Urteil des LG Saarbrücken vom 16.06.2008

LG Saarbrücken: mahnung, rechtliches gehör, neues vorbringen, sachverständigenkosten, sicherungsabtretung, haftpflichtversicherer, fremder, zahlungsverweigerung, erfüllung, nebenkosten

LG Saarbrücken Urteil vom 16.6.2008, 13 S 33/08
Unerlaubte Rechtsberatung: Abtretung des Schadensersatzanspruchs aus einem
Verkehrsunfall an den Kfz-Sachverständigen
Leitsätze
„Zur Wirksamkeit einer Abtretung von unfallbedingten Schadensersatzansprüchen vor dem
Hintergrund des Artikel 1 § 1 Abs. 1 Rechtsberatungsgesetz (Sachverständigengebühren).
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom
20.12.2007 – 5 C 356/07 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger, Kfz-Sachverständiger, macht gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung
Ansprüche auf Ersatz von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall geltend.
Der zugrunde liegende Unfall ereignete sich zwischen der Auftraggeberin des Klägers und
einem Versicherungsnehmer der Beklagten, die für die Unfallschäden voll einzustehen hat.
Der Kläger erstattete für seine Auftraggeberin am 7.7.2006 ein Gutachten zur Feststellung
der Schadenshöhe. Seine Auftraggeberin unterzeichnete noch am selben Tag eine
formularmäßige Abtretungserklärung, wonach sie „... die Gebühren für das gefertigte
Gutachten incl. MwSt ...“ an ihn abtrat und „ ... darauf hingewiesen (wurde), dass bei
Verzögerung der Schadensregulierung die Gebühren nach Ablauf einer Frist von 4 Wochen
unmittelbar gegen (sie) geltend gemacht werden können.“. Unter dem 7.7.2006 stellte
der Kläger sein Honorar mit 601,28 EUR netto bzw. 697,48 EUR brutto in Rechnung,
aufgeteilt in ein Grundhonorar von 451,08 EUR netto und Nebenkosten von zusammen
150,20 EUR netto. Der Kläger übersandte das Gutachten nebst Rechnung direkt an die
Beklagte und verlangte von ihr den Rechnungsausgleich. Diese wies am 16.3.2007 einen
Betrag von 392,80 EUR zur Zahlung an, nachdem sie zuvor, am 21.7.2006, die
Rechtsanwälte der Auftraggeberin des Klägers mit dem Hinweis angeschrieben hatte, dass
es im Rahmen der Pflicht des Geschädigten, den Schaden gering zu halten, auch gehören
könne, „die Zahlung der Gutachterkosten zurückzustellen bis mögliche Einwände, ggf.
durch gerichtliche Überprüfung ausgeräumt“ seien.
Mit seiner Zahlungsklage, vor deren Erhebung er am 23.2.2007 zunächst das gerichtliche
Mahnverfahren eingeleitet hat, verfolgt der Kläger die restliche Erstattung seiner
Honorarrechnung weiter.
Er hat behauptet, er habe seine Auftraggeberin mit Schreiben vom 26.10.2006 erfolglos
zur Zahlung des Resthonorars gemahnt. Nunmehr könne er sich durch die Verwertung der
ihm abgetretenen Ansprüche direkt an die Beklagte halten, die zum vollen Ersatz
verpflichtet sei, da sich seine Honorarforderung im Rahmen des Üblichen halte.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Abtretung der Ansprüche auf Ersatz der
Sachverständigenkosten verstoße gegen Art. 1 RBerG und sei nichtig. Es gehe dem Kläger
nicht um die Verwertung der abgetretenen Forderung zur Sicherung seiner eigenen
Honoraransprüche gegen seine Auftraggeberin, sondern einzig um deren Entlastung von
der Schadensabwicklung und damit um eine fremde Rechtsangelegenheit. Darüber hinaus
sei das vom Kläger berechnete Honorar unangemessen hoch. 110 Sachverständige in der
Region des Klägers würden nach einem Besprechungsergebnis des Bundesverbandes der
freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V.
(BVSK) mit Versicherungen zu niedrigeren Sätzen als der Kläger abrechnen. Hiernach sei
ein Schadensgutachten, das dem des Klägers vergleichbar ist, bereits für 392,80 EUR zu
erhalten.
Das Amtsgericht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil vom 20.12.2007, auf
dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug
genommen wird, zur weiteren Zahlung von 181,03 EUR nebst Prozesszinsen verurteilt, die
Erledigung des Rechtsstreits im Mahnverfahren in Höhe von 392,80 EUR festgestellt und
die Klage im Übrigen (123,65 EUR) abgewiesen. Zur Begründung hat der Erstrichter
ausgeführt, die Geltendmachung der fremden Schadensposition stelle keinen Verstoß
gegen den Erlaubnisvorbehalt des Art. 1 § 1 RBerG dar. Dem Kläger gehe es allein um die
Verfolgung einer eigenen Rechtsangelegenheit. Er habe erst nach der Mahnung seiner
Kundin das gerichtliche Mahnverfahren gegen die Beklagten eingeleitet; zudem habe seine
Auftraggeberin die Zahlung verweigert. Die Beklagte sei hiernach zur Erstattung weiterer
Sachverständigenkosten verpflichtet. Allerdings erweise sich die Höhe der Forderung zum
Teil als unüblich und unangemessen hoch. Das Grundhonorar bewege sich zwar noch
innerhalb dessen, was anlässlich einer Honorarbefragung des BVSK als angemessen
ermittelt worden sei. Jedoch seien die Nebenkosten des Klägers überhöht.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine Honoraransprüche in
Höhe von 181,03 EUR nebst Zinsen weiter verfolgt.
Er trägt vor, die Feststellung des Erstrichters, seine Forderung sei wegen unangemessen
hoher Nebenkosten überhöht, sei fehlerhaft. Er habe die Kosten in ortsüblicher Höhe
abgerechnet, was durch ein Sachverständigengutachten, das er beantragt habe, bewiesen
worden wäre. Dessen Einholung habe das Amtsgericht zu Unrecht unterlassen und sich
stattdessen auf eine willkürliche Schätzung eingelassen.
Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung, soweit die Forderung des Klägers
als überhöht angesehen worden ist. Der Erstrichter hätte die Klage sogar im Ganzen
abweisen müssen, weil die Abtretung der Schadensersatzansprüche gegen Art. 1 RBerG
verstoßen habe. Der Kläger habe gar nicht versucht, die Forderung gegenüber seiner
Kundin einzuziehen. In Parallelfällen habe sich nämlich bestätigt, dass der Kläger seinen
Kunden mitgeteilt habe, es bestehe trotz der Mahnung kein Handlungsbedarf.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung, die form- und fristgerecht eingelegt und nach der Zulassung durch das
Amtsgericht trotz Nichterreichens der Berufungssumme zulässig ist (§ 511 Abs. 2 Nr. 2
ZPO), ist unbegründet. Die Entscheidung des Erstrichters beruht auf keiner
Rechtsverletzung zum Nachteil des Klägers und die zugrunde zu legenden Tatsachen
rechtfertigen keine dem Kläger günstigere Entscheidung (§ 513 ZPO).
A)
Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts besteht schon dem Grunde nach kein
Schadensersatzanspruch des Klägers aus abgetretenem Recht seiner Kundin (§§ 7 Abs. 1,
17 Abs. 2 StVG i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVersG), da die ursprüngliche Abtretung vom 7.7.2006
gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG nichtig ist (unten 1 bis 3), wie
die Kammer bereits in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargelegt hat, und auch
die nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgte Abtretung vom 9.6.2008 nicht mehr
zu berücksichtigen war (unten 4).
1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt: NJW 2006, 1726
m.w.N.), die zur Frage der Abtretung von unfallbedingten Schadensersatzansprüchen an
Mietwagenunternehmer ergangen ist, bedarf es zur geschäftsmäßigen Übernahme der
Schadensregulierung der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG, und zwar auch dann,
wenn die Schadensersatzforderungen nur erfüllungshalber abgetreten werden und die
eingezogenen Beträge auf die Forderungen gegen die Kunden verrechnet werden. Die
Ausnahmevorschrift des Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG kommt dem Unternehmer nicht zugute.
Indes erweist sich nicht jede Geltendmachung abgetretener Schadensersatzansprüche als
von vornherein unwirksam. Bei der Beurteilung, ob die Abtretung den Weg zu einer
erlaubnispflichtigen Besorgung von Rechtsangelegenheiten eröffnen sollte, ist nicht allein
auf den Wortlaut der getroffenen vertraglichen Vereinbarung, sondern auf die gesamten
dieser zugrunde liegenden Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang
abzustellen, also auf eine wirtschaftliche Betrachtung, die es vermeidet, dass Art. 1 § 1
RBerG durch formale Anpassung der geschäftsmäßigen Rechtsbesorgung an den
Gesetzeswortlaut und die hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze umgangen wird (BGH NJW
a.a.O. m.w.N.). Geht es dem Unternehmen im Wesentlichen darum, die durch die
Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen, so besorgt es keine
Rechtsangelegenheit des geschädigten Kunden, sondern eine eigene Angelegenheit. Ein
solcher Fall liegt nicht vor, wenn nach der Geschäftspraxis des Unternehmens die
Schadensersatzforderungen der unfallgeschädigten Kunden eingezogen werden, bevor
diese selbst auf Zahlung in Anspruch genommen werden. Denn damit werden den
Geschädigten Rechtsangelegenheiten abgenommen, um die sie sich eigentlich selbst zu
kümmern hätten (BGH, a.a.O., m.w.N.).
2) Unter Beachtung dieser Grundsätze, die nicht allein auf Mietwagenunternehmer
beschränkt sind, sondern in gleicher Weise auch für die gerichtliche Geltendmachung durch
andere an der Schadensbeseitigung beteiligte Unternehmer, wie Reparaturwerkstätten
oder Schadensgutachter (vgl. zu letztgenannten OLG Naumburg NJW-RR 2006, 1029)
gelten, ist die ursprünglich erfolgte Abtretung, die allein Gegenstand des
Berufungsverfahrens ist, nicht wirksam.
a) Gegen eine umfassende Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten mag zwar der
Umstand sprechen, dass nicht sämtliche Ansprüche der Geschädigten abgetreten sind,
sondern lediglich „die Gebühren für das gefertigte Gutachten“, mithin der dahingehende
Erstattungsanspruch gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer (vgl. BGH NJW
a.a.O.). Dies schließt indes nicht aus, dass der Kläger vor dem Hintergrund, gegenüber
seinen Kunden nicht als Forderungsgläubiger auftreten zu müssen, eine allein auf die
Erstattung der Sachverständigenkosten beschränkte Durchsetzung fremder
Schadensersatzansprüche übernehmen wollte.
b) Gewichtiges Indiz für die Übernahme einer solch fremden Rechtsangelegenheit ist hier
schon der Wortlaut der Abtretungserklärung. So ergibt sich etwa aus dem Text der
Abtretungserklärung, die der vom Kläger zitierten Entscheidung der 11. Zivilkammer des
Landgerichts Saarbrücken zugrunde lag (Urteil vom 19.4.2007, 11 S 201/06), dass es
dem dortigen Kläger nicht darauf angekommen ist, Ansprüche seines Auftraggebers
wahrzunehmen. Anders aber als in den Fällen, in denen sich auch der Bundesgerichtshof
für die Wirksamkeit der Abtretung entschieden hatte (vgl. BGH NJW 2006, 1726; BGH NJW
2005, 3570; BGH NJW-RR 2005, 1371; BGH VersR 2005, 241), liegt der hier streitigen
Abtretungserklärung gerade nicht die ausdrückliche Erklärung zugrunde, dass die Abtretung
lediglich zur Sicherung der Forderung des Klägers gegen seine Kunden dienen sollte.
Maßgebliches Gewicht gewinnt zudem die Formulierung, wonach der Kunde „ ... darauf
hingewiesen (wurde), dass bei Verzögerung der Schadensregulierung die Gebühren nach
Ablauf einer Frist von 4 Wochen unmittelbar gegen (ihn) geltend gemacht werden
können.“. Diese Formulierung legt nahe, dass die Schadensregulierung vorrangig durch den
Kläger erfolgen sollte und erst nachrangig durch die Kunden, falls sich der Kläger zur
eigenen Schadloshaltung an seine Kunden halten müsste.
Dieser Annahme steht nicht entgegen, dass der Ersatz des Schadens letztlich durch den
Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer erfolgen soll und ein praktisches Bedürfnis die
Mitwirkung des Unternehmers zur Vereinfachung der Schadensabwicklung zulässig macht
(vgl. BGH VersR 2005, 241). Die zulässige Mitwirkung bei der Schadensabwicklung
erfordert nämlich, dass zwischen dem Kläger und seinen Kunden zweifelsfrei klargestellt
ist, dass die Kunden für die Verfolgung und Durchsetzung ihrer Ansprüche selbst tätig
werden müssen (BGH a.a.O.). Eine solche Klarstellung fehlt in der hier
streitgegenständlichen Abtretungserklärung.
Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 10.6.2008 meint, die Formulierung sei als bloßer
Fälligkeitshinweis zu verstehen, gibt der Wortlaut der Regelung für eine solche Auslegung
nichts her. Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass die Regelung einer Inanspruchnahme des
Kunden vor Ablauf von 4 Wochen entgegensteht, wie dies auch bei einer
Fälligkeitsvereinbarung der Fall ist. Allerdings besagt die Regelung gerade nicht, dass der
Kunde nach Ablauf von 4 Wochen auch an den Kläger zu leisten hätte, wie dies für eine
Fälligkeitsregelung erforderlich wäre. Denn es wird lediglich in Aussicht gestellt, dass die
Inanspruchnahme des Kunden nach Fristablauf erfolgen „könne“. Damit gewinnt die
Regelung vielmehr den Charakter eines Sicherungsmittels zugunsten des Klägers im Falle
des Forderungsausfalls gegenüber der Versicherung und steht gerade der Annahme
entgegen, dass die Abtretung zur Sicherung der Ansprüche des Klägers gegen den Kunden
diente.
c) Auch lässt sich nicht feststellen, dass es die Geschäftspraxis des Klägers gewesen
wäre, sich ernsthaft – aber erfolglos – darum zu bemühen, seine Kunden zur Zahlung zu
bewegen, bevor er gegenüber dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer die
Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs betreibt. Eine solche Geschäftspraxis wäre
indes geboten, um die aus dem Wortlaut der Abtretungserklärung hervorgehende
Annahme, dass die Abtretung dem Kläger zur Wahrnehmung fremder
Rechtsangelegenheiten dienen soll, in Zweifel zu ziehen. Ihm stünde dann das legitime
Interesse zur Seite, zur Durchsetzung seines vertraglichen Anspruchs die ihm durch die
Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwerten, ohne dass dies als unerlaubte
Rechtsbesorgung zu werten wäre (BGH VersR 2006, 283; NJW 2005, 3570; NJW-RR
2005, 1371; VersR 2005, 241; VersR 2004, 1062; VersR 2003, 656).
Hierfür wäre ein geschäftliches Verhalten des Klägers erforderlich, sich zur Befriedigung der
Honorarforderung in all den Fällen zunächst an die eigenen Kunden zu halten, in denen die
einfache Schadensabwicklung mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers ohne Erfolg
blieb. Erst dies würde eine regelmäßige Übung und damit eine Geschäftspraxis des Klägers
begründen, von der allenfalls in Einzelfällen Ausnahmen denkbar sind, etwa wenn sich die
Inanspruchnahme eines Kunden von vornherein als ersichtlich aussichtslos erweisen würde.
Ein solches geschäftliches Verhalten hat der Kläger indes weder dargetan noch ist es aus
den weiteren Umständen heraus ersichtlich.
aa) Dass der Kläger in diesem wie in vier weiteren Fällen, denen die hier gewählte
formularmäßige Abtretungserklärung zugrunde lag und die der Kammer aus den
anhängigen Parallelverfahren bekannt sind (vgl. 13 S 34/08, 13 S 35/08, 13 S 39/08 und
13 S 41/08), vor der streitigen Durchsetzung seiner abgetretenen Ansprüche zunächst
seine Kunden zur Zahlung gemahnt haben mag, oder dies – wie etwa in der Sache 13 S
30/08 – wegen einer ernsthaften Zahlungsverweigerung ausnahmsweise für entbehrlich
halten durfte, lässt eine ausreichende Geschäftspraxis noch nicht entstehen.
bb) Demgegenüber ist der Kammer nämlich aus den anhängigen Parallelverfahren, dem die
hier gewählte formularmäßige Abtretungserklärung ebenfalls zugrunde lag, auch bekannt,
dass der Kläger in einigen Fällen das gerichtliche Mahnverfahren bereits gegen die Beklagte
eingeleitet hat, noch bevor die Zahlungsfrist abgelaufen war, die er seinen Kunden in der
jeweiligen Mahnung einräumte. Dies war im Verfahren 13 S 31/08 bei der Geschädigten …
der Fall und auch bei dem Geschädigten … in der Sache 13 S 32/08. In beiden Fällen hat
der Kläger nicht nur die den Kunden mit seiner Mahnung eingeräumte Zahlungsfrist nicht
abgewartet. Er hat vielmehr das gerichtliche Mahnverfahren bereits eingeleitet, noch bevor
er überhaupt eine Mahnung an die Kunden gerichtet hatte. Im Fall der Kundin …, die mit
Schreiben vom 26.10.2006 gemahnt wurde, war dies bereits am 11.10.2006, im Fall des
Kunden …, der eine Mahnung im Februar 2007 erhielt, am 17.1.2007. Daher überzeugt es
nicht, wenn der Kläger im Schriftsatz vom 10.6.2008 meint, die Fälle … und … würden
gerade eine Geschäftspraxis bestätigen, wonach er sich ernsthaft um die Realisierung
seiner Forderung gegenüber seinen Kunden bemühe, denn beide Kunden hätten nach
Erhalt der Mahnung die Erfüllung verweigert und daher sei ihm ein Zuwarten bis zum Ablauf
der gesetzten Frist als bloße Förmelei nicht zumutbar gewesen. Im Gegenteil führen beide
Vorgänge vielmehr zur Annahme, dass es dem Kläger gerade nicht darum gegangen ist,
die Kunden ernsthaft auf Zahlung in Anspruch zu nehmen.
cc) Zudem belegt das von der Beklagten dargestellte Verhalten gegenüber den
Geschädigten … und … in den Verfahren des Amtsgerichts Saarbrücken 5 C 238/08 und 5
C 342/07, deren Akten die Kammer beigezogen hat, dass der Kläger seine Kunden auch in
weiteren Fällen nicht ernsthaft auf Zahlung in Anspruch nehmen wollte. So hat der Kläger
gegenüber seiner Kundin … erklärt, trotz der an sie gerichteten Mahnung bestehe kein
weiterer Handlungsbedarf (vgl. Bl. 72 d.A. 5 C 238/07) bzw. dem Kunden … sogar den
Betrag zurückerstattet, den der Kunde auf die Mahnung an den Kläger gezahlt hat (vgl. Bl.
106 d.A. 5 C 342/07). Diese Fälle sind vom Kläger nicht in Abrede gestellt worden und
zwar weder durch ein Bestreiten in diesem Verfahren noch im Wege der Berufung gegen
die darauf ergangenen klageabweisenden Entscheidungen des Amtsgerichts. Sie waren
daher der jetzigen Entscheidung ohne weiteres zugrunde zu legen und lassen gerade keine
Geschäftspraxis erkennen, die die Abtretung im Lichte einer Sicherungsabtretung hätte
erscheinen lassen. Selbst wenn die Rückerstattung des Geldes an den Kunden … nach
dem Vortrag des Klägers auf einem Versehen beruhen sollte, ist hieraus eine gegenteilige
Praxis nicht zu entnehmen. Zudem macht die Erklärung an die Kundin … überdeutlich,
dass es dem Kläger gerade nicht darauf angekommen ist, die Bezahlung von seinen
Kunden zu erlangen, sondern dass er vielmehr die beklagte Versicherung in jedem Fall in
Anspruch nehmen wollte.
dd) Nichts anderes ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom
10.6.2008, weswegen hierauf auch nicht die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen
war. Insoweit trägt der Kläger zwar nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor, er habe
seine Kunden durchaus erfolgreich zur Zahlung gemahnt, weshalb nur die unerfüllt
gebliebenen Forderungen gegen die Versicherung des Schädigers eingeklagt würden.
Allerdings erschöpft sich dieses Vorbringen auf drei exemplarische Einzelfälle, die noch
keinen hinreichenden Aufschluss über die gesamte Geschäftspraxis des Klägers liefern
können. Gleiches gilt für die Behauptung, er habe alle Kunden, die die Forderung nicht
bezahlten, gemahnt. Allein die Versendung der Mahnung genügt nicht, solange sich daraus
nicht das regelmäßige und ernsthafte Bemühen des Forderungseinzuges erkennen lässt.
Im Hinblick darauf, dass bereits in vier der aufgezeigten 13 Fälle, mithin zu mehr als 30 %,
eine hinreichende Geschäftspraxis nicht zu erkennen war, lassen sich die Fälle
unzureichender Inanspruchnahme der Kunden auch nicht mehr als unbeachtliche Einzelfälle
bewerten.
3) Zu keiner abweichenden Beurteilung führt ferner die vom Kläger angeführte
Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 15.11.2001 (13 U 44/01). Das
Oberlandesgericht Celle sieht zwar in dem Umstand, dass der Sachverständige seinen
Auftragnehmer nicht zuvor auf Zahlung in Anspruch nimmt, sondern sich direkt an den
betroffenen Versicherer wendet, allein noch keinen Anlass für einen Verstoß gegen Art. 1 §
1 RBerG. Dass der Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle indes ein Sachverhalt
zugrunde lag, wonach der Sachverständige nicht nur die einfache Schadensabwicklung
betrieben hat, sondern – wie hier – noch vor Mahnung seiner Kunden das gerichtliche
Mahnverfahren zur Schadensregulierung betrieben hat, ist schon nicht ersichtlich. Geboten
ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Celle zudem eine wirtschaftliche
Betrachtungsweise, die darauf abstellt, ob die Abtretung im Wesentlichen dem
Vergütungsinteresse des Sachverständigen dient und sie in erster Linie zur Absicherung
seiner Ansprüche erscheinen lässt. Auch hieran fehlt es im Streitfall, da bereits der
eindeutige Wortlaut der Abtretungserklärung darauf schließen lässt, dass der Kläger die
Schadensregulierung für seine Kunden übernehmen wollte und eine hiervon abweichende
Geschäftspraxis nicht feststellbar ist. Soweit das Oberlandesgericht Celle zudem
maßgebend darauf abstellt, ob der Auftraggeber eine rechtliche Prüfung von
Geschäftsinhalt oder Geschäftsrisiken ausdrücklich wünscht oder zumindest erkennbar
erwartet, vermag dies nicht zu überzeugen. Der Erlaubnisvorbehalt von Art. 1 § 1 RBerG
setzt eine solche Rechtsprüfung nicht voraus. Erfasst von Art. 1 § 1 RBerG ist nämlich nicht
nur die Rechtsbesorgung in Gestalt der Rechtsberatung, sondern auch durch die Einziehung
fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen. Die rechtsbesorgende
Tätigkeit kann vielmehr auch der Rechtsverwirklichung dienen, d.h. ausgeübt werden, um
Ansprüche zu sichern oder durchzusetzen (Chemnitz/Johnigk, Rechtsberatungsgesetz, 11.
Auflage 2003, Art. 1 § 1 Rn. 64). In Übereinstimmung mit der Ansicht des
Bundesgerichtshofs, der ebenfalls nur auf die Einziehung der Forderung abstellt (vgl. BGH
NJW 2006, 1726), geht die Kammer deshalb davon aus, dass ein Verstoß gegen Art. 1 § 1
RBerG nicht davon abhängt, ob ein weitergehender Prüfauftrag gewollt war.
4) Schließlich verhilft dem Kläger der nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgte
Vortrag einer neuerlichen Abtretung, die am 9.6.2008 erfolgt und ausdrücklich als
Sicherungsabtretung formuliert sei, nicht zum Erfolg. Dieses neue Vorbringen, das zu einer
Klageänderung i.S.d. § 533 ZPO geführt hätte, war gemäß § 296a ZPO für die
Entscheidung nicht mehr zu berücksichtigen und gab auch keine Veranlassung zur
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO).
Wiederzueröffnen ist die mündliche Verhandlung aufgrund neuen Vorbringens insbesondere
bei einer Verletzung der richterlichen Hinweis- und Aufklärungspflicht oder bei einer
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Beides ist nicht
der Fall, denn hierzu wäre erforderlich, dass nach dem Hinweis der Kammer im Termin
vom 6.6.2008 neuer Prozessstoff eingeführt worden wäre, der für die Entscheidung
erheblich ist und eine Stellungnahme des Gegners erforderlich macht. Dies gilt für neues
Vorbringen, das zulässigerweise in einem nachgelassenen Schriftsatz (§ 283 ZPO)
enthalten ist (vgl. Musielak/Stadler, ZPO, 6. Auflage 2008, § 156 Rn. 4), aber auch dann,
wenn das neue Vorbringen in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz erfolgt (vgl.
Musielak/Stadler, a.a.O., § 156 Fußnote 5 unter Verweis auf BGH MDR 2001, 567). Auch
hier bedarf es einer Wiedereröffnung nur dann, wenn eine Stellungnahme des Gegners
erforderlich ist. Dies ist hier nicht der Fall, weil das neue Vorbringen des Klägers – würde
hierüber neuerlich verhandelt – nicht geeignet wäre, eine dem Kläger günstigere
Entscheidung herbeizuführen. Dabei kann zugunsten des Klägers noch unterstellt werden,
dass die Klageänderung den Voraussetzungen des § 533 ZPO genügt hätte. Denn in der
Sache würde sie keine wirksame Abtretung begründen.
a) Zur Beurteilung der Frage, ob die neuerliche Abtretung die für ihre Wirksamkeit im
Hinblick auf Art. 1 § 1 RberG genannten Voraussetzungen erfüllt, hätte es der Darlegung
bedurft, dass der Kläger eine Geschäftspraxis verfolgt, wonach die Abtretung nicht nur
formal, sondern auch inhaltlich als Sicherheitsabtretung zu würdigen ist. Denn allein die
vorgenommene formale Anpassung an die gesetzlichen Vorgaben und die hierzu
ergangenen Rechtsprechungsgrundsätze genügt nicht (vgl. BGH NJW 2006, 1726, vgl.
auch Urteil der Kammer vom 4.4.1997, 13A S 116/96).
b) Allein aus der bisherigen Geschäftspraxis lassen sich keine hinreichenden Rückschlüsse
auf den Zweck der nunmehr erfolgten Abtretung herleiten. Maßgeblich dafür, ob die nun
erfolgte Abtretung als „wahre“ Sicherungsabtretung zu werten ist, wäre vielmehr die
Frage, ob sich der Kläger nunmehr, da er die Abtretung auf eine geänderte formale
Grundlage gestellt hat, ernsthaft – aber erfolglos – darum bemüht, seine Kunden zur
Zahlung zu bewegen, bevor er gegenüber der Beklagten die Durchsetzung des
abgetretenen Anspruchs (weiter) betreibt. Hierfür trägt der Kläger nichts vor.
c) Auch genügt es nicht, sich darauf zu berufen, die Kunden hätten bereits im Vorfeld die
Zahlung an ihn verweigert. Denn diese Zahlungsverweigerungen sind noch vor dem
Hintergrund der „alten“ Abtretung erfolgt. Diese war indes nicht als Sicherungsabtretung
ausgestaltet, sondern sollte den Kunden im Hinblick auf die Haftung der Beklagten die
Regulierung der Gutachterkosten gänzlich abnehmen. Da dieser Grund für eine
Zahlungsverweigerung nunmehr in Wegfall geraten ist und den Kunden nach dem Wortlaut
der neuen Abtretung sowohl die Regulierung ihrer Ersatzansprüche als auch die
Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Werklohnforderung überlassen bleibt, kann aus dem
vorherigen Verhalten der Kunden, insbesondere der Zahlungsverweigerung, kein
hinreichender Rückschluss auf ein mögliches aktuelles Zahlungsverhalten gezogen werden.
Gerade mit Blick auf die geänderte Abtretungserklärung kann nicht ausgeschlossen
werden, dass sich die Kunden nunmehr ihrer Zahlungspflicht gegenüber dem Kläger
beugen und erst anschließend zur eigenen Schadloshaltung den Regress bei der Beklagten
betreiben.
B)
Auch steht dem Kläger kein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte unter dem
Gesichtspunkt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823
Abs. 1 BGB) vor dem Hintergrund zu, dass die Beklagte sich mit Schreiben vom 21.7.2006
an die Rechtsanwälte seiner Kundin gewandt hat.
In diesem Schreiben legt die Beklagte der Kundin des Klägers allerdings nahe, die
Forderung des Klägers nicht zu begleichen und es ggf. sogar auf eine gerichtliche
Auseinandersetzung mit dem Kläger ankommen zu lassen. Dies ergibt sich nach dem
Verständnis des durchschnittlichen Geschädigten zweifelsfrei aus der von der Klägerin
gewählten Formulierung sowie dem Hinweis, dass die Beklagte im Falle der gerichtlichen
Niederlage sogar für die Kosten der Kundin aufkomme und hiernach auch den Ausgleich
des Sachverständigenhonorars übernehme.
Ob sich dieses Verhalten – was nahe liegt – als Aufforderung zum Vertragsbruch und damit
rechtswidriger Eingriff in den Gewerbebetrieb des Klägers darstellt (vgl. hierzu: BGH NJW
1999, 279, 281) kann dahin gestellt bleiben. Auch wenn dem Kläger dem Grunde nach ein
Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zustünde, lässt sich ein Schaden, der dem
Kläger aus dem Verhalten der Beklagten entstanden wäre, nicht feststellen. Allein der
Umstand, dass die Kundin des Klägers die Zahlung des Werklohns verweigert und dem
Kläger damit einen Vermögenszufluss vorenthält, genügt noch nicht, um auch eine
schadensrelevante Vermögenseinbuße zu begründen. Denn solange die Zahlung nicht
erbracht wird, befindet sich im Vermögen des Klägers nach wie vor die entsprechende
Forderung gegen seine Kundin. Dass diese Forderung im Wert hinter dem Wert
zurückbliebe, den eine Erfüllung besessen hätte, etwa wegen Insolvenzgefahr oder einer
sonstigen Gefahr, die Forderung jetzt nicht mehr realisieren zu können, ist nicht ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr.
10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche über den
konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des
Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO), da die Kammer die Frage der Nichtigkeit der
Abtretung in Übereinstimmung mit den hierzu ergangenen Rechtsprechungsgrundsätzen
des Bundesgerichtshofs beantwortet.