Urteil des LG Rottweil vom 25.01.2017

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LG Rottweil Urteil vom 25.1.2017, 1 S 23/16
Frist zur Nacherfüllung/Ersatzlieferung bei Tierkauf
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Freudenstadt vom 21.01.2016, Az. 4 C 95/13,
wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Freudenstadt ist ohne
Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
1 Das Amtsgericht Freudenstadt hat im Ergebnis die Klage der Klägerin auf Rückzahlung des Kaufpreises für
den am 08.09.2012 durch die Klägerin bei dem Beklagten erworbenen und noch im gleichen Monat
verstorbenen Vizsla-Welpen in Höhe von 750 EUR sowie der Transportkosten in Höhe von 150 EUR sowie
Tierarztkosten in Höhe von 141,05 EUR zu Recht abgewiesen.
1.
2 Der Klägerin steht der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch aus Rücktritt vom Kaufvertrag gem. §§ 433
Abs. 1, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 437 Nr. 2, 326 Abs. 1, 346 Abs. 1, 437 Nr. 3, 284, 281 Abs. 2 BGB nicht zu.
3 Es kann hierbei offen bleiben, ob der Beklagte bei dem Verkauf des Welpen als Unternehmer i.S.d. § 14 BGB
tätig geworden ist und ob dadurch die Vermutung der Mangelhaftigkeit gem. § 476 BGB zu Gunsten der
Klägerin eingreift, da im vorliegenden Fall jedenfalls die Voraussetzungen für einen Rücktritt gem. §§ 433
Abs. 1, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 437 Nr. 2, 326 Abs. 1, 346 Abs. 1, 437 Nr. 3, 284, 281 Abs. 2 BGB nicht
vorlagen.
4 Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Kaufvertrag sind neben der Mangelhaftigkeit der Kaufsache und
der Erheblichkeit des Mangels, dass dem Verkäufer durch den Käufer eine erfolglose Frist zur Nacherfüllung
gesetzt worden ist gem. § 323 Abs. 1 BGB.
5 Die Frage, ob eine Nacherfüllung durch Ersatzlieferung beim Tierkauf in der Regel in Betracht kommt, wird
von der überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung sowie vom Bundegerichtshof (BGH, NJW 2005,
2852) ausdrücklich und zu Recht dann bejaht, wenn eine emotionale Bindung des Käufers an das
ausgewählte Tier noch nicht bestanden hat. Die Regelung des Vorrangs einer Nachlieferung vor allen
anderen Rechtsbehelfen hat ihren Ursprung im Bereich einer Interessenabwägung zu Gunsten des
Verkäufers, der eine letzte Chance zur ordnungsgemäßen Erfüllung haben soll, bevor sich der Käufer mit
allen wirtschaftlichen Nachteilen für den Verkäufer vom Vertrag lösen kann sowie dem Gedanken, dass
davon auszugehen ist, dass der Käufer in erster Linie eine mangelfreie Sache haben möchte. Dieser
Grundsatz kann zwar nicht uneingeschränkt gelten, so dass in bestimmten Ausnahmefällen sich das
Rechtsschutzinteresse des Käufers direkt auf den Schadenersatz statt der Leistung richten kann, z.B. wenn
das Abwarten einer Nachlieferungsfrist unzumutbar ist. Dies folgt aus der systematischen Auslegung der §§
437, 439, 440 BGB. Die Nachlieferung des § 437 Nr. 1 BGB tritt im Kaufrecht an die Stelle der Fristsetzung
in §§ 281, 323 BGB. Grundsätzlich sind vor die Rechtsbehelfe des Rücktritts und des Schadenersatzes
Fristsetzungen geschaltet. Im Kaufrecht ersetzt das Nachlieferungsverlagen diese Fristsetzung und gem. §
440 BGB kann ohne weitere Frist zurückgetreten oder Schadenersatz verlangt werden. Das heißt aber
gleichzeitig, dass die Nachlieferung im Kaufrecht unter den gleichen Voraussetzungen entbehrlich sein muss,
wie es eine Fristsetzung bei anderen Leistungsstörungen wäre. Dies ist gem. §§ 281 Abs. 2, 323 Abs. 2, 440
BGB dann der Fall, wenn eine besondere Interessenlage eine Fristsetzung für den Gläubiger als unbillig
erscheinen lässt. Im Kaufrecht ordnet § 440 Abs. 1 BGB ausdrücklich an, dass eine weitere Verzögerung
unangemessen sein kann, wenn das Abwarten der Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist. Diese
Vorschrift regelt zwar keine Ausnahme vom Vorrang der Nachlieferung. Aus ihr wird aber deutlich, dass
hinter der Systematik der Rechtsbehelfe im Kaufrecht eine typisierende Interessenabwägung steht, die in
Sonderfällen auch gegen ein Nachlieferungsrecht des Verkäufers ausfallen kann. Daraus wird teilweise
gefolgert, dass ein Nachlieferungsanspruch nur bei vertretbaren Sachen in Betracht kommt (LG Essen, NJW
2004, 527 m.w.N.).
6 Aufgrund der Gesamtabwägung im vorliegenden Einzelfall kann nicht davon ausgegangen werden, dass es
sich im vorliegenden Fall bei dem jungen Vizsla-Rüden um eine unvertretbare Sache gehandelt hat. Die
Klägerin hat selbst in der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2017 angegeben, dass ihr bei dem Kauf des
Rüden dessen Alter, Farbe, Geschlecht und die gute Abstammung von einem Worldchampion wichtig
gewesen ist. Die Klägerin hat den Hund hingegen vor dem Kauf weder persönlich gesehen noch sonst
erkennbar anhand besonderer charakterlicher Eigenschaften, die zudem bei einem derart jungen Hund oft
noch nicht erkennbar sind, ausgewählt. Zum Zeitpunkt des Kaufes handelte es sich daher nach der
Überzeugung der Kammer jedenfalls um einen Kauf einer vertretbaren Sache, soweit sie nach Rasse, Alter,
Geschlecht, Farbe und Prämierung der Eltern des Tieres mit dem erworbenen Vizsla-Rüden vergleichbar
gewesen wäre. Anhaltspunkte dafür, dass ein solches Tier auf dem Markt nicht mehr vorhanden gewesen
ist, sind nicht erkennbar und wurden von der Klägerin auch nicht dargelegt und nachgewiesen. Soweit die
Klägerin nunmehr - in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 19.01.2017 - erstmalig vorträgt, der
Hund habe sie an ihren verstorbenen Hund erinnert, so ist dieser Vortrag verspätet und unsubstantiiert, da
sie nicht vorgetragen hat, was genau diesen Hund von anderen Welpen gleichen Alters, Geschlechtes, Rasse
und Farbe unterschieden hätte. Auch erscheint es gerade nicht plausibel, dass die Klägerin lediglich anhand
ihr übersandter Fotos eine persönliche Bindung zu dem Welpen bereits vor dem Kauf aufgebaut haben will.
Die in der Akte befindlichen Fotos von dem Welpen und seinen Wurfgeschwistern (Bl. 212 ff d.A.) zeigen
Welpen, welche sich äußerlich derart gleichen, dass eine Unterscheidung für einen Außenstehenden anhand
äußerlicher Merkmale bzw. der Fotos nicht möglich ist. Die Konkretisierung auf den im Ergebnis erworbenen
Welpen diese Wurfes ist daher nach der Überzeugung der Kammer alleine deshalb erfolgt, da es der einzige
Rüde in dem Wurf war, er die Kriterien der Klägerin wie Rasse, Alter und Farbe erfüllt hat und es der
Klägerin maßgeblich darauf angekommen war, einen Rüden zu erwerben und keine Hündin.
7 Die Vertretbarkeit des Vizsla-Rüden ist auch nicht durch eine emotionale Bindung nach dem Kauf
„erloschen“. Der Hund war lediglich wenige Tage im Besitz der Klägerin, so dass der Aufbau einer
emotionalen Bindung in diesem kurzen Zeitraum noch nicht erkennbar bzw. von der Klägerin nicht
substantiiert vorgetragen wurde. Soweit sie dies nunmehr in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom
19.01.2017 erstmals behauptet, ist dieser Vortrag verspätet gem. § 296a ZPO. Auch kann alleine der
Umstand, dass die Klägerin aufgrund des Todes des Hundes traurig und schockiert war, noch nicht zum
Nachweis einer emotionalen Bindung führen, da ein derartiges Ereignis selbst für tierliebe Außenstehende,
die das durchaus dramatische Ereignis, welches zum Tod des Welpen geführt hat, miterlebt hätten, ein
trauriges und schockierendes Geschehen dargestellt hätte. Auch ist es zweifelsfrei so, dass ein derart junger
kleiner Welpe auch bei tierlieben Außenstehenden regelmäßig sofort Gefühle der Zuneigung hervorruft,
ohne dass diese sich in diesem Augenblick auf das Tier im Besonderen und somit auf dessen ganz eigenes
Wesen und seinen speziellen Charakter konzentrieren, sondern eben auf die besonderen Reize eines kleinen
Welpen im Allgemeinen. Dass der kleine Welpe besondere Wesenszüge aufgewiesen hätte oder schon
erkennbare Charaktermerkmale, die eine besondere Zuneigung der Klägerin gerade zu dem konkreten
Welpen hätten begründen können, oder dass schon eine besondere Beziehung zwischen der Klägerin und
dem Welpen in Form einer Prägung erfolgt war, wurde von der Klägerin hingegen gerade nicht vorgetragen,
so dass nach der Überzeugung der Kammer Anhaltspunkte für eine besondere emotionale Beziehung zu
gerade dem Welpen Z. nicht ersichtlich sind.
8 Auch der Umstand, dass der Beklagte der Klägerin ohne Aufforderung zunächst eine Hündin aus dem
gleichen Wurf angeboten und selbst angegeben hat, dass es sich bei dem von der Klägerin erworbenen
Vizsla-Rüden um den einzigen Rüden in dem Wurf gehandelt habe, schließt das Recht zur Nacherfüllung
durch den Beklagten nicht aus. Selbst wenn der Beklagten offensichtlich nicht in der Lage war, einen
männlichen Rüden aus dem gleichen Wurf anzubieten, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der
Beklagten auf dem freien Markt nicht einen vom Alter, Farbe, Rasse, Geschlecht und Prämierung der Eltern
vergleichbaren Hund hätte besorgen und der Klägerin anbieten können. Er selbst hat in der mündlichen
Verhandlung vom 11.01.2017 - wie auch schon zuvor beim Amtsgericht - überzeugend dargelegt, dass ein
befreundeter Züchter einen Rüden dieser Rasse in einem vergleichbaren Alter, Farbe und von Eltern mit der
Prämierung „Worldchampion“ besessen habe und er die Möglichkeit gehabt habe, die der Klägerin zunächst
angebotene „Ersatzhündin“ zu tauschen und sodann der Klägerin zu übergeben. Dass dies nicht so war, hat
die Klägerin weder substantiiert behauptet noch nachgewiesen. Soweit sie nunmehr - im nicht
nachgelassenen Schriftsatz vom 19.01.2017 - dies bestreitet, verkennt sie insoweit die Darlegungs- und
Beweislast für die Unmöglichkeit der Nacherfüllung und der daraus resultierenden Entbehrlichkeit einer
Nachfristsetzung. Zudem wäre dieses Bestreiten verspätet gem. § 296a ZPO, nachdem der Beklagte
ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2015 bereits vor dem Amtsgericht
Spaichingen (Bl. 183 ff. d.A.) vortragen hat lassen, dass, nachdem die Klägerin eine Hündin abgelehnt habe,
er ihr angeboten habe, ihr einen Rüden zu überlassen, den er auf seine Kosten beschaffen werde, was die
Klägerin nicht angenommen habe. Die Klägerin hat dies nicht bestritten. Ein ähnliches Angebot ergibt sich
auch aus der von dem Beklagen in diesem Termin vorgelegten E-Mail vom 15.10.2015 (Bl. 222 d.A.).
9 Gründe, die ein Nachlieferungsrecht des Verkäufers im konkreten Fall ausschließen könnten, sind daher nicht
ersichtlich und von der Klägerin nicht substantiiert vorgetragen.
10 Nachdem eine Nachlieferung unstreitig von der Klägerin nicht begehrt worden ist, ist ihr Rücktrittsrecht
gem. §§ 433 Abs. 1, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 437 Nr. 2, 326 Abs. 1, 346 Abs. 1, 437 Nr. 3, 284, 281 Abs. 2 BGB
ausgeschlossen und die Klage auf Rückgewähr und Wertersatz insoweit unbegründet.
2.
11 Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen (Tierarztkosten,
Transportkosten) gem. §§ 433 Abs. 1, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 437 Nr. 3, 284 BGB. Dieser Anspruch setzt
voraus, dass ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung besteht (Weidenkaff in Palandt, BGB, 76.
Auflage 2017, § 437 Rn. 42). Dieser Schadensersatzanspruch setzt jedoch ein Vertretenmüssen der
angenommenen Pflichtverletzung voraus (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Zu vertreten i. S. d. § 280 Abs. 1 S. 2
BGB hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit, sofern nicht aus dem Inhalt des Schuldverhältnisses,
insbesondere aus der Übernahme einer Garantie, eine strengere Haftung zu entnehmen ist (§ 276 Abs. 1 S.
1 BGB). Dass der Beklagte dafür eine Garantie übernommen hätte, dass der Hund auch nach der Übergabe
frei von Krankheiten bleibt bzw. er frei von nicht erkennbaren genetischen Erkrankungsdispositionen ist (§
443 BGB), hat die Klägerin nicht behauptet und ist dem Kaufvertrag auch nicht zu entnehmen.
12 Zwar muss der Schuldner dartun, dass er die Pflichtverletzung (hier Lieferung eines nach dem Verkauf an
Epilepsie erkrankten Hundes) nicht zu vertreten hat, jedoch dürfen an den Entlastungsbeweis keine zu
hohen Anforderungen gestellt werden (Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 280 Rn. 40 m.w.N.).
Er ist erbracht, wenn der Schuldner die Ursache des Schadens nachweist und dartut, dass er diese nicht zu
vertreten hat. Es genügt aber auch, wenn er die Ursache wahrscheinlich macht und sicher ist, dass er für
diese nicht einzustehen hat (BGHZ 116, 334). Ist die Ursache unaufklärbar, kann sich der Schuldner durch
den Beweis entlasten, dass er alle ihm obliegende Sorgfalt beobachtet hat (BGH, NJW 1965, 1585).
13 Im vorliegenden Fall ist schon nach dem unstreitigen Sachverhalt ein Vertretenmüssen des Beklagten nicht
erkennbar. Es ist nach den Gesamtumständen offen, ob die epileptischen Anfälle des Vizsla-Welpen ihren
Ursprung in dem Hund selbst hatten oder in einem Unfall mit einem elektrischen Weidezaun gehabt haben.
Jedenfalls hat der Beklagte von der Klägerin unbestritten dargelegt und durch Vorlage diverser Unterlagen
auch untermauert, dass der von ihm verkaufte Vizsla-Rüde in der Zeit seiner Obhut keinerlei Hinweise auf
eine Erkrankung gezeigt hat, die Ahnen des Hundes frei von Epilepsie gewesen sind und der Hund
regelmäßig tierärztlich untersucht wurde, zuletzt am Tag vor seiner Abholung. Er war hierbei stets als
gesund erklärt worden. Nachdem dem Beklagten Zuchtfehler ersichtlich nicht vorzuwerfen sind und auch
nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Hund vor dem Verkauf an die Beklagte bereits Anzeichen
einer Erkrankung gezeigt hatte, kann nicht von einem Verschulden des Beklagten ausgegangen werden
(vgl. so auch BGH, NJW 2005, 2852).
14 Nachdem der Beklagte die Erkrankung des Hundes, welche zu dessen Euthanasie geführt hat, nicht zu
vertreten hat, ist ein Anspruch aus den §§ 433 Abs. 1, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 437 Nr. 3, 284 BGB
ausgeschlossen.
3.
15 Nachdem ein Rückzahlungsanspruch mangels wirksam erklärten Rücktritts sowie ein Anspruch auf
Aufwendungsersatz nicht bestanden hat, besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Erstattung ihrer
außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Geltendmachung des Rückzahlungsanspruches und des
Aufwendungsersatzanspruches.
II.
16 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf
§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
17 Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor, es handelt sich um eine
Einzelfallentscheidung.