Urteil des LG Siegen vom 29.10.2009

LG Siegen (vertrag, laden, pauschal, form, gegenstand, zahlung, höhe, anwendbarkeit, abschluss, gesellschaft)

Landgericht Siegen, 2 O 440/08
Datum:
29.10.2009
Gericht:
Landgericht Siegen
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 440/08
Schlagworte:
Unternehmenskauf, Form
Normen:
BGB § 311b Ab s. 3, BGB § 125
Leitsätze:
§ 311b Abs. 3 BGB ist auf Unternehmenskäufe jedenfalls dann
anwendbar, wenn pauschal das Vermögen oder wesentliche Teile
übertragen werden.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des
vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin beschäftigt sich mit dem Betrieb von Gastronomie.
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Im August/September 2007 mietete sie Räumlichkeiten in der Bahnhofspassage in Q
an, um dort Gastronomie unter dem Namen D zu betreiben. Der Beklagte hatte
Interesse, an diesem Gastronomiekonzept mitzuwirken.
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In der Folgezeit wurde der Laden in Q eingerichtet und eröffnet. Der Beklagte arbeitete
in dem Laden mit. Der Umfang der Tätigkeiten ist zwischen den Parteien streitig.
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Deswegen gab es in der Folgezeit eine Reihe von Gesprächen der Parteien.
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Am 29.09.08 schloss die Klägerin mit der D, deren Gesellschafter die Klägerin und der
Beklagte zu je 50 % waren und die am selben Tag gegründet wurde, einen Kaufvertrag,
der die Übertragung der Aktiva der Klägerin sowie des "kompletten Ladens ins Q"
gegen Zahlung des in § 4 des Vertrages näher bezeichneten Kaufpreises zum
Gegenstand hatte.
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Wegen des genauen Wortlautes wird auf Blatt 67 f.d.A. Bezug genommen.
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Eine vollständige Zahlung des Kaufpreises erfolgte in der Folgezeit nicht.
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Nach mehreren Gesprächen zwischen den Parteien, deren Inhalte streitig sind, zahlte
der Beklagte im November 2008 30.000,- € an die Klägerin.
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Weitere Zahlungen erfolgten nicht.
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Mit Schreiben vom 10.11.2008 "widerrief" der Beklagte den Vertrag und kündigte
gleichzeitig den GbR-Vertrag.
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Der Kläger behauptet:
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Der Beklagte habe von Anfang an die Buchhaltung des neuen Ladens in die Hand
genommen. Auch stamme die Idee zur Gründung einer GbR von ihm.
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Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 142.297,- € nebst Zinsen in
Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 02.11.2008 zu verurteilen,
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hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, diese Summe an die BGB-Gesellschaft D zu
zahlen.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte behauptet, dass er zum Abschluss der Verträge von dem Geschäftsführer
der Klägerin unter Druck gesetzt worden sei.
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Auch sei der Kaufpreis weit überhöht.
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Ferner ist er der Auffassung, dass der Vertrag unwirksam sei.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Klägerin steht kein Kaufpreisanspruch aus § 4 des Vertrages vom 29.09.2008 zu.
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Der Vertrag ist gemäß § 125 BGB nichtig.
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Der Vertrag ist nicht in der gemäß § 311b Abs. 3 BGB erforderlichen Form geschlossen
worden.
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Vorliegend handelt es sich bei dem Vertrag zwischen den Parteien um einen
Unternehmenskaufvertrag, der im Wege der Einzelrechtsnachfolge das Eigentum an
den Gegenständen des Unternehmens auf den Beklagten übertragen sollte.
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Die Frage, ob ein Unternehmenskaufvertrag der Form des § 311b Abs. 3 BGB unterliegt,
ist abschließend höchstrichterlich noch nicht entschieden worden, jedoch Gegenstand
der juristischen Diskussion ( vgl. für eine Anwendbarkeit Morshäuser WM 2007, 337f.,
Werner, GmbHR 2008, 1135f., Klöckner DB 2008, 1083f.; gegen eine Anwendbarkeit
Böttcher und Grewe NZG 2005, 950f., Kiem, NJW 2006, 2363f.).
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Das Gericht hält die Vorschrift des § 311b Abs. 3 BGB auf Unternehmensverkäufe
jedenfalls dann für anwendbar, wenn pauschal das Vermögen oder wesentliche Teile
übertragen werden, da gerade auch für diese Fälle die Warnfunktion des § 311b BGB
gelten muss.
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Die Klägerin verpflichtete sich durch den vorliegenden Vertrag zur Übertragung des
gegenwärtigen Vermögens bzw. eines Bruchteils.
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Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 2 des Vertrages, der wie folgt lautet." Hiermit
verkauft die D ihre gesamten Aktiva und/inkl. den kompletten Laden in Q (Inventar und
Inventurgegenstände ) an D."
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Diese Formulierung beinhaltet eine Übertagung des Vermögens in "Bausch und Bogen"
und eröffnet somit den Anwendungsbereich des § 311b Abs. 3 BGB ( vgl. Morshäuser
WM 2007, 337f. ). § 311b Abs. 3 BGB soll dann nicht anwendbar sein, wenn die zu
veräußernden Gegenstände einzeln bezeichnet sind ( vgl. BGH WM 1991, 88f.).
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So verhält es sich vorliegend jedoch nicht. Die Klägerin veräußert die Aktiva der D
pauschal an die D.
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Die Formulierung "gesamtes Aktivvermögen" stellt einen Vermögensübergang iSd. §
311b Abs. 3 BGB dar (vgl. dazu RGZ 76, 1, 3 ).
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Aufgrund der strengen Formvorschrift des § 311b Abs. 3 BGB ist eine Missachtung auch
nicht heilbar ( vgl. Palandt-Grüneberg, § 311b BGB Rdn. 68 mwN ).
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Da der Vertrag nichtig ist, ist auch der Hilfsantrag unbegründet.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
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