigentlich gegangen ist. Von Bernd S. eine Antwort
zu bekommen, ist das vorgebliche Ziel, aber nicht die geeignete Lösung des Problems gewesen. Ganz egal, was Bernd S. gesagt hat und was
er noch hätte verlauten lassen können, wäre die Gewalt weitergegangen, sei es an dem Mitangeklagten A. M., wenn ihn Bernd S. mit der "üblen
Nachrede" belastet hätte, sei es an Bernd S., weil seine Antwort nicht die gewesen ist, die der Angeklagte hat hören wollen. Gewalt um der
Gewalt willen als Demonstration seiner Macht, seiner Überlegenheit und sein "Könnens", das allein hat dem Angeklagten genügt, die Tat zu
begehen.
206 Der versuchte Totschlag im Jahr 1991, dessen sich der Angeklagte schuldig gemacht hat, trägt bereits die Handschrift der vorliegenden Tat, die
nunmehr tödlich ausgegangen ist. Auch damals hat der Angeklagte in verhängnisvoller Symbiose mit seinem "Kumpel" sein Opfer in übelster
Weise malträtiert und mit lebensgefährlichen Verletzungen bedenkenlos auf der Straße liegend seinem Schicksal überlassen. Das Opfer hatte
ihm keinen Grund gegeben, bloßer Frust wegen der Freundin hatte dem Angeklagten als Anlass der Tat genügt. Zur Überwältigung des
trainierten Ringers Oleg P. hat es des Einsatzes einer circa 4 kg schweren und über 1 M. langen Maurerschraubzwinge gegen Kopf und Gesicht
bedurft. Der Angeklagte hat es einem glücklichen Zufall, dem Geschick der Ärzte und der besonderen Konstitution des Opfers verdanken dürfen,
dass das Tötungsdelikt im Versuchsstadium geblieben ist. Eine Lehre ist ihm diese Erfahrung nicht geworden.
207 Schließlich hat die Kammer die besondere Brutalität, für die der Angeklagte mit den "Rammstößen" verantwortlich gewesen ist, in die
Würdigung einbezogen. Dabei sei auch betont, wie Bernd S. in dieser Situation im Schwitzkasten beziehungsweise Würgegriff fixiert und hilflos
den Boxhieben ausgeliefert gewesen ist. Zu keinem Zeitpunkt hatte er Gegenwehr geleistet. Auch dass der Angeklagte "nur" mit bedingtem
Tötungsvorsatz gehandelt hat, hat das Schwurgericht bei der Gesamtwürdigung der Tat und der Abwägung berücksichtigt.
208 b) Gefährliche Körperverletzung
209 Auf 5 Jahre Freiheitsstrafe hat die Schwurgerichtskammer beim Angeklagten J. B. wegen der gefährlichen Körperverletzung erkannt. Aus dem
angewandten Strafrahmen von 6 Monaten bis 10 Jahren (§ 224 Absatz 1, 1. Alternative StGB) hat die Strafkammer bei der Bemessung der
konkreten Strafe nach Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände die Strafe im mittleren Bereich angesiedelt.
210 Zu Gunsten des Angeklagten J. B. ist berücksichtigt: Die Verletzungen des geschädigten A. M. sind folgenlos ausgeheilt. Der verbliebene
Höcker an der Nasenwurzel, wo das Nasenbein gebrochen gewesen ist, ist nur bei genauem Hinsehen erkennbar und hat keine entstellende
Wirkung. Der Angeklagte hat sich durch sein maßvolles Geständnis, weitgehend, was den Beginn der Abreibung zwecks Abstrafung anbelangt,
und zu einem weiteren Teil, den er mit "Ohrfeigen" bagatellisiert hat, der strafrechtlichen Verantwortung gestellt. Seine Schuldfähigkeit ist - wenn
auch nicht erheblich vermindert - doch beeinträchtigt gewesen infolge des vor der Tat genossenen Alkohols in Verbindung mit seiner
kombinierten Persönlichkeitsstörung, die sowohl von narzisstischen als auch dependenten Zügen geprägt ist, womit die
Eingangsvoraussetzungen der "schweren anderen seelischen Abartigkeit" im Sinne der §§ 20, 21 StGB erfüllt gewesen sind.
211 Zu Lasten des Angeklagten J. B. ist berücksichtigt: Die Brutalität der Schläge über einen längeren Zeitraum hinweg sowie das Ausmaß der
konkreten Verletzungen, die sich in den zwei blauen Augen, dem gebrochenen Nasenbein und dem insgesamt zur Unkenntlichkeit
aufgeschwollenen Gesicht niedergeschlagen haben, sind in die Strafzumessung eingeflossen. Im Rahmen der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit beider Mittäter ist gleichwohl der beherrschende Tatbeitrag des Angeklagten J. B. hinsichtlich Anzahl und Intensität der von
ihm verübten Schläge gewichtet worden. Das Opfer hat während der Tat Todesangst erlitten und dies nicht ohne Grund, ist ihm doch eine den
Angeklagten befriedigende Antwort nicht möglich gewesen. Die Todesangst hat fortgewirkt unter dem erzwungenen Eindruck der gegen den
Getöteten gerichteten Gewalt mit der Drohung jederzeit möglicher Rückumkehrung der Opferrolle von Bernd S. zu A. M. hin, abhängig von der
Aussage des Bernd S. Auch das Geschehen nach der Tat hat in diesem Zusammenhang eine Rolle gespielt, wobei insbesondere
hervorzuheben sind die Quasi-Gefangenschaft des eingeschüchterten A. M., dem auf diese Weise die sofortige ärztliche Behandlung
vorenthalten worden ist, sowie die Verhöhnung, die in der ihm im Zustand der frischen Verwundung abverlangten Strapazen zu sehen ist, sein
eigenes Blut aufzuwischen.
212 Der Angeklagte ist einschlägig vorbestraft durch die Verurteilung wegen versuchten Totschlags, begangen am 25. Juli 1991. Im übrigen hat der
Angeklagte durch die breite Mischung seiner sonstigen Delikte seit seiner Strafmündigkeit im Jahr 1976 - namentlich Diebstahl,
Leistungserschleichung, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, fahrlässige Trunkenheit im Straßenverkehr, Nötigung, Fahren ohne
Fahrerlaubnis, Raub, fahrlässiger Vollrausch, Beleidigung und Missbrauch von Ausweispapieren - ein bemerkenswertes Maß sozialer
Unverträglichkeit offenbart.
213 2. Angeklagter A. Z.
214 Das Schwurgericht hat den Angeklagten A. Z. zu 11 Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt (§ 54 StGB), die aus 10 Jahren Freiheitsstrafe für den
Totschlag und 2 Jahren 6 Monaten Freiheitsstrafe für die gefährliche Körperverletzung gebildet worden ist. Im Rahmen der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit beider Mittäter hat sich die verhältnismäßig geringere Brutalität des eigenhändigen Tatbeitrags, den der Angeklagte A. Z.
eigenhändig geleistet hat, ausgewirkt, weshalb das Strafmaß weit unter dem des Mittäters geblieben ist. Der Angeklagte A. Z. steht erstmals vor
Gericht und soll ebenfalls die Chance bekommen, die sein Mittäter nach dem Urteil vom 15. September 1992 wegen versuchten Totschlags
nicht wahrgenommen hat. Zu seinen Gunsten hat sich sein weitgehendes Geständnis ausgewirkt, durch das er sich bezüglich beider
Tatvorwürfe der strafrechtlichen Verantwortung gestellt hat. Seine Schuldfähigkeit ist - wenn auch nicht erheblich vermindert - doch
beeinträchtigt gewesen infolge des vor der Tat genossenen Alkohols.
215 a) Totschlag
216 Auf 10 Jahre Freiheitsstrafe hat die Schwurgerichtskammer beim Angeklagten A. Z. wegen des Totschlags erkannt. Aus dem angewandten
Strafrahmen von 5 bis 15 Jahren Freiheitsstrafe (§ 212 Absatz 1 StGB) hat die Strafkammer bei der Bemessung der konkreten Strafe nach
Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände die Strafe im mittleren Bereich angesiedelt. Die besondere Brutalität
seines Mittäters muss sich der Angeklagte in der Weise entgegenhalten lassen, als er den Auftakt zu der gegen Bernd S. gerichteten Gewalttat
gemacht, dem Mittäter damit Unterstützung und Billigung signalisiert, ihm in der Intensität freie Hand gelassen und durch weitere eigenhändige
Schläge die fremden Gewalthandlungen bestätigt hat. Deshalb konnte der "nur" bedingte Tötungsvorsatz nicht besonders strafmildernd ins
Gewicht fallen. Den Schlussakt, nämlich Bernd S. in seinem Blute liegend dem Ersticken preiszugeben, hat der Angeklagte A. Z. gleichermaßen
wie der Mittäter zu vertreten. Der Vorwurf der Banalität und Belanglosigkeit des Tatmotivs greift für den Angeklagten A. Z. umso mehr Raum, als
dieser während der Tat nur ansatzweise mitbekommen hatte, um was es dem Mittäter eigentlich gegangen war.
217 b) Gefährliche Körperverletzung
218 Auf 2 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe hat die Schwurgerichtskammer beim Angeklagten A. Z. wegen der gefährlichen Körperverletzung erkannt.
Aus dem angewandten Strafrahmen von 6 Monaten bis 10 Jahren (§ 224 Absatz 1, 1. Alternative StGB) hat die Strafkammer bei der Bemessung
der konkreten Strafe nach Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände die Strafe aus der unteren Hälfte
entnommen.
219 Wegen der dabei außerdem zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten A. Z. eingestellten Gesichtspunkte der Strafzumessung wird Bezug
genommen auf die oben beim Mittäter gemachten Ausführungen zu der folgenlosen Ausheilung der Verletzungen des geschädigten A. M.
sowie der konkreten Tatausführung im einzelnen, was Brutalität, Dauer und vermittelte Todesangst anbelangt, bis hin zum Geschehen nach der
Tat mit der Quasi-Gefangenschaft. Dies sind allesamt Umstände, für die der Angeklagte A. Z. als Mittäter einzustehen hat.
220 3. Angeklagter A. M.
221 Beim Angeklagten A. M. ist die Strafe von 30 Tagessätzen zu je 10 Euro als tat- und schuldangemessen dem für Diebstahl vorgesehen
Strafrahmen des § 242 Absatz 1 StGB entnommen worden, der Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe vorsieht.
222 IX. Maßregel
223 Bei den Angeklagten J. B. und A. Z. ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden, da die gesetzlichen Voraussetzungen
dafür gemäß § 64 StGB erfüllt sind. Bei beiden liegt eine Alkoholabhängigkeit vor, welche die Eingangskriterien der Merkmalskategorie der
"schweren anderen seelischen Abartigkeit" im Sinne der §§ 20, 21 StGB erfüllen. Im Falle fortdauernder Abhängigkeit sind bei den beiden
Angeklagten Gewaltstraftaten zu besorgen, die bei ihnen mit der milieubedingten Untätigkeit und damit verbundenen Unzufriedenheit
einhergehen. Bezeichnend ist dabei der völlig unspezifische Anlass der vorliegenden Tat, wie er sich beim Angeklagten J. B. bereits in dem
versuchten Totschlag im Jahr 1991 und beim Angeklagten A. Z. in den zahlreichen körperlichen Übergriffen gegen seine geschiedene Ehefrau
in den Jahren 1994 bis 1996 abgezeichnet hat. Gerade die fehlende Voraussehbarkeit, wann und wodurch bei den Angeklagten die
grundsätzliche Gewaltbereitschaft durch alkoholische Enthemmung in Gewaltausübung umschlägt, trägt zu ihrer Gefährlichkeit bei.
224 Beim Angeklagten J. B. hat es die Strafkammer bei der vom Gesetzgeber als Regelfall vorgesehenen Reihenfolge der Vollziehung von
Maßregel und Strafe belassen. Er ist einsichtsfähig, sich dieser Therapie unterziehen zu müssen. Der Vorrang kommt nach § 67 Absatz 1 StGB
dem Maßregelvollzug zu. Die Zeit der Unterbringung in der Entziehungsanstalt wird auf die Strafe angerechnet.
225 Beim Angeklagten A. Z. hat die Strafkammer die Reihenfolge des Vollzugs von Maßregel und Freiheitsstrafe gemäß § 67 Absatz 2 StGB
umgekehrt. Dabei hat sich die Strafkammer für die Dauer des Vorwegvollzugs der Strafe von 5 Jahren 6 Monaten an dem Zeitpunkt orientiert, zu
dem nach zwei Dritteln der Strafe, hier also nach 7 Jahren 4 Monaten, von der zuständigen Strafvollstreckungskammer zu prüfen sein wird, ob
die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Im Hinblick auf den in der Regel benötigten Zeitraum für eine Entziehungskur im
Rahmen des Maßregelvollzugs zwischen mindestens 1 Jahr und höchstens 2 Jahren stehen dem Angeklagten für die Alkoholentziehungskur
vorliegend 1 Jahr 10 Monate vor dem Zweidritteltermin zur Verfügung. Dies ermöglicht ihm, nach Ablauf der Strafzeit von 5 Jahren 6 Monaten
über den Maßregelvollzug nahtlos unter Strafaussetzung der Reststrafe zur Bewährung nach 7 Jahren 4 Monaten in die Freiheit zu gelangen.
226 Die Umkehrung der Reihenfolge ist beim Angeklagten A. Z. geboten, um den Zweck der Maßregel zu fördern, nach der Haft sein künftiges
Leben in Freiheit ohne Alkohol einzurichten. Zu dieser Einschätzung ist die Strafkammer mit Unterstützung des psychiatrischen
Sachverständigen Dr. C. gelangt, der auf die fehlende Krankheitseinsicht des Angeklagten zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufmerksam gemacht
hat. Der Angeklagte hat bei der Exploration (noch) die Meinung vertreten, er habe seinen Alkoholkonsum "im Griff". Die damit in Frage gestellte
Erfolgsaussicht nimmt die Strafkammer allerdings nicht zum Anlass, dem Angeklagten die Therapie vollständig zu verwehren. Denn es gehört
zu den ersten Aufgaben der dafür geschulten Therapeuten im Maßregelvollzug, die Einsicht der Gefangenen in die Notwendigkeit der
Suchtbehandlung zu wecken. Es erscheint aber angezeigt, durch Umkehrung der Reihenfolge beim Angeklagten den nötigen Druck
aufzubauen, damit er die Entziehungskur durchstehen kann. Im Falle mangelnder Mitwirkung oder fehlendem Erfolg muss er damit rechnen, die
gesamte Strafe bis zum Ende der 11 Jahre zu verbüßen, ohne in den Genuss der bedingten Entlassung auf Bewährung zum Zeitpunkt der
Zweidrittelstrafe zu kommen. Dazu hin würden ihm die im Rahmen der Therapie versuchten Lockerungen dann versagt.
227 Als weiterer Gesichtspunkt, der beim Angeklagten A. Z. für die Umkehrung der Reihenfolge spricht, tritt seine grundlegende Schwierigkeit hinzu,
sich mit Realitäten adäquat auseinander zu setzen. Neben der Verkennung seiner Alkoholabhängigkeit leugnet er den Alkoholkonsum als
Grund seiner Arbeitslosigkeit und Beziehungsunfähigkeit. Ebenso beispielhaft ist die in seiner Einlassung zum Ausdruck gekommene
Einstellung, mit der er sich von der Verantwortlichkeit für den Todeseintritt frei gesprochen hat, er habe dem Bernd S. doch nur drei Schläge
verabreicht, sowie der Widerspruch, in den er sich zu seiner mit eigenen Augen gemachten Wahrnehmung, das handlungsunfähige Opfer
werde in der Position mit Mund und Nase dicht auf dem Teppich aufliegend alsbald in dem sich bildenden Sumpf von Blut und Schleim
ersticken, gesetzt hat. Auch diese besondere Problematik im Umgang des Angeklagten mit Alkohol, der ihm ein probates Mittel bedeutet, die
Realitätsflucht zu unterstützen, so hat der psychiatrische Sachverständige Dr. C. betont, wird die Therapie erschweren und verlangt nach dem
Druck der Endstrafe. Darin stimmt die Strafkammer mit dem Sachverständigen überein.
228 X. Kosten
229 Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 465 Absatz 1 StPO.