Urteil des LG Potsdam vom 09.10.2008

LG Potsdam: fortsetzung des mietverhältnisses, zustand, vermieter, grundstück, wohnung, herausgabe, eigentum, aufrechnung, verzug, verkehrswert

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Gericht:
LG Potsdam 11.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 S 230/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 536a BGB, § 573 Abs 2 Nr 3
BGB, § 1922 BGB, § 11a VermG
Wohnraummiete im Beitrittsgebiet: Vereinbarte Vermieterpflicht
des VEB zu laufenden Schönheitsreparaturen im Altvertrag;
Verwertungskündigung der Erbengemeinschaft nach Restitution
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 09.10.2008,
Az.: 24 C 264/08, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert der II. Instanz beträgt 5.855,88 €.
Gründe
I.
Bezüglich des tatsächlichen Geschehensablaufes wird auf die Ausführungen des
angefochtenen Urteils Bezug genommen; § 540 Abs. 1 ZPO. Die Kläger verlangen
weiterhin die geräumte Herausgabe des Grundstücks Z. D. in ... Kl. Sie beantragen,
die Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils gesamtschuldnerisch
zur geräumten Herausgabe des Grundstücks Z. D. in … Kl. an die Kläger zu verurteilen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb der gesetzlichen Form- und
Fristvorschriften eingelegt. In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg. Den Klägern steht
als Rechtsnachfolgern des ehemaligen Eigentümers Fr. W. D. gemäß § 1922 BGB nach
Beendigung der staatlichen Verwaltung über das Grundstück kein Anspruch auf
Räumung und Herausgabe des Grundstückes gegen die Beklagte zu 1) als Mieterin zu.
Das Amtsgericht hatte zu Recht ausgeführt, dass der Mietvertrag der Kläger mit der
Beklagten zu 1) nicht durch die Kündigungen vom 16.07.2007 sowie vom 30.06.2008
und vom 27.08.2008 beendet worden ist.
Die Verwertungskündigungen der Kläger aus dem Schreiben ihres ehemaligen
Prozessbevollmächtigten vom 16.07.2007 und aus der Klageschrift vom 30.06.2008
haben nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses geführt. Einen Kündigungsgrund
gemäß § 573 Abs. 1, 2 Nr. 3 BGB liegt nicht vor. Nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB kann eine
Kündigung erfolgen, wenn der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an
einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert wird und
dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde. Das Amtsgericht hat insoweit zu Recht
ausgeführt, dass jedenfalls nicht ersichtlich ist, dass die Kläger im Falle des
Nichtdurchgreifens der Kündigung erhebliche Nachteile erleiden würden. Die Beurteilung
der Frage, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand eines Mietvertrages ein
erheblicher Nachteil entsteht, ist vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des
Eigentums (Artikel 14 Abs. 2 Grundgesetz) und damit des grundsätzlichen
Bestandsinteresses des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinem
Lebensmittelpunkt zu verbleiben, vorzunehmen. Das Eigentum gewährt dem Vermieter
vor diesem Hintergrund keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung
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vor diesem Hintergrund keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder auf Einräumung
gerade der Nutzungsmöglichkeiten, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil
versprechen (vgl. BVerfGE 84, 382, 385). Auch das Besitzrecht des Mieters an der
gemieteten Wohnung ist Eigentum im Sinne von Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz
und deshalb grundgesetzlich geschützt (BVerfG NJW 1993, 2035, 2036). Auf der anderen
Seite dürfen die dem Vermieter entstehenden Nachteile jedoch keinen Umfang
annehmen, welcher die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter im Falle des Verlustes
der Wohnung erwachsen. Die hiernach im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB
erforderliche Abwägung zwischen dem grundsätzlichen Bestandsinteresse des Mieters
und dem Verwertungsinteresse des Eigentümers entzieht sich einer generalisierenden
Betrachtung. Sie lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls und der konkreten Situation des Vermieters treffen.
Grundsätzlich ist ein erheblicher Nachteil des Vermieters zu bejahen, wenn der
Vermieter das Haus in vermietetem Zustand überhaupt nicht oder nur wirtschaftlich
unangemessen zu einem niedrigeren als dem angestrebten Kaufpreis verwerten könnte,
so dass ein Verkauf als wirtschaftlich sinnlos erscheint und der Kündigungsschutz des
Mietverhältnisses damit zum faktischen Verkaufshindernis wird. Ein derartiger Nachteil
liegt hier nicht vor. Nachdem die Erben das Objekt in vermietetem Zustand erworben
haben, ist Bezugspunkt für eine Vergleichsrechnung nicht der absolute Vorteil, der den
Erben bei Veräußerung in unvermietetem Zustand entstehen würde, sondern ihre
Vermögenslage zum Zeitpunkt des Erwerbs der Wohnung. Diese ist dadurch
gekennzeichnet, dass die Wohnung gerade nicht im unvermieteten Zustand, sondern
mit dem Mietverhältnis behaftet erworben wurde (OLG Stuttgart, GE 2006, 323). Das
Amtsgericht hat zu Recht als Anknüpfungspunkt für den Erwerb der Kläger das Ende der
staatlichen Verwaltung am 31.12.1992 gemäß § 11 a Vermögensgesetz angesehen. Im
Falle des Erwerbs durch Erbgang kommt es grundsätzlich auf den Verkehrswert im
Zeitpunkt des Erbgangs an (OLG Stuttgart, a.a.O.). Im Vorliegenden ist nicht
vorgetragen, wann der Erbgang war. Dies erweist sich jedoch insoweit als unschädlich,
als der Besonderheit Rechnung zu tragen ist, dass die Kläger erst durch Aufhebung der
staatlichen Verfügungsbefugnis tatsächlich in die Stellung eines Vermieters eintraten.
Mithin ist ihnen erst zu diesem Zeitpunkt erstmalig ein realisierbarer Vermögenswert
zugewachsen. Die Kläger haben hinsichtlich der in einen Preisvergleich im vorgenannten
Sinne einzubeziehenden Daten lediglich vorgetragen, dass der Verkehrswert des Hauses
im Jahr 1993 334.000,00 € betrug. Es wurden weder in erster noch in zweiter Instanz
Ausführungen dazu getätigt, dass und inwieweit sich die Veräußerungsmöglichkeit des
Hauses in vermieteten Zustand im Zeitraum 1993 bis heute verschlechtert hat.
Vielmehr gingen die Kläger von einer Steigerung des Verkehrswertes aus. Dahin stehen
kann, ob das Amtsgericht insoweit einen richterlichen Hinweis hätte tätigen müssen.
Denn die Kläger tragen auch, nachdem sie von den urteilstragenden Erwägungen
Kenntnis erlangt haben zu der Entwicklung des Wertes zwischen 1993 und dem
Zeitpunkt der Kündigung nicht vor. Es genügt nicht, sich darauf zu beziehen, dass das
Grundstück 12 Jahre lang Verluste eingebracht und daher im Wert vermindert hat. Denn
die Prüfung der Nachteile darf sich eben nicht auf den bloßen Wertvergleich des
vermieteten Grundstücks im Zeitpunkt der Kündigung mit dem Wert des unvermieteten
Grundstücks beschränken. Entscheidend ist vielmehr, wie bereits das Amtsgericht
ausgeführt hat, der Wertvergleich des vermieteten Grundstücks im Erwerbs- und
Veräußerungszeitpunkt. Insoweit hat das Amtsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass
dem Grundstück von Anfang an der durch die Vermietung begründete Minderwert
anheftete. Auch zum 01.01.1993 waren die Kläger hoch betagt und erwies sich das
Grundstück nach ihrem Vortrag als unrentabel. Eine Verschlechterung der
Vermögenslage ist nach dem Vortrag der Kläger mithin nicht erkennbar. Dem
Beweisantritt der Kläger durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu
ermitteln, dass das Grundstück in unvermietetem Zustand gegenüber der Veräußerung
in vermietetem Zustand im Zeitpunkt der Kündigung einen Mehrerlös bringen würde,
war dementsprechend nicht nachzugehen.
Die pauschale Behauptung der Kläger, das Grundstück sei im vermieteten Zustand
praktisch unverkäuflich, reicht ebenfalls nicht zur Darlegung eines erheblichen Nachteils.
Der Vermieter kann sich nicht auf einen allgemeinen Erfahrungssatz dahingehend
berufen, dass Wohnungen, auch wenn sie als Renditeobjekt praktisch ungeeignet sind,
nur in unvermieteten Zustand verkauft werden können, zumal der Erwerber seinerseits
in der Lage ist, das Objekt wegen Eigenbedarfs zu kündigen. Es kann nicht von einer
generellen Unverkäuflichkeit vermieteter Objekte ausgegangen werden (LG Stuttgart,
ZMR 1995, 259; BVerfG NJW 1992, 2411). Eine Existenzbedrohung durch die
Unterhaltung der Mobile ist ebenfalls nicht vorgetragen.
Auch die Kündigung wegen Zahlungsverzugs in der Klageschrift vom 03.06.2008, Bl. 8
d.A., führt nicht zum Erfolg. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Beklagte zu 1)
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d.A., führt nicht zum Erfolg. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Beklagte zu 1)
in Verzug mit den Mietzinszahlungen November und Dezember 2007 sowie teilweise
Januar 2008 befand. Die Mietzinsansprüche der Kläger sind gemäß § 389 BGB durch
Aufrechnung erloschen. Denn der Beklagten stand ein aufrechenbarer
Kostenersatzanspruch gemäß § 536 a Abs. 2 BGB in Höhe der Malerkosten gemäß
Rechnung vom 15.07.2007 in Höhe von 1.404,06 € brutto zu. Die Kammer schließt sich
der Würdigung des Amtsgerichtes zum Inhalt des Mietvertrages an. Ebenso wie das
Amtsgericht geht die Kammer nach Würdigung der vorgelegten Fotokopien davon aus,
dass das Wort Vermieter unterstrichen ist, so dass von einer vertraglichen Vereinbarung
über die Durchführung der Malerarbeiten während des Mietverhältnisses durch den
Vermieter auszugehen ist. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 6
und 7 des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Auch wenn die Regelungen des
ZGB für vor dem 03.10.1990 abgeschlossenen Mietverträge zur Auslegung
heranzuziehen sind, muß dies gelten. Auch wenn hiernach für die malermäßige
Instandhaltung während der Dauer des Mietverhältnisses der Mieter verantwortlich war,
so waren die Parteien dennoch nicht gehindert, eine abweichende Vereinbarung zu
treffen. Dass von einer solchen durch die Unterstreichung im Mietvertrag hier
auszugehen ist, hatte das Amtsgericht ausführlich ausgeführt. Mithin waren die
Vermieter zur Renovierung verpflichtet. Nach erfolgloser Mahnung war die Beklagte zu 1)
mithin zur Durchführung der Arbeiten auf Kosten der Kläger und damit auch zur
Aufrechnung in Höhe des Mietzinses für November, Dezember 2007 sowie Januar 2008
hälftig berechtigt. Darüber hinaus liegt der Fall auch so, dass auch bei anderer
Interpretation der zur Gerichtsakte gelangten Vertragsurkunden, die Beklagtenseite sich
jedenfalls auf Grund ihres Vertragsexemplares, in welchem das Wort Vermieter
unterstrichen ist, in einem entschuldbaren Rechtsirrtum über ihre
Aufrechnungsberechtigung befunden hat, so dass es jedenfalls an einem schuldhaften
Verzug im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 3, 569 BGB fehlen würde.
Hinsichtlich der Beklagten zu 2) fehlt es bereits an einem Mietverhältnis. Dies ergibt sich
aus der rechtlichen Wertung des § 563 a BGB. Auf diese Frage kommt es indes nicht an,
denn auch ein etwaiges Mietverhältnis mit der Beklagten zu 2) – deren dauerhafter
Aufenthalt im Mietobjekt ebenfalls nicht feststeht - wäre jedenfalls durch die oben
genannten Kündigungen nicht beendet worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit
auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543
Abs. 2 BGB nicht vorliegen.
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