Urteil des LG Paderborn vom 26.02.2008

LG Paderborn: anspruch auf rechtliches gehör, namensrecht, persönliche anhörung, eltern, auskunft, bestandteil, persönlichkeitsrecht, geburt, behörde, familienname

Landgericht Paderborn, 5 T 21/08
Datum:
26.02.2008
Gericht:
Landgericht Paderborn
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 T 21/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Paderborn, 3 III 55/07
Tenor:
Der Beschluss des Amtsgerichts Paderborn vom 23.07.2007 (3 III 55/07)
wird aufgehoben.
Der Antrag des Landrats ......... vom 19.07.2007 auf Berichtigung des
Geburtenbuches ................ wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer trägt die
antragstellende Behörde.
Gründe
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I.
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Die Beschwerdeführer sind die leiblichen Eltern des am ..... geborenen Kindes ....... Der
Vater ist spanischer Staatsangehöriger, die Mutter ist Deutsche. Für das Kind wurde
gem. Art. 10 EGBGB spanisches Namensrecht gewählt und es wurde zunächst mit dem
vorgenannten Namen in das Geburtenbuch aufgenommen.
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Mit Antrag vom 19.07.2007 beantragte der Landrat des Kreises ........ die Berichtigung
des Geburtenbuches hinsichtlich des Familiennamens des Kindes zu ......... Bei dem
Namen ......... handelt es sich um den Geburtsnamen der Mutter des Kindes, die
gegenwärtig, wie auch bei Geburt des Kindes den Familiennamen ihres geschiedenen
Ehemannes ........... trägt.
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Zur Begründung des Berichtigungsantrages berief sich die Standesamtsaufsicht auf
eine Auskunft des spanischen Generalkonsulats vom 30.11.2006, gerichtet an das
Standesamt der Stadt ...... und mithin nicht in Zusammenhang stehend mit der
vorliegenden Standesamtssache.
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In diesem Auskunftsschreiben zitiert das Generalkonsulat die spanischen
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Rechtsvorschriften zum Namensrecht (Gesetz 40/1999, königl. Dekret 193/2000) und
gibt Auskunft dahingehend, dass nach dortiger Rechtsauffassung das Kind einer
geschiedenen, aber den Ehenamen des geschiedenen Mannes tragenden deutschen
Mutter und eines Spaniers sich aus einer Kombination des Geburtsnamens der Mutter
und des spanischen Vaters zusammensetze.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 23.07.2007 antragsgemäß entschieden, ohne
zuvor dem Kinde bzw. den Eltern Gelegenheit zur Stellungnahme zum
Berichtigungsantrag zu gewähren.
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Gegen diese Entscheidung wenden sich die Eltern des Kindes im Wege der
Beschwerde, mit der sie im Wesentlichen vortragen, dass die Wahl des spanischen
Namensrechts seinerzeit auf Empfehlung des Standesbeamten erfolgt sei, um für das
Kind eine Kombination aus den Familiennamen der Mutter und des Vaters zu erreichen.
Es sei nicht gewollt gewesen, dass das Kind den Geburtsnamen der Mutter, sondern
ihren derzeitigen Familiennamen erhalte, was auch zunächst geschehen sei.
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Im Übrigen sei es nach 2 Jahren auch mit dem Persönlichkeitsrecht des Kindes nicht
vereinbar, den bislang geführten Namen zu ändern.
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II.
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Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
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Die angefochtene Entscheidung leidet bereits unter einem schwerwiegenden
Verfahrensmangel, denn das Amtsgericht hat es versäumt, dem Kinde bzw. seinen
Eltern das zwingend erforderliche rechtliche Gehör zum Antrag der Standesamtsaufsicht
zu gewähren und damit gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen. Der Antrag ist am
21.07.2007 beim Amtsgericht eingegangen und der zuständige Richter hat bereits 2
Tage später die angefochtene Entscheidung erlassen, ohne den Antrag dem Kinde bzw.
seinen Eltern zur Stellungnahme zuzuleiten oder eine persönliche Anhörung
durchzuführen. Art. 103 Abs. 1 GG ist auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit
zu beachten, unabhängig davon, ob die Anhörung im Gesetz vorgeschrieben ist und ob
das Verfahren vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht wird ( BVerfG 89, 381). Der
Anspruch auf rechtliches Gehör ist eine Folgerung aus dem Rechtsstaatsgrundsatz für
das gerichtliche Verfahren. Der Einzelne soll vor einer Entscheidung, die seine Rechte
betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu
können. Hierfür gewährleistet Art. 103 Abs. 1 GG den Verfahrensbeteiligten nicht nur
das Recht, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern,
sondern auch das Recht, dem Gericht die eigene Auffassung zu den erheblichen
Rechtsfragen darzulegen. Da die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs ebenso wie
die Rechtsweggarantie der Sicherung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes dient, gilt
das Gebot der Effektivität auch für den Anspruch, im Verfahren gehört zu werden. Die
Beteiligten müssen die Möglichkeit haben, sich im Prozess mit tatsächlichen und
rechtlichen Argumenten zu behaupten (BVerfG FamRZ 95, 795).
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Auch in der Sache kann die nicht mit Gründen versehene Entscheidung des
Amtsgerichts keinen Bestand haben. Soweit aus der Nichtabhilfeentscheidung des
Amtsgerichts hervorgeht, dass es die angefochtene Entscheidung im wesentlichen auf
die Auskunft des spanischen Generalkonsulats vom 28.11.2006 stützt, begegnet dies
bereits deshalb Bedenken, weil diese Auskunft sich nicht auf das vorliegende Verfahren
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bezieht, sondern einer anderen Behörde gegenüber in einem anderen Fall erteilt wurde.
Soweit jedoch der Auskunft Ausführungen genereller Art zu entnehmen sind, kann sie
nicht Grundlage der Entscheidung eines deutschen Gerichtes sein. Das
Auskunftsschreiben enthält neben der Mitteilung der rechtlichen Vorschriften zum
spanischen Namensrecht auch die bereits oben wiedergegebene Auskunft zur
Kombination von den Familiennamen der Mutter und des Vaters. Dabei vertritt das
spanische Generalkonsulat die Auffassung, dass der Geburtsname der Mutter derjenige
sei, der Teil des Geburtsnamens des Kindes werde und - offenbar - nicht der zum
Zeitpunkt der Geburt des Kindes von der Mutter geführte (Ehe-)Name. Dieser vom
Generalkonsulat vorgenommenen Rechtsauslegung liegt eine fehlerhafte Anwendung
des Kollisionsrechtes zugrunde. Zwar haben die Eltern des Kindes für dessen
Geburtsnamen gem. Art. 10 Abs. 3 EGBGB aufgrund der spanischen
Staatsangehörigkeit des Vaters in zulässiger Weise das spanische Namensrecht
bestimmt, so dass sich dieser grundsätzlich auch nach spanischem Recht bemisst.
Es trifft auch zu, dass nach spanischem Namensrecht grundsätzlich der Geburtsname
eines Kindes aus einer Kombination aus jeweils des ersten Familiennamens von Vater
und Mutter in von den Eltern festzulegender Reihenfolge besteht. Es ist jedoch nicht
zutreffend, unter dem "ersten Familiennamen" der Mutter deren Geburtsnamen zu
verstehen. Die Frage der Namensführung der Mutter bestimmt sich vorliegend nämlich
ausschließlich nach deutschem Namensrecht und daher maßgeblich nach § 1355 BGB.
Danach führen die Ehegatten den von ihnen bestimmten Ehenamen. Auf Grund ihrer
früheren Heirat hat die Mutter des Kindes hier den Ehenamen ........ erworben. Gemäß §
1355 Abs. 5 BGB behält die Mutter dieser Ehenamen auch als geschiedene Ehegattin
bei, so dass die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes und der Festlegung des
Familiennamens ausschließlich den Namen ......... führte. Ihren Geburtsnamen .......
führte sie mithin nicht mehr. Dieser Geburtsname war mithin nicht Bestandteil des
Familiennamens der Mutter, so dass auch nach spanischem Namensrecht dieser
Geburtsname der Mutter nicht Teil des Geburtsnamens des Kindes werden konnte. Ein
Name, der nach deutschem Namensrecht von einem Elternteil nicht (mehr) geführt wird,
kann nicht auf Grund vermeintlich kollidierendem ausländischen Recht weitergegeben
werden.
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Die Kammer geht vorliegend überdies aber auch nicht von einer Kollision im Sinne
eines Konflikts der Rechtsordnungen aus. Nach spanischem Namensrecht besteht der
Name einer Person grundsätzlich aus höchstens zwei einfachen Familiennamen, von
denen jeweils einer aus dem väterlichen und einer aus dem mütterlichen
Familiennamen stammt (Art. 53, 54 Abs. 1 LRC). Die Schließung einer Ehe bleibt auf
die Namensführung der Ehegatten ohne Auswirkung, so dass beide Ehegatten ihre
bisherigen Familiennamen beibehalten (Bergmann/Ferif/Henrich zu Spanien). Daraus
folgt, dass es im spanischen Namensrecht nicht zu der hier zur Entscheidung
anstehenden Problematik kommen kann, ob der durch Eheschließung geänderte
Familienname der Mutter Bestandteil des Geburtsnamens des Kindes werden kann. Die
Formulierung erster Familienname" kann sich daher nicht auf eine chronologische
Reihenfolge der seitens der Mutter jemals geführten Geburts- und Ehenamen beziehen,
wenn eine Änderung des Familiennamens einer Person auf Grund Heirat nach
spanischem Namensrecht nicht vorgesehen ist.
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Darüber hinaus kann aber auch der angefochtene Beschluss bereits deshalb keinen
Bestand haben, weil er in unzulässiger Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht
des Kindes gem. Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG eingreift. Geschützt durch das
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allgemeine Persönlichkeitsrecht ist der Name eines Menschen, der Ausdruck der
Identität sowie Individualität des Namensträgers ist und sich als solcher nicht beliebig
austauschen lässt. Er begleitet vielmehr die Lebensgeschichte seines Trägers, die unter
dem Namen als zusammenhängende erkennbar wird. Der Einzelne kann daher
grundsätzlich verlangen, dass die Rechtsordnung seinen Namen respektiert und
schützt. Eine Namensänderung beeinträchtigt die Persönlichkeit und darf nicht ohne
gewichtigen Grund gefordert werden. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
zu wahren. Dies gilt nicht nur für den von der Rechtsordnung zugelassenen und somit
rechtmäßig erworbenen, sondern auch für den von einem Menschen tatsächlich
geführten Namen, wenn sich mit diesem Namen eine Identität und Individualität des
Namensträgers herausgebildet und verfestigt hat und sich im Vertrauen auf die
Richtigkeit der Namensführung auch herausbilden durfte. Insofern ist auch der
tatsächlich geführte Name jedenfalls dann vom Schutz des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts umfasst, wenn er über einen nicht unbedeutenden Zeitraum die
Persönlichkeit des Trägers tatsächlich mitbestimmt hat und ein entsprechender
Vertrauenstatbestand vorliegt (BVerfG NJW-FER 2001, 193). Ein solcher entsteht nicht
nur durch eigene Wahrnehmung, sondern auch durch die Wahrnehmung der eigenen
Person durch Dritte. Das Tragen eines Namens für die Dauer von inzwischen 2 ½
Jahren bedingt eine enge Verflechtung dieses Namens mit der durch ihn bezeichneten
Person. Familienangehörige, Freunde und Bekannte verknüpfen diesen Namen mit dem
Kinde und identifizieren durch ihn das Kind in einem Maße, das über die reine
Benennung und Unterscheidung des Kindes hinausgeht. Der Name ist daher
Bestandteil der Persönlichkeit des Kindes geworden und genießt deshalb einen nicht zu
überwindenden Vertrauensschutz, der zudem dadurch auch gestärkt ist, dass das
Standesamt hier immerhin bei der Eintragung ins Geburtenbuch eine aktive Beraterrolle
übernommen hat.
Insgesamt konnte mithin der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben und war
der Antrag auf Berichtigung des Geburtenbuches zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 131 KostO, 13 a FGG.
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