Urteil des LG Ravensburg vom 25.08.2015

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LG Ravensburg Urteil vom 25.8.2015, 8 O 34/15 KfH
Unlautere Werbung: Zulässigkeit der Bewerbung von Bier mit mehr als 1,2
Volumenprozent als “bekömmlich”
Tenor
1. Die einstweilige Verfügung vom 16.06.2015 wird bestätigt.
2. Die Verfügungsbeklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Streitwert: 20.000,-- EUR
Tatbestand
1 Die Verfügungsbeklagte betreibt eine Brauerei und verkauft ihre Biere nahezu
ausschließlich in Oberschwaben, im Allgäu und am östlichen Bodensee.
2 Der Verfügungskläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen
Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört,
insbesondere das Interesse daran, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs
eingehalten werden. Zu den Mitgliedern des Verfügungsklägers zählen keine
Brauereien, allerdings die Lebensmittelfilialbetriebe Lidl und Norma, die auch Bier
im Sortiment haben, sowie weitere Unternehmen, die Getränke verschiedener Art
(z. B. Mineralwasser, Wein) in der Region Oberschwaben, Allgäu und östlicher
Bodensee vertreiben.
3 In ihrem Internetauftritt hat die Verfügungsbeklagte am 18.05.2015 drei ihrer
Biersorten, mit der Angabe „bekömmlich“ beworben. Das Wort bekömmlich tritt
dabei in folgenden konkreten Passagen auf:
4 1. Bei der Sorte „H.-Gold“ wird unter anderem ausgeführt:
5
Das würzig-frische Spitzenbier.
Bekömmlich, süffig - aber nicht schwer.
So richtig nach dem Geschmack der
Biertrinkerinnen und Biertrinker
in Oberschwaben und im Allgäu.
6 2. Bei der Biersorte „Hl.“ wird unter anderem ausgeführt:
7
Das ist das Bier für den unbeschwerten
Genuss: feinwürzig und herzhaft im
Geschmack, erfrischend bekömmlich für
den großen und kleinen Durst.
8 3. Bei der Sorte „H.-Hell“ wird unter anderem ausgeführt:
9
Das bekömmliche „Blaue“: H.-Hell
(...)
Früher hieß dieses Bier „Lager“ - und es
hat alle Eigenschaften, die diesen alten
Biertyp auszeichnen: mild, süffig,
ausgewogen. Bei Temperaturen knapp
über dem Gefrierpunkt reift es in Ruhe aus,
wodurch es besonders bekömmlich wird.
10 Die vorgenannten drei Biersorten haben jeweils einen Alkoholgehalt von mehr als
1,2 Volumenprozent. Wegen der Einzelheiten wird auf den Ausdruck des
Internetauftritts der Verfügungsbeklagten vom 18.05.2015 (Anlage A 3) verwiesen.
11 Auf Antrag der Verfügungsklägerin hat das Landgericht am 16.06.2015
antragsgemäß eine einstweilige Verfügung gegenüber der Verfügungsbeklagten
erlassen, in der dieser unter Androhung von Ordnungsmittel untersagt wird, im
geschäftlichen Verkehr für Bier mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2
Volumenprozent, insbesondere für die Biersorten „Härle-Gold“, „Hopfenleicht“
und/oder „Härle-Hell“ mit der Angabe „bekömmlich“ zu werben, sofern dies
geschieht wie in Anlage A 3 wiedergegeben.
12 Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, dass der Verfügungskläger zur
Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs nicht berechtigt sei, da er nicht
über eine erhebliche Anzahl von Unternehmen als Mitglieder verfüge, die Waren
oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie die
Verfügungsbeklagte vertrieben.
13 Die Verfügungsbeklagte meint, dass auch materiell kein Unterlassungsanspruch
des Verfügungsklägers bestehe, da sich die Angabe „bekömmlich“ im Kontext
ihres konkreten Internetauftritts vom 18.05.2015 nur auf den Geschmack und die
Genusswürdigkeit ihrer Biere beziehe. Vom normal informierten, aufmerksamen
und verständigen Durchschnittsverbraucher könne „bekömmlich“ in der Werbung
der Beklagten nicht als gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2
Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verstanden werden, so dass Art. 4 Abs.
3 Satz 1 dieser Verordnung, der gesundheitsbezogene Angaben bei alkoholischen
Getränken verbiete, nicht eingreife. Die Verfügungsbeklagte steht dabei auf dem
Standpunkt, das Wort „bekömmlich“ sei für sich genommen neutral und beziehe
sich allenfalls dann auf die Gesundheit, wenn es im Zusammenhang mit
bestimmten Eigenschaften eines Lebensmittels verwendet werde.
14 Schließlich ist aus Sicht der Verfügungsbeklagten auf den örtlichen Markt
abzustellen, und es sei den von ihrer Werbung angesprochenen Verbrauchern
klar, dass die Angabe „bekömmlich“ einzig für die geschmackliche
Hervorgehobenheit der Biere der Verfügungsbeklagten gelte, zumal diese schon
seit den 1930er-Jahren mit dem Slogan „Wohl bekomm´s“ werbe.
15 Zudem ist die Verfügungsbeklagte der Ansicht, dass der Verfügungsantrag
erkennbar zu weit gefasst sei, weil er die Angabe „bekömmlich“ generell verbieten
wolle, ohne die Einschränkung hinzuzufügen, dass nur die Verwendung des
Wortes „bekömmlich“ nur bin einem gesundheitsbezogenen Zusammenhang
untersagt werden solle; es könne aber nicht richtig sein, dass auch die neutrale
Verwendung des Begriffs „bekömmlich“ nicht mehr zulässig sein solle.
16 Die Verfügungsbeklagte beantragt,
17 die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
18 Der Verfügungskläger beantragt,
19 die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
20 Der Verfügungskläger meint, dass es sich bei der Angabe „bekömmlich“ um eine
gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 Verordnung (EG)
Nr. 1924/2006 handle, und dass die Werbung gem. § 4 Abs. 3 der vorgenannten
Verordnung für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2
Volumenprozent deshalb unzulässig sei.
21 Der Verfügungskläger meint, dass unter einem bekömmlichen Getränk vom
Verbraucher ein solches verstanden werde, das er gut vertrage, nicht aber ein
„besonders geschmackvolles“ Getränk oder dergleichen, und dass die Angabe
„bekömmlich“ dem Verbraucher eine gesundheitsfördernde Wirkung suggeriere.
Der Verfügungskläger verweist auf die Entscheidung des Europäischen
Gerichtshofs vom 06.09.2012 (Az. C-544/10) und meint, dass die dort formulierten
Erwägungen auch für den vorliegenden Sachverhalt Geltung beanspruchten; es
treffe zwar zu, dass sich die Angabe „bekömmlich“ dort auf den geringen
Säuregehalt des beworbenen Weines bezogen habe; es sei dort aber im Kern um
die allgemeine Frage gegangen, ob die Angabe „bekömmlich“ in Bezug auf Wein
zulässig sei. Nach Ansicht des Verfügungsklägers kann es rechtlich auch keinen
Unterschied machen, ob zugleich mit der Angabe „bekömmlich“ auch eine
Begründung dafür geliefert werde, warum das Getränk bekömmlich sei.
Entscheidungsgründe
22 Der Verfügungskläger kann von der Verfügungsbeklagten gem. §§ 8 Abs. 1 S. 1; 4
Nr. 11 UWG die Unterlassung der Angabe „bekömmlich“ bei der Werbung für Bier
mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent verlangen.
1.
23 Die Antragsbefugnis des Verfügungsklägers folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
24 Dem Verfügungskläger gehört eine erhebliche Zahl von Unternehmen an, die
Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben
räumlichen Markt wie die Verfügungsbeklagte vertreiben. Bereits die Mitgliedschaft
der Lebensmitteldiscounter Lidl und Norma ist ausreichend, um diese
Voraussetzung zu bejahen. Beide vertreiben in ihren Filialbetrieben unter anderem
auch Bier und sind in der Region Oberschwaben, Allgäu und östlicher Bodensee,
in der die Verfügungsbeklagte ihren Hauptumsatz macht, repräsentativ vertreten.
2.
25 Die Unlauterkeit der Werbung mit der Angabe „bekömmlich“ ergibt sich aus § 4 Nr.
11 UWG, wonach insbesondere derjenige unlauter handelt, der einer gesetzlichen
Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der
Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Eine solche Vorschrift ist Art. 4 Abs.
3 lit. (a) der Verordnung Nr. 1924/2006 (EG), der im Interesse des
Gesundheitsschutzes der Verbraucher gebietet, dass Getränke mit einem
Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent keine gesundheitsbezogenen
Angaben tragen dürfen.
26 Die Werbung der Verfügungsbeklagten mit der Angabe „bekömmlich“ für Biere mit
einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent verstößt gegen diese
Vorschrift.
a)
27 Das in Art. 4 Abs. 3 lit. (a) der Verordnung Nr. 1924/2006 (EG) normierte Verbot gilt
auch für die Werbung. Die Formulierung der Vorschrift, alkoholische Getränke (der
bezeichneten Art) dürfen „keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen“, umfasst
über die Kennzeichnung und Aufmachung hinaus auch die Werbung.
28 Dies ergibt sich aus dem Regelungsgegenstand und der Systematik der
Verordnung (OVG Koblenz, Urteil vom 19.08.2009, Az. 8 A 10579/09 - Juris Rn.
29).
b)
29 Bei der Angabe „bekömmlich“ handelt es sich um eine gesundheitsbezogene
Angabe nach der Definition in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 Verordnung Nr. 1924/2006 (EG),
wonach der Begriff der „gesundheitsbezogene Angabe“ jede Angabe bezeichnet,
„mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird,
dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem
Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit
andererseits besteht“.
30 Aus dieser sehr weit gefassten Definition ergibt sich, dass eine
gesundheitsbezogene Angabe nicht dahin gehen muss, ein Lebensmittel sei
gesundheitsförderlich, sondern dass es ausreicht, wenn angegeben wird, es habe
keine oder geringe negative Wirkungen auf die Gesundheit. Nach der
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 06.09.2012 (Az. C-
544/10 - Deutsches Weintor/Land Rheinland-Pfalz; - Juris Rz. 34) genügt jeder
Zusammenhang, der impliziert, dass für die Gesundheit negative oder schädliche
Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem solchen Verzehr einhergehen oder
sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen, also die bloße Erhaltung
eines guten Gesundheitszustandes trotz des genannten, potentiell schädlichen
Verzehrs. Der EuGH betont, dass der Begriff „Zusammenhang“ weit zu verstehen
ist. Er führt aus, dass sowohl die vorübergehenden und flüchtigen Auswirkungen
als auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen
Verzehrs eines bestimmten Lebensmittels auf den körperlichen Zustand zu
berücksichtigen seien.
31 Im vorliegenden Fall wird durch die Angabe „bekömmlich“ ein Zusammenhang
zwischen dem Lebensmittel „Bier“ einerseits und der Gesundheit andererseits
hergestellt. Mit dem Wort „bekömmlich“ wird suggeriert, dass der menschliche
Körper und seine Funktionen durch den Bierkonsum keine Nachteile erleiden, also
selbst beim Konsum größerer Mengen intakt bleiben. Die Behauptung eines
solchen Zusammenhangs ist für den Bierkonsumenten auch von Bedeutung, denn
mit dem Bierkonsum werden, insbesondere für den Fall übermäßigen Genusses,
auch negative Folgen für den Körper in Zusammenhang gebracht; bei
Dauerkonsum kann Bier den menschlichen Organismus sogar dauerhaft
schädigen.
aa)
32 Im allgemeinen Sprachgebrauch wird die Angabe „bekömmlich“ bei einem
Lebensmittel in dem Sinne verwendet, dass es dem Konsumenten gut bekommt,
also bei der Nahrungsaufnahme gut vertragen wird und dem Körper entweder
förderlich oder wenigstens nicht abträglich ist. Es bedeutet „leicht verträglich, gut
verdaulich [und daher gesund]“ (Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl. 2010)
oder auch „gesund, zuträglich“ (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006). Als
Verwendungsbeispiele werden genannt: „eine bekömmliche Mahlzeit“ oder „fette
Speisen sind schwer bekömmlich“ (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006).
33 Das Wort „bekömmlich“ meint daher die objektive Verträglichkeit für den Körper
und seine Funktionen. Es bringt zum Ausdruck, dass das so bezeichnete
Lebensmittel – wenn es schon nicht förderlich ist – jedenfalls den Körper und seine
Funktionen (etwa die Verdauung und Resorption des Getränks in den Organen)
nicht belasten oder beeinträchtigen wird (so auch OVG Koblenz, Urteil vom
19.08.2009, Az. 8 A 10579/09 - Juris Rn. 22).
34 Auch bezogen auf den örtlich relevanten Markt, den Bereich „Oberschwaben,
Allgäu und östlicher Bodensee“, kann nicht festgestellt werden, dass das Wort
„bekömmlich“ eine andere Bedeutung hätte.
bb)
35 Der Auffassung der Verfügungsbeklagten, das Wort bekömmlich sei für sich
genommen in gesundheitlicher Hinsicht neutral, es beziehe sich allenfalls im
Kontext weiterer Aussagen auf die Gesundheit, kann nicht gefolgt werden. Gegen
eine derart enge Auslegung spricht die weit gefasste Definition des EU-
Verordnungsgebers in Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, die
es auch genügen lässt, wenn ein Zusammenhang des Lebensmittels mit der
Gesundheit „suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird“.
Danach genügt also ein „lockerer“ Zusammenhang mit der Gesundheit. Bereits
durch die bloße Verwendung des Wortes „bekömmlich“ für das Getränk Bier liegt
ein solcher Zusammenhang vor, da „bekömmlich“ die Verträglichkeit für den Körper
und seine Funktionen meint. Ob dieser Zusammenhang im weiteren Kontext der
Werbung dann noch näher bestimmt und erläutert wird, spielt dagegen keine Rolle.
In Bezug auf die Verwendung der Angabe „bekömmlich“ bei Wein das OVG
Koblenz in seinem Urteil vom 19.08.2009 (Az. 8 A 10579/09 - Juris Rn. 21) fest:
36 Danach stellt der Begriff „bekömmlich“ bei Wein einen Zusammenhang zu
Vorgängen im Körper her und spricht nicht nur das allgemeine Wohlbefinden an,
das mit dem Konsum des Weins verbunden sein kann.
c)
37 Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass das ausnahmslose Werbeverbot
bezüglich gesundheitsbezogener Angaben für Anbieter alkoholischer Getränke mit
Art. 6 Abs. 1 EU-Vertrag vereinbar ist, wonach die Europäische Union die in der
EU-Charta niedergelegten Rechte, Freiheiten und Grundsätze anerkennt. Der
EuGH hat hierzu in der oben genannten Entscheidung vom 06.09.2012
ausgeführt, dass dieses absolute Werbeverbot selbst dann mit dem EU-Vertrag
konform ist, wenn die gesundheitsbezogene Angabe bezogen auf eine konkrete
Eigenschaft für sich genommen zutrifft, im entschiedenen Fall die Bezeichnung
eines Weins als „bekömmlich“ mit der auf einen reduzierten Säuregehalt
hingewiesen wird. Der EuGH führt aus, dass das Verbot sich durch die Verfolgung
des in Art. 35 der EU-Charta anerkannten Ziels des Gesundheitsschutzes der
Verbraucher rechtfertigt, und der Wesensgehalt der Berufsfreiheit (Art. 15 Abs. 1
EU-Charta) oder der unternehmerischen Freiheit (Art. 16 EU-Charta) in keiner
Weise tangiert sei, da nur die Etikettierung und Werbung innerhalb eines klar
abgegrenzten Bereichs geregelt werde und die Herstellung und der Vertrieb
alkoholischer Getränke weiterhin erlaubt seien.
38 Gleiches gilt sinngemäß auch für die vorliegende Bierwerbung. Auch wenn
wissenschaftlich nachgewiesen wäre, dass der maßvolle Konsum von Bier die
Gesundheit fördert oder wenigstens nicht beeinträchtigt, wäre das Verbot
gesundheitsbezogener Angaben durch Belange des Gesundheitsschutzes
gerechtfertigt, nämlich das Ziel, die mit einem übermäßigen Bierkonsum
einhergehenden Gefahren für die Gesundheit zu reduzieren, gerechtfertigt (EuGH
vom 06.09.2012, Az. C-544/10 - Deutsches Weintor/Land Rheinland-Pfalz - Juris
Rz. 34).
3.
39 Der Auffassung der Verfügungsbeklagten, der Unterlassungsantrag der
Verfügungsklägerin sei zu weit gefasst, weil damit das Wort „bekömmlich“ generell
untersagt werden soll, also etwa auch für den Fall, dass dieses Wort in einem
„neutralen“ Zusammenhang gebraucht werden sollte, kann nicht gefolgt werden.
40 Die Formulierung des Unterlassungsantrags darf zwar keine Handlungen
einbeziehen, die nicht wettbewerbswidrig sind. Daher muss derjenige, der
Unterlassung begehrt, die Umstände, unter denen eine Verhaltensweise
ausnahmsweise erlaubt sein soll, so genau umschreiben, dass im
Vollstreckungsverfahren erkennbar ist, welche konkreten Handlungen von dem
Verbot ausgenommen werden sollen (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, §
12 Rn. 2.44).
41 Im vorliegenden Fall bedarf der Unterlassungsantrag jedoch keines
einschränkenden Zusatzes. Es ist zwar eine Verwendung des Wortes
„bekömmlich“ für Bier in einem subjektiven Sinne denkbar (z. B. „Ich finde das Bier
bekömmlich“), wobei mehr das allgemeine Wohlbefinden als die Wirkungen auf
den Körper gemeint sind. Eine solche Verwendung lässt sich aber von der
objektiven Bedeutung nicht trennen. Durch die Angabe „bekömmlich“ bei der
Werbung für das Getränk Bier wird auch in einem solchen Fall gleichzeitig eine
objektive Unbedenklichkeit in Bezug auf den Körper und seine Funktionen
suggeriert. Es ist daher nicht ersichtlich, dass das Adjektiv auch „neutral“, also
nicht gesundheitsbezogen verwendet werden könnte.
42 Kosten: § 91 ZPO