Urteil des LG Saarbrücken vom 06.07.2010

LG Saarbrücken: vergütung, treuhänder, entstehungsgeschichte, verwalter, abtretung, förster, beendigung, amt, vorschuss, verordnung

LG Saarbrücken Beschluß vom 6.7.2010, 5 T 80/10
Leitsätze
1. Der in den Vorschriften der InsVV zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des
Verordnungsgebers gebietet es, für die Erhöhung der Mindestvergütung des Treuhänders
durch die Anwendung des § 14 Abs. 3 S. 2 InsVV nicht auf das Datum der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der Bestellung des
Treuhänders.
2. Der Wortlaut des § 19 Abs. 1 InsVV steht dem nicht entgegen.
Tenor
In Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Saarbrücken vom 09.01.2010 werden
die Vergütung und die Auslagen des Treuhänders auf insgesamt 773,50 EUR festgesetzt.
Auf die festgesetzte Vergütung sind die bereits nach § 16 Abs. 2 S. 3 InsVV bewilligten
Vorschüsse in Höhe von 357,-- EUR anzurechnen.
Gründe
A.
Das Amtsgericht Saarbrücken hat durch Beschluss vom 15.12.2003 aufgrund eines
Antrages vom 24.10.2003 wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren über das
Vermögen des Schuldners eröffnet und den Beschwerdeführer zum Insolvenzverwalter
ernannt.
Durch Beschluss vom 24.01.2006 hat das Insolvenzgericht dem Schuldner die
Restschuldbefreiung angekündigt und den Beschwerdeführer zum Treuhänder bestellt.
Am 09.05.2006 ist das Insolvenzverfahren mangels zu verteilender Masse ohne
Schlussverteilung aufgehoben worden.
Auf den Vergütungsantrag des Treuhänders vom 22.12.2009 hat das Amtsgericht durch
Beschluss vom 19.01.2010 die Vergütung und die Auslagen des Treuhänders festgesetzt
auf insgesamt 476,-- EUR.
Den Vergütungsantrag im Übrigen hat das Amtsgericht zurückgewiesen und ausgeführt, §
14 Abs. 3 S. 2 InsVV finde keine Anwendung, da das Verfahren am 15.12.2003 eröffnet
worden sei.
Dagegen hat der Treuhänder am 26.01.2010 sofortige Beschwerde mit dem Antrag
eingelegt,
seine Vergütung auf insgesamt 773,50 EUR festzusetzen.
Er macht geltend, das Verfahren zur Erteilung der Restschuldbefreiung habe am
10.05.2006 begonnen.
Außerdem beziehe sich § 19 InsVV lediglich auf Insolvenzverfahren, nicht jedoch auf
Verfahren zur Erteilung der Restschuldbefreiung.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie der erkennenden
Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
B.
I.
Die gemäß §§ 11 Abs. 1 Rechtspflegergesetz, 293 Abs. 2, 64 Abs. 3, 4 InsO, 567 ff ZPO
zulässige – insbesondere auch fristgerecht eingelegte – sofortige Beschwerde des
Treuhänders ist begründet und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
II.
Da der Treuhänder die durch Abtretung eingehenden Beträge an 33 Gläubiger verteilt hat,
erhöht sich seine Vergütung gem. § 14 Abs. 3 S. 2 InsVV um 250 EUR zuzüglich der
gesetzlichen Mehrwertsteuer von 19 %.
1. Die Vorschrift des § 14 Abs. 3 S. 2 InsVV findet entgegen der Auffassung des
Amtsgerichts zugunsten des Treuhänders Anwendung. Dem steht § 19 Abs. 1 InsVV nicht
entgegen, wonach auf Insolvenzverfahren, die vor dem 01.01.2004 eröffnet wurden, die
Vorschriften der InsVV in der alten Fassung weiter anzuwenden sind.
Die Nichtanwendbarkeit der Übergangsvorschrift in § 19 Abs. 1 InsVV folgt aus dem mit der
Änderung der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV) bezweckten Ziel (vgl.
dazu unter 2.). und sie widerspricht nicht dem Wortlaut der Norm (dazu unter 3.).
2. Maßgebend für die Auslegung der für die Lösung dieses Falles ausschlaggebenden §§ 14
Abs. 3 S. 2 und 19 Abs. 1 InsVV ist der in diesen Vorschriften zum Ausdruck kommende
objektivierte Wille des Verordnungsgebers, so wie er sich aus ihrem Wortlaut und aus dem
Sinnzusammenhang ergibt.
Dem Ziel, den im Gesetz objektivierten Willen des Verordnungsgebers zu erfassen, dienen
die nebeneinander zulässigen, sich gegenseitig ergänzenden Methoden der Auslegung aus
dem Wortlaut der Norm, aus ihrem Zusammenhang, aus ihrem Zweck sowie aus den
Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (vgl. dazu BGHZ 46, 74-87, zitiert
nach Juris Rn. 20-22).
Für das Verständnis der genannten Vorschriften ist deren Entstehungsgeschichte von
besonderer Bedeutung.
Die Änderung der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung war eine Reaktion auf die
Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 15.01.2004 (ZIP 2004, 417, 424). Darin
hat der BGH ausgeführt, dass die Mindestvergütung in massearmen
Regelinsolvenzverfahren und in massearmen Verbraucherinsolvenzverfahren nicht
auskömmlich und als unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit der Verwalter
verfassungswidrig sei. Nach § 63 Abs. 3 InsO habe der Verwalter einen Anspruch auf eine
seiner Qualifikation und Tätigkeit angemessene Vergütung.
Daraufhin hat das Bundesjustizministerium unter anderem die InsVV um § 14 Abs. 3 S. 2
ergänzt, wonach sich die Mindestvergütung des Treuhänders je 5 Gläubiger, an die durch
Abtretung eingehenden Beträge zu verteilen sind, um 50,-- EUR erhöht.
Diese Änderung der InsVV ist wie folgt begründet worden (Vgl. ZIP 2004, 1927 ff):
"… in vielen Fällen wird jedoch nicht einmal dieser Betrag erreicht, so
dass der Treuhänder unter Umständen gezwungen ist, für eine
jährliche Mindestvergütung von 100,-- EUR die eingehenden Beträge
an mehrere Gläubiger zu verteilen. Eine auskömmliche Vergütung für
den Treuhänder ist in diesen Fällen nur dann zu erzielen, wenn die
Mindestvergütung in Abhängigkeit von der Gläubigerzahl, an die die
eingegangenen Beträge zu verteilen sind, aufgestockt wird. "
Die Neufassung des § 19 InsVV begründet der Verordnungsgeber wie folgt:
"Nach den Entscheidungen des BGH zur Mindestvergütung des
Insolvenzverwalters/Treuhänders sind die entsprechenden
Vorschriften der InsVV ab dem 01.01.2004 verfassungswidrig. Auf
Verfahren, die nach dem 31.12.2003 eröffnet wurden, sind somit die
neuen Mindestvergütungen anzuwenden. Für den Treuhänder in der
Wohlverhaltensperiode hat dies zur Konsequenz, dass für Tätigkeiten,
die er nach Inkrafttreten dieser Verordnung entfaltet, die neuen
Vergütungssätze maßgebend sind." (ZIP 2004, 1932).
Zur Erreichung dieses Verordnungszieles, dem Treuhänder eine an dem Umfang seiner
Tätigkeiten orientierte, auskömmliche Mindestvergütung zukommen zu lassen, ist es
geboten, § 14 Abs. 3 S. 2 InsVV auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden.
3. Die Anwendung des § 14 Abs. 3 S. InsVV auf den vorliegenden Fall widerspricht auch
nicht dem Wortlaut der Übergangsvorschrift in § 19 Abs. 1 InsVV.
§ 19 Abs. 1 InsVV spricht von Insolvenzverfahren und bezieht sich somit auf die Vergütung
des Insolvenzverwalters, nicht jedoch auf die Vergütung eines Treuhänders, dessen
Tätigkeit erst nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens in der anschließenden
Restschuldbefreiungsphase (vgl. §§ 286 ff InsO) ansetzt (vgl. ebenso LG Memmingen,
Beschluss vom 02.10.2008, Az. 4 T 1336/08, ZinsO 2009, 302-303, zitiert nach Juris
Rdnr. 9; LG Lüneburg, Beschluss vom 29.10.2009, Az. 3 T 106/09, ZinsO 2010, 207 –
208, zitiert nach Juris Rdnr. 8; LG Hamburg, Beschluss vom 28.08.2009, Az. 326 T 69/09,
ZinsO 2010, 352, zitiert nach Juris Rdnr 8; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 4. Auflage
2006, § 14 Rdnr. 2 und § 19 Rdnr 1; a. A. LG Augsburg, Beschluss vom 13.01.2010, Az.
7 T 25/10, ZinsO 2010, 351 – 352).
Vorliegend wurde das am 15.12.2003 eröffnete Insolvenzverfahren durch Beschluss des
Amtsgerichts vom 09.05.2006 ohne Schlussverteilung aufgehoben. Das Amt des
Beschwerdeführers als Treuhänder folgt nicht aus dem Eröffnungsbeschluss vom
15.12.2003. Der Beschwerdeführer ist vielmehr erst durch den Beschluss des
Amtsgerichts vom 24.01.2006 zum Treuhänder bestellt worden. Diese Bestellung lag
somit nach dem in § 19 Abs. 1 InsVV genannten Stichtag, dem 01.01.2004.
4. Deshalb ist die Vergütung des Treuhänders um den Betrag von 250,-- EUR zuzüglich
Mehrwertsteuer zu erhöhen.
Der dem Treuhänder bereits gewährte Vorschuss i.H.v. 357,-- EUR ist anzurechnen.