Urteil des LG Stuttgart vom 10.07.2003
LG Stuttgart: örtliche zuständigkeit, arbeitsunfähigkeit, kopfschmerzen, tinnitus, verschulden, fahrzeug, entlassung, verkehrsunfall, kennzeichen, kausalität
LG Stuttgart Urteil vom 10.7.2003, 27 O 336/02
Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach cessio legis im Prozeß gegen den Schädiger.
Leitsätze
1.Der Arbeitgeber darf sich auf die Richtigkeit der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlassen, wenn nicht tatsächliche Umstände Anlaß
zu erheblichen Zweifeln an der Glaubhaftigkeit des Inhalts der ärztlichen Zeugnisse geben.
2. Steht aufgrund der Arztberichte fest, daß eine Verletzung vorlag, so ist die Frage, ob die geklagten Beschwerden auf den Unfall zurückzuführen
sind, eine Frage der Haftungsausfüllenden Kausalität, die nach § 287 ZPO zu beurteilen ist.
Tenor
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 9.094,82 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem
Basiszinssatz seit 27.8.2001 zu bezahlen.
2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin macht auf sie übergegangene Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend.
2
Ein Mitarbeiter der Klägerin, der Zeuge B, war am 29. März 2001 mit seinem Isuzu-Kleinbus (amtliches Kennzeichen ES-IB 3071) in Neuhausen
an einem Zebrastreifen zum Halten gekommen, als der Beklagte zu 1, dessen PKW Smart (amtliches Kennzeichen ES-EY 4279) bei der
Beklagten zu 2 haftpflichtversichert ist, hinten links auf das Fahrzeug des Zeugen B auffuhr. Die volle Haftung des Beklagten zu 1 steht zwischen
den Parteien außer Streit.
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Der Zeuge B wurde nach dem Unfall in das Krankenhaus Esslingen gebracht und dort bis zum 30. März 2001 stationär behandelt. In der Zeit vom
29. März bis 6. Mai 2001 war er arbeitsunfähig krankgeschrieben.
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Die Klägerin hat in dieser Zeit Gehaltsfortzahlung in Höhe der Hauptforderung des Klageantrages geleistet. Mit Schreiben vom 25. Juli 2001 hat
die Klägerin die Beklagte zu 2 aufgefordert, 9.094,82 EUR, bis zum 20. August 2001 zu bezahlen. Der Betrag setzt sich aus dem Bruttogehalt
sowie anteiligen vermögenswirksamen Leistungen, anteiliger Urlaubsvergütung und anteiligem Weihnachtsgeld (Bruttolohnmethode)
zusammen.
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Eine Zahlung durch die Beklagte zu 2 erfolgte nicht.
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Die Beklagte zu 2 erklärte durch Schreiben vom 28. Februar 2001, weder die Wirbelsäulenbeschwerden, noch die Arbeitsunfähigkeit von Herrn B
würden in Abrede gestellt, allerdings werde bestritten, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall vom 29. März 2001 und den
Beschwerden in dem Zeitraum vom 29.3.2001 bis 6.5.2001 bestehe.
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Die Klägerin behauptet , der Zeuge B sei sowohl vor dem Unfall, als auch nach dem 7. Mai 2001 gesund und voll arbeitsfähig gewesen. Zwar
habe dieser bereits am 8. Juni 1988 einen schweren Motorradunfall erlitten, mehrere Gutachten seien aber zu dem Ergebnis gekommen, dass
keine Folgen dieses Unfalls auf neurologischem und chirurgischem Gebiet mehr vorlägen.
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Eine Computertomografie vom 6.4.2001 habe Frakturen des 11. und 12. Brustwirbelkörpers ergeben. Es sei zwar richtig, dass der Zeuge bereits
am 8.6.1988 einmal als Motorradfahrer einen schweren Unfall erlitten habe, ein im Auftrag der damals beteiligten Haftpflichtversicherung des
Unfallgegners erstattetes unfallchirurgisches Gutachten vom 15.12.2000 des Herrn Prof. Dr. W, ärztlicher Direktor der
berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen und ein neurologisches Gutachten des Prof. Dr. M vom 28.3.2001 seien eindeutig zu dem
Ergebnis gelangt, dass keine Folgen des Unfalls vom 8.6.1988 auf chirurgischem und neurologischem Fachgebiet mehr vorlägen.
9
Im übrigen schließe eine zum Schaden neigende Konstitution des Unfallopfers den Zurechnungszusammenhang und somit auch die Haftung
des Schädigers nicht aus.
10 Die Klägerin beantragt daher,
11 die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 9.094, 82 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit
27.8.2001 zu verurteilen.
12 Die Beklagten beantragen,
13 die Klage abzuweisen.
14 Die Beklagten behaupten , die vorgetragenen Verletzungen des Arbeitnehmers der Klägerin könnten nicht kausal durch den Unfall vom 29. März
2001 hervorgerufen sein, vielmehr stellten sie sich als schicksalhafte Leiden dar. Ausdrücklich bestritten werde, dass der Zeuge B sich bei
diesem Unfall Brustwirbelfrakturen zugezogen habe. Der Beklagte zu 1 sei mit seinem smart nur ganz leicht hinten auf das Fahrzeug des Zeugen
B aufgefahren. Durch den Anstoß sei eine Geschwindigkeitsänderung von maximal 7-9 km/h erzeugt worden. Bei dieser geringen
Anstoßgeschwindigkeit sei der Eintritt der behaupteten Verletzungen des Zeugen B unmöglich. Zur Untermauerung dieser Behauptung berufen
sich die Beklagten auf ein in ihrem Auftrag erstattetes Gutachten des medizinischen Gutachteninstituts Hamburg. Dort wird die Auffassung
vertreten, dass die bisherigen Veröffentlichungen aus der technischen Unfallforschung für eine Geschwindigkeitsänderung von 7 bis 9 km/h eine
Verletzungsgefahr nicht erkennen lassen.
15 Die Arztberichte enthielten keine objektiven Befunde, sie dokumentierten nur subjektive Angaben des Patienten. Objektive Verletzungsanzeichen
seien nirgendwo festgehalten. Das CT vom 6.4.2001 sei ohne jeden Beweiswert, da die Infraktionen nicht von dem Unfall herrührten, sondern
entweder bereits vor dem Unfall bestanden oder erst durch ein Ereignis nach dem Unfall vom 29.3.2001 verursacht worden seien.
16 Auch sei der von dem Zeugen B geklagte Tinnitus ausweislich des Arztberichtes von Herrn Dr. P am 31. März 2001 bereits wieder komplett
verschwunden gewesen. Insgesamt seien die vorgelegten Atteste von geringer Aussagekraft. Die dokumentierten, angeblich schmerzhaften
Verspannungen im Nacken/Schulterbereich stünde nicht in einem kausalen Zusammenhang mit dem Unfall vom 29.3.2001.
17 Die Beklagten mutmaßen, dass die Arbeitsunfähigkeit des Zeugen B vielmehr in direktem Zusammenhang mit den von ihm fristgerecht zu
erbringenden Eigenleistungen in seinem zu vermietenden 3-Familienhaus stand.
18 Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen Bezug genommen.
19 Es wurde Beweis erhoben durch ein schriftliches Gutachten des Orthopäden Prof. Dr. med. W von der Universitätsklinik Tübingen und durch
Vernehmung des Zeugen Markus B - insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.6.2003 verwiesen.
Entscheidungsgründe
20 Der zulässigen Klage war stattzugeben.
I.
21 Das Landgericht Stuttgart ist gem. §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG sachlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 32 ZPO, da sich der
Verkehrsunfall im Landgerichtsbezirk Stuttgart ereignete.
II .
22 Die Klägerin hat einen Anspruch auf Schadensersatz aus übergegangenem Recht in Höhe von 9.094,82 EUR aus § 6 EFZG i.V.m. §§ 823 Abs. 1
BGB, 7 I, 11 StVG.
23 Es steht zwischen den Parteien außer Streit, dass der Zeuge B als Arbeitnehmer der Klägerin für den Zeitraum seiner Arbeitsunfähigkeit vom
29.3.2001 bis 6.5.2001 Leistungen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz in beantragter Höhe erhalten hat.
24 In derselben Höhe stand dem Zeugen zunächst ein Schadensersatzanspruch gem. den §§ 7 Abs. 1,11 StVG auf Ersatz seines Verdienstausfalls
gegen die Beklagten zu, der im Wege der cessio legis nach § 6 I EFZG auf die Klägerin übergegangen ist.
25 Auf Grund der Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass der Zeuge B in der Zeit vom 29. März bis 6. Mai 2001 i.S.d. § 3 I S.1 EFZG
an der Erbringung seiner Arbeitsleistung durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ohne sein Verschulden gehindert war.
26 Dabei bedeutet Krankheit, dass der Arbeitnehmer außerstande sein muss, die vertragsgemäße Arbeit zu verrichten oder er die Arbeit nur
fortsetzen kann in der Gefahr, seinen Gesundheits- oder Krankheitszustand zu verschlechtern.
27 Hinsichtlich des Verhinderungsgrundes trifft den Zeugen B kein Verschulden, nachdem die Haftung des Beklagten zu 1 zwischen den Parteien
dem Grunde nach außer Streit steht.
28 Die von der Klägerin behaupteten Verletzungen des Zeugen beruhen auf dem Unfall vom 29.3.2001.
29 Irrelevant für die Zurechnung des Schadens ist zunächst die Tatsache, dass Herr B bereits im Jahre 1988 einen schweren Motorradunfall erlitten
hatte. Denn selbst wenn der Zeuge B durch diesen Unfall vorgeschädigt gewesen wäre, könnte der Schädiger, also der Beklagte zu 1, nicht
verlangen, so gestellt zu werden, als habe er einen gesunden Menschen verletzt (vgl. BGH in: NJW 1993, 2234).
30 Von untergeordneter Bedeutung ist auch der Umstand, dass die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung durch den Anstoß ausweislich
des DEKRA-Gutachtens lediglich zwischen 7-9 km/h betrug. Bei der Prüfung, ob ein Unfall eine Halswirbelsäulenverletzung verursacht hat, sind
stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die von den Beklagten herangezogene Auffassung, wonach bei Heckunfällen mit einer
bestimmten, im Niedriggeschwindigkeitsbereich liegenden kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung, die im Bereich zwischen 4 und 10
km/h anzusetzen sei (" Harmlosigkeitsgrenze“), eine Verletzung der Halswirbelsäule generell auszuschließen sei, wird aus orthopädischer Sicht
in Zweifel gezogen und insbesondere von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht anerkannt. Gegen die schematische Annahme einer
solchen "Harmlosigkeitsgrenze“ spricht auch, dass die Beantwortung der Kausalitätsfrage nicht allein von der Kollisionsbedingten
Geschwindigkeitsänderung, sondern daneben von einer Reihe anderer Faktoren abhängt, wobei u. a. auch der Sitzposition des betreffenden
Fahrzeugeinsassen Bedeutung beizumessen sein kann (BGH,VI ZR 139/02, Urt. vom 28. Januar 2003) .
31 Auf Grund der Aussage des Zeugen B, den vorgelegten Arztberichten und nicht zuletzt auf Grund der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung steht für
die Kammer fest, dass die Verletzungen bzw. Beschwerden des Zeugen B durch den Unfall vom 29. März 2001 verursacht worden sind.
32 Der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ist gegenüber dem Arbeitgeber gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 Entgeltfortzahlungsgesetz in der Regel durch
Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu führen. Der Arbeitgeber darf sich auf diese Bescheinigung verlassen, wenn nicht
tatsächliche Umstände Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Glaubhaftigkeit des Inhalts der ärztlichen Zeugnisse geben. Der Arbeitnehmer darf
in einer solchen Situation berechtigterweise auf die ihm bescheinigte Arbeitsunfähigkeit vertrauen und braucht deshalb nicht zu arbeiten. Ihm
entsteht daher in Höhe des entgangenen Gehalts ein Schaden, der durch die Gehaltsfortzahlung nicht entfällt, sondern durch cessio legis auf
den Arbeitgeber übergeht (BGHZ 149,63).
33 Im vorliegenden Falle sind keine tatsächlichen Umstände bekannt geworden, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln gegeben hätten.
34 Der Zeuge B hat überzeugend im Detail seine Wahrnehmungen und die bei ihm aufgetretenen Symptome und Schmerzen unmittelbar nach dem
Unfall geschildert. Sachlich hat er die im Krankenhaus Esslingen und später von diversen Ärzten vorgenommenen Untersuchungen und
Behandlungen erläutert:
35 „Ich bin dann noch mal ins Auto und weitergefahren. (...) Da verspürte ich schon Schwindel und eine Taubheit im rechten Arm. Das wurde immer
schlimmer. Meine Eltern haben mich dann ins Krankenhaus gefahren. Dort wurden mehrere Röntgenaufnahmen gemacht. Es wurde der
Verdacht geäußert, dass da eine Fraktur sein könnte an der Wirbelsäule. Ich wurde stationär aufgenommen. Es hieß Ruhe und man wollte das
beobachten. (...) Ich sollte liegen.
36 In der Nacht ist dann in beiden Ohren ein Pfeifton aufgetreten, das wurde mit einer Salzlösung durch Infusionen behandelt. (...) Ich hatte
Kopfschmerzen, leichte Schmerzen in der Brustwirbelsäule und stärkere in der Halswirbelsäule.“
37 Widerspruchsfrei und glaubhaft hat der Zeuge zudem erklärt, dass er sich von dem ersten Unfall im Jahre 1988 bereits wieder voll erholt hatte:
38 „Vor dem zweiten Unfall fühlte ich mich eigentlich recht gut. Ich hatte Gymnastik und Sport gemacht und mir auch ab und zu eine Massage
gegönnt, ich habe deshalb recht schmerzfrei gelebt.“
39 Diese Aussage steht im Einklang mit den Gutachtern der Sachverständigen Prof. Dr. W und Prof. Dr. M, die übereinstimmend am 15.12.2000 bzw.
28.3.2001 zu dem Ergebnis kamen, dass keine Folgen des Unfalls vom 8.6.1988 mehr vorlägen.
40 Auch insoweit hat der Zeuge B zur Überzeugung des Gerichts dargetan, dass sämtliche Beschwerden, die nach dem 29. März auftraten und auf
dem Unfall basierten, zu seiner Arbeitsunfähigkeit vom 30. März bis 7. Mai 2001 führten.
41 Der Zeuge erklärte:
42 „Nach dem zweiten Unfall hatte ich dann massive Schmerzen, in der Halswirbelsäule und auch diese Kopfschmerzen. Ich verspürte den
Schwindel, d.h. so ein Taubheitsgefühl in der Hand (...). In den ersten 3 Tagen im Krankenhaus war es extrem. In den folgenden Wochen mal
mehr mal weniger, im Liegen fühlte ich mich allerdings recht gut.(...)
43 Beim Sitzen, beim Bewegen, hatte ich mehr Beschwerden. Ich hatte vor allem Kopfschmerzen und dann war da diese Müdigkeit.“
44 An der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen keinerlei Zweifel. Ein unmittelbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits besteht bei dem
Zeugen nicht. Er wirkte sehr sachlich, wich keiner Fragestellung aus, gab bereitwillig Auskunft ohne jegliches Zögern. Er räumte auch
Gedächtnislücken ein, z. B. auf die Frage, ob er sich bei dem Unfall den Kopf angeschlagen habe, sagte er:
45 "Nun, ich denke schon. Ich wollte gerade den ersten Gang einlegen. Ich war auf das Auffahren nicht vorbereitet. Ich kann das heute nicht sicher
sagen.“
46 Aggravationstendenzen waren ebenfalls nicht zu beobachten. Ob er eine Schädelprellung erlitten habe, beantwortete der Zeuge wie folgt:
47 "Das kann ich nicht beurteilen. Ich habe die Symptome genannt, die ich verspürt habe, ob das eine Schädelprellung ist, weiß ich nicht.“
48 Andererseits beschränkte sich der Zeuge auch nicht darauf, zu sagen, die von den Ärzten attestierten Verletzungen seien so richtig. Auf Vorhalt
des Arztberichtes von Dr. med. P vom 24.8.2001 (B7), sein Tinnitus sei bei der Entlassung aus dem Krankenhaus verschwunden gewesen, trat
der Zeuge dem Vorhalt des Beklagtenvertreters deutlich entgegen:
49 „Das ist falsch. Ich bin noch nach der Entlassung vom Hausarzt mit weiteren Infusionen behandelt worden. Ich höre den Tinnitus heute noch.“
50 Wenig aussagekräftig ist hingegen das durch Herrn Prof. Dr. med. W angefertigte Gutachten vom 24. April 2003, da es in einem Abstand von
mehr als zwei Jahren nach dem Unfall entstanden ist.
51 „Die berichteten Zervikalgien lassen sich am heutigen Tag bei uneingeschränkter Halswirbelsäulenbeweglichkeit ohne jegliche
Schmerzprovokation und fehlendem sensomotorischen Defizit nicht objektivieren.“
52 Umgekehrt lässt sich dem Gutachten jedoch nicht entnehmen, dass der Zeuge die Verletzungen tatsächlich nicht erlitten hat, weil sie nach zwei
Jahren nicht mehr festgestellt werden können.
53 Nachdem sämtliche Arztberichte, der Entlassungsbericht des Krankenhauses Esslingen, der Bericht des Hausarztes Dr. med. G und auch die
Bescheinigung der Orthopädin Dr. F, zu dem Ergebnis gelangten, dass der Zeuge tatsächlich mindestens eine HWS-Distorsion erlitten hat, steht
der Haftungsgrund fest. Ob über diese Primärverletzung hinaus der Unfall auch für die Beschwerden des Zeugen ursächlich ist, ist eine Frage der
Haftungsausfüllenden Kausalität, die sich gem. § 287 ZPO beurteilt. Bei der Ermittlung dieses Kausalzusammenhanges zwischen dem
Haftungsgrund und dem eingetretenen Schaden sind nicht die strengen Anforderungen des §§ 286 ZPO maßgebend.
54 Auf Grund der glaubhaften Angaben des Zeugen ist die Kammer davon überzeugt, dass die Beschwerden tatsächlich auf den Unfall
zurückzuführen waren. Seinen Ausführungen war zu entnehmen, dass er bis unmittelbar vor dem Unfall praktisch beschwerdefrei war. Dies deckt
sich mit den oben erwähnten Gutachten. Dass der Zeuge nach eigenen Angaben - auch vor dem Unfall - unter Muskelverspannungen nach
zehnstündigem Sitzen litt, steht dem nicht entgegen. Dies dürfte als typische Ermüdungserscheinung einzustufen sein, die jedoch keinen
Krankheitswert besitzt.
55 Die sich unmittelbar an den Unfallzeitpunkt anschließende dreiwöchige Arbeitsunfähigkeitszeiten legt den Schluss nahe, dass der Unfall als
einzige realistische Ursache für die Beschwerden des Zeugen in Betracht kommt.
56 Sehr weit hergeholt ist die Behauptung der Beklagten, die Beschwerden des Zeugen beruhten auf Renovierungsarbeiten in seinem
Dreifamilienhaus. In diesem Zusammenhang haben die Beklagten eine Handwerkerrechnung über das Verlegen von Fliesenarbeiten vom
26.6.2001 vorgelegt. Dieses Vorbringen ist jedoch ohne Belang, dazwischen der Beauftragung von Handwerkern und der eigenen
Arbeitsunfähigkeit kein logischer Zusammenhang besteht.
57 Ferner hat die Klägerin Anspruch auf die gesetzlichen Verzugszinsen gem. §§ 286 Abs. 3 , 288 Abs. 1 BGB.
58 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
59 Streitwert: 9.094,82 EUR