Urteil des LG Saarbrücken vom 28.07.2009

LG Saarbrücken: zwangsversteigerung, miteigentümer, auflage, zwangsverwaltung, grundstück, grundbuch, antragsrecht, berechtigung, teilhaber, surrogation

LG Saarbrücken Beschluß vom 28.7.2009, 5 T 350/09
Teilungsversteigerungsantrag: (Un-)Zulässigkeit wegen fehlender Mitwirkung eines
Nießbrauchsberechtigten
Leitsätze
1. Wenn der Nießbrauch nicht auf dem gesamten Grundstück, sondern nur auf
Grundstücksbruchteilen lastet, kann gemäß § 1066 Abs. 2 BGB die Aufhebung der
Gemeinschaft nur von dem Miteigentümer und dem Nießbraucher gemeinschaftlich
verlangt werden.
2. Dieses gemeinsame Antragserfordernis besteht auch für die Zwangsversteigerung zum
Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft der Grundstückseigentümer. Die bloße
Zustimmung des Nießbrauchers reicht nicht aus.
3. Für den Fall, dass entweder der Nießbraucher oder der Miteigentümer seine Mitwirkung
bei der Antragstellung verweigert, kann der andere Teil Klage auf Mitwirkung erheben.
Tenor
1. Unter Aufhebung der Beschlüsse des Amtsgerichts St. Wendel vom 28.05.2009 und
vom 14.01.2009 wird der Antrag der Antragstellerin vom 13.01.2009 auf Anordnung der
Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 41.250,-- Euro.
4. Der Beschwerdeführerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe
unter Beiordnung von Rechtsanwalt …, …, bewilligt.
Gründe
A.
Das Amtsgericht St. Wendel hat auf den Antrag vom 13.01.2009 durch Beschluss vom
14.01.2009 die Zwangsversteigerung des im Grundbuch von …, Blatt …, lfd. Nr. …, Flur
…, Flurstück … eingetragenen Grundbesitzes zum Zwecke der Aufhebung der
Gemeinschaft angeordnet.
Als Eigentümer des Grundstücks sind im Grundbuch eingetragen die Antragstellerin und die
Antragsgegnerin zu jeweils ¼ und die aus der Antragstellerin und den beiden
Antragsgegnerinnen bestehende Erbengemeinschaft zu ½.
In Abteilung II Nr. 1 ist für Frau … geb. … ein Nießbrauch an den je ¼-Anteilen sowie an den
Erbanteilen der Antragstellerin und der Beschwerdeführerin eingetragen.
Die Antragsgegnerin zu 2) hat gegen den Anordnungsbeschluss des Amtsgerichts St.
Wendel vom 14.01.2009 Vollstreckungserinnerung mit der Begründung eingelegt, der
Antrag auf Teilungsversteigerung sei ohne die Zustimmung der Nießbraucherin mangels
Antragsberechtigung zurückzuweisen.
Die Antragstellerin hat den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts verteidigt.
Das Amtsgericht – Richterin – hat durch Beschluss vom 28.05.2009 die Erinnerung der
Antragsgegnerin zu 2) zurückgewiesen und ausgeführt, die Mitbeantragung der
Teilungsversteigerung durch die Inhaberin des Nießbrauchs sei nur dann erforderlich, wenn
der Nießbrauch durch die Aufhebung der Gemeinschaft erlöschen würde. Das
Nießbrauchsrecht gehe durch die Teilungsversteigerung jedoch nicht unter, es sei vielmehr
in das geringste Gebot aufzunehmen.
Gegen diesen am 03.06.2009 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin zu 2) am
08.06.2009 sofortige Beschwerde eingelegt.
Sie ist der Auffassung, durch die Teilungsversteigerung erlösche das Nießbrauchrecht.
Deshalb müsse der ohne die Zustimmung der Nießbraucherin gestellte Antrag auf
Durchführung der Teilungsversteigerung zurückgewiesen werden.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie der erkennenden
Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
B.
I.
Die gemäß §§ 793, 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2)
ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie des
Anordnungsbeschlusses des Amtsgerichts zur Abweisung des
Teilungsversteigerungsantrages.
II.
Der Teilungsversteigerungsantrag vom 13.01.2009 ist mangels Zustimmung der Inhaberin
des Nießbrauchs unzulässig, so dass er zurückzuweisen ist.
1)
Anteilen der Antragstellerin und der Beschwerdeführerin besteht, kann gemäß § 1066 Abs.
2 BGB die Aufhebung der Gemeinschaft nur von dem Miteigentümer und dem
Nießbraucher gemeinschaftlich verlangt werden.
2)
Abs. 2 BGB geregelten Mitwirkungserfordernisses des Nießbrauchers bei der Aufhebung
der Gemeinschaft der Miteigentümer darin besteht, den Nießbraucher vor einem
unfreiwilligen Verlust seiner Rechtsposition zu bewahren (vgl. dazu BGH, Beschluss vom
07.03.2002 – Az.: V ZB 24/01 -, zitiert nach juris, Rdnr. 19, NJW 2002, 1647 – 1651;
Steiner/Teufel, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Auflage, § 180 ZVG,
Rdnr. 112). Dieser Schutz des Nießbrauchers wird durch dessen in § 1066 Abs. 2 BGB
angeordnete dingliche Mitberechtigung (vgl. dazu Staudinger/Frank, BGB, 2009, § 1066,
Rdnr. 8) verwirklicht, die den in § 749 BGB geregelten Aufhebungsanspruch der Teilhaber
der Grundstückseigentümergemeinschaft modifiziert (vgl. dazu Münchener
Kommentar/Pohlmann, 4. Auflage 2004, § 1066 BGB, Rdnr. 25).
3)
Teilungsversteigerung müssen Miteigentümer und Nießbraucher gemeinsam den Antrag
auf Durchführung der Teilungsversteigerung stellen. Die bloße Zustimmung des
Nießbrauchers würde nicht ausreichen (vgl. dazu Münchener Kommentar/Pohlmann, §
1066 BGB, Rdnr. 26; Staudinger/Frank, § 1066 BGB, Rdnr. 8; Stöber,
Zwangsversteigerungsgesetz, 17. Auflage, § 180 ZVG, Anm. 7.17 b; Haegele, DNotZ
1976, 9; Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, Gesetz über die Zwangsversteigerung und
die Zwangsverwaltung, 12. Auflage, § 181 ZVG, Rdnr. 20; anderer Ansicht: Steiner/Teufel,
§ 180 ZVG, Rdnr. 112).
Diese Mitwirkung des Nießbrauchers bei der Antragstellung ist unverzichtbar, weil durch die
Teilungsversteigerung der Nießbrauch an dem belasteten Grundstücksbruchteil erlischt (vgl.
Staudinger/Frank, § 1066 BGB, Rdnr. 11; Stöber, § 1080, Anm. 7.17 b; anderer Ansicht:
Steiner/Teufel, a.a.O.) Der Nießbrauch ist nicht im geringsten Gebot zu berücksichtigen,
sondern aus dem Erlös der Zwangsversteigerung gemäß §§ 92, 121 ZVG abzufinden (vgl.
Dassler/Schiffhauer, § 181 ZVG, Rdnr. 25; anderer Ansicht: Steiner/Teufel, a.a.O.). Das
Antragsrecht des Nießbrauchers erübrigt sich auch nicht deshalb, weil ihm nach dem
Zuschlag in der Zwangsversteigerung gemäß § 1066 Abs. 3 BGB kraft dinglicher
Surrogation der Nießbrauch an dem jeweiligen Erlösanteil zusteht (vgl. dazu
Staudinger/Frank, § 1066, Rdnr. 11; Stöber, § 182 ZVG, Anm. 2.13 c; Haegele, DNotZ
1976, 9; Wegmann in Beck'scher Online-Kommentar, § 1066 BGB c; Münchener
Kommentar/Pohlmann, § 1066 BGB, Rdnr. 28). Denn die Wahl, ob sich der Nießbraucher
mit einer Berechtigung an dem Erlösanteil zufrieden gibt, oder ob er den Fortbestand des
Nießbrauchs an dem Grundstücksmiteigentumsanteil bevorzugt, hat das Gesetz dem
Nießbraucher selbst übertragen.
Ferner wird durch den Zuschlag in der Zwangsversteigerung die zwischen dem
Nießbraucher und dem Miteigentümer bestehende Nutzungs- und
Verwaltungsgemeinschaft (vgl. §§ 741 ff. BGB) beendet. Dies ist nicht ohne die
Zustimmung des Nießbrauchers zulässig.
4)
bei der Antragstellung verweigern sollte, kann der andere Teil Klage auf Mitwirkung erheben
(vgl. dazu BGH, Beschluss vom 07.03.2002 – Az.: V ZB 24/01 -, zitiert nach juris, Rdnr.
13, NJW 2002, 1647 – 1651).
5)
der Nießbrauchberechtigten gestellt worden ist, war er als unzulässig zurückzuweisen.
6)
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wurde unter Berücksichtigung des
Grundstückswertes und der Größe des Anteils der Beschwerdeführerin gemäß § 3 ZPO
bestimmt.
Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (vgl. dazu § 574 ZPO) wird mangels der
dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht zugelassen.