Urteil des LG Paderborn vom 02.02.2010

LG Paderborn (antragsteller, darlehen, entstehung des anspruchs, schaden, neue tatsache, verhältnis zwischen, verjährung, darlehensvertrag, kenntnis, büro)

Landgericht Paderborn, 4 O 11/10
Datum:
02.02.2010
Gericht:
Landgericht Paderborn
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 O 11/10
Tenor:
Der Pro¬zess¬kos¬ten¬hil¬fe¬an¬trag des Klägers vom 19.12.2008 wird
zu¬rück¬ge¬wie¬sen.
Gründe:
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I.
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Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage wegen
behaupteter Pflichtverletzung aus einem Steuerberatervertrag.
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Der Klageforderung liegt eine Begebenheit vom 02.10.1997 zugrunde.
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Der Antragsteller gewährte an diesem Tag einer Frau ... ... aus ... im Büro des
Antragsgegners ein Darlehen in Höhe von 50.000 DM. Bei der Abwicklung des
Geschäfts sei ein Treuhandmodell gewählt worden, dass der Antragsgegner
ausgearbeitet haben soll. Der Antragsgegner war der Steuerberater der Frau ....
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Frau ... benötigte Geld für eine geplante Geschäftseröffnung in .... Da sie bei den
Banken keine Finanzierung bekam, wandte sie sich an ihren Freundes- und
Bekanntenkreis, darunter auch an den Antragsteller und seine damalige Ehefrau.
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Bereits im Jahr 2006 soll die damalige Ehefrau des Antragstellers Frau ... in zwei
Teilbeträgen ein Darlehen von insgesamt 50.000 DM gewährt haben. Zur Absicherung
soll der Fahrzeugbrief eines Kfz Daimler-Benz übergeben worden sein. Auf das
Darlehen zahlte Frau ... bis zum Jahr 2001 insgesamt einen Betrag von 17.830 DM
zurück.
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Im Herbst 1997 brauchte Frau ... weiteres Geld. Der Kläger war grundsätzlich bereit, ihr
auszuhelfen, wollte dafür aber Sicherheiten haben. Am 02.10.1997 gab es deswegen
eine Zusammenkunft im Büro des Antragsgegners, bei der neben den Parteien des
Darlehensvertrags auch eine Frau ... anwesend war. Diese war Inhaberin einer
Grundschuld über 50.000 DM auf dem Grundstück der Frau .... Der Antragsgegner soll
erklärt haben, dass eine Absicherung des Darlehens durch diese Grundschuld möglich
sei. Frau ... überreichte dem Antragsteller den Grundschuldbrief. Es wurde besprochen,
dass ein Betrag von 50.000 DM mit einer Laufzeit von 1 Jahr und einer Verzinsung von
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8% gewährt werden sollte. Weil der Antragsteller auf die Darlehenszinsen keine Steuern
zahlen wollte, soll der Antragsgegner vorgeschlagen haben, das Darlehen nicht direkt
auszuzahlen, sondern den Betrag treuhänderisch an die polnische Gesellschaft ... zu
übertragen, die als Darlehensgeberin fungieren sollte. Hierüber wurden schriftliche
Verträge aufgesetzt (Anlagen K 9 und K 10, BL. 57, 58 d.A.) und von den Beteiligten
unterschrieben. Im Darlehensvertrag trat Frau ... die Grundschuld an den Antragsteller
ab. Für die ... mit Sitz in ... unterzeichnete der Antragsgegner in Vertretung des Direktors,
eines Herrn ....
Der Antragsteller führte gegen Frau ... vor dem Landgericht Münster zwei Verfahren um
die Rückzahlung der Darlehen. Unter dem Az. 14 O 19/08 (Klageschrift BL. 17 ff. d.A.)
verlangte er die Rückzahlung des von ihm gewährten Darlehens; unter dem Az. 14 O
453/08 (Klageschrift Bl. 28 d.A.) beanspruchte er aus abgetretenem Recht das von
seiner damaligen Ehefrau gewährte Darlehen.
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Das Landgericht Münster verurteilte Frau ... am 19. Juni 2008 (Urteil Anlage K 13, Bl.64
ff d.A.), die Darlehensvaluta an den Antragsteller zurückzuzahlen.
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Vor dem Oberlandesgericht Hamm wurde später ein Vergleich über einen Betrag von
5.000 Euro geschlossen (Az. I-7 U 55/08).
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Der Antragsteller beabsichtigte weiter, Frau ... vor dem Landgericht Münster (Az. 12 O
391/08) auf die Abtretung der Grundschuld zu verklagen und stellte zu diesem Zweck
einen Antrag Prozesskostenhilfe. Das Landgericht Münster lehnte den Antrag ab, die
hiergegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg.
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Im Beschluss vom 13.11.2008, Az. 5 W 107/08 (Anlage K1, Bl. 15 ff d.A.) stellte das
Oberlandesgericht Hamm fest, dass der Treuhand- und der Darlehensvertrag als
Scheingeschäft nichtig seien. Der Antragsteller könne deswegen nicht die Übertragung
der Grundschuld von Frau ... verlangen, da die Abtretungserklärung formnichtig sei.
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Der Antragsteller behauptet, er habe nicht gewusst, dass das Treuhandmodell nichtig
gewesen sei. Er habe sich deshalb darüber geirrt, dass das Darlehen
grundpfandrechtlich gesichert war. In Kenntnis der Sachlage hätte er das Darlehen nicht
gewährt.
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Er behauptet einen Schaden von 46.208,16 Euro, der im Klageentwurf nicht weiter
dargelegt ist.
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Mit der Klage verfolgt der Antragsteller die Anträge,
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1. den Antragsgegner zu verurteilen, an ihn 46.208,16 Euro nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Antragstellung zu zahlen,
2. den Antragsgegner zu verurteilen, an ihn 1.641,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Antragstellung zu zahlen.
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Er beantragt,
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ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. ... aus ... zu
bewilligen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Er behauptet, er habe den Antragsteller nicht steuerlich beraten. Es gäbe auch keine
Rechnung für Beratungsleistungen. Er habe als Steuerberater nichts zu verschenken. Er
habe die Treuhandkonstruktion abgelehnt. Die Beteiligten hätten die Übergabe des
Grundschuldbriefs und die Treuhandkonstruktion schon vereinbart, bevor sie in sein
Büro gekommen seien. Er habe die Treuhandkonstruktion abgelehnt. Er habe dann den
Direktor ... angerufen und den Lautsprecher am Telefon eingeschaltet. Die Vereinbarung
der Treuhand hätten dann der Antragsteller und Herr ... getroffen.
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Der Antragsgegner erhebt die Einrede der Verjährung (Bl. 91 d.A.).
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Das Prozesskostenhilfegesuch ist am 24.12.2008 bei dem Landgericht Münster
eingegangen. Das Oberlandesgericht Hamm hat, nachdem sich sowohl das Landgericht
Münster als auch das Landgericht Paderborn durch Beschluss für unzuständig erklärt
haben, das Landgericht Paderborn mit Beschluss vom 30.11.2009 (Bl. 151 ff d.A.) als
zuständiges Gericht bestimmt.
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II.
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Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114
ZPO.
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1. Schlüssigkeit der Klageforderung
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Die geltend gemachte Klageforderung ist nicht schlüssig. Der eingereichte Entwurf der
Klageschrift lässt nicht ansatzweise erkennen, wie die Schadenssumme in Höhe von
46.218,16 Euro konkret berechnet worden ist.
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Die Kammer hat anhand des Klageschriftentwurfs nebst Anlagen den Eindruck, dass in
die Berechnung überdies ein behaupteter Schaden aus dem Darlehen der Frau ...
(Klageschrift Anlage K2, Bl. 28 ff d.A.) eingeflossen ist. Abgesehen davon, dass der
Antragsteller als Zessionar überhaupt keinen Schaden haben dürfte, wenn sich die
Forderung als nicht werthaltig erweist, kann das Darlehen der damaligen Ehefrau keine
Ansprüche gegen den Antragsgegner rechtfertigen.
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Schon nach dem Vortag des Antragstellers wurde es im Jahr 1996 ausgezahlt. Als
Sicherheit sollte ein Kraftfahrzeugbrief dienen. Das Darlehen wurde direkt von der
damaligen Ehefrau an die Darlehensnehmerin gewährt, eine Treuhandkonstruktion
wurde nicht gewählt. Die behauptete Beratung im Jahr 1997 hat daher allenfalls das
angeblich vom Antragsteller gewährte Darlehen betroffen. Nur wegen dieses Darlehens
sollte die Grundschuld der Frau ... auf den Antragsteller übertragen werden und nur für
dieses Darlehen wurde die streitgegenständliche Treuhandvereinbarung geschlossen.
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2. Anspruchsgrundlagen
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Der Antragsteller hat gegen den Antragsgegner unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt
Anspruch auf den begehrten Schadensersatz.
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a) Vertrag
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Für das Zustandekommen und den Umfang eines Steuerberatervertrags ist der
Antragsteller darlegungs- und beweispflichtig. Eine schriftliche Vereinbarung existiert
nicht.
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Der Antragsteller behauptet, mit dem Antragsgegner anlässlich der Auszahlung des
Darlehens einen Steuerberatungsvertrag geschlossen zu haben.
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Unstreitig fand am 02.10.1997 die Übergabe der 50.000 DM im damaligen Büro des
Antragsgegners in ... statt. Der Antragsteller trägt hierzu vor, er sei auf Vorschlag der
Frau ... mit ihr zu deren Steuerberater, dem Antragsgegner, gegangen. Durch das bloße
Betreten der Büroräume kommt ein Vertrag nicht zustande. Aus der Tatsache, dass der
Antragsgegner dort vorgeschlagen haben soll, das Darlehen mit der Grundschuld der
Frau ... zu besichern und zur Erzielung steuerlicher Vorteile eine Treuhandvereinbarung
zu unterzeichnen, kann nicht auf den Abschluss eines Beratungsvertrags geschlossen
werden. Der Antragsteller wusste, dass es sich um den Steuerberater der
Darlehensnehmerin handelte. Ihm musste deswegen bewusst sein, dass der
Antragsgegner die Interessen seiner Mandantin vertrat und deswegen ein
Interessenkonflikt zu erwarten war. Welche Steuervorteile im einzelnen erzielt werden
sollten, entzieht sich der Kenntnis der Kammer.
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Die Kammer schließt aus, dass die gleichzeitige Anwesenheit der Frau ..., die zur
Besicherung eine Grundschuld zur Verfügung stellen sollte, auf einem glücklichen Zufall
beruhte. Offensichtlich war auch die Besicherung des Darlehens bereits zuvor zwischen
den Beteiligten besprochen worden. Denn Frau ... soll den Grundschuldbrief überreicht
haben. Die Kammer geht davon aus, dass Frau ... diesen nicht ständig bei sich führte.
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Dann kann es sich aber nicht um einen Vorschlag des Antragsgegners gehandelt
haben, den dieser erstmals während des Gesprächs in seinem Büro geäußert hat.
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Aber selbst wenn man eine Beratung bezüglich des Treuhandmodells unterstellt, führt
die Nichtigkeit der Treuhandvereinbarungen nicht dazu, dass auch der
Darlehensvertrag mit Frau ... nichtig ist. Das Oberlandesgericht hat in Bezug auf die
Grundschuldabtretung im Verhältnis zwischen dem Antragsgegner und Frau ...
festgestellt, dass es wegen der Nichtigkeit der Scheingeschäfte an einer schriftlichen
Abtretungserklärung mangele. Gemäß § 117 Abs. 2 BGB finden jedoch die für das
verdeckte Geschäft geltenden Vorschriften Anwendung. Durch den Treuhandvertrag
wurde das Darlehen (§ 607 BGB aF) zwischen dem Antragsteller und Frau ... verdeckt.
Die mündliche Absprache ist formwirksam. Denn es handelte sich nicht um einen
Verbraucherdarlehensvertrag i.S.d. damals geltenden Verbraucherkreditgesetzes,
dessen Wirksamkeit der Schriftform bedurft hätte. Das Urteil des Landgerichts Münster
vom 19.06.2008, 14 O 19/08 ist daher nach Ansicht der Kammer im Ergebnis richtig.
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Warum der Antragsteller vor dem 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der
zweiten Instanz lediglich einen Vergleich über 5.000 Euro mit Frau ... geschlossen hat,
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zweiten Instanz lediglich einen Vergleich über 5.000 Euro mit Frau ... geschlossen hat,
entzieht sich ebenfalls der Kenntnis der Kammer. Hierzu hat der Antragsteller lediglich
vorgetragen, dies sei vor dem Hintergrund geschehen, dass der 5. Zivilsenat in der
Beschwerdeentscheidung gegen die Zurückweisung des Prozesskostenhilfegesuch für
eine Klage gegen Frau ... den Treuhandvertrag für nichtig gehalten habe. Nach der
dargelegten Ansicht der Kammer hat das keinerlei Einfluss auf das verdeckte Darlehen.
Plausibel erscheint der Vergleich nur vor dem Hintergrund, dass die dort beklagte Frau
... die Einrede der Verjährung gegen die Rückforderung der Darlehensvaluta erst in der
Berufung erhoben haben mag, womit sie aber präkludiert gewesen sein dürfte. Die
Kammer war jedoch nicht gehalten, zur Erforschung die Akten des Oberlandesgerichts
beizuziehen, da zu deren Inhalt jeglicher Vortrag fehlt.
b) Deliktische Ansprüche
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Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 RBerG besteht nicht.
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Der Antragsgegner hat nicht gegen § 1 Abs. 1 Rechtsberatungsgesetz verstoßen. Er hat
nicht geschäftsmäßig fremde Rechtsgeschäfte einschließlich der Rechtsberatung
besorgt. Geschäftsmäßig ist die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, wenn sie
in der Absicht erfolgt, eine rechtsberatende oder rechtsbesorgende Tätigkeit in gleicher
Weise zu wiederholen und sie dadurch zu einem dauernden und wiederkehrenden
Bestandteil der Beschäftigung des Steuerberaters zu machen (Gräfe/Lenzen/Schmeer,
Steuerberaterhaftung, 3. Aufl. 1997, Rn. 499).
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3. Schaden
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Wenn das schadensstiftende Ereignis die behauptete Fehlberatung zum Abschluss des
Treuhandvertrags gewesen wäre, läge der Schaden nicht im Ausfall der
Darlehensrückzahlung durch Frau ..., sondern allenfalls in der fehlenden Besicherung
durch die Grundschuld.
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Wäre das Darlehen nämlich, wie wirtschaftlich beabsichtigt, direkt gewährt worden,
wäre die in den schriftlichen Darlehensvertrag aufgenommene Abtretungserklärung der
Frau ... formwirksam gewesen. Der Antragsteller wäre dann Inhaber der Grundschuld
geworden.
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Nach den Grundsätzen des Schadensersatzrechts kann er nur verlangen, so gestellt zu
werden, wie er bei stehen würde, wenn das schadensstiftende Ereignis ausgeblieben
wäre.
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a) Ausfall der Rückzahlungsansprüche
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Die nicht gezahlten Rückzahlungsansprüche aus den Frau ... gewährten Darlehen sind
nicht ersatzfähig, weil sie seit dem 01.01.2005 verjährt sind.
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Zwar ist auf den Darlehensvertrag aus dem Jahr 1997 das alte Schuldrecht
anzuwenden, nach dem der Anspruch auf Rückzahlung gemäß § 195 BGB aF erst in
30 Jahren nach Fälligkeit verjähren würde. Gemäß § 609 BGB aF war das für ein Jahr
gewährte Darlehen durch Zeitablauf fällig, ohne dass es einer Kündigung bedurft hätte
(vgl. Palandt-Putzo, 56. Auflage 1997, § 609 Rn. 4, 7). Mit der Schuldrechtsreform gilt
die Übergangsregelung zur Verjährung aus Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB. Der
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Darlehensanspruch verjährte deswegen gemäß §§ 195,199 Abs. 1 BGB drei Jahre nach
der Schuldrechtreform mit Ablauf des Jahres 2004. Eine gerichtliche Geltendmachung
und Titulierung der Ansprüche in unverjährter Zeit erfolgte nicht.
b) Verlust der Sicherheit
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Ein Schaden liegt allenfalls darin, dass der Antragsteller keinen Zugriff auf das aus der
Grundschuld haftende Grundstück hat. Eine grundpfandrechtliche Besicherung hätte er
jedoch selbst noch herbeiführen können. Hätte er die Forderung titulieren lassen, hätte
er gemäß § 867 ZPO eine Zwangshypothek zur Sicherung erwirken können.
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Der Antragsteller legt nicht dar, wie hoch der Schaden durch den Ausfall der
Darlehenssicherheit sein soll. Hierzu hätte er zumindest darlegen müssen, welchen
Betrag er bei der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld voraussichtlich hätte
erlösen können.
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4. Mitverschulden
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Etwaige Ansprüche sind auch wegen des überwiegenden Mitverschuldens des
Antragstellers gemäß § 254 BGB ausgeschlossen.
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a) Schutzwürdigkeit des Antragstellers
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Der Antragsteller ist hinsichtlich des Schadensrisikos aus dem nichtigen
Treuhandvertrag nicht schutzwürdig. Zwar trifft das Schadensrisiko aus einer
fehlerhaften Auskunft grundsätzlich den Steuerberater (Gräfe/Lenzen/Schmeer,
Steuerberaterhaftung, 3. Aufl. 1997, Rn. 722). Das Mitverschulden des Empfängers der
Auskunft setzt jedoch dort ein, wo er keinen Schutz verdient oder es ihm zumutbar war,
sich selbst zu schützen: Wer Schlupflöcher in den Steuergesetzen sucht, ist größeren –
selbst gewählten – Risiken ausgesetzt (Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 3.
Aufl. 1997, Rn. 724).
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Dem Antragsteller ging es bei der Treuhandkonstruktion gerade darum, keine
Einkommensteuer auf die vereinbarten Zinsen zahlen zu wollen. Dies hat er in der
öffentlichen Sitzung vom 19.06.2008 vor der 14. Zivilkammer des Landgerichts Münster
zum Az. 14 O 19/08 selbst eingeräumt: "Es war so, dass ich die Zinsen für diese
Darlehen nicht versteuern wollte. Herr ... meinte, mit dieser Konstruktion könnte man das
auch umgehen." (Bl. 60R d.A.)
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b) Verjährung der Darlehensansprüche
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Wie dargelegt, wäre der Antragsteller gehalten gewesen, die Darlehensansprüche
gegen die Darlehensnehmerin ... zur Schadensminderung rechtzeitig geltend zu
machen. Dies geschah jedoch erst 2008, als die Darlehensnehmerin schon wegen
Verjährung zur Verweigerung der Rückzahlung berechtigt gewesen ist. Damit hat er den
Ausfall der Darlehensforderung schuldhaft selbst herbeigeführt. Er kann sich deswegen
nicht beim Antragsgegner schadlos halten.
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5. Verjährung
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Etwaige Ansprüche des Antragstellers wären zudem verjährt.
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Der Antragsgegner hat die Einrede der Verjährung erhoben.
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a) § 68 StGB
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Auf einen im Jahr 1997 abgeschlossenen Steuerberatervertrag ist § 68 StBG a.F.
anzuwenden.
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Nach dieser Vorschrift verjährten Ansprüche des Auftraggebers auf Schadensersatz
gegen den Steuerberater in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch
entstanden war.
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Der behauptete Schadensersatzanspruch ist am 02.10.1997 entstanden.
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Bei einem falschen Wirtschaftsrat tritt der Schaden mit dem Vollzug der fehlerhaften
Beratung ein (Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 3. Aufl. 1997, Rn. 886).
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Der Schaden ist mit der Auskehrung des Darlehens im Büro des Beklagten entstanden.
Denn die Treuhandkonstruktion war als Scheingeschäft gemäß § 117 Abs. 1 BGB von
Anfang an nichtig. Dies führte dazu, dass das Darlehen nicht wie beabsichtigt
grundpfandrechtlich besichert war. Diese Verschlechterung der Vermögenslage des
Antragstellers trat sofort ein. Auf die Kenntnis des Auftraggebers vom Schaden und vom
Schadensersatzanspruch kommt es nicht an (Gräfe/Lenzen/Schmeer,
Steuerberaterhaftung, 3. Aufl. 1997, Rn. 874).
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Damit trat mit Ablauf des 02.10.2000 die Primärverjährung ein. Die Voraussetzungen,
unter denen eine sekundäre Verjährungsfrist zu laufen begonnen hätte, sind weder
vorgetragen, noch ersichtlich. Es soll sich um eine einmalige Beratung gehandelt
haben, so dass später für den Antragsgegner kein Anlass bestand, auf seinen Fehler
hinzuweisen. Auch hätte die Sekundärverjährungsfrist ebenfalls am 02.10.1997 zu
laufen begonnen. Denn sie beginnt spätestens mit dem Ende des Mandats.
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b) § 852 Abs. 1 BGB a.F.
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Auf etwaige deliktische Ansprüche aus dem Jahr 1997 ist § 852 Abs. 1 BGB a.F.
anzuwenden. Nach dieser Vorschrift verjährten deliktische Ansprüche in 3 Jahren ab
Kenntnis des Geschädigten von der Person des Schädigers und des Schadens.
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Der Antragsteller hatte bei Auszahlung des Darlehens Kenntnis davon, dass es sich bei
der Treuhandvereinbarung mit der ... und dem Darlehensvertrag mit der ... um
Strohmanngeschäfte handelte. Er wusste, dass wirtschaftlich das Darlehen zwischen
ihm und Frau ... gewährt werden sollte. Er kannte damit die Tatsachen, die zur
Unwirksamkeit der Grundschuldabtretung führten. Nicht erforderlich war, dass der
Antragsteller diese Tatsachen rechtlich zutreffend einordnete. Rechtsunkenntnis schiebt
auch bei unübersichtlicher und zweifelhafter Rechtslage den Verjährungsbeginn nicht
hinaus. Der Geschädigte muss aus den ihm bekannten Tatsachen nicht die zutreffenden
rechtlichen Schlüsse ziehen (vgl. die Kommentierung zum identischen § 199 BGB etwa
bei Palandt-Heinrichs; Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 3. Aufl. 1997,
Rn. 937). Es wäre dem Antragsteller damals zumutbar gewesen, die rechtlich
zweifelhafte Konstruktion durch einen Rechtsanwalt seines Vertrauens überprüfen zu
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lassen.
Dass das Oberlandesgericht Hamm dem Antragsteller die Nichtigkeit der Verträge
nunmehr vor Augen geführt haben mag, ist keine neue Tatsache, die zur Entstehung
des Anspruchs erforderlich war.
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