Urteil des LG Saarbrücken vom 25.06.2008

LG Saarbrücken: funktionelle zuständigkeit, wohnsitz im ausland, reparatur, gerichtsstand, sachverständigenkosten, rechtshängigkeit, aufspaltung, zustellung, gefahr, verkehrsunfall

LG Saarbrücken Beschluß vom 25.6.2008, 13 T 5/08
Zuständigkeit: Rechtsmittelzuständigkeit der Oberlandesgerichte gegen Entscheidungen
der Amtsgerichte bei Beteiligung einer Person mit Wohnsitz im Ausland
Leitsätze
„Zur Anwendbarkeit des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG auf Rechtsmittel im
Prozesskostenhilfeverfahren“. Es wird darauf hingewiesen, dass das Saarländische OLG mit
Beschluss vom 24.7.2008 (5 W 154/08-58) seine Zuständigkeit bejaht hat
Tenor
Die Sache wird gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1b) GVG dem Saarländischen Oberlandesgericht
zuständigkeitshalber zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Antragstellers
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 30.01.2008 vorgelegt.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom
30.01.2008, soweit der Erstrichter die begehrte Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte
Klage gerichtet auf den Ersatz von Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall abgelehnt
hat. Der beabsichtigten Klage liegt ein Verkehrsunfall zugrunde, der sich am 26.01.2007 in
ereignet hat und für den die Beschwerdegegner unstreitig dem Grunde nach
eintrittspflichtig sind. Der Beschwerdeführer macht aufgrund des wirtschaftlichen
Totalschadens seines Pkws den Wiederbeschaffungsaufwand in Höhe von unstreitig 750
Euro sowie eine Kostenpauschale von 25 Euro – diese Positionen wurden bereits von der
Beschwerdegegnerin zu 2) erstattet - und die Gebühren für das eingeholte
Sachverständigengutachen in Höhe von 341,65 Euro sowie vorgerichtliche
Rechtsanwaltsgebühren aus einem Gegenstandswert von 2.7721,78 Euro geltend.
Der Beschwerdeführer behauptet, er habe sein Fahrzeug selbst repariert. Für die Dauer
der Reparatur von 14 Tagen habe er ein Ersatzfahrzeug angemietet, wofür die Firma ihm
einen Betrag von 1.605,13 Euro in Rechnung gestellt habe. Ein anderer Tarif als
ausgewiesene Normaltarif sei ihm nicht zugänglich gewesen. Diesen Betrag macht er
nebst Verzugszinsen und den Gebühren für die außergerichtliche Tätigkeit seines
Prozessbevollmächtigten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG geltend.
Die Beschwerdegegner sind der Auffassung, die beabsichtigte Klage sei schon deshalb
unschlüssig, weil nichts zu der objektiv erforderlichen Reparaturdauer und dem Umfang der
durchgeführten Reparatur vorgetragen sei. Die Mietwagenkosten seien zudem nicht
erforderlich, weil ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des
Geschädigten keinen Mietwagen angemietet habe, dessen Miete das Doppelte des
Fahrzeugwertes ausmache. Auch die Anmietung eines Interimfahrzeugs sei günstiger
gewesen.
Das Amtsgericht hat Prozesskostenhilfe nur hinsichtlich der geltend gemachten
Sachverständigenkosten in Höhe von 341,65 Euro nebst anteiligen Rechtsanwaltsgebühren
in Höhe von 131,50 Euro bewilligt und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Schadenspositionen
Wiederbeschaffungsaufwand und Kostenpauschale seien bereits gezahlt, so dass kein
Bedürfnis für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bestehe. Die beabsichtigte Klage habe
im Übrigen nur hinsichtlich der Sachverständigenkosten hinreichende Aussicht auf Erfolg
und sei bezüglich der Mietwagenkosten unschlüssig. Diese könnten grundsätzlich für die
Dauer der konkreten Reparatur beansprucht werden. Der Beschwerdeführer habe nicht
nachvollziehbar dargelegt, wie lange die Reparatur gedauert habe. Maßgebend sei die Zeit,
die in einer Fachwerkstatt angefallen wäre. Diese begrenze den Anspruch nach oben hin.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde vom 5.2.2008.
Er habe ausdrücklich vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die Reparatur 14 Tage
gedauert habe und dieser Zeitraum objektiv erforderlich gewesen sei. Sie halte sich auch
damit innerhalb der nach dem Gutachten erforderlichen Wiederbeschaffungsdauer. Wenn
der Geschädigte, der Herr des Restitutionsverfahrens sei, sich zu einer Eigenreparatur
entschließe, könne dies nicht zu seinen Lasten gehen.
Die Beschwerdegegner weisen darauf hin, der Beschwerdeführer habe nichts dazu
vorgetragen, wie lange die Reparatur in einer Fachwerkstatt gedauert hätte.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur
Entscheidung vorgelegt.
II.
Für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde ist die funktionelle Zuständigkeit des
Saarländischen Oberlandesgerichts eröffnet (§ 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG), wonach die
Oberlandesgerichte zuständig sind für die Entscheidung über Berufungen und Beschwerden
gegen Entscheidungen der Amtsgerichte, wenn eine Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand
im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz außerhalb des Geltungsbereichs der
ZPO hatte.
1. Entsprechend dem Zweck der Regelung, jedenfalls für solche Streitigkeiten eine
einheitliche Rechtsprechung durch Konzentration der Rechtsmittel bei den gegenüber der
Zahl der Landgerichte wenigen Oberlandesgerichten zu erreichen, findet diese Regelung
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch bei
Streitgenossenschaft Anwendung. Es genügt insofern, dass einer von beiden
Streitgenossen seinen Wohnsitz im Ausland hat (BGH NJW 2003, 2686, juris Rdn. 8 für die
Berufung; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 119 GVG Rdn. 14, jew. m.w.N.). Der
Antragsgegner zu 2) ist in wohnhaft, so dass für ihn kein allgemeiner Gerichtsstand im
Geltungsbereich der ZPO begründet ist. Wollte man demgegenüber die funktionelle
Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nur hinsichtlich der "ausländischen" Partei bejahen,
bestünde die Gefahr der Aufspaltung der Berufungszuständigkeit, weshalb diese
Auffassung nach ganz überwiegender Auffassung für unpraktikabel gehalten wird (vgl. BGH
NJW 2003, 2686; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 119 GVG Rn.14;
Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 63. Aufl., § 119 Rn. 9; bejahend dagegen
MünchKomm-ZPO/Aktualisierungsband-Wolf, aaO; Heidemann NJW 2002, 494).
2. Nach allgemeiner Auffassung hängt die funktionelle Zuständigkeit auch nicht davon ab,
ob es in dem zu entscheidenden Fall zur Anwendung von Internationalem Privatrecht
kommt. § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) begründet vielmehr nach dem Willen des Gesetzgebers
wegen seiner rein formalen Anknüpfung in vielen Fällen ohne Auslandsberührung die
Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts (BGH NJW 2003, 1672; Zöller/Gummer,
ZPO, 25. Aufl., § 119 GVG Rdn. 15 m.w.N.).
3. Schließlich ist die Anwendung des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG nach Auffassung des
Gerichts auch nicht deshalb abzulehnen, weil es sich im Streitfall um eine Beschwerde
gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren
handelt. Zwar knüpft die Regelung an den allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt des
Eintritts der Rechtshängigkeit an, §§ 261, 253 ZPO, mithin an die Erhebung der Klage
durch Zustellung der Klageschrift. Hieraus kann jedoch nach Auffassung des Gerichts nicht
der Umkehrschluss gezogen werden, dass eine funktionelle Zuständigkeit des
Oberlandesgerichts im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren generell nicht begründet
werden kann. Vielmehr ist die Vorschrift ergänzend dahingehend auszulegen, dass es auf
den Zeitpunkt der Zustellung des Prozesskostenhilfegesuchs an den Antragsgegner
ankommt. Folgte man der gegenteiligen Auffassung, so bestünde die Gefahr der
Aufspaltung der Zuständigkeiten, denn für die Beschwerde gegen einen
Prozesskostenhilfebeschluss des Amtsgerichts wäre das Landgericht, für die Berufung
gegen das amtsgerichtliche Urteil das Oberlandesgericht zuständig.
4. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist bei Annahme der funktionellen
Zuständigkeit des Oberlandesgericht auch nicht bereits wegen Verfristung als unzulässig
zurückzuweisen, nachdem sie der Antragsteller gem. §§ 127 Abs. 2, 567, 569 Abs. 1 Satz
1 ZPO beim Amtsgericht Saarbrücken eingelegt hat.