Urteil des LG Potsdam vom 07.10.2003

LG Potsdam: beschlagnahme, kaution, systematische auslegung, grundstück, zwangsverwaltung, zwangsvollstreckung, vermieter, abrechnung, räumung, fälligkeit

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Gericht:
LG Potsdam 11.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 S 278/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 535 BGB, § 551 BGB, § 152
ZVG
Wohnraummiete: Verneinung eines
Mietkautionsrückzahlungsanspruchs gegen den
Zwangsverwalter; Zulassung der Revision
Tatbestand
(aus Wohnungswirtschaft und Mietrecht WuM)
Die Kläger hatten mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Mietverhältnis über eine
Wohnung im Haus abgeschlossen. Im November 2001 entrichteten sie an die Vermieter
die vertraglich vereinbarte Kaution. Das Mietverhältnis endete durch Kündigung zum
30.9.2003. Mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 7.10.2003 wurde über das
Grundstück, auf dem sich das Mietobjekt befand, die Zwangsverwaltung angeordnet und
der Beklagte zum Zwangsverwalter bestellt. Die von den Klägern geleistete Kaution
wurde nicht an den Beklagten herausgegeben.
Die Kläger verlangen vom Beklagten die Auszahlung des von ihnen geleisteten
Kautionsbetrages, die der Kläger unter Hinweis darauf, dass er in das vor Anordnung der
Zwangsverwaltung beendete Mietverhältnis nicht eingetreten sei, verweigert.
Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel hat der Klage stattgegeben. Der
Zwangsverwalter sei passivlegitimiert für alle Ansprüche, die erst in der Zeit der
Zwangsverwaltung fällig würden, auch solche aus beendeten Mietverhältnissen; sonst
käme es zu einer Aufteilung der Ansprüche zwischen Zwangsverwalter und
Zwangsverwaltungsschuldner, die jede ordnungsgemäße Abrechnung unmöglich
machte.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat auch Erfolg.
Die Kläger haben keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Rückzahlung der an ihre
Vermieter geleisteten Kaution, weil es insoweit an der Passivlegitimation des Beklagten
fehlt. Der Beklagte ist durch die Beschlagnahme vom 7.10.2003 nicht in das durch die
Kündigung zum 30.9.2003 vorher bereits beendete Mietverhältnis eingetreten.
Gem. § 152 Abs. 2 ZVG ist ein Miet- oder Pachtvertrag dem Zwangsverwalter gegenüber
wirksam, wenn das Grundstück vor der Beschlagnahme einem Mieter oder Pächter
überlassen worden ist. Bereits der Wortlaut der Vorschrift steht der Auslegung der Kläger
damit entgegen. Vorausgesetzt wird nach dem Wortlaut (Mieter/Pächter) nicht nur die
Überlassung des Objektes an einen Dritten, sondern darüber hinaus auch das Bestehen
eines Mietvertrages. Nur dann liegt die im Gesetz in Bezug genommene Mieter-
/Pächterstellung vor. Nur in diesem Fall tritt der Zwangsverwalter in gültige Verträge in
vollem Umfang ein, kann er alle Rechte aus dem fortbestehenden Vertragsverhältnis
geltend machen (Zeller/Stöber, ZVG, 16. Aufl., § 152 RZ 9.3).
Auch gesetzesgeschichtlich lässt sich ein Eintritt des Zwangsverwalters in das sich an
das Mietverhältnis anschließende Abwicklungsverhältnis nicht begründen:
Bereits der Entwurf eines Gesetzes betreffend die Zwangsvollstreckung in das
unbewegliche Vermögen von 1889 (abgedruckt in: Entwurf einer Grundbuchordnung und
Entwurf eines Gesetzes betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche
Vermögen nebst Motiven, ausgearbeitete durch die von dem Bundesrate berufene
Kommission, Amtl. Ausgabe Berlin 1889) hatte den Schutz des Mieters im Falle der
Zwangsverwaltung auf solche aktiven Rechtsverhältnisse beschränkt, vgl.:
§ 193 Abs. 2 S.2: Sofern das Grundstück einem Mieter oder Pächter überlassen ist, kann
die Räumung nur nach Maßgabe des Mietvertrages oder Pachtvertrages verlangt
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die Räumung nur nach Maßgabe des Mietvertrages oder Pachtvertrages verlangt
werden.
§ 197 S.3: In Ansehung der auf das Grundstück sich beziehenden Mietverträge und
Pachtverträge hat er ‹der Verwalter›, sofern das Grundstück dem Mieter oder Pächter
überlassen ist, die Rechte des Vermieters oder Verpächters auszuüben.
Nur ein im Zeitpunkt der Beschlagnahme durchgeführter Mietvertrag sollte nach dem
Willen des Gesetzgebers die Rechte und Pflichten des Mieters gegenüber dem
Zwangsverwalter beeinflussen können (vgl. auch Motive zu dem Entwurfe eines
Gesetzes betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbeweglichen Vermögen, S. 325f).
Die systematische Auslegung des § 152 ZVG trägt die Auffassung des Amtsgerichtes
ebenfalls nicht. Mit der Beschlagnahme wird die Verwaltung und Nutzung des
Grundstückes auf den Zwangsverwalter übertragen, um aus den aus dem Grundstück
gezogenen Nutzungen die titulierten Ansprüche der Zwangsverwaltungsgläubiger zu
befriedigen. Vorrang vor diesen Ansprüchen haben – aufgrund der besonderen
Privilegierung der Mieter in § 152 ZVG – notwendige Ausgaben auf die Mietsache, für die
die Gläubiger Vorschuss zu leisten haben, wenn diese durch die Erträge aus dem
Grundstück nicht gedeckt werden. Ließe man über den Wortlaut hinaus zu, dass der
Zwangsverwalter auch für die Kaution aus einem beendeten Mietverhältnis haftet,
hätten in letzter Konsequenz die Zwangsverwaltungsgläubiger dafür aufzukommen,
obwohl dieser Ausgabe Erträge aus dem betroffenen Mietverhältnis – sofern die Mieter
ihrer Zahlungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen sind – nicht mehr
gegenüberstehen. Die Haftungsmasse würde damit zu Lasten der
Zwangsverwaltungsgläubiger geschmälert.
Die von den Klägern behauptete Haftung des Zwangsverwalters für Verbindlichkeiten
aus vor der Beschlagnahme beendeten Mietverhältnissen stünde auch in Widerspruch
zur Systematik des BGB im Falle des Eigentumsüberganges bei bestehendem
Mietverhältnis:
Auch im Falle der Zwangsversteigerung dauert die Haftung des Schuldners für
Ansprüche des Mieters aus der Zeit vor dem Zuschlag fort (Zeller-Stöber, ZVG, § 57 RZ
3.8). Ist das Mietverhältnis bei Erteilung des Zuschlages bereits beendet (Zeller/Stöber,
a.a.O. RZ 3.9), hat nur der Schuldner Rechte aus dem bisherigen Mietvertrag. Ansprüche
auf Räumung kann der Ersteher dann nur auf § 985 BGB stützten.
Bei der Veräußerung eines Mietgrundstückes stehen Ansprüche aus einem bereits
beendeten Mietverhältnis – jedenfalls soweit das Mietobjekt bereits zurückgegeben
wurde (vgl. Palandt-Weidenkaff, BGB, 62. Aufl., § 566 RZ 15 m.w.N; Schmidt-Futterer-
Gather, Mietrecht, 8. Aufl., § 566 BGB RZ 26) – grundsätzlich dem Verkäufer zu (vgl.
BGH NJW 1989, 451 [=WM 1989, 141]), anders nur bei solchen
Schadensersatzansprüchen wegen Räumungsverzuges, die sich auf Schäden beziehen,
die erst nach dem Eigentumsübergang entstehen (BGH NJW 1978, 2148).
Der beschriebene Systembruch lässt sich auch unter dem Gesichtspunkt der
Praktikabilität nicht rechtfertigen. Auch wenn der Zwangsverwalter nach Beschlagnahme
und Übernahme des Mietobjektes eher Kenntnis etwaiger Schäden hat, die in die
Abrechnung der Kaution einzubeziehen sind, rechtfertigt allein dies einen Bruch mit der
Systematik des ZVG nicht. Soweit die Kläger meinen, nach der Beschlagnahme sei der
Schuldner zur Abrechnung nicht mehr in der Lage, weil ihm die Eigentümer-
/Vermieterbefugnis fehle, verkennen sie, dass die Verwaltungsbefugnis eben nur für
solche Mietverhältnisse übergeht, die zum Zeitpunkt der Beschlagnahme noch
bestehen. Für die beendeten Mietverhältnisse bleibt der Zwangsverwaltungsschuldner
Vermieter.
Im übrigen erheben sich dann, wenn man, wie die Kläger, auf den Zeitpunkt der Fälligkeit
des Kautionsrückzahlungsanspruches abstellt, Bedenken im Hinblick auf eine
hinreichende Rechtssicherheit. Denn der Kautionsrückzahlungsanspruch wird fällig etwa
3 bis 6 Monate nach Beendigung des Mietverhältnisses, je nachdem, wann die
gegenseitig noch bestehenden Ansprüche abgerechnet werden können. An die Stelle
einer glatten Zäsur – dem eindeutig feststellbaren Tag der Beschlagnahme – würde man
mit der „Fälligkeit“ einen willkürlich gewählten Zeitpunkt setzen, der gesetzlich zudem
nicht verankert ist.
Dies wäre auch unter dem Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit der Mieter nicht
gerechtfertigt. Zwar trägt das Gesetz der besonderen sozialen Bedeutung der Miete
insoweit Rechnung, als Mietverhältnisse, anders als sonstige Dauerschuldverhältnisse,
gegenüber dem Zwangsverwalter Wirksamkeit beanspruchen. Diesen Schutz auch auf
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gegenüber dem Zwangsverwalter Wirksamkeit beanspruchen. Diesen Schutz auch auf
beendete, aber noch abzuwickelnde Mietverhältnisse zu erstrecken, ist aber nicht nötig,
da es die Mieter in der Hand haben, zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Mietverhältnisses auf einer insolvenzfesten Absicherung ihrer Kaution zu bestehen.
Endlich stützt auch die von den Klägern herangezogene Entscheidung des
Bundesgerichtshofes vom 26.3.2003 (VIII ZR 333/02 = WM 2003, 390) zur
Abrechnungspflicht des Zwangsverwalters für Betriebs- und Nebenkosten, die vor der
Beschlagnahme abgeschlossen sind, die Entscheidung des Amtsgerichts nicht. Denn
zum einen betrifft diese Entscheidung ein Mietverhältnis, das zum Zeitpunkt der
Beschlagnahme noch fortbestand, zum anderen begründet der Bundesgerichtshof seine
Auffassung mit dem durch §§ 1124, 1125 BGB bestimmten Umfang der
Beschlagnahme. Die Kaution eines beendeten Mietverhältnisses gehört nicht zu diesem
Haftungsverband.
Auch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 9.3.2005 (VIII ZR 330/03
[=WM 2005, 460]) ergibt sich nichts Gegenteiliges, weil auch diese Entscheidung sich auf
ein Mietverhältnis bezieht, dass zum Zeitpunkt der Beschlagnahme noch bestand.
Im Ergebnis können die Kläger damit die Kaution nicht vom Beklagten herausverlangen.
Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil der Frage, ob der
Zwangsverwalter auch in zum Zeitpunkt der Beschlagnahme bestehende
Abwicklungsverhältnisse eintritt, grundsätzliche Bedeutung zukommt.
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