Urteil des LG Siegen vom 07.08.2003

LG Siegen: projekt, spende, werbung, stiftung, bier, ware, afrika, kauf, käufer, sponsoring

Landgericht Siegen, 7 O 100/03
Datum:
07.08.2003
Gericht:
Landgericht Siegen
Spruchkörper:
2. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 O 100/03
Tenor:
I. Der Verfügungsbeklagten wird untersagt, wie in den Anlagen
A, B, C, E, wiedergegeben, mit Werbespots zu werben, in
denen es heißt:
1. „ für jeden Kasten G fließt eine Spende in die
Regenwald-Stiftung des X3, um einen Quadratmeter
Regenwald in Afrika nachhaltig zu schützen!“ (Anlage A)
2. „ Für jeden verkauften Kasten G fließt ja eine
Spende in die Regenwald-Stiftung des X3, um einen
Quadratmeter Regenwald nachhaltig zu schützen! Wie
viele Quadratmeter wir schon erreicht haben, zeigt Ihnen
unser neuer Spendenstand!“ (Anlage B)
3. „ Denn mit jedem verkauften Kasten G Pils,
alkoholfrei oder Radler, fließt eine Spende in die
Regenwald-Stiftung des X3, um einen Quadratmeter
Regenwald in Afrika nachhaltig zu schützen!“ (Anlage C)
II. Der Verfügungsbeklagten wird weiterhin untersagt, in Flyern
und sonstigen Werbeanzeigen mit der Aussage zu werben:
„ 1 Kasten = 1 m² (Anlage E)
III. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
IV. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot Ziffer I.
und II. wird der Verfügungsbeklagten ein Ordnungsgeld bis zu
250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ord-
nungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern
der Verfügungsbeklagten, angedroht.
V. Die Kosten des Verfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.
VI. Soweit der Antrag zurückgewiesen worden ist, ist das Urteil
vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls nicht die
Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Zu den satzungsmäßigen Aufgaben der Verfügungsklägerin gehört es, die
2
Interessen ihrer Mitglieder durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen
3
zu fördern. Zu ihren Mitgliedern gehören alle Industrie- und Handelskammern,
4
denen alle deutschen Brauereien als Mitglieder angehören.
5
Die Verfügungsbeklagte ist eine bundesweit bekannte und tätige Brauerei.
6
In der Zeit von Ende April 2002 bis Ende Juli 2002 warb die Verfügungsbe-
7
klagte für den Verkauf des von ihr hergestellten "G" Bieres mit ei-
8
nem sogenannten "G Regenwald-Projekt". Die Werbeaktion war
9
Gegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens 7 O 75/02 LG T.
10
Mit Urteil vom 25.06.2002 hat die Kammer die Werbung der Verfügungsbe-
11
klagten untersagt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Verfü-
12
gungsbeklagten ist durch Urteil des OLG I vom 12.11.2002
13
(4 U 109/02) zurückgewiesen worden.
14
Seit 01.05.2003 führt die Verfügungsbeklagte bis 31.07.2003 eine erneute
15
Werbekampagne mit ihrem "Regenwald-Projekt" durch.
16
Unter Beteiligung des Fernsehjournalisten X4 und der früheren
17
Tennisspielerin X5 wurden am 27.04.2003 und 19.05.2003 über den
18
Fernsehsender Z Werbespots folgenden Inhalts ausgestrahlt:
19
"Das G Regenwald-Projekt geht weiter und immer mehr sind dabei!
20
Mit Ihrer Unterstützung schützen wir vom X3 den Regenwald vor Holz-
21
Einschlag und Wilderei! Denn für jeden verkauften Kasten G ....
22
fließt eine Spende in die Regenwald-Stiftung des X3, um einen Quadrat-
23
meter Regenwald in Afrika nachhaltig zu schützen!...Handeln und genießen!"
24
"Die Spenden aus dem G Regenwald-Projekt helfen dem X3 die-
25
sen unersetzbaren Lebensraum für unsere Kinder zu bewahren! Jeder einzel-
26
ne Quadratmeter zählt....Für jeden verkauften Kasten G fließt...eine
27
Spende in die Regenwald-Stifung des X3, um einen Quadratmeter S-
28
X2 nachhaltig zu schützen. Wie viel Quadratmeter wir schon erreicht haben,
29
zeigt Ihnen unser neuer Spendenstand!"
30
Am 09.07.2003 und 13.07.2003 wurden mit X4 über Z Texte
31
mit folgendem Inhalt gesendet:
32
"Das G Regenwald-Projekt...die Flachland-Gorillas des afrikani-
33
schen Regenwaldes!...der Lebensraum dieser seltenen Tiere ist bedroht! Sie
34
können helfen! Denn mit jedem verkauften Kasten G Pils, alkohol-
35
frei oder Radler, fließt eine Spende in die Regenwald-Stiftung des X3, um
36
einen Quadratmeter Regenwald in Afrika nachhaltig zu schützen...ein Fortbe-
37
stand der so scheuen Flachland-Gorillas ist nur in einem geschützten S-
38
X2 möglich!...jeder Quadratmeter Lebensraum, den wir mit dem G
39
Regenwald-Projekt unter den Schutz des X3 stellen können,
40
hilft!...genießen Sie ihr G!"
41
"Das G Regenwald-Projekt. Klar helfen Sie gerne! Aber Sie wollen
42
auch sicher sein, dass ihre Hilfe sinnvoll ist und ankommt! Beim G
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Regenwald-Projekt, da ist das so! Dafür sorgt der X3 mit seinen Helfern vor
44
Ort...zum Beispiel beim Aufbau einer ökologischen Forstwirtschaft!....Die Un-
45
terstützung der ökologischen Forstwirtschaft durch den X3 stoppt diesen
46
Raub-Bau."
47
Die Verfügungsbeklagte wirbt für ihr Projekt außerdem mit einem Faltblatt,
48
das in den Verkaufsstellen neben den Bierkästen ausgelegt ist. Auf dem
49
Deckblatt heißt es:
50
"G Regenwald-Projekt: "Handeln und genießen! 1 Kasten = 1 m²
51
Mit jedem verkauften Kasten G fließt eine Spende in die S-
52
X2-Stiftung des X3. Diese sorgt für den Schutz vor Wilderei und Holzein-
53
schlag, die Ausbildung und Ausrüstung von Park-Rangern sowie den Aufbau
54
von ökologischer Forstwirtschaft."
55
In einem von Fa. H für die Zeit vom 07.07.2003 bis 12.07.2003 heraus-
56
gegebenen Projekt wird mit Zustimmung der Verfügungsbeklagten die Wer-
57
bung für das "G Regenwald-Projekt" mit einem Gewinnspiel ver-
58
knüpft, auf das mit folgendem Text hingewiesen wird:
59
"G Regenwald-Projekt: "Handeln und genießen! Gewinnen Sie bei
60
uns! Eine Woche Fuerteventura für zwei Personen im 4-Sterne LTI Hotel mit
61
Flug, Übernachtung und Halbpension."
62
Die Verfügungsklägerin vertritt die Auffassung:
63
Auch die diesjährige Werbeaktion der Verfügungsbeklagten sei wettbewerbs-
64
widrig gemäß §§ 1, 3 UWG. Aufgrund ihrer gefühlbetonten Werbung übe die
65
Verfügungsbeklagte psychischen Kaufzwang aus, insbesondere mit dem Hin-
66
halt der Flyer, die neben den Bierkästen ausgelegt seien. Vor allem jedoch
67
sei die Werbung intransparent täuschend. Es werde lediglich in sehr allge-
68
meiner Form der Effekt des Sponsoring dargestellt. Der Käufer eines Kastens
69
G erkenne nicht, in welchem Umfang sein Einsatz in Form des
70
Kaufpreises in das Projekt einfließe. Der Kunde erwarte Aufklärung darüber,
71
welcher Anteil des Kaufpreises letztlich beim zu fördernden Projekt ankomme.
72
Dies gelte umso mehr, wenn für ein solches Projekt mit einer kostspieligen
73
und aufwendigen Kampagne geworben werde. Schließlich werde der Käufer
74
auch nicht hinreichend über die objektive Effizienz seines Einsatzes im Ver-
75
hältnis zum angestrebten Ziel informiert. Die geplante Rettung von 25 Qua-
76
dratkilometer Regenwald sei im Vergleich zu jährlich gerodeten 200.000 Qua-
77
dratkilometern mehr als bescheiden.
78
Die Verfügungsklägerin behauptet:
79
Sie habe von den am 27.04.2003 und 19.05.2003 gesendeten Werbespots
80
erstmals durch die per E-Mail am 12.06.2003 übersandten Storyboards
81
Kenntnis erhalten. Auch der Inhalt des Faltblatts und der Werbeprospekt der
82
Fa. H seien erst Mitte Juni 2003 bekannt geworden.
83
Die Verfügungsklägerin beantragt:
84
I. Der Verfügungsbeklagten zu untersagen, wie in den Antragsanlagen A - D
85
86
und X + Y zu dieser Antragsschrift wiedergegeben, mit Werbespots zu
87
werben, in denen es heißt:
88
1. "Das G Regenwald-Projekt geht mit Ihrer Unterstützung
89
weiter. Mit Ihrer Unterstützung schützen wir vom X3 den Regenwald
90
gegen Holzeinschlag und Wilderei; denn für jeden Kasten G
91
....fließt eine Spende in die Regenwald-Stiftung des X3, um einen
92
Quadratmeter Regenwald in Afrika nachhaltig zu schützen!...Handeln
93
und genießen Sie."
94
und/oder
95
2. "Die Spenden aus dem G Regenwald-Projekt helfen dem
96
X3, diesen unersetzbaren Lebensraum für unsere Kinder zu bewah-
97
ren! Jeder einzelne Quadratmeter zählt...für jeden Kasten G
98
fließt...eine Spende in die Regenwaldstiftung des X3, um einen
99
Quadratmeter Regenwald nachhaltig zu schützen. Wie viel Quadrat-
100
meter wir schon erreicht haben, zeigt Ihnen unser neuer Spenden-
101
stand!..."
102
und/oder
103
3. "Das G Regenwald-Projekt...der Lebensraum der Flachland-
104
Gorillas ist bedroht! Sie können helfen! Denn mit jedem verkauften
105
Kasten G...fließt eine Spende in die Regenwald-Stiftung des
106
X3, um einen Quadratmeter Regenwald in Afrika nachhaltig zu
107
schützen...ein Fortbestand der so scheuen Flachland-Gorillas ist nur
108
in einem geschützten Regenwald möglich!...Jeder Quadratmeter Le-
109
bensraum, den wir mit dem G Regenwald-Projekt unter den
110
Schutz des X3 stellen können, hilft!...Genießen Sie Ihr G!"
111
und/oder
112
4. "Das G Regenwald-Projekt. Klar helfen Sie gerne! Aber Sie
113
wollen auch sicher sein, dass ihre Hilfe sinnvoll ist und ankommt. Beim
114
G Regenwald-Projekt, da ist das so! Dafür sorgt der X3
115
mit seinen Helfern vor Ort...z. B. beim Aufbau einer ökologischen G-
116
wirtschaft!...Die Unterstützung der ökologischen Forstwirtschaft durch
117
den X3 stoppt diesen Raub-Bau."
118
II. Der Verfügungsbeklagten weiterhin zu untersagen, in Flyern und
119
120
sonstigen Werbeannoncen mit den Aussagen zu werben:
121
1. "G Regenwald-Projekt: "Handeln und genießen Sie!
122
123
1 Kasten = 1 m²
124
Mit jedem verkauften Kasten G fließt eine Spende in die
125
Regenwaldstiftung des X3. Diese sorgt für den Schutz vor Wilderei
126
und Holzeinschlag, die Ausbildung und Ausrüstung von Park-Rangern
127
sowie den Aufbau von ökologischer Forstwirtschaft."
128
wie mit dem Deckblatt des Flyers gemäß Antragsanlage E geschehen.
129
und/oder
130
2. "G Regenwald-Projekt: "Handeln und genießen! Gewinnen
131
132
Sie bei uns! Eine Woche Fuerteventura für zwei Personen im 4-Sterne
133
LTI Hotel mit Flug, Übernachtung und Halbpension."
134
wie auf Blatt 9 des Prospektes H-Kurier 28/2003 – gültig vom
135
07.07. – 12.07.2003 – gemäß Anlage F geschehen.
136
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
137
die Anträge zurückzuweisen.
138
Sie ist der Ansicht:
139
Es fehle bereits ein Verfügungsgrund. Die Verfügungsklägerin habe durch ihr
140
Verhalten die Dringlichkeitsvermutung gemäß § 25 UWG widerlegt. Es sei da-
141
von auszugehen, dass die Verfügungsklägerin die Fernsehwerbespots vom
142
27.04.2003 und 19.05.2003 zu diesem Zeitpunkt wahrgenommen habe. Bei
143
Einreichung der Antragsschrift am 30.06.2003 sei die für die Dringlichkeits-
144
vermutung maßgebliche Monatsfrist ab Kenntnis des Wettbewerbsverstoßes
145
bereits abgelaufen gewesen.
146
Außerdem stimme der Verfügungsantrag I 1 nicht mit dem Wortlaut des ge-
147
sendeten Werbespots überein.
148
Im Übrigen verstoße die Werbung nicht gegen Grundsätze des Transparenz-
149
gebotes, wie sie im Urteil des OLG I vom 12.11.2002 entwickelt worden
150
seien. In den TV-Werbespots und in dem Flyer werde die "Sponsoring-
151
Leistung" so exakt umrissen, dass der Kunde genau wisse, was er letztlich
152
neben dem Kasten Bier für sein Geld erhalte. Ihm werde deutlich vor Augen
153
geführt, dass nicht sie – die Verfügungsbeklagte – sondern die Regenwald-
154
stiftung des X3 für den Regenwald sorge und dass zur Ermöglichung dieser
155
Arbeit von jedem verkauften Kasten G Bier eine Spende an die Re-
156
gegenwaldstiftung abgeführt werde. Damit würden dem Verbraucher alle not-
157
wendigen Fakten für seine Meinungsbildung über den "Wert der Spende"
158
geliefert. Darüber hinaus werde auch über die Arbeit der Regenwald-Stiftung
159
des X3 im Einzelnen informiert, so dass sich der Verbraucher ein fundier-
160
tes Bild davon machen könne, wofür "seine Spende" verwendet werde. Er
161
könne aufgrund der Informationen selbst für sich prüfen, ob ihm ein solcher
162
Schutz "nachhaltig" genug erscheine und deshalb seiner Unterstützung wür-
163
dig sei.
164
Schließlich habe die Verfügungsklägerin nicht dargelegt, in welcher Weise
165
durch die Werbemaßnahme der Leistungswettbewerb in nicht mehr hinnehm-
166
barer Weise beeinträchtigt werde.
167
Die Akte 7 O 75/02 LG T ist zu Informationszwecken beigezogen worden
168
und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
169
Entscheidungsgründe:
170
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und teilweise
171
begründet.
172
Die Verfügungsklägerin ist gemäß § 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG klagebefugt. Sie
173
ist ein rechtsfähiger Verband, dem jedenfalls über die ihr zugehörigen Indu-
174
strie- und Handelskammern die deutschen Brauereien als Mitglieder angehö-
175
ren, die zur Verfügungsbeklagten im Wettbewerb stehen.
176
Die Ansprüche der Verfügungsklägerin betreffen auch eine Handlung der
177
Verfügungsbeklagten, die geeignet ist, den Wettbewerb auf dem maßgebli-
178
chen Markt wesentlich zu beeinträchtigen, was später noch begründet wird.
179
Die Klagebefugnis wird von der Verfügungsbeklagten auch nicht bezweifelt.
180
Die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG ist nicht widerlegt, auch nicht hin-
181
sichtlich der über Z ausgestrahlten Werbespots vom 27.04.2003 und
182
19.05.2003. Die Verfügungsklägerin hat unwidersprochen dargelegt, dass sie
183
erst nach Zugang der ihr per E-Mail am 12.06.2003 übersandten Storyboards
184
vom Inhalt der Fernsehwerbung Kenntnis erlangt hat. Auf diese Kenntnisnah-
185
me ist abzustellen. Eine Verpflichtung zur Marktbeobachtung besteht nicht,
186
auch wenn damit zu rechnen ist, dass ein verbotenes wettbewerbswidriges
187
Verhalten wiederholt wird (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 25
188
UWG, Randnr. 12). Da die Verfügungsklägerin binnen einen Monats ab
189
Kenntnisnahme vom Wettbewerbsverstoß den Verfügungsantrag bei Gericht
190
eingereicht hat, ist die zur Wahrung der Dinglichkeitsvermutung maßgebliche
191
Frist eingehalten.
192
Der Unterlassungsantrag ist in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Um-
193
fang gemäß § 1 UWG begründet.
194
Zwar geht auch das Gericht davon aus, dass eine Wettbewerbswidrigkeit
195
nicht aus den zu § 1 UWG entwickelten Fallgruppen des psychischen Kauf-
196
zwangs und der gefühlsbetonten Werbung abgeleitet werden kann. Es folgt
197
insoweit der Argumentation des OLG I in seinem Urteil vom 12.11.2002
198
in der Sache 4 U 109/02 (LG T 7 O 75/02). Sowohl die Fernseh- als
199
auch die Prospektwerbung erreichen den Käufer in einer Situation, in der sich
200
kein Kaufzwang bilden kann. Die Verknüpfung eines sozialen Anliegens mit
201
der Werbung für eine Ware ist im M der Rechtssprechung des Bundes-
202
verfassungsgerichts nur dann wettbewerbswidrig, wenn im Einzelfall konkret
203
eine Verfälschung des Leistungswettbewerbs festzustellen ist, insbesondere
204
dadurch, dass der Kunde aufgrund der Intensität der Werbung von Konku-
205
renzangeboten abgelenkt wird. Eine derartige Beeinträchtigung des Lei-
206
stungswettbewerbs ist von der Verfügungsklägerin nicht dargelegt und auch
207
nicht ersichtlich.
208
Der Unterlassungsanspruch ist jedoch deshalb begründet, weil auch die
209
diesjährige Werbekampagne der Verfügungsbeklagten nicht transparent ge-
210
nug ist und der Verbraucher Gefahr läuft, enttäuscht zu werden.
211
Das OLG I hat im Urteil vom 12.11.2002 im Anschluss an die Entschei-
212
dungen des BGH (WRP 2002, 1256 – Koppelungsangebot I und WRP 2002,
213
1259 – Koppelungsangebot II) aus § 1 UWG ein Transparenzgebot abgeleitet
214
des Inhalts, dass durch die Koppelung zweier Leistungen die Transparenz
215
eines Angebotes nicht verloren gehen darf. Im Rahmen einer Missbrauchs-
216
kontrolle ist zu beurteilen, ob durch die Verbindung zweier Leistungen der
217
Wert der Gesamtleistung für den Käufer undurchsichtig wird. Dieser allgemei-
218
ne wettbewerbsrechtliche Gesichtspunkt ist nicht auf die Fälle der Koppelung
219
verschiedener X beschränkt, sondern kann auch gegeben sein, wenn
220
eine Ware mit einer sonstigen Vergünstigung gekoppelt ist oder – wie hier –
221
mit einer Unterstützung Dritter.
222
Daraus folgt für die Koppelung einer Ware mit einer Sponsoring-Leistung,
223
dass letztere genau umrissen.werden muss, damit der Kunde weiß, was er
224
letztlich neben der Ware für sein Geld erhält. Aus diesem Grund wird volle
225
Transparenz nur dann erreicht, wenn gesagt wird, welcher Betrag vom Entgelt
226
Für die gekoppelte Ware für den guten Zweck abgeführt wird, und zugleich, in
227
welcher Weise der so zusammengekommene Betrag für diesen guten Zweck
228
verwandt wird. Erst aufgrund einer solchen Aufklärung kann sich der Kunde
229
entscheiden, ob er die Ware erwerben will.
230
Diesen Grundsätzen, denen auch die Kammer folgt, steht nicht die Entschei-
231
dung des BGH vom 27.02.2003 (NJW 2003 1671 – Gesamtpreisangebot) ent-
232
gegen. Zwar ist demnach ein Koppelungsangebot nicht schon deshalb wett-
233
bewerbswidrig, weil es den Preisvergleich erschwere. § 1 UWG habe nicht
234
den Zweck, den Gewerbetreibenden anzuhalten, in der Werbung die Ele-
235
mente seiner Preisbemessung nachvollziehbar darzustellen, um Preisverglei-
236
che zu erleichtern. Es sei Sache des Verbrauchers, Preisvergleiche anzu-
237
stellen und sich Gedanken über die Preiswürdigkeit des Angebots zu machen.
238
Die hier angesprochenen Koppelungsangebote sind jedoch mit der Koppelung
239
einer Ware mit einer Sponsoring-Leistung nicht vergleichbar. Über den Wert
240
von X mag ein Käufer Vergleichspreise in Erfahrung bringen, dies kann
241
er jedoch kaum hinsichtlich einer versprochenen Sponsoring-Leistung, bei der
242
er ausschließlich auf Informationen des Werbenden angewiesen ist.
243
Auch die diesjährige Werbekampagne der Verfügungsbeklagten gibt dem
244
Kunden keine nötige Klarheit darüber, was er mit dem Kauf eines Kastens
245
Bier für die Erhaltung des Regenwaldes tatsächlich tut.
246
Zwar wird im Unterschied zur Werbung des Jahres 2002 nunmehr sowohl in
247
den Fernsehspots als auch im Flyer deutlich gemacht, dass bei jedem ver-
248
kauften Kasten G eine Spende in die Regenwald-Stiftung des X3
249
fließe. Zugleich wird jedoch wiederum eine unmittelbare Verknüpfung zwi-
250
schen dem gekauften Kasten Bier und dem Schutz eines Quadratmeter Re-
251
genwaldes hergestellt, indem gesagt wird: "Für jeden Kasten G
252
fließt eine Spende in die Regenwaldstiftung des X3, um einen Quadratme-
253
ter Regenwald nachhaltig zu schützen." Im Flyer heißt es: "1 Kasten = 1 m²".
254
Wie bei der letztjährigen Werbung bleibt auch hier für den Kunden im dun-
255
keln, in welcher Weise er dieses Bild vom quadratmeterweisen Schutz des
256
Regenwaldes deuten soll. Einerseits ist zwar von einer Spende pro Kasten
257
Bier für die Regenwald-Stiftung die Rede, damit der X3 bestimmte Umwelt-
258
schutzmaßnahmen durchführen kann. Die Werbeaussage geht jedoch ande-
259
rerseits darüber hinaus, indem sie beim Kunden den Eindruck erweckt, mit
260
dieser Spende von jedem verkauften Kasten Bier sei der Schutz eines Qua-
261
dratmeter Regenwaldes verbunden. Dadurch entsteht die Vorstellung einer
262
besonders effektiven Hilfeleistung in dem Sinne, dass mit jedem Kauf eines
263
Kasten Bier jeweils der Schutz eines Quadratmeter Regenwaldes gesichert
264
sei. Wie die Verfügungsbeklagte den auch in ihrer diesjährigen Werbung ver-
265
sprochenen quadratmeterweisen Schutz des Regenwaldes gewährleisten will,
266
bleibt für den Kunden Spekulation. Die Verfügungsbeklagte verspricht eine
267
zielgerichtete konkrete Verwendung der einzelnen Spende, ohne dieses Ver-
268
sprechen tatsächlich einzulösen.
269
Die gestellten Unterlassungsanträge konnten allerdings nur teilweise Erfolg
270
haben. Die Verfügungsklägerin begehrt nicht die Untersagung des gesamten
271
Inhalts der Werbespots und des Flyers, sondern nur einzelner Aussagen, die
272
sie für wettbewerbswidrig hält. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Spon-
273
soring-Werbung der Verfügungsbeklagten nicht an sich unzulässig ist. Aus
274
diesem Grund sind alle Aussagen unbedenklich, die lediglich allgemein für
275
das Regenwald-Projekt werben und über die Aktivitäten der Regenwald-
276
Stiftung des X3 informieren. Die Verfügungsklägerin hat nicht dargelegt,
277
dass über die mitgeteilten Aktivitäten täuschende Angaben gemacht werden.
278
Wettbewerbswidrig wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot sind nur
279
die Aussagen, welche eine Verknüpfung zwischen dem Kauf eines Kastens
280
Bier und dem Schutz eines Quadratmeters Regenwald herstellen.
281
Unbedenklich ist deshalb auch die Unterstützung, welche die Verfügungsbe-
282
klagte dem ausgelobten Gewinnspiel der Fa. H gewährt. In der bean-
283
standeten Anzeige befindet sich kein Hinweis auf die unzulässige Verknüp-
284
fung zwischen dem Kauf eines Kastens Bier und dem quadratmeterweisen
285
Schutz des Regenwalds.
286
Da die Inhalte der Werbespots in den Anlagen A – D wiedergegeben sind, war
287
es nicht erforderlich, die inhaltsgleichen Angaben in den überreichten Vide-
288
obändern Anlagen X und Y zusätzlich zu untersagen.
289
Die unzulässige Werbung der Verfügungsbeklagten ist geeignet, den Wettbe-
290
werb wesentlich zu beeinträchtigen. Sie ist alleine schon aufgrund ihres Um-
291
fangs imstande, eine starke Anreizwirkung auf Kunden auszuüben und auch
292
eine Nachahmungsgefahr hervorzurufen.
293
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
294
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 706 Nr. 6,
295
711 ZPO.
296