Urteil des LG Potsdam vom 14.03.2017

LG Potsdam: einstweilige verfügung, erlass, vergabeverfahren, ausschreibung, glaubhaftmachung, gemeinde, minimum, zuschlagserteilung, konkurrent, dringlichkeit

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Gericht:
LG Potsdam 4.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 O 371/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 241 BGB, § 280 BGB, § 311
BGB, Art 3 GG, § 935 ZPO
Primärrechtsschutz für einen übergangenen Bieter im
zivilprozessualen einstweiligen Verfügungsverfahren:
Verfügungsantrag gegen einen Zuschlag im Vergabeverfahren
für Planungsleistungen unterhalb des Schwellenwerts für eine
europaweite Ausschreibung; notwendiger Inhalt einer
Ausschreibung für die Erarbeitung eines Flächennutzungsplans;
Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes
Tenor
1. Die Antragsgegnern wird es bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache untersagt, in
dem Vergabeverfahren „Flächennutzungsplan mit Umweltbericht, Landschaftsplan der
Gemeinde Heidesee“ das Verfahren fortzusetzen, insbesondere: einem Bewerber den
Zuschlag zu erteilen.
2. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot zu Ziffer 1) wird der Antrags-
gegnerin ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht
beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
Die Antragstellerin begehrt – als Primärrechtsschutz im Vergabeverfahren - den Erlass
einer einstweiligen Verfügung, mit der der Antragsgegnerin, einem öffentlichen
Auftraggeber, die Zuschlagsentscheidung in einem Vergabeverfahren mit einem
ungefähren Auftragsvolumen von 200.000,00 € untersagt werden soll.
Der zulässige Antrag ist begründet.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Insbesondere ist der
Zivilrechtsweg mangels Erreichens des Schwellenwertes (gemäß § 2 Nr. 3 VgV bei
Planungsleistungen: T€ 211) nicht durch den Vergaberechtsweg nach §§ 100 ff. GWB
versperrt. Dass der EU-Schwellenwert nicht erreicht ist, folgt bereits daraus, dass die
Antragsgegnerin nur national ausgeschrieben hat. Bei dem zu beurteilenden
Vergaberechtsstreit handelt es sich (auch) um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit (vgl.
OVG Berlin-Brandenburg, Entscheidung vom 28. Juli 2006, Az.: 1 L 59.06; auch LG
Cottbus, Urteil vom 24.10.2007 – Az.: 5 O 99/07 -, OLG Düsseldorf, IBR 2009, 100).
Die Antragstellerin hat dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ihre (einzige)
Konkurrentin - die Firma B. D. GmbH – nach einem Beschluss der Vertretung der
Gemeinde Heidensee mit der Erarbeitung des Flächennutzungsplans beauftragt werden
soll, obwohl deren Angebot unterhalb der zwingend festlegten HOAI-Sätze liegt.
Ein Verfügungsanspruch der Antragstellerin ist gegeben. Mitbieter im Vergabeverfahren
können sich auf die Einhaltung des Preisrechts berufen. Anspruchsgrundlage sind – die
Instanzgerichte entscheiden insoweit unterschiedlich – entweder §§ 311, 241, 280 BGB in
Verbindung mit den entsprechenden Verdingungsordnungen oder Art. 3 GG in
Verbindung mit den sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden wesentlichen
Vergabegrundsätzen. Das im Rahmen der Vergabegrundsätze insbesondere zu
beachtende Transparenzgebot gebietet, dass zumindest ein Minimum an für die Bieter
erkennbaren Verfahrensregeln aufgestellt werden muss. Unterwirft sich der öffentliche
Auftraggeber (wie vorliegend) keiner konkreten Verdingungsordnung, so muss er in
seiner Ausschreibung eigene Regeln, wie er mit den Angeboten umgehen will, aufstellen
sowie ein Minimum an ausreichenden Informationen übermitteln, beispielsweise u.a. die
Angabe der wesentlichen Honorarparameter der HOAI. Diesen Anforderungen wird die
Ausschreibung der Antragsgegnerin nicht gerecht.
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Dem Erlass einer einstweiligen Verfügung stand auch nicht das Fehlen eines
Verfügungsgrundes entgegen. Gegenstand der von der Antragstellerin erstrebten
Maßnahme war nicht der Erlass einer Regelungsverfügung gem. § 940 ZPO. Das
Begehren der Antragstellerin ist vielmehr darauf beschränkt, ihren sinngemäß
behaupteten Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren vorläufig zu sichern
Die erstrebte einstweilige Verfügung hat temporär deshalb nur einen abwehrenden
Charakter. Für die so begehrte Unterlassungsverfügung genügt gemäß § 935 ZPO
bereits die Glaubhaftmachung des Umstandes, dass durch die Veränderung des
bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin vereitelt oder
wesentlich erschwert werden könnte.
Selbst wenn man aber von einer begehrten Regelungsverfügung ausgehen wollte, wäre
der Verfügungsgrund für den Erlass einer Regelungsverfügung gegeben. Der Erlass einer
Regelungsverfügung setzt voraus, dass der Erlass der einstweiligen Verfügung zu
Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus
anderen Gründen nötig erscheint, wobei eine Interessenabwägung unter
Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen hat (Huber in
Musielak, ZPO, Kommentar, 6. Aufl., § 940 Rn. 4; Vollkommer in Zöller, ZPO,
Kommentar, 26. Aufl., § 940, Rn. 4). Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr
ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung wesentliche Nachteile drohten. Hierzu ist
ausreichend, was nachvollziehbar glaubhaft gemacht ist, dass die Antragstellerin bei
ordnungsgemäßer Ausschreibung den Zuschlag erhalten würde oder jedenfalls eine
Chance auf die Zuschlagserteilung hat. Denn die B. D. GmbH ist der einzige Konkurrent;
deren Angebot ist jedoch HOAI-widrig. Da das Preisrecht der HOAI zwingend ist, kommt
insoweit ein Ausschluss dieses Bieters in Betracht.
Die beantragte einstweilige Verfügung war aufgrund des Vortrags des Antragstellers
wegen Dringlichkeit antragsgemäß ohne mündliche Verhandlung zu erlassen (§ 937 Abs.
2 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert für den Rechtsstreit wird auf 11.800,00 € festgesetzt, § 48 Abs. 1, 50 Abs.
2 GKG, 3 ZPO analog. Die Kammer bewertet das Interesse der Antragstellerin am
Verfahrensergebnis entsprechend der Regelung in § 50 Abs. 2 GKG, die die Bewertung
des wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers im Vergabeverfahren anhand einer
pauschalierten Gewinnerwartung vornimmt (vgl. hierzu OLG Naumburg JurBüro 2004, S.
86), mit 5 % der Bruttoauftragsumme, die vorliegend 234.712,53 € brutto beträgt.
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