Urteil des LG Saarbrücken vom 17.09.2010

LG Saarbrücken: beurkundung, eltern, gesellschaft, falsche auskunft, vorname, anfechtung, eintrag, rechtssicherheit, geburt, ergänzung

LG Saarbrücken Beschluß vom 17.9.2010, 5 T 13/10
Leitsätze
1. Erklärungen zur Namenswahl unterliegen aus Gründen der Rechtssicherheit
grundsätzlich nicht der Anfechtung.
2. Besteht weiterer Ermittlungsbedarf, ist das Standesamt gehalten, vor einer
Beurkundung alle verfügbaren Erkenntnisquellen zu nutzen.
3. Beruht eine Namenserklärung nicht auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage, z.B.
weil nicht alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft wurden, so kann diese Erklärung nicht
Grundlage der Beurkundung sein mit der Folge, dass der Erklärende die Berichtigung der
gleichwohl vorgenommenen Beurkundung verlangen kann.
Tenor
1. Der Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 29.07.2009 – Az 10 III N 14/09 –
wird aufgehoben.
2. Die Beteiligte zu 2) wird angewiesen, die Beurkundung über die Geburt des Sohnes des
Antragstellers dahingehend abzuändern, dass das Kind den Vornamen ...(nicht: ...) führt.
3. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
4. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Am 15.02.2009 ist der Sohn des Antragstellers geboren. Unter dem 16.02.2009 wurde
die Geburt gegenüber der Beteiligten zu 2) angezeigt unter gleichzeitiger Beifügung einer
Vornamenserklärung des Antragstellers und seiner Ehefrau, wonach das Kind den
Vornamen "..." erhalten sollte. Diese Namensangabe wurde am 24.02.2009
durchgestrichen und durch den Namen "..." ersetzt, versehen mit der Datumsangabe
24.02.2009 und den Unterschriften des Antragstellers und seiner Ehefrau.
In dem Formular ist ausdrücklich folgender Hinweis enthalten:
"Die Vornamensgebung entspricht auch hinsichtlich der Schreibweise
meinem/unserem ausdrücklichen Willen. Uns/mir ist bekannt, dass
nach Abschluss der Geburtsbeurkundung eine Änderung oder
Ergänzung der Vornamen nur durch gebührenpflichtige behördliche
Vornamensänderung möglich ist."
Am 12.03.2009 hat der Antragsteller zu Protokoll der Geschäftsstelle die Berichtigung des
Vornamens seines Sohnes beantragt. Der Name sei falsch beurkundet; er solle richtig
lauten: .... Die Kindesmutter sei damit einverstanden.
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind diesem Antrag entgegengetreten mit der Begründung,
eine Berichtigung komme deshalb nicht in Betracht, weil die Eintragung nicht unrichtig sei.
Der Antragsteller und seine Ehefrau hätten anlässlich ihrer Vorsprache beim Standesamt
am 24.02.2009, in deren Verlauf sie auf die Unsicherheit über die Schreibweise des
gewünschten Vornamens hingewiesen worden seien, die Angabe in der
Vornamenserklärung selbst handschriftlich in "..." geändert und anschließend erneut
unterschrieben. Dabei seien der Antragsteller und seine Ehefrau ausdrücklich darauf
hingewiesen worden, dass nach Abschluss der Beurkundung eine Änderung oder
Ergänzung des Vornamens durch den Standesbeamten nicht mehr möglich sei, sondern
nur noch im Wege der öffentlich rechtlichen Namensänderung erfolgen könne. Außerdem
sei dem Antragsteller und seiner Ehefrau angeboten worden, die Beurkundung bis zur
Klärung der Schreibweise des Vornamens zurückzustellen. Die Eltern hätten jedoch auf
einer sofortigen Beurkundung der Geburt mit dem geänderten Vornamen "..." bestanden.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 29.07.2009 hat das Amtsgericht den
Berichtigungsantrag unter Bezugnahme auf die Rechtsauffassung des
Landesverwaltungsamtes zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 24.09.2009 zugestellten
Beschluss hat der Antragsteller am 08.10.2009 Beschwerde eingelegt mit dem Antrag,
1. den Beschluss des Amtsgerichts aufzuheben und
2. den Eintrag im Personenstandsregister dahingehend abzuändern, dass das
Kind mit dem Vornamen ... (anstatt ...) geführt wird.
Er behauptet, im Rahmen der Vorsprache beim Standesamt am 24.02.2009 sei ihm und
seiner Ehefrau die, wie sich später herausstellte, falsche Auskunft gegeben worden, der
Name ... könne nicht als Vorname für einen Jungen verwandt werden. Es sei ihm deshalb
angeraten worden, den Vornamen in ... abzuändern. Dies hätten sie auch getan in der
Annahme, ihre Erklärung später jederzeit wieder ändern zu können. Ein Hinweis der
Standesbeamtin dahingehend, dass eine derartige Änderungsmöglichkeit nach Abschluss
der Geburtsbeurkundung ausgeschlossen sei, sei nicht erfolgt, ebensowenig ein Hinweis
darauf, dass die Beurkundung bis zur eventuellen Klärung zurückgestellt werden könne.
Anstelle dieser gebotenen Aufklärung sei ihnen lediglich die Adresse der Gesellschaft für
deutsche Sprache genannt worden, um überprüfen lassen zu können, ob der Name ... als
Vorname verwendet werden könne. Tatsächlich habe dann die Gesellschaft für deutsche
Sprache mit Schreiben vom 02.03.2009 bestätigt, dass der gewünschte Vorname aus
dem englischen Sprachraum kommt und neben der hauptsächlich gebräuchlichen Variante
„...“ als männlicher Vorname verwendet wird. Einer Eintragung von ... für einen Jungen
stehe daher nichts im Wege. Die Beurkundung sei somit nur deshalb zustande gekommen,
weil die Eltern über deren Tragweite nicht hinreichend informiert gewesen seien. Sie hätten
sich zum einen in dem von der Standesbeamtin erregten Irrtum befunden, dass der Name
... nicht anerkannt werde, zum anderen in dem Irrtum, dass eine Rückgängigmachung der
beurkundeten Erklärung problemlos möglich sei. Vor diesem Hintergrund hat der
Antragsteller die Anfechtung der Erklärung vom 24.02.2009 über die Beilegung des
Vornamens ... erklärt. Durch die Anfechtung lebe die ursprüngliche Erklärung der
Namensbestimmung ... wieder auf, so dass auf dieser Grundlage im laufenden Verfahren
die Änderung des Eintrages erfolgen könne.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem erkennenden
Gericht vorgelegt (vgl. den Beschluss vom 28.12.2009).
Eine anfängliche Unrichtigkeit habe nicht bestanden, da der Antragsteller und seine Ehefrau
selbst die Änderung des Namens von ... in ... vorgenommen haben. Eine Anfechtung der
Namenswahl sei aus Gründen der Rechtssicherheit nicht möglich. Im Übrigen handele es
sich allenfalls um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Schließlich sei die Namenswahl auch
nicht durch eine relevante Verletzung von standesamtlichen Beratungspflichten verursacht
worden. So seien die Eltern ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Untersuchung der
Zulässigkeit des Namens durch die Gesellschaft für deutsche Sprache hingewiesen
worden, ebenso auf die Möglichkeit einer Zurückstellung der Beurkundung. Die Eintragung
des Namens ... habe daher allein auf der Entscheidung der Eltern beruht.
Die Kammer hat die beurkundende Standesbeamtin sowie den Antragsteller persönlich
angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der Sitzung vom
14.07.2010 (Bl. 46 ff) verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 S. 2 PStG in
Verbindung mit §§ 19, 20, 22 FGG zulässig.
Sie hat auch in der Sache Erfolg, da das Amtsgericht den Berichtigungsantrag des
Antragstellers zu Unrecht zurückgewiesen hat.
Nach § 47 Abs. 1 PStG kann ein abgeschlossener Eintrag in das Geburtenbuch auf
Anordnung des Gerichts grundsätzlich nur dann berichtigt werden, wenn zur Überzeugung
des Gerichts feststeht, dass er von Anfang an unrichtig war (vgl. BGH, NJW 1988, 1469;
OLG Köln, Beschluss vom 23.06.2004 – AZ 16 Wx 124/04; AG Bremen, Beschluss vom
14.01.2007 – Az 48 III 160/06; OLG München, Beschluss vom 23.12.2008 – Az 31 Wx
105/08). Dabei besteht weitgehend Einigkeit, dass die Unrichtigkeit der Eintragung nicht
durch Anfechtung der zur Namenswahl abgegebenen Erklärungen herbeigeführt werden
kann (vgl. OLG München, Beschluss vom 23.12.2008 – Az 31 Wx 105/08 m.w.N), denn
diese Erklärungen unterliegen aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich nicht der
Anfechtung. Bei einem Berichtigungsantrag ist jedoch zu ermitteln, ob die dem Standesamt
überlassene Geburtsanzeige dem wahren Willen der zur Namenserteilung Berechtigten
entspricht. Ist dies nicht der Fall, so ist der Geburtseintrag einer Berichtigung zugänglich
(vgl. AG Bremen, Beschluss vom 14.01.2007 – AZ 48 III 160/06; OLG Köln, Beschluss vom
23.06.2004 – Az 16 Wx 124/04).
Ausweislich der Geburtsurkunde vom 24.02.2009 ist für den Sohn des Antragstellers der
Vorname ... eingetragen. Dieser Eintrag stimmt mit der Vornamenserklärung des
Antragstellers und seiner Ehefrau überein, die diese am 24.02.2009 unter entsprechender
Abänderung der früheren Erklärung (...) abgegeben haben. Bei seiner Anhörung hat der
Antragsteller bestätigt, dass er und seine Ehefrau diese Änderung vorgenommen haben.
Doch war, wie sich aus den Gesamtumständen ergibt, diese Erklärung nicht als
abschließende, endgültige Namenserklärung der Eltern des Kindes zu werten:
So hat der Antragsteller berichtet, es sei ihm und seiner Frau nicht bewusst gewesen, dass
die Namensänderung vom 24.02.2009 nunmehr die verbindliche Namenswahl darstellen
sollte. Vielmehr seien sie davon ausgegangen, dass sie den Sachverhalt nochmals in Ruhe
aufklären könnten und dann den ursprünglich gewollten Namen verbindlich eintragen lassen
könnten. In dieser Auffassung seien sie auch dadurch bestätigt worden, dass ihnen die
Standesbeamtin zusammen mit der Geburtsurkunde den Hinweis auf die Gesellschaft für
die deutsche Sprache übergeben habe.
Demgegenüber hat die Zeugin ..., die Standesbeamtin, beteuert, dass sie die Eltern
ausführlich beraten habe, dass sie die Möglichkeit aufgezeigt habe, die endgültige
Namenserteilung zurückzustellen und dass sie ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass
mit der Beurkundung die Namensgebung abgeschlossen sei. Doch hat die Zeugin zugleich
eingeräumt, dass das Formular über die Vornamenserklärung, insbesondere der dortige
Hinweis über eine Änderung oder Ergänzung der Namen, für einen Ausländer nicht
unbedingt auf Anhieb richtig zu verstehen ist. Ferner hat die Zeugin bestätigt, dass sie dem
Antragsteller und seiner Ehefrau den Hinweis auf die Gesellschaft für die deutsche Sprache
gegeben habe und dass sie erkannt habe, dass es den Eltern wichtig ist, ob ihr Kind ... oder
... heißt.
Im Hinblick auf diese Umstände erscheint es bereits fraglich, ob die geänderte
Namenserklärung vom 24.02.2009 als endgültige und verbindliche Vornamenserklärung
der Eltern bewertet werden kann.
Als entscheidender Umstand kommt hinzu, dass die Erklärung über den Vornamen ... auf
einer nicht hinreichend ermittelten Tatsachengrundlage beruhte. Hierzu hat die Zeugin ...
erklärt, sie habe nach dem ursprünglich eingesetzten Vornamen ... recherchiert, indem sie
zum einen das ihr zur Verfügung stehende Buch über internationale Vornamen zu Rate
gezogen habe und zum anderen im Internet nachgeforscht habe. Dabei sei sie lediglich auf
den Vornamen ... als weiblichen Vornamen und den Vornamen ... als männlichen
Vornamen gestoßen. Ferner hat sie angegeben, die Eltern auf die Quelle „Gesellschaft für
die deutsche Sprache“ hingewiesen zu haben und ihnen ein entsprechendes Formblatt
überreicht zu haben. Dass sie nicht selbst bei dieser Gesellschaft recherchiert habe, beruhe
darauf, dass eine solche Information kostenpflichtig sei (19,-- EUR) und ihr eine eigene
Recherche behördenintern aus Kostengründen untersagt sei. Wenn die Eltern selbst
nachfragen wollten, müssten diese den Betrag zahlen. Der Verwaltungsaufwand solle nach
Möglichkeit niedrig gehalten werden.
Gab es jedoch weitere Erkenntnismöglichkeiten, so hier die Gesellschaft für deutsche
Sprache, die tatsächlich den männlichen Vornamen ... bestätigt hat, so hätten zunächst
diese Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, dies insbesondere vor dem
Hintergrund, dass unstreitig der weibliche Name ... akzeptiert wurde; eine männliche
Variante ... erschien damit jedenfalls nicht ausgeschlossen. Bestand aber weiterer
Ermittlungsbedarf, war die Beteiligte zu 2) gehalten, die erforderlichen Nachforschungen
anzustellen, bevor sie die mit weitreichenden Rechtsfolgen verbundene Beurkundung
vornahm. Die Tatsache, dass eine Anfrage bei der Gesellschaft für deutsche Sprache
behördenintern aus Kostengründen untersagt ist, steht dem nicht entgegen. Entweder
wird den Angehörigen die Nachfrage mit eigener Kostentragungspflicht überlassen und die
Beurkundung bis zum Abschluss dieser Nachfrage zurückgestellt oder das Standesamt
bietet den Angehörigen – insbesondere wenn es sich um ausländische Eltern handelt – an,
diese Anfrage bei entsprechender Vorschusszahlung durchzuführen. Vorliegend war den
Eltern zwar der Hinweis auf die Gesellschaft für deutsche Sprache gegeben worden, die
Beurkundung ist jedoch schon vor Mitteilung des Ergebnisses dieser Recherche
vorgenommen worden. Die Ermittlungen der Gesellschaft für deutsche Sprache konnten
also keinen Eingang in die Entscheidung der Eltern über die Wahl des Vornamens ihres
Sohnes finden.
Da somit die Namenserklärung ... vom 24.02.2009 nicht auf einer ausreichenden
Tatsachengrundlage beruhte, kann sie auch nicht Grundlage der Beurkundung sein (vgl.
Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 12.03.2008 – Az 2 W 273/07; ähnlich für
den Fall der Namenserklärung nach § 94 BVFG bzw. nach Art. 47 EGBGB: LG Bremen,
Beschluss vom 06.11.1997 – Az 2 T 566/97, 2 T 566/97 B – und Beschluss vom
07.04.1997 – Az 2 T 1057/1996a - ; LG Kassel, Beschluss vom 17.10.1996 – Az 3 T
553/96 - ; Janal, in jurisPK-BGB, 4. Auflage 2009, Art. 47 EGBGB Rdnr. 17). Die
Beurkundung der Erklärung vom 24.02.2009 war demnach von Anfang an unrichtig. Sie ist
dahingehend zu berichtigen, dass auf die ursprüngliche Vornamenserklärung vom
...
entsprechend der Empfehlung der Gesellschaft für deutsche Sprache ein bekannterer
Vorname hinzuzufügen ist, um ihn eindeutig als männlichen Vornamen zu kennzeichnen,
bleibt dem Ermessen des Standesamtes überlassen.
Gemäß § 131 KostO ist das Verfahren gebührenfrei; es besteht kein Anlass, eine
Kostenerstattung nach § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG anzuordnen.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,-- EUR festgesetzt (vgl. §§
131 Abs. 2, 30 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 KostO).