Urteil des LG Saarbrücken vom 29.08.2009
LG Saarbrücken: bundesamt für migration, abschiebungshaft, belgien, verordnung, england, entscheidungszuständigkeit, indien, visum, mitgliedstaat, einreise
LG Saarbrücken Beschluß vom 29.8.2009, 5 T 329/09
Asylverfahren: Fristbeginn für die Entscheidung über einen Asylantrag im Fall eines
Wiederaufnahmeersuchens an einen Drittstaat
Leitsätze
Die dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG
vorgegebene 4-wöchige Frist für die Entscheidung über den Asylantrag beginnt in den
Fällen, in denen ein Wiederaufnahmeersuchen an einen Drittstaat gemäß der EG-
Verordnung Nr. 343/203 vom 18. Februar 2003 (Dublin II) gerichtet worden ist, nicht
bereits mit der Stellung des Asylantrages, sondern erst mit der endgültigen Klärung der
internationalen Entscheidungszuständigkeit.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Prozesskostenhilfeantrag des Betroffenen wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Dolmetschers, der für das Mandantengespräch des Betroffenen mit
seinem Prozessbevollmächtigten in der … am 17.06.2009 hinzugezogen worden war, sind
von der Staatskasse zu tragen.
Gründe
A
Der Betroffene, der indischer Staatsangehöriger ist, wurde am 4. Juni 2009 zusammen mit
6 weiteren aus Indien stammenden Personen auf der Autobahn in der Nähe von … in dem
Frachtraum eines Lkw mit tschechischem Kennzeichen vorgefunden.
Der Betroffene konnte weder einen Pass noch ein Visum vorlegen.
Er hat vorgetragen, er sei vor rund 5 Monaten von Indien aus nach Italien geflogen, dort
etwa zwei Wochen geblieben und anschließend nach Belgien weitergereist. Das Ziel seiner
Reise sei England gewesen. Er habe sich der Hilfe eines Schleppers bedient, der ihn in
Belgien in den falschen Lkw gesetzt habe, so dass er nicht – wie geplant – in England,
sondern in Deutschland angekommen sei. Seinen Pass, in dem sich auch ein Visum für die
Einreise für Italien befunden habe, sei ihm in Italien gestohlen worden.
Die Zentrale Ausländerbehörde des Saarlandes hat durch Schreiben vom 05.06.2009 die
Verhängung von Abschiebungshaft gegen den Betroffenen beantragt. Bei seiner
persönlichen Anhörung am 05.06.2009 beim Amtsgericht Saarbrücken hat der Betroffene
erklärt, er wolle einen Asylantrag stellen.
Am 08.06.2009 hat der Betroffene beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Asyl
beantragt.
Das Bundesamt hat am 13.06.2009 Belgien um die Wiederaufnahme des Betroffenen
ersucht. Dieses Ersuchen hat Belgien am 03.07.2009 zurückgewiesen.
Am 15.07.2009 hat das Bundesamt Großbritannien / Nordirland um die Wiederaufnahme
des Betroffenen ersucht. Dieses Ersuchen ist am 30.07.2009 zurückgewiesen worden.
Durch Bescheid vom 12.08.2009, dem Prozessbevollmächtigten des Betroffenen am
19.08.2009 zugestellt, hat das Bundesamt den Asylantrag des Betroffenen als
offensichtlich unbegründet abgelehnt und den Betroffenen aufgefordert, Deutschland
innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen und ihm die
Abschiebung nach Indien angedroht.
Das Amtsgericht Saarbrücken hat auf den Antrag der Ausländerbehörde durch Beschluss
vom 05.06.2009 angeordnet, den Betroffenen bis zum 04.09.2009 in Abschiebungshaft
zu nehmen und es hat die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung angeordnet.
Das Amtsgericht hat ausgeführt, der Betroffene sei ohne Reisepass und ohne
Aufenthaltstitel und somit unerlaubt nach Deutschland eingereist, sodass ein
Abschiebehaftgrund nach § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG bestehe.
Außerdem sei der Betroffene ohne festen Wohnsitz und er habe keinerlei Bezugspunkte im
Saarland. Es bestehe deshalb der begründete Verdacht, dass er ohne die Anordnung von
Abschiebehaft untertauchen würde. Daher liege auch der Abschiebehaftgrund des § 62
Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AufenthG vor.
Gegen diesen Beschluss hat der anwaltlich vertretene Betroffene am 18.06.2009 sofortige
Beschwerde eingelegt und Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines
Prozessbevollmächtigten beantragt.
Er macht geltend, man hätte ihn aufgrund seines bei seiner Anhörung beim Amtsgericht
Saarbrücken am 05.06.2009 gestellten Asylgesuches unverzüglich freilassen müssen, um
ihm die Möglichkeit zu geben, den Asylantrag persönlich beim Bundesamt zu stellen.
Der Haftgrund des § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG sei durch den Asylantrag des
Betroffenen entfallen.
Der Haftgrund des § 62 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG liege nicht vor, da der Betroffene keinen
Aufenthalt in Deutschland vorgesehen habe. Es sei nicht von ihm zu vertreten, dass der
Lkw nach Deutschland gefahren sei.
Im Übrigen sei die beabsichtigte Abschiebung nach Indien nicht innerhalb von drei Monaten
möglich, da er über keine Personaldokumente verfüge.
Zudem sei der Betroffene im Hinblick auf § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG unverzüglich aus der
Haft zu entlassen.
Die antragstellende Behörde beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, die in § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG geregelte 4-Wochen-Frist
beginne mit der Ablehnung der Wiederaufnahme durch den ersuchten Staat neu zu laufen.
Die erkennende Kammer hat den Betroffenen am 17.07.2009 persönlich angehört und zur
Klärung des Sachverhalts die Ausländerakten beigezogen.
B
I.
Die sofortige Beschwerde des Betroffenen ist gemäß §§ 106 Abs. 2 AufenthG, 7 Abs. 1
Freiheitsentziehungsverfahrensgesetz (FEVG), 20, 22 FGG zulässig, sie ist insbesondere
fristgerecht eingelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen.
1. Die Anordnung der Abschiebungshaft gegen den Betroffenen durch den angefochtenen
Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 05.06.2009 ist nicht zu beanstanden. Sie
ist sowohl gemäß § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG wegen der unerlaubten Einreise des
Betroffenen als auch gemäß § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AufenthG wegen des Verdachtes
gerechtfertigt, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen will.
2. Der Betroffene ist am 4. Juni 2009 unerlaubt nach Deutschland eingereist. Gemäß § 14
AufenthG ist die Einreise eines Ausländers nach Deutschland u.a. dann unerlaubt, wenn er
den nach § 4 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt (Visum gemäß § 6
AufenthG, Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 AufenthG oder Niederlassungserlaubnis gemäß
§ 9 AufenthG). Wie der Betroffene selbst zugestanden hat, ist er ohne Pass und ohne
Visum nach Deutschland eingereist, so dass er nach § 58 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG vollziehbar
ausreisepflichtig ist. Einer Androhung der Abschiebung bedarf es für die Anordnung der
Abschiebehaft nicht (vgl. Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, § 62 AufenthG, Rn. 12,
13; KG E-ZAR 135 Nr. 4).
3. Außerdem ist die Anordnung der Abschiebungshaft durch § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
AufenthG gerechtfertigt.
Der Betroffene ist unerlaubt durch mehrere europäische Staaten gereist. Selbst wenn man
zu seinen Gunsten davon ausgehen würde, er habe bei seiner Einreise nach Italien einen
gültigen Pass besessen und ein Visum besessen, das die Einreise in Italien gerechtfertigt
hat, ist er ohne Pass und ohne Visum, d.h. unerlaubt, außer nach Deutschland auch nach
England und nach Belgien eingereist.
Der Betroffene hat bei seiner persönlichen Anhörung durch die erkennende Kammer am
17.07.2009 ursprünglich erklärt, er sei von Indien aus nach Italien geflogen und dann nach
Belgien weitergereist. Im Laufe der weiteren Anhörung hat er dann zugestanden, er sei
auch bereits in England gewesen und habe dort einen Asylantrag gestellt. Die Engländer
hätten ihn jedoch zurück nach Belgien geschickt. Ferner hat der Betroffene angegeben, das
Ziel seiner Reise sei England gewesen. Aufgrund dessen muss konkret befürchtet werden,
dass der Betroffene im Falle seiner Entlassung seine Reise fortsetzen und sich der
beabsichtigten Abschiebung nach Indien durch Untertauchen entziehen würde. Daran
ändert auch der zwischenzeitlich in Deutschland gestellte Asylantrag nichts. Denn der
Asylantrag des Betroffenen vom 08.06.2009 ist durch Bescheid des Bundesamtes für
Migration und Flüchtlinge vom 12.08.2009 als offensichtlich unbegründet abgelehnt
worden. Im Übrigen muss auch an der Ernsthaftigkeit des Asylbegehens des Betroffenen
gezweifelt werden, da er sowohl angegeben hat, das Ziel seiner Reise sei England, als auch
vorgetragen hat, er habe in England bereits einen Asylantrag gestellt. Im Hinblick auf diese
Pläne des Betroffenen sowie unter Berücksichtigung der unerlaubten und heimlichen
Grenzübertritte in mehreren europäischen Staaten unter Zuhilfenahme von Schleusern ist
davon auszugehen, dass sich der Betroffene nicht für eine Rückführung in sein Heimatland
bereithalten würde.
Deshalb besteht der begründete Verdacht, dass der Betroffene im Falle seiner Freilassung
versuchen wird, durch Ausnutzen seiner Beziehungen zu Schleusern sich der Abschiebung
zu entziehen.
4. Der Zulässigkeit der Abschiebehaft steht § 62 Abs. 2 S. 4 AufenthG nicht entgegen.
Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der Abschiebehaft unzulässig, wenn feststeht,
dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht
innerhalb von drei Monaten durchgeführt werden kann.
Verzögerungen der Durchführung der Abschiebung sind in dem vorliegenden Fall
insbesondere deshalb entstanden, weil der Betroffene ohne gültige Ausweispapiere nach
Deutschland eingereist ist. Seine Behauptung, sein Pass sei ihm in Italien gestohlen
worden, vermag ihn nicht zu entlasten. Einerseits ist diese unsubstantiierte Behauptung
des Betroffenen nicht glaubhaft. Andererseits hätte er dann, wenn ihm tatsächlich sein
Pass in Italien gestohlen worden ist, vor seiner Ausreise aus Italien für Ersatzpapiere sorgen
müssen. Deshalb sind die mit der Beschaffung von Passersatzpapieren verbundenen
Verzögerungen bei der Rückführung des Betroffenen in sein Heimatland Indien dem
Betroffenen selbst anzulasten (vgl. dazu BGH NJW 1996, 2796; OLG Hamm, FG Prax
1997, 77) und somit von ihm zu vertreten.
5. Der weitere Vollzug der angeordneten Abschiebungshaft ist auch nicht
unverhältnismäßig.
Im Hinblick auf die Angaben des Betroffenen zu seinen bisherigen Aufenthalten in
verschiedenen Staaten Europas war es zunächst erforderlich, die nationale Zuständigkeit
für die Entscheidung über den Asylantrag des Betroffenen abzuklären. Dies ist von dem
dafür zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit den an Belgien und
Großbritannien / Nordirland gerichteten Wiederaufnahmeersuchen mit der gebotenen
Zügigkeit erfolgt. Danach musste die zuständige Ausländerbehörde abwarten, wie das
dafür zuständige Bundesamt über den Asylantrag des Betroffenen befinden würde.
6. Das von dem Betroffenen anlässlich seiner persönlichen Anhörung beim Amtsgericht
Saarbrücken am 05.06.2009 geäußerte Asylgesuch stand entgegen der Auffassung des
Betroffenen der Anordnung der Abschiebehaft nicht entgegen.
Zwar ist einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 AsylVfG zur
Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet grundsätzlich gestattet.
Wenn jedoch der Ausländer aus einem sicheren Drittstaat – dies war im vorliegenden Fall
Belgien (vgl. dazu § 26 a AsylVfG) – nach Deutschland eingereist ist, erwirbt er gemäß § 55
Abs. 1 S. 3 AsylVfG die Aufenthaltsgestattung erst mit der Stellung seines Asylantrages bei
der Außenstelle des Bundesamtes (vgl. dazu § 14 Abs. 1 S. 1 Asylverfahrensgesetz).
Diesen Asylantrag hat der Betroffene erst am 8. Juni 2009, also aus der Haft heraus,
gestellt.
7. Der aus der Haft heraus gestellte Asylantrag des Betroffenen steht im Hinblick auf § 14
Abs. 3 S. 1 AsylVfG der Aufrechterhaltung der Abschiebungshaft nicht entgegen, da die
Abschiebungshaft nicht nur auf § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AufenthG, sondern zu Recht auch
auf § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AufenthG gestützt worden ist.
8. Schließlich hat die Abschiebungshaft nicht gemäß § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG geendet.
8.1. Nach dieser Bestimmung endet die Abschiebungshaft mit der Zustellung der
Entscheidung des Bundesamtes, spätestens jedoch vier Wochen nach Eingang des
Asylantrags beim Bundesamt, es sei denn, es ist aufgrund von Rechtsvorschriften der
Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren
ein Auf- oder Wiederaufnahmeersuchen an einen anderen Staat gerichtet oder der
Asylantrag ist als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet abgelehnt worden.
Vorliegend sind seit dem Eingang des Asylantrags beim Bundesamt am 8. Juni 2009 bis zu
dem Zugang des Ablehnungsbescheides des Bundesamtes am 19.08.2009 mehr als vier
Wochen verstrichen. Ohne Berücksichtigung der dem Ablehnungsbescheid des
Bundesamtes vorausgegangenen Wiederaufnahmeersuchen würde dies dazu führen, dass
die Abschiebehaft nach Ablauf der 4-Wochen-Frist kraft Gesetzes geendet hätte und durch
die anschließende Entscheidung des Bundesamtes nicht nachträglich wieder aufgelebt wäre
(vgl. dazu Saarl. Oberlandesgericht, Beschluss vom 21.07.2009 – 5 W 174/09-61 - ; OLG
Köln, FG Prax 2007, 297, zitiert nach juris, Rn. 17). Zur Fortsetzung der Abschiebungshaft
hätte es in diesem Fall eines neuen Haftantrages der Ausländerbehörde und einer neuen
Haftanordnung des zuständigen Gerichtes bedurft (vgl. Saarl. Oberlandesgericht, a.a.O.;
OLG Köln, a.a.O.).
8.2. Anders verhält es sich jedoch dann, wenn – wie vorliegend – aufgrund von
Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft innerhalb der vorgenannten 4-Wochen-
Frist ein Auf- oder Wiederaufnahmeersuchen an einen anderen Staat gerichtet worden ist.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat, gestützt auf die EG-Verordnung Nr.
343/203 vom 18. Februar 2003 (Dublin II), Art. 17, die Staaten Belgien und Großbritannien
/ Nordirland um die Wiederaufnahme des Betroffenen ersucht. Das erste an Belgien
gerichtete Wiederaufnahmeersuchen erfolgte am 13.06.2009, also innerhalb der in § 14
Abs. 3 S. 3 AsylVfG geregelten 4-Wochen-Frist.
Dem Wortlaut des § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG ist lediglich zu entnehmen, dass durch ein
solches Wiederaufnahmegesuch die 4-Wochen-Frist unterbrochen bzw. gehemmt ist. Der
Vorschrift lässt sich jedoch nicht entnehmen, wie lange diese Fristunterbrechung oder
Fristhemmung andauert. Zur Lösung dieser von dem Gesetz offen gelassenen Frage ist
auf den Gesetzeszweck einzugehen. § 14 Abs. 3 AsylVfG durchbricht den in § 55 AsylVfG
geregelten Grundsatz, wonach einem um Asyl nachsuchenden Ausländer der Aufenthalt im
Bundesgebiet zur Durchführung seines Asylverfahrens gestattet ist, mit dem Ziel zu
verhindern, dass der von einer Abschiebungshaft betroffene Ausländer sein
Asylantragsrecht missbraucht. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet es, diese in §
14 Abs. 3 AsylVfG geregelte Ausnahme von der durch § 55 AsylVfG gewährten
Aufenthaltsgestattung zu begrenzen (vgl. dazu Renner, a.a.O., § 14 AsylVfG Rn. 16). Bei
dieser erforderlichen Begrenzung der gesetzlichen Ausnahme muss beachtet werden, dass
es den zuständigen Behörden nach der ursprünglichen Konzeption des § 14 Abs. 3 S. 3
AsylVfG auferlegt war, innerhalb von vier Wochen über den Asylantrag des Betroffenen zu
entscheiden. Dies ergibt sich eindeutig aus der bis zum 31. Dezember 2004 gültigen
Fassung des § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG:
„Die Abschiebungshaft endet mit der Zustellung der Entscheidung
des Bundesamtes, spätestens jedoch vier Wochen nach Eingang des
Asylantrags beim Bundesamt, es sei denn, der Asylantrag wurde als
unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet abgelehnt.“
Daraus geht eindeutig hervor, dass die Abschiebungshaft nach einem aus der Haft heraus
gestellten Asylantrag nur dann fortgesetzt werden durfte, wenn das Bundesamt den
Asylantrag innerhalb von vier Wochen nach Antragstellung als unbeachtlich oder
offensichtlich unbegründet abgelehnt hat.
Es ist nicht ersichtlich, dass daran durch die am 19.08.2007 in Kraft getretene Neufassung
der Vorschrift etwas geändert werden sollte. Ab diesem Zeitpunkt lautete die Vorschrift
wie folgt:
„Die Abschiebungshaft endet mit der Zustellung der Entscheidung
des Bundesamtes, spätestens jedoch vier Wochen nach Eingang des
Asylantrags beim Bundesamt, es sei denn, es wurde aufgrund von
Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines
völkerrechtlichen Vertrages über die Zuständigkeit für die
Durchführung von Asylverfahren ein Auf- oder
Wiederaufnahmeersuchen an einen anderen Staat gerichtet oder der
Asylantrag wurde als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet
abgelehnt.“
Diese Ergänzung wurde von dem Gesetzgeber für erforderlich gehalten um sicherzustellen,
dass Ausländer, die im Rahmen des Verfahrens nach der EG-Verordnung Nr. 343/203
kurzfristig in den für das Asylverfahren zuständigen Staat verbracht werden sollen, nicht
vorzeitig aus der Haft entlassen werden und untertauchen (vgl. dazu BT-Drucksache
16/5065 S. 25 zu § 14 Abs. 3 AsylVfG). In diesen Fällen kann die Rechtsfolge der
Beendigung der Abschiebungshaft noch nicht an den Zeitpunkt der Entscheidung des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über den Asylantrag geknüpft werden, da das
Bundesamt erst dann über den Asylantrag entscheiden kann, wenn der ersuchte Staat
seine Zuständigkeit anerkannt oder abgelehnt hat (vgl. dazu Bundestagsdrucksache,
a.a.O.). Aufgrund dessen hat es der Gesetzgeber für notwendig erachtet, dass eine
Verlängerung der Abschiebungshaft über die in § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG genannten vier
Wochen hinaus bereits durch die Einleitung des Aufnahme- oder
Wiederaufnahmeverfahrens eintritt (vgl. Bundestagsdrucksache, a.a.O.).
Demgemäß ist bei der Anwendung der jetzt gültigen Fassung des § 14 Abs. 3 S. 3 AsylVfG
nach wie vor davon auszugehen, dass das Bundesamt innerhalb einer Frist von vier
Wochen gehalten ist, über den gestellten Asylantrag des Betroffenen zu entscheiden. Diese
vierwöchige Entscheidungsfrist beginnt jedoch – anders als in den Fällen ohne Aufnahme-
oder Wiederaufnahmeersuchen an einen Drittstaat – nicht bereits mit der Stellung des
Asylantrags. Auch in diesen Fällen auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen, wäre
nur dann gerechtfertigt, wenn die Entscheidungszuständigkeit des Bundesamtes
offensichtlich wäre und das Bundesamt mit der Antragstellung umgehend in die gebotene
Sachprüfung eintreten und zeitnah eine Entscheidung treffen könnte. Davon kann jedoch
nicht ausgegangen werden, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein berechtigtes
Wiederaufnahmeersuchen an einen Drittstaat gerichtet wird. Denn dann ist der Staat, in
dem der Asylantrag gestellt worden ist (vorliegend also Deutschland), nicht unbedingt für
die Prüfung und die Entscheidung des Asylantrages zuständig. Vielmehr ist in der EG-
Verordnung Nr. 343/2003 Artikel 13 geregelt, dass der EU-Mitgliedstaat, in dem der
Asylantrag gestellt worden ist, für dessen Prüfung nur dann zuständig ist, wenn sich
anhand der Kriterien dieser EG-Verordnung nicht bestimmen lässt, welchem Mitgliedstaat
die Prüfung des Asylantrages obliegt. Demzufolge ist durch Artikel 17 der EG-Verordnung
dem Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag gestellt worden ist, der jedoch einen anderen
Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig erachtet, gestattet, den anderen
Mitgliedstaat um die Aufnahme des Asylbewerbers zu ersuchen. Nach Artikel 18 Absatz 1
der EG-Verordnung nimmt der ersuchte Mitgliedstaat die erforderlichen Überprüfungen vor
und entscheidet über das Gesuch um Aufnahme eines Asylantragstellers innerhalb von
zwei Monaten, nachdem er mit dem Gesuch befasst wurde. Wenn innerhalb dieser 2-
Monatsfrist keine Antwort auf das Wiederaufnahmeersuchen erfolgt, ist davon
auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, den Antrag stellenden
Ausländer in dem ersuchten Staat aufzunehmen (vgl. Artikel 18 Abs. 7 der EG-
Verordnung).
Demzufolge ist die internationale Entscheidungszuständigkeit über den Asylantrag
spätestens innerhalb von zwei Monaten nach dem Eingang des Wiederaufnahmeersuchens
bei dem ersuchten Staat geklärt. Diese Frist für die Klärung der internationalen
Entscheidungszuständigkeit verkürzt sich entsprechend, wenn der ersuchte Staat das
Wiederaufnahmeersuchen vor Ablauf der 2-Monatsfrist ablehnt oder es anerkennt.
Ab diesem Zeitpunkt der Klärung der Entscheidungszuständigkeit beginnt die 4-wöchige
Entscheidungsfrist für das Bundesamt von neuem zu laufen (vgl. im Ergebnis ebenso: LG
München, DVBL 2009, 736, zitiert nach juris, Rdnr. 75; Melchior, Abschiebungshaft,
08/2007, Nr. 423).
Wenn jedoch innerhalb dieser neu beginnenden 4-Wochenfrist – berechtigterweise – ein
weiteres Wiederaufnahmeersuchen an einen anderen Drittstaat gerichtet wird, ist die
Entscheidungszuständigkeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge für den in
Deutschland gestellten Asylantrag wiederum in Frage gestellt, so dass nicht darauf
abgestellt werden kann, dass das Bundesamt innerhalb der neu begonnenen 4-Wochenfrist
eine Entscheidung trifft. Vielmehr beginnt die 4-wöchige Entscheidungsfrist für das
Bundesamt erst mit der endgültigen Klärung der internationalen
Entscheidungszuständigkeit.
Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass durch die am 03. Juli 2009 erfolgte
Ablehnung des am 13.06.2009 an Belgien gerichteten Wiederaufnahmeersuchens die in §
14 Abs. 3 S. 3 Asylverfahrensgesetz geregelte 4-Wochenfrist neu zu laufen begonnen hat.
Diese neue 4-Wochenfrist ist durch das am 15.07.2009 an Großbritannien / Nordirland
gerichtete Wiederaufnahmeersuchen wiederum unterbrochen worden. Erst durch die
Ablehnung dieses Ersuchens am 30.07.2009 begann die 4-Wochenfrist erneut zu laufen.
Innerhalb dieser erneuten 4-Wochenfrist hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
durch den am 19.08.2009 an die Prozessbevollmächtigten des Betroffenen zugestellten
Bescheid vom 12.08.2009 den Antrag des Betroffenen auf Anerkennung als
Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet abgelehnt.
Dies bedeutet, dass die gegen den Betroffenen verhängte Abschiebungshaft nicht gemäß §
14 Abs. 3 S. 3 Asylverfahrensgesetz geendet hat.
Deshalb war die sofortige Beschwerde des Betroffenen zurückzuweisen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
III.
Da das Rechtsmittel des Betroffenen von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg hatte, konnte
die beantragte Prozesskostenhilfe unter Berücksichtigung von §§ 14 FGG, 114 ZPO nicht
gewährt werden.
IV.
Die Landeskasse des Saarlandes hat die Kosten für die Beiziehung eines Dolmetschers zu
dem Mandantengespräch zwischen dem Betroffenen und seinem Prozessbevollmächtigten
zu tragen (vgl. Artikel 6 Abs. 3 i MRK; BVerfG NJW 2004, 50).