Urteil des LG Rottweil vom 02.10.2015

honorarforderung, aufrechnung, strafrechtliche verantwortlichkeit, architektenvertrag

LG Rottweil Urteil vom 2.10.2015, 2 O 291/14
Maßgebender Zeitpunkt der Schadensberechnung; sekundäre Darlegungslast des Schädigers
bei Schutzgesetzverletzung
Tenor
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 28.804,22 EUR nebst Zinsen hieraus in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21.12.2013 sowie weitere 1.666,95 EUR
nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.11.2014 zu
zahlen.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand
1 Der Kläger nimmt die Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht auf Schadensersatz wegen angeblich
zu Unrecht einbehaltener Baugelder in Anspruch.
2 Der Beklagte Ziff. 1 betreibt ein Bauingenieurbüro. Die Beklagte Ziff. 2, seine Ehefrau, ist dort für die
Buchhaltung verantwortlich. Der in dem Rechtsstreit involvierte Sohn der Beklagten betreibt die Baufirma
E..
3 Am 02./03.11.2010 schlossen der Kläger und seine Ehefrau mit dem Beklagten Ziff. 1 neben einem
Architektenvertrag (vgl. Anlage K2/Bl. 8-11 d.A.) eine sog. Vereinbarung zur Bauabwicklung (vgl. Anlage
K1/Bl. 7 d.A.). Gegenstand dieses Vertrages war die Erstellung eines Einfamilienhauses und insbesondere die
Organisation des Bauvorhabens und die Vergabe der anfallenden Bauleistungen an die Handwerksbetriebe.
Es wurde vereinbart, dass die Vergütung für die anfallenden Bauleistungen in 8 Raten auf ein Konto bei der
N-Bank, für das die Beklagte Ziff. 2 Kontoinhaberin war, zu überweisen ist und die Handwerkerrechnungen
von diesen Baugeldern beglichen werden. Die Gesamtkosten des Bauvorhabens wurden hierbei inklusive
einer Eigenleistung des Klägers und seiner Ehefrau in Höhe von 37.100,00 EUR mit 227.700,00 EUR
inklusive Mehrwertsteuer angegeben. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Vereinbarung zur
Bauabwicklung Bezug genommen (vgl. Anlage K1/Bl. 7 d.A.).
4 Entsprechend dieser Vereinbarung zahlten der Kläger und seine Ehefrau zwischen dem 09.11.2010 und dem
21.06.2011 einen Betrag in Höhe von insgesamt 125.404,00 EUR auf das Konto der Beklagten Ziff. 2 ein. In
der Folgezeit mussten sie feststellten, dass die Baugelder nur teilweise zur Bezahlung der
Handwerkerrechnungen verwendet wurden und ein Teil von den Beklagten für die private Lebensführung
ausgegeben wurde. Anstelle dem Kläger und seiner Ehefrau die von ihnen verlangte Auskunft über die
Verwendung der Baugelder zu erteilen, kündigte der Beklagte Ziff. 1 mit Schreiben vom 22.09.2011 die
Vereinbarung zur Bauabwicklung fristlos (vgl. Anlage K3/Bl. 12 d.A.).
5 Daraufhin beauftragten der Kläger und seine Ehefrau ihren Prozessbevollmächtigten mit der Überprüfung
der noch offenen Handwerkerrechnungen. Ausgehend von einem Gegenstandswert in Höhe von 32.558,52
EUR, nämlich dem Gesamtrechnungsbetrag, belaufen sich die Kosten für dieses Forderungsmanagement auf
1.604,12 EUR (vgl. Anlage K10/Bl. 24 d.A.).
6 Parallel dazu leitete die Staatsanwaltschaft R. gegen die Beklagten ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue
ein. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts O. vom 19.09.2011, Az.: 1 Cs …/11, wurden die Beklagten jeweils
rechtskräftig wegen Verstoßes gegen § 1 BauFordSiG verurteilt. In dem wesentlichen Ergebnis der
Ermittlungen wird festgestellt, dass am 01.10.2010 der Beklagte Ziff. 1 insgesamt 27.865,02 EUR für
Architekturleistungen in Rechnung gestellt hat, wobei zu seinen Gunsten davon ausgegangen wird, dass
ihm die Honorarforderung in dieser Höhe auch zustand und fällig war. Hinsichtlich der weiteren
Feststellungen wird auf die betreffenden Strafbefehle Bezug genommen (vgl. Anlage K6/Bl. 15-17 d.A.,
Anlage K7/Bl. 19 d.A.).
7 Mit Schreiben vom 12.12.2013 forderten der Kläger und seine Ehefrau die Beklagten zur Zahlung von
27.200,10 EUR sowie zur Erstattung der vorbezeichneten Kosten für das Forderungsmanagement unter
Fristsetzung bis zum 20.12.2013 auf (vgl. Anlage K8/Bl. 22 d.A.). Der Betrag in Höhe von 27.200,10 EUR
setzt sich dabei wie folgt zusammen:
8
bereitgestellte Baugelder
125.404,00 EUR
Handwerkerforderungen
./. 70.268,88 EUR
einbehaltene Baugelder
55.065,12 EUR
Honorarforderung des Beklagten Ziff. 1 ./. 27.865,02 EUR
Summe
27.200,10 EUR
9 Nach fruchtlosem Fristablauf hat der Kläger am 10.11.2014 Klage gegen die Beklagten erhoben. Im Laufe
des Prozesses haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 09.04.2015 zunächst die hilfsweise Aufrechnung mit
einer angeblich noch offenen Honorarforderung des Beklagten Ziff. 1 und angeblich an ihn abgetretenen
Handwerkerforderungen der Fa. E. in Höhe von insgesamt 18.000,00 EUR erklärt (vgl. Schriftsatz vom
09.04.2015, dort S. 2/Bl. 92 d.A.). Mit Schriftsatz vom 05.06.2015 haben die Beklagten dann die hilfsweise
Aufrechnung mit einer angeblich noch offenen Honorarforderung des Beklagten Ziff. 1 in Höhe von
insgesamt 10.180,43 EUR erklärt, und zwar bezogen auf die mit Klageantrag Ziff. 2 und 3 geltend
gemachten Ansprüche auf Erstattung der Kosten für das Forderungsmanagement und der vorgerichtlichen
Anwaltskosten (vgl. Schriftsatz vom 05.06.2015, dort S. 2/Bl. 232 d.A.).
10 Der Kläger ist der Meinung, dass ihm aufgrund der Feststellungen in den rechtskräftigen Strafbefehlen nach
§§ 823 Abs. 2, 830 BGB in Verbindung mit § 1 BauFordSiG bzw. § 266 Abs. 1 StGB ein
Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten wegen zu Unrecht einbehaltener Baugelder in Höhe von
zumindest 27.200,10 EUR zustehe. Hilfsweise stützt der Kläger seinen Anspruch auf § 280 Abs. 1 BGB in
Verbindung mit der Vereinbarung zur Bauabwicklung. Soweit die Beklagten behaupten, von den
bereitgestellten Baugeldern seien mehr als 70.268,88 EUR an Handwerker weitergeleitet worden und dem
Beklagten Ziff. 1 stünde ein höheres Honorar als 27.865,02 EUR zu, werden sämtliche vorgelegte
Rechnungen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bestritten. Im Übrigen erachtet der Kläger die
Rechnungslegung als unzureichend und vertritt daher die Meinung, dass eine etwaige noch offene
Honorarforderung jedenfalls nicht fällig wäre.
11 Der Kläger beantragt,
12 1. die Beklagten werden verurteilt, an ihn 27.200,10 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 21.12.2013 zu bezahlen,
13 2. die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, weiteren Schadensersatz in Höhe von 1.604,12
EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 21.12.2013
an ihn zu zahlen,
14 3. die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an ihn außergerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe
von 1.666,95 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der
EZB seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
15 Die Beklagten beantragen,
16 die Klage abzuweisen.
17 Die Beklagten sind der Meinung, dass sie die Feststellungen in den rechtskräftigen Strafbefehlen nicht gegen
sich gelten lassen müssten, weil dem Beklagten Ziff. 1 eine nach Tatbegehung fällig gewordene
Honorarforderung in einer die Klagesumme übersteigenden Höhe zustünde. Diese beziffern die Beklagten
zuletzt auf 52.858,37 EUR (vgl. Schriftsatz vom 03.08.2015, dort S. 1/Bl. 434 d.A.), basierend auf einer
„Honorarschlussrechnung“ vom 11.03.2015 über 47.717,57 EUR (vgl. Anlage 10/Bl. 227-230 d.A.) und einer
weiteren Rechnung vom 31.05.2012 über 5.140,80 EUR für „zusätzlich erforderliche Baustellentermine“
(vgl. Anlage B7/Bl. 284 d.A.). Weiter behaupten die Beklagten unter Bezugnahme auf eine
„Abwicklungsauflistung per 10.06.2015“ (vgl. Anlage A01/Bl. 138 d.A.), dass sie von den bereitgestellten
Baugeldern in Höhe von unstreitig 125.404,00 EUR einen Betrag in Höhe von 81.929,73 EUR für die
Bezahlung von Handwerkerrechnungen verwendet hätten (vgl. Schriftsatz vom 22.07.2015, dort S. 5-8/Bl.
569-572 d.A.). Hierin enthalten seien allein Zahlungen an die Fa. E. in Höhe von 20.825,53 EUR. Die einzeln
in Rechnung gestellten Bauleistungen seien teils auf Mehraufwendungen zurückzuführen, die angefallen
seien, weil die von dem Kläger und seiner Ehefrau erbrachten Eigenleistungen mangelhaft gewesen seien.
Dies zugrunde gelegt errechnen die Beklagten eine noch offene Honorarforderung des Beklagten Ziff. 1 von
zuletzt 9.389,12 EUR:
18
bereitgestellte Baugelder
125.404,00 EUR
Handwerkerforderungen
./. 81.929,73 EUR
Honorarforderung des Beklagten Ziff. 1 ./. 52.858,37 EUR
Summe
9.389,12 EUR
19 Ihre Aufrechnungserklärungen möchten die Beklagten dabei als „Verrechnung“ verstanden wissen, für die
das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB nicht gelte.
20 Es wurden die Strafakten, Az.: 1 Cs …/11, des Amtsgerichts O. beigezogen. Das Gericht hat in der Sitzung
vom 03.07.2015 sowie mit Beschluss vom 27.07.2015 diverse Hinweise erteilt. Diesbezüglich und
hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Sitzungsprotokoll vom
03.07.2015 (Bl. 251-254 d.A.), den Beschluss vom 27.07.2015 (Bl. 431-433 d.A.) sowie auf die
gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
21 1. Die zulässige Klage ist begründet.
22 a) Der Kläger hat Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 30.471,17 EUR gegen den Beklagten Ziff. 1 aus
§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 Abs. 1 StGB, gegen die Beklagte zusätzlich in Verbindung mit §
830 BGB. Soweit der Kläger seinen Schadensersatzanspruch dagegen auf eine Verletzung von § 2
BauFordSiG stützt, ist zu bemerken, dass er als Bauherr - mag er auch Eigenleistungen erbracht haben -
nicht in den persönlichen Schutzbereich des Gesetzes fällt (LG Erfurt, NZBau 2014, 267 ff.; Kniffka/Koeble,
Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. 2014, Teil 12 Rn. 204; Schulze-Hagen, NJW 1986, 2403, 2405).
23 aa) Der Beklagte Ziff. 1 hat durch zweckwidrige Verwendung der Baugelder den Straftatbestand der
Untreue in Form der Treuebruchsuntreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB verwirklicht. Die Beklagte Ziff. 2 hat ihm
hierzu Beihilfe geleistet.
24 Nach § 266 Abs. 1 StGB steht unter Strafe, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder
Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu
verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines
Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch
dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt.
25 Bei dem Straftatbestand der Untreue handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB
(BGH NJW 1999, 2817; Sprau, in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 823 Rn. 70), dessen Verwirklichung der
Kläger bezogen auf jedes einzelne Tatbestandsmerkmal darzulegen und zu beweisen hat (Sprau, in: Palandt,
BGB, 74. Aufl. 2015, § 823 Rn. 81). Diese Darlegung und Beweisführung ist dem Kläger nach Überzeugung
des Gerichts gelungen.
26 (1) Den Beklagte Ziff. 1 traf aus der Vereinbarung zur Bauabwicklung (Anlage K1/Bl. 7 d.A.) eine
Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Kläger und dessen Ehefrau.
27 Eine Vermögensbetreuungspflicht ist zu bejahen, wenn den Täter eine inhaltlich herausgehobene Pflicht
trifft, Vermögensinteressen eines Dritten zu betreuen, d.h. diesem drohende Vermögensnachteile
abzuwenden. Er muss innerhalb eines nicht ganz unbedeutenden Pflichtenkreises im Interesse des
Vermögensinhabers tätig und zur fremdnützigen Vermögensfürsorge verpflichtet sein. Allgemeine
schuldrechtliche Verpflichtungen, insbesondere aus Austauschverhältnissen, reichen dagegen nicht aus, und
zwar auch dann nicht, wenn sich hieraus Rücksichtnahme- und Sorgfaltspflichten ergeben. Die
Vermögensbetreuung muss dabei eine Hauptpflicht, d.h. zumindest eine mitbestimmende und nicht nur
beiläufige Pflicht darstellen. In der Regel ergibt sich eine Treuepflicht nur aus einem fremdnützig typisierten
Schuldverhältnis, in welchem der Verpflichtung des Täters Geschäftsbesorgungscharakter zukommt. Es
kommt daher bei rechtsgeschäftlicher Begründung im Einzelfall auf die vertragliche Ausgestaltung des
Rechtsverhältnisses an (Fischer, StGB, 61. Aufl. 2014, § 266 Rn. 21).
28 Danach sind im Baugewerbe als vermögensbetreuungspflichtig allgemein anerkannt der Architekt gegenüber
seinem Bauherrn, falls er nicht nur mit der Bauplanung, sondern auch mit der Vergabe und Abrechnung der
Arbeiten betraut ist (BGH MDR 1969, 534; BayObLG NJW 1996, 268, 271), und der Baubetreuer beim
Bauherrenmodell gegenüber dem Bauherrn (BGH wistra 1991, 266).
29 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist hier eine Vermögensbetreuungspflicht zu bejahen. Den
Beklagten Ziff. 1 und den Kläger sowie dessen Ehefrau verband ein Baubetreuungsvertrag. Wesensmerkmal
eines solchen Vertrages ist, dass sich der Baubetreuer gegenüber dem Bauherrn gegen Vergütung zur
planerischen, häufig auch organisatorischen, wirtschaftlichen und finanziellen Gestaltung, Durchführung,
Beaufsichtigung und Abrechnung eines auf dem Grundstück des Betreuten zu errichtenden Bauwerks
verpflichtet, wobei er gegenüber Dritten im Namen und für Rechnung des Bauherrn tätig wird. Der
Geschäftsbesorgungscharakter des Baubetreuungsvertrages bringt es mit sich, dass der Beklagte Ziff. 1 für
geraume Zeit, nämlich bis zur Fertigstellung des Bauwerks, im Wesentlichen verpflichtet war, die ihm zur
Verfügung gestellten Baugelder eigenverantwortlich und im Interesse des Klägers und dessen Ehefrau zur
Bezahlung von Handwerkerrechnungen und dem eigenen Honorar zu verwenden.
30 (2) Der Beklagte Ziff. 1 hat die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht zumindest bedingt vorsätzlich
verletzt, indem er zwischen dem 09.11.2010 und dem 21.06.2011 die Baugelder teilweise für die private
Lebensführung verwendet hat, anstelle damit ausschließlich Handwerker für die beauftragten Bauleistungen
und sich zu bezahlen. Die Beklagte Ziff. 2, welche selber keine Vermögensbetreuungspflicht traf und
deswegen als Mittäter ausscheidet, hat ihm hierzu ebenfalls zumindest bedingt vorsätzlich Hilfe geleistet,
indem sie ihr privates Konto bei der N-Bank zur Verfügung stellte und für ihren Ehemann die Buchführung
übernahm. Dadurch ist dem Kläger und dessen Ehefrau - wie von den Beklagten vorhergesehen und
zumindest billigend in Kauf genommen - ein Vermögensnachteil entstanden, weil den vereinnahmten
Baugeldern zum damaligen Tatzeitpunkt keine, jedenfalls keine fällige Honorarforderung des Beklagten Ziff.
1 gegenüberstand, was als solches zwischen den Parteien auch nicht im Streit steht (vgl. Schriftsatz der
Beklagten vom 21.11.2014, dort S. 1 f., Bl. 72 f. d.A. sowie vom 03.06.2015, dort. S. 1, Bl. 123 d.A.).
31 Dies alles steht aufgrund der Feststellungen in den beiden rechtskräftigen Strafbefehlen (Anlage K6/Bl. 15-
18 d.A., Anlage K7/Bl. 19-21 d.A.) zur Überzeugung des Gerichts fest.
32 Dabei ist den Beklagten allerdings darin zuzustimmen, dass das Gericht die strafrechtliche
Verantwortlichkeit der Beklagten selbst zu prüfen hat, da eine strafrechtliche Verurteilung grundsätzlich
weder zu einer Beweislastumkehr führt, noch Bindungswirkung für das Zivilgericht entfaltet (BGH NJW
1983, 230). Es hat sich vielmehr mit solchen Feststellungen in dem Strafurteil auseinanderzusetzen, die für
die eigene Beweiswürdigung relevant sind.
33 Dies zugrunde gelegt hat das Gericht aufgrund der eingehenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft R.
keinerlei Zweifel, dass sich der Vorfall, so wie in den beiden rechtskräftigen Strafbefehlen festgestellt,
zugetragen hat. Dass die Beklagten wegen Verstoßes gegen § 2 BauFordSiG verurteilt worden sind,
erachtet das Gericht als unerheblich, da der Tatbestand des § 266 Abs. 1 StGB in dem des § 2 BauFordSiG
aufgeht (Brand, wistra 2012, 92 ff.), weswegen auch ausschließlich wegen Verstoßes gegen § 2 BauFordSiG
angeklagt worden ist. Die Beweiskraft der beiden rechtskräftigen Verurteilungen verliert auch nicht dadurch
an Bedeutung, dass ihnen gemäß § 407 Abs. 1 StPO keine Hauptverhandlung zugrunde lag. Es lag gemäß §§
410, 411 StPO an den Beklagten, im Strafprozess gegen die Strafbefehle Einspruch einzulegen und sich im
Rahmen einer Hauptverhandlung zu verteidigen. Dass sie dies nicht getan haben, kann - ungeachtet der
strafprozessualen Geständnisfiktion - im Zivilprozess zwar nicht gegen sie verwandt werden, entlastet sie
umgekehrt aber auch nicht.
34 Da sich der Kläger die Feststellungen in den beiden rechtskräftigen Strafbefehlen einschließlich der
Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft R. als Sachvortrag zulässigerweise zu eigen gemacht hat, lag
es an den Beklagten, im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast substantiiert und unter Beweisantritt
vorzutragen, weshalb diese Feststellungen nicht zutreffen sollen. Deren Vortrag beschränkt sich jedoch
darin, die Strafvorwürfe pauschal in Abrede zu stellen (vgl. Schriftsatz vom 03.08.2015, dort S. 2, Bl. 435
d.A.), weswegen der klägerische Vortrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.
35 bb) Steht somit die Verletzung des Schutzgesetzes durch die Beklagten fest, trifft sie hieran auch ein
Verschulden, weil sie - wie bereits ausgeführt wurde - in Bezug auf sämtliche Tatbestandsmerkmale
zumindest bedingt vorsätzlich handelten, was für eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB
genügt (Fischer, StBG, 61. Aufl. 2014, § 266 Rn. 171 und 175).
36 Soweit sich dem Vortrag der Beklagten andeutungsweise ein fehlendes Unrechtsbewusstsein entnehmen
lässt, befreit sie dies nicht von der Schadensersatzpflicht. Dabei kann dahinstehen, ob das Verschulden allein
anhand zivilrechtlicher Maßstäbe zu bestimmen ist oder ob auch insoweit das Strafrecht maßgeblich bleibt.
Wie in den beiden rechtskräftigen Strafbefehlen zutreffend festgestellt wird, war von den Beklagten
aufgrund ihrer langjährigen beruflichen Tätigkeit zu erwarten, dass sie verpflichtet waren, die Baugelder
ausschließlich für die Herstellung des Bauwerks zu verwenden, so dass sie allenfalls einem vermeidbaren
Verbotsirrtum nach § 17 StGB unterlagen.
37 cc) Rechtfertigungsgründe für das Vorgehen der Beklagten sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
38 dd) Dem Kläger ist infolge der zweckwidrigen Verwendung der Baugelder ein Schaden in Höhe von
insgesamt 30.471,17 EUR entstanden. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus 27.200,10 EUR für zu
Unrecht vereinnahmte Baugelder, 1.604,12 EUR für das Forderungsmanagement und 1.604,12 EUR für die
vorgerichtlichen Anwaltskosten.
39 (1) Von den 125.404,00 EUR, welche der Kläger und seine Ehefrau auf das Konto der Beklagten Ziff. 2
überwiesen haben, wurden - soweit noch streitig - 70.268,88 EUR an die Handwerker weitergeleitet, so
dass bei den Beklagten zunächst 55.065,12 EUR verblieben sind. Hiervon stand dem Beklagten Ziff. 1 eine
Honorarforderung in Höhe von 27.865,02 EUR zu, so dass sich der Schaden in Form zu Unrecht
vereinnahmter Baugelder auf 27.200,10 EUR beläuft. Das Gericht folgt dabei der Schadensberechnung des
Klägers.
40 (a) Ohne Erfolg wenden die Beklagten ein, dass von den 125.404,00 EUR ein Betrag in Höhe von 81.929,73
EUR an die Handwerker weitergeleitet worden sei und dem Beklagten Ziff. 1 eine inzwischen fällig
gewordene Honorarforderung in Höhe von 52.858,37 EUR zustünde, mit der Folge dass dem Kläger kein
Schaden entstanden sein könne.
41 Im Ausgangspunkt ist den Beklagten allerdings darin zuzustimmen, dass maßgebender Zeitpunkt für die
Schadensberechnung der der letzten mündlichen Verhandlung bzw. - wie hier bei einer Entscheidung im
schriftlichen Verfahren - der Schlusszeitpunkt nach § 128 Abs. 3 ZPO ist (vgl. statt aller Grüneberg, in:
Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, Vor § 249 Rn. 128). Es darf also nicht auf den Zeitpunkt abgestellt werden, zu
dem der Vermögensnachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB wegen fehlender Fälligkeit der Forderungen
eingetreten ist. Vielmehr muss festgestellt werden, ob zum Stand 21.08.2015 die Forderungen noch immer
nicht fällig waren.
42 Dabei kommt dem Kläger, welcher den Eintritt und die Höhe des von ihm geltend gemachten Schadens
primär selber darzulegen hat, eine Beweislasterleichterung dergestalt zugute, dass die Beklagten eine
sekundäre Darlegungslast trifft. Es ist allgemein anerkannt, dass den Prozessgegner der primär
darlegungsbelasteten Partei eine sekundäre Darlegungslast treffen kann, wenn die nähere Darlegung der
primär darlegungsbelasteten Partei nicht möglich oder zumutbar ist, während der Prozessgegner alle
wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGHZ 86, 23, 29 f.;
BGH VersR 1999, 1254, 1255). Diese Grundsätze kommen insbesondere bei Schadensersatzansprüchen zur
Geltung, die - wie hier - aus der Veruntreuung anvertrauter Gelder hergeleitet werden (BGHZ 100, 190,
195 f., BGH VersR 1999, 774, 775). Dabei spielt es keine Rolle, dass es sich bei dem als verletzt in Rede
stehenden Schutzgesetz des § 266 Abs. 1 StGB um eine strafrechtliche Norm handelt (BGH NZG 2015, 645,
646).
43 (b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze gilt die Schadensberechnung des Klägers gemäß § 138 Abs. 3
ZPO als zugestanden, weil die Beklagten ihrer sekundären Darlegungslast nicht ausreichend nachgekommen
sind.
44 Während sich im Allgemeinen die sekundäre Darlegungslast daran orientiert, wie substantiiert der
Prozessgegner vorträgt, sind im Streitfall höhere Anforderungen an den Vortrag der Beklagten zu stellen.
Denn es kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beklagte Ziff. 1 aus dem Architektenvertrag zur
Vorlage einer prüfbaren Schlussrechnung (§ 8 Abs. 1 HOAI) und aus dem Baubetreuungsvertrag zur
Auskunft und Rechenschaft verpflichtet war (§ 666 BGB).
45 (aa) Den Beklagten ist es nicht gelungen, einen, ggf. weiterer Beweiserhebung zugänglichen,
nachvollziehbaren Vortrag zum berechneten Honorar nach § 8 Abs. 1 HOAI zu halten. Dies ergibt sich
insbesondere daraus, dass sie keine einheitliche Honorarschlussrechnung auf der Grundlage des
Architektenvertrages vorgelegt haben, sondern offensichtlich alle bisherigen Teilrechnungen addiert haben.
So wird schon nicht anhand der vertraglich vereinbarten 9 Leistungsphasen abgerechnet (vgl. OLG Hamm
BauR 1987, 582; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl. 2014, Teil 12 Rn. 551) und findet sich
keine Kostenermittlung nach DIN 276 (vgl. BGH BauR 2004, 316; Kniffka/Koeble, Kompendium des
Baurechts, 4. Aufl. 2014, Teil 12 Rn. 548). Weiter erscheinen die Stundenlohnabrechnungen für „Planung
und Besprechung mit Handwerkern“ und „Überwachung“ beliebig. Die gesamte Abrechnung wirkt daher
willkürlich und sachfremd konstruiert.
46 (bb) Gleiches gilt für den Vortrag der Beklagten zum Umfang der beauftragten und abgerechneten
Bauleistungen, welcher selbst den Mindestanforderungen an eine geordnete und übersichtliche
Rechnungslegung nach § 666 BGB nicht genügt. So wird schon nicht vorgetragen, aufgrund welcher
angeblich mangelhaften Eigenleistungen des Klägers und seiner Ehefrau welche zusätzlichen Bauleistungen
in welchem Umfang angefallen sein sollen. Zudem werden Rechnungen vorgelegt, die offensichtlich erst
nachträglich erstellt worden sein können, weil die Rechnungsbeträge in keinem Zusammenhang mit den
ebenfalls vorgelegten Kontoauszügen stehen (vgl. Anlage A7/Bl. 323-332 d.A., Anlage A7.2/Bl. 333-339
d.A.).
47 (2) Die Kosten für das sog. Forderungsmanagement in Höhe von 1.604,12 EUR sind Teil des zu ersetzenden
Schadens, weil sie der Schadensfeststellung dienen (vgl. BGH NJW-RR 1989, 953, 956; Grüneberg, in:
Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 249 Rn. 58). Der Anspruch ist der Höhe nach auch nicht zu beanstanden.
48 (3) Die Schadensersatzpflicht erstreckt sich auch auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von
1.666,95 EUR, denn diese fallen noch in den Schutzzweck des verletzten Schutzgesetzes (vgl. Grüneberg,
in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 249 Rn. 57).
49 ee) Steht dem Kläger somit ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 30.471,17 EUR zu, so ist dieser auch
nicht durch hilfsweise Aufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen.
50 Nach dem Vortrag der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten lässt sich - trotz richterlichen Hinweises
vom 27.07.2015 (vgl. Bl. 432 d.A.) - noch nicht einmal feststellen, bezüglich welcher Forderung mit welcher
Gegenforderung in welcher Höhe überhaupt die Aufrechnung erklärt wird. Im Schriftsatz vom 09.04.2015,
dort S. 2, wird die „Aufrechnung“ mit einer Honorarforderung aus dem Architektenvertrag und
abgetretenen Forderungen der Fa. E. in Höhe von 18.000,00 EUR erklärt (vgl. Bl. 92 d.A.). Im Schriftsatz
vom 05.06.2015, dort S. 2, folgt die Erklärung einer „Aufrechnung“, aber nur mit einer Honorarforderung
aus Architektenvertrag in Höhe von 10.180,43 EUR, und zwar ausdrücklich bezogen auf die Forderungen
aus Klageantrag Ziff. 2 und 3 (vgl. Bl. 232 d.A.). Im Schriftsatz vom 03.08.2015, dort S. 1, teilen die
Beklagten schließlich mit, dass sich die „Aufrechnung“ aus der „Überbezahlung“ von Handwerkern ergebe
und sich „insbesondere“ gegen die Forderung aus Klageantrag Ziff. 2 richte. Damit werden die Beklagten
ihrer Obliegenheit zu einem nachvollziehbaren und geordneten Sachvortrag nicht gerecht.
51 Im Übrigen scheitert eine Aufrechnung am Aufrechnungsverbot des § 393 BGB, weil sich diese gegen eine
Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung richtet. Soweit die Beklagten die „Aufrechnung“ als
„Verrechnung“ verstanden wissen möchten, für die das Aufrechnungsverbot nicht gilt, ist festzustellen, dass
es hier nicht um die Verrechnung von zwei unselbständigen Rechnungsposten geht. Denn die angebliche
Forderung des Beklagten Ziff. 1 folgt aus dem Architektenvertrag bzw. aus Verträgen mit der Fa. E.,
während die Forderung des Klägers seinen Rechtsgrund in einer Verletzung der Vereinbarung zur
Bauabwicklung hat (BGH NJW-RR 2003, 863).
52 ff) Die Beklagten haften für den Schaden gemäß § 849 BGB als Gesamtschuldner.
53 b) Weiterhin hat der Kläger einen Anspruch auf Verzinsung in dem tenorierten Umfang aus §§ 280 Abs. 1,
Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 bzw. § 291 BGB in Verbindung mit § 421 BGB. Für die §§ 280 ff. BGB ist dabei
anerkannt, dass sie auch für gesetzliche Schuldverhältnisse gelten (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 74. Aufl.
2015, § 280 Rn. 9).
54 2. Soweit die Beklagten mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 08.09.2015 (Bl. 451-457 d.A.) teils neu
vortragen, ist das Vorbringen gemäß § 296a ZPO als verspätet zurückzuweisen. Es bestand weder ein
Anlass zur Wiedereröffnung des Verfahrens (§ 156 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch war den Beklagten ein
Schriftsatzrecht zu gewähren (§ 283 ZPO), nachdem das Gericht bereits durch Beschluss vom 31.08.2015
einen entsprechenden Antrag der Beklagten vom selben Tag zurückgewiesen hatte (vgl. Bl. 445 f. d.A.).
55 Festzustellen ist, dass das Gericht den Beklagten durch Gewährung einer Stellungnahmefrist nach
Terminsverlegung (vgl. Bl. 115 d.A.), Verlängerung jener Stellungnahmefrist (vgl. Bl. 122 d.A.), Gewährung
einer weiteren Stellungnahmefrist auf die Hinweise in der mündlichen Verhandlung (vgl. Bl. 253 d.A.) und
abschließender Gewährung einer Schriftsatzfrist nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens (vgl. Bl. 431-
433 d.A.) ausgiebig Gelegenheit gegeben hat, zur Sache vorzutragen. Nachdem der Kläger von Beginn des
Prozesses an wiederholt und dezidiert die fehlende Substanz des gegnerischen Vortrags gerügt hatte und
die Beklagten hierauf in der Sitzung vom 03.07.2015 nochmals ausdrücklich vom Gericht hingewiesen
worden waren, hätte jeder verständigen Partei, noch dazu dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten, klar
sein müssen, dass der bisherige Vortrag unzureichend ist. Dass der Kläger die ihm eingeräumte
Schriftsatzfrist bis zum Schlusszeitpunkt nach § 128 Abs. 3 ZPO ausgeschöpft hat, wozu er berechtigt war,
gibt den Beklagten grundsätzlich nicht das Recht zu neuem Vortrag, wie bereits im Beschluss vom
31.08.2015 eingehend ausgeführt wurde (vgl. Bl. 431-433 d.A.). Ein Ausnahmegrund ist nicht, jedenfalls
nicht hinreichend dargelegt. Zudem ist eine weitere Verzögerung des bereits seit 05.11.2014 anhängigen
Verfahrens für den Kläger nicht zumutbar.
56 Soweit schließlich die Beklagten mit Blick auf die ihnen obliegende Rechnungslegung weitere Hinweise des
Gerichts erwarten, beruht diese Einstellung auf einer Verkennung von elementaren Grundsätzen des
Zivilprozessrechts. Denn es ist zuvörderst Aufgabe der Parteien und nicht des Gerichts, die ihnen günstigen
Tatsachen selber vorzutragen.
57 3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.