Urteil des LG Offenburg vom 05.01.2005

LG Offenburg: vergütung, treuhänder, aufwand, verwertung, spaltung, ermessen, förster, verfügung, sparkasse, vollzug

LG Offenburg Beschluß vom 5.1.2005, 4 T 100/04
Vereinfachtes Insolvenzverfahren: Treuhändervergütung für Nachtragsverteilung
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des Amtsgerichts Offenburg vom 10.12.2003 (AZ: IN 53/00) wie folgt abgeändert:
Das Entgelt des Treuhänders für die Nachtragsverteilung wird wie folgt festgesetzt:
Vergütung
3.540,71 EUR
Auslagen
531,11 EUR
16 % Umsatzsteuer
651,49 EUR
Endsumme
4.723,31 EUR
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.209,03 EUR festgesetzt.
Gründe
1
I. Mit Beschluss vom 4.3.2002 eröffnete das Amtsgericht Offenburg nach Stundung der Verfahrenskosten bis zur Restschuldbefreiung das
vereinfachte Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und bestellte Rechtsanwalt ... zum Treuhänder gemäß § 313 InsO.
Da nach dem Bericht des Treuhänders vom 20.3.2002 keine Insolvenzmasse vorhanden war, wurde das Verfahren am 9.7.2002 nach
Feststellung der angemeldeten Forderungen und Ankündigung der Restschuldbefreiung wegen Masseunzulänglichkeit eingestellt. Das Entgelt
des Treuhänders wurde mit Beschluss vom 3.7.2002 auf 333,50 EUR (250,- EUR Mindestvergütung zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer)
festgesetzt.
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Durch den Antrag einer Gläubigerin auf Nachtragsverteilung vom 24.3.2003 wurde bekannt, dass die Mutter des Schuldners bereits am 1.7.2002
verstorben und zu 1/6 vom Schuldner beerbt worden war. Daraufhin ordnete das Amtsgericht Offenburg mit Beschluss vom 3.4.2003 gemäß §
203 Abs. 1 Nr. 3 InsO die Nachtragsverteilung hinsichtlich dieses Erbteils an und übertrug deren Vollzug dem Treuhänder. Dieser verwertete den
Erbteil, wobei er unter anderem den Verkauf des Nachlassgrundstücks genehmigte und eine Klage des Schuldners, mit der dieser die Hälfte des
Erbteils für sich beanspruchte, im Prozesskostenhilfeverfahren mit anwaltlicher Hilfe abwehrte. Der Verwertungserlös beläuft sich ausweislich
seiner Schlussrechnung auf 41.651,30 EUR und übersteigt damit die festgestellten Forderungen in Höhe von insgesamt 30.886,22 EUR.
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Mit Schriftsatz vom 17.10.2003 beantragte der Treuhänder, sein Entgelt auf 9.883,02 EUR festzusetzen, wobei er eine Vergütung in Höhe von
120 % des Regelsatzes gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 InsVV nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer geltend machte und zur Begründung des
Zuschlags auf den besonderen Aufwand durch unzureichende Unterlagen des Schuldners, eingehende Verhandlungen mit den Banken,
Führung von komplizierten und langwierigen Prozessen, schwierige erbrechtliche Fragen, Masseermittlung und rechtliche Probleme im
Nachtragsverteilungsverfahren, aber auch auf den Erfolg dieses Verfahrens hinwies. Auf den am 22.10.2003 erteilten gerichtlichen Hinweis, dass
bei der Vergütung für eine Nachtragsverteilung gemäß § 6 InsVV grundsätzlich von 25 % des Regelsatzes auszugehen sei und vorliegend
allenfalls der 3,5fache Betrag, also 87,5 % des Regelsatzes, gerechtfertigt seien, ermäßigte der Treuhänder seinen Antrag entsprechend. Der
Schuldner trat dem Vergütungsantrag mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 5.11.2003 entgegen und bestritt dabei
insbesondere den behaupteten besonderen Aufwand. Der Treuhänder hielt mit Schriftsatz vom 2.12.2003 an seinem Antrag fest, berief sich auf
Gespräche mit der Sparkasse, Korrespondenz mit dem beurkundenden Notar und die rechtliche Schwierigkeit des Prozesskostenhilfeverfahrens,
bei dem er die vorgerichtlichen Schriftverkehr selbst geführt habe, und machte geltend, er dürfe aufgrund der Spaltung des Verfahrens keine
geringere Vergütung erhalten als er in einem einheitlichen Verfahren erhalten hätte.
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Mit Beschluss vom 10.12.2004 setzte das Amtsgericht Offenburg das Entgelt für die Nachtragsverteilung entsprechend dem reduzierten Antrag
auf 7.292,63 EUR fest. Die Vergütung in Höhe von 87,5 % des Regelsatzes § 13 Abs. 1 S. 1 InsVV begründete es damit, dass die Tätigkeit des
Treuhänders beim Vollzug der Nachtragsverteilung einerseits den durchschnittlichen Aufwand eines gesamten Verbraucherinsolvenzverfahrens
geringfügig unterschritten, andererseits den Aufwand einer durchschnittlichen Nachtragsverteilung deutlich überschritten habe.
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Gegen diesen am 29.12.2003 veröffentlichten Beschluss legte der Schuldner mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten am 13.1.2004
sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung führte er aus, der - erneut im einzelnen bestrittene - Aufwand des Treuhänders rechtfertige keine
Überschreitung des 0,25fachen Regelsatzes. In seiner Stellungnahme vom 3.2.2004 beantragte der Treuhänder die Zurückweisung der
Beschwerde mit der Begründung, der 0,25fache Regelsatz trage weder der dem allgemeinen Erscheinungsbild der Nachtragsverteilung im
Verbraucherinsolvenzverfahren noch dem Umstand Rechnung, dass vorliegend im Insolvenzverfahren selbst nur eine Mindestvergütung
angefallen sei, während die Nachtragsverteilung wegen der erbrechtlichen Prüfung und der freihändigen Verwertung des Grundstücks mit
überdurchschnittlichem Aufwand verbunden gewesen sei. Nachdem der Schuldner hierauf mit Schriftsatz vom 17.3.2004 erwidert hatte, half das
Amtsgericht seiner sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 23.4.2004 nicht ab, wobei es ergänzend ausführte, die Vergütung für die
Nachtragsverteilung sei beim Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren grundsätzlich mit 50% des Regelsatzes anzusetzen, weil § 6
InsVV auf das Regelinsolvenzverfahren mit den höheren Regelsätzen des § 2 InsVV und den Zuschlägen des § 3 InsVV zugeschnitten sei, deren
Anwendung durch § 13 Abs. 2 InsVV ausgeschlossen werde. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wiederholten und vertieften die Parteien
mit Schriftsätzen vom 28.5. und 29.6.2004 ihr erstinstanzliches Vorbringen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss vom 10.12.2003 (AS 359) und den Nichtabhilfebeschluss vom
23.4.2004 (AS 401) sowie auf die Schriftsätze vom 17.10.2003 (AS 333), vom 5.11.2003 (AS 343), vom 2.12.2003 (AS 347), vom 13.1.2004 (AS
375), vom 3.2.2004 (AS 387), vom 17.3.2004 (AS 397), vom 28.5.2004 (AS 411) und vom 29.6.2004 (AS 423) Bezug genommen.
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II. Die gemäß §§ 313 S. 3, 64 Abs. 3 S. 1 InsO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist
aber nur teilweise begründet.
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Gemäß §§ 313 S. 3, 63 InsO, 10, 6 Abs. 1 S. 1, 2 Abs. 1 InsVV steht dem Treuhänder für die Nachtragsverteilung eine gesonderte Vergütung in
Höhe von 3.540,71 EUR zu, so dass sein Entgelt einschließlich der Auslagenpauschale (§§ 10, 8 Abs. 3 InsVV a.F.) und der Umsatzsteuer (§§
10, 7 InsVV) auf 4.723,31 EUR festzusetzen ist. Im einzelnen errechnet sich das Entgelt des Treuhänders wie folgt:
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40% aus den ersten 25.000,- EUR:
10.000,00 EUR
25% aus weiteren 16.651,30 EUR
4.162,83 EUR
Zwischensumme (§ 2 InsVV)
14.162,83 EUR
hieraus 25% (§ 6 InsVV)
3.540,71 EUR
zzgl. 15% Aufwendungsersatz (§ 8 Abs, 3 InsVV) 531,11 EUR
Zwischensumme
4.071,82 EUR
zzgl. 16% USt (§ 7 InsVV)
651,49 EUR
Gesamtbetrag
4.723,31 EUR
10 Die Vergütung des Treuhänders ist nicht nach § 13 InsVV festzusetzen, sondern nach §§ 10, 6 Abs. 1 InsVV. Denn § 13 InsVV regelt nur die
Grundvergütung des Treuhänders im vereinfachten Insolvenzverfahren, während sich die gesonderte Vergütung für eine Nachtragsverteilung
nach § 6 Abs. 1 InsVV bestimmt. Diese Vorschrift gilt unmittelbar nur für den Insolvenzverwalter, gemäß § 10 InsVV ist sie auf den Treuhänder
jedoch entsprechend anzuwenden, weil die §§ 11 bis 13 InsVV insoweit keine Sonderregelung enthalten.
11 Nach § 6 Abs. 1 InsVV ist die gesonderte Vergütung für eine Nachtragsverteilung unter Berücksichtigung des Werts der nachträglich verteilten
Insolvenzmasse nach billigem Ermessen festzusetzen. Da sich die Nachtragsverteilung regelmäßig in der Verwertung und Verteilung der frei
gewordenen, zurückgeflossenen oder neu ermittelten Masse an bestimmte namentlich und quotenmäßig feststehende Gläubiger erschöpft, sind
sowohl die rechtlichen Anforderungen als auch der tatsächliche Aufwand und das Haftungsrisiko erheblich geringer als bei der Tätigkeit im
vorausgehenden Insolvenzverfahren. Der Insolvenzverwalter erhält daher nur in besonderen Ausnahmefällen die vollen Staffelsätze des § 2
InsVV. Im Regelfall wird die Nachtragsverteilung dagegen mit 25% dieser Sätze vergütet (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster § 6 InsVV Rn. 7).
12 Bei der entsprechenden Anwendung dieser Grundsätze auf den Treuhänder ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts und des Schuldners
nicht von dem geringeren Regelsatz des § 13 Abs. 1 S. 1 InsVV, sondern von den Staffelsätzen des § 2 InsVV auszugehen. § 13 Abs. 2 InsVV
steht dem nicht entgegen. Denn nach ihrer systematischen Stellung schließt diese Vorschrift nur die Anwendung des § 2 InsVV auf die in § 13
Abs. 1 InsVV abschließend geregelte Grundvergütung des Treuhänders aus, nicht aber die Heranziehung der Staffelsätze bei der Bestimmung
der gesonderten Vergütung für die Nachtragsverteilung im Rahmen des billigen Ermessens gemäß § 6 InsVV. Eine solche Berechnung ist
vielmehr in der Sache geboten, weil die entsprechende Anwendung des Regelsatzes aus § 13 Abs. 1 S. 1 InsVV zu einer nicht gerechtfertigten
Ungleichbehandlung führen würde: Der Treuhänder erhält deshalb eine geringere Grundvergütung als der Regelinsolvenzverwalter, weil seine
Tätigkeit im vereinfachten Insolvenzverfahren einen erheblich geringeren Umfang hat und weil Verbraucherinsolvenzen, in denen regelmäßig
keine nennenswerte Masse zur Verfügung steht, nicht durch zu hohe Vergütungssätze belastet oder sogar undurchführbar werden sollen (vgl.
Haarmeyer/Wutzke/Förster § 13 InsVV Rn. 2 f.). Für die Nachtragsverteilung gelten diese Erwägungen gerade nicht. Hier entspricht die Tätigkeit
des Treuhänders der eines Insolvenzverwalters, und die gesonderte Vergütung des Treuhänders kann aus der neuen Masse aufgebracht
werden. Diese Vergütung ist daher auch genauso zu bemessen wie die eines Insolvenzverwalters, was nur durch eine Berechnung nach den
Staffelsätzen des § 2 InsVV erreicht werden kann. Die grundsätzliche Zubilligung von 50% des Regelsatzes aus § 13 Abs. 1 S. 1 InsVV, die das
Amtsgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss für angemessen erachtet, führt dagegen nicht zu der gebotenen vollständigen Angleichung.
13 Die im Rahmen des § 6 Abs. 1 InsVV übliche Vergütung in Höhe von 25 % der Regelvergütung entspricht auch im vorliegenden Fall billigem
Ermessen. Eine höhere Quote ist entgegen der Auffassung des Treuhänders nicht gerechtfertigt. Zum einen entsprach seine Tätigkeit -
unabhängig von den insoweit streitigen Einzelheiten - nach Art und Umfang einer durchschnittlichen Nachtragsverteilung, zumal auch insoweit
die gleichen Maßstäbe anzulegen sind wie im Regelinsolvenzverfahren: Die freihändige Verwertung des Hausgrundstücks ging zwar über eine
reine Verteilung hinaus, wurde aber nicht vom Treuhänder selbst vorgenommen, sondern nur genehmigt; die eigenen Verhandlungen mit dem
Notar und der Sparkasse waren nicht besonders schwierig oder umfangreich; die Klage des Schuldners wurde mit Hilfe eines gesondert
vergüteten Anwalts abgewehrt; und da bereits ein Erbschein erteilt war, stellten sich auch keine komplizierten erbrechtlichen Fragen. Zum
anderen ist die Nachtragsverteilung nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 1 InsVV gesondert zu vergüten, so dass es nicht darauf
ankommt, welche Vergütung der Treuhänder oder Insolvenzverwalter bereits erhalten hat. Daher kann die Spaltung des Verfahrens entgegen
der Auffassung des Treuhänders (ebenso Braun/Kießner InsO § 205 Rn. 12) auch dazu führen, dass insgesamt eine geringere Vergütung anfällt
als in einem einheitlichen Verfahren angefallen wäre. Denn die gesonderte Vergütung soll nur den Aufwand im Rahmen der Nachtragsverteilung
abgelten und ist darum regelmäßig nicht nach den vollen Sätzen des § 2 InsVV zu berechnen, während die neue Masse bei der nach §§ 2 oder
13 InsVV festgesetzten Grundvergütung noch nicht berücksichtigt werden konnte.
14 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 4 InsO, 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.
15 Der Gegenstandswert beschränkt sich auf 5.209,03 EUR, weil der Schuldner den Beschluss nur insoweit angefochten hat, als die Vergütung des
Treuhänders auf mehr als 25% des Regelsatzes aus § 13 Abs. 1 S. 1 InsVV festgesetzt wurde.