Urteil des LG Offenburg vom 25.06.2010

LG Offenburg (kenntnis, konto, zeitpunkt, verwaltung, aug, einziehung, anlage, zeitschrift, bestand, schädigung)

LG Offenburg Urteil vom 25.6.2010, 2 O 35/10
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen, welcher
der Klägerin dadurch entstanden ist und künftig entstehen wird, dass die Klägerin die durch die Firma D. GmbH im
Zeitraum 08.05.2007 bis 01.08.2007 von Abonnenten der Zeitschrift „A“ der Klägerin vereinnahmten Zahlungen
nicht bzw. nicht vollständig im Rahmen der Insolvenzauszahlungen der D. GmbH realisieren wird.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin macht gegen den Beklagten Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit einer Insolvenz
geltend.
2
Die Klägerin betreibt ein Verlagsunternehmen, in welchem die Zeitschrift A. erscheint. Der Beklagte war seit
dem 17.02.2004 Geschäftsführer der D. GmbH, über deren Vermögen auf Eigenantrag am 31.05.2007 das
vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
3
Am 6./16.12.1996 kam zwischen der Klägerin und der – damals als d Abo-Betreuung firmierenden -D. GmbH
ein Vertrag zustande, durch welchen die D. GmbH die vollständige Verwaltung und Abwicklung der
Auslieferung und Betreuung der Abonnenten der Zeitschrift A für die Klägerin übernahm. Dieser Vertrag
bestand, abgesehen von verschiedentlichen Preisanpassungen, bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens
unverändert fort.
4
Die wesentlichen Leistungen stellten sich wie folgt dar (vgl. Anlage K 2):
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- Rechnungen und Mahnungen schreiben. Die Häufigkeit der Mahnfolge wird vom Verlag vorgegeben.
- Zahlungseingänge buchen und gegebenenfalls zuordnen.
- Monatliche Zusammenfassung aller relevanten Buchhaltungsdaten (Listen mit Forderungen,
Zahlungseingängen nach Zahlungsart, Lieferverpflichtungen, Voraus-Rückstand, Ausbuchungen usw.).
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Die D. GmbH rechnete den Abonnenten der Klägerin gegenüber jeweils zum Fälligkeitstermin deren
Bezugsgebühren ab und forderte diese entweder per Rechnung zur Zahlung auf oder veranlasste die
Einziehung des entsprechenden Betrages im Wege des Lastschriftverfahrens. Dabei bestand kein eigener
Rechtsanspruch der D. GmbH an den Geldmitteln, die für die Klägerin eingezogen wurden. Die Forderungen
waren nicht von der Klägerin an die D. GmbH abgetreten und auch sonst fand keine Übertragung auf die D.
GmbH statt.
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Die Buchungen erfolgten auf ein gebührenfreies Poolkonto der D. GmbH bei der Postbank St., welches
ausschließlich der Verwaltung von Fremdgeldern diente. Auch Abonnenten anderer Auftraggeber der D. GmbH
erbrachten ihre Zahlungen auf dieses Konto.
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Von dort wurden die Beträge täglich auf ein Sammelkonto der D. GmbH bei der Postbank St. transferiert. Nach
der Leistung von Rücküberweisungen an Abonnenten wurden die verbleibenden Beträge systemseitig auf ein
weiteres auf die D. GmbH lautendes Konto bei der Volksbank H. überwiesen.
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Von diesem Konto erfolgten dann – abzüglich der angefallenen Leistungsentgelte für die Tätigkeiten der D.
GmbH – monatliche Auszahlungen an die einzelnen Verlage (vgl. Anlage K 5).
10 Eine Verwaltung der der Klägerin wirtschaftlich zustehenden Bezugsgebühren auf einem offenen
Treuhandkonto erfolgte zu keinem Zeitpunkt der Vertragsbeziehung. Vertraglich wurde jedoch auch keine
dahingehende Vereinbarung getroffen.
11 Die letzte Überweisung der D. GmbH mit Abrechnungsstichtag 30.04.2007 wurde der Klägerin am 08.05.2007
gutgeschrieben.
12 Spätestens am 08./10.05 2007 stand aufgrund gescheiterter Vertragsverhandlungen mit einem Vermieter
unstreitig die Überschuldung der D. GmbH fest. Ob der Beklagte bereits vor diesem Zeitpunkt Kenntnis
hinsichtlich der Insolvenzreife der D. GmbH hatte, ist zwischen den Parteien streitig. Am 22.05.2007 wurde in
der Gesellschafterversammlung die Stellung des Insolvenzantrags beschlossen, was am 29.05.2007 erfolgte
(vgl. Anlage K 6).
13 Nachdem die Klägerin am 08.06.2007 von der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens über das
Vermögen der D. GmbH Kenntnis erlangt hatte, kündigte sie am 15.06.2007 sowohl den
Abonnentenverwaltungsvertrag als auch die Einzugsermächtigung fristlos. In diesem Zusammenhang wies sie
ihre Abonnenten schriftlich an, Zahlungen künftig auf ein anderes Konto zu erbringen.
14 Zwischen dem 01.05.2007 und dem 01.08.2007 gingen auf dem Konto der D. GmbH bei der Postbank St.
Bezugsgebühren für die Ausgabe Mai 2007 aus Abonnements der Klägerin ein (vgl. Anlage K 7a, K 7b), welche
diese wie folgt als Schadensposten geltend macht:
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Mai 2007
057.171,16 EUR (vgl. K 8)
Juni 2007
049.860,49 EUR (vgl. K 9)
Juli 2007
004.539,69 EUR (vgl. K 10)
Gesamt
111.571,34 EUR
16 Nachdem über das Vermögen der D. GmbH am 01.09.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, meldete die
Klägerin ihre Forderungen zur Tabelle an (vgl. K 11). Mit einem zeitnahen Abschluss des Insolvenzverfahrens
ist nicht zu rechnen.
17 Die Klägerin behauptet, bei den Vertragsverhandlungen 1996 sei ausdrücklich über die Insolvenzsicherheit der
Bezugsgebühren gesprochen worden. In diesem Zusammenhang habe die D. GmbH suggeriert, die Gelder
seien sicher und eine Zuordnung zu den einzelnen Verlagen sei jederzeit möglich. Auch wenn dies im Vertrag
nicht ausdrücklich festgelegt worden sei, habe Einigkeit darüber bestanden, dass die Einziehung und
Verwaltung der Bezugsgebühren über Treuhandkonten erfolge. Von der konkreten Handhabung der D. GmbH
habe sie keine Kenntnis gehabt.
18 Eine Ermächtigung zur Einziehung auf D-eigene Konten habe jedenfalls nicht bestanden. Ebenso sei nicht
vereinbart gewesen, dass die der Klägerin zuzuordnenden Zahlungen mit den Zahlungen von Abonnenten
anderer Verlage auf einem Konto zusammengeführt werden.
19 Die Klägerin behauptet weiter, dass Konten ohne erkennbaren Mehraufwand als Konten der jeweiligen Verlage
und damit wirtschaftlich als deren Eigentum erkennbar hätten geführt werden können und müssen, mit der
Folge, dass im Insolvenzfall eine Aussonderung möglich gewesen wäre. Dass dies nicht geschehen sei, stelle
einen Verstoß gegen die vertragsimmanente Vermögensbetreuungspflicht dar.
20 Spätestens im Zeitpunkt seiner Kenntnis von der Insolvenzreife der D. GmbH hätte der Beklagte Sorge dafür
tragen müssen, dass wegen erkennbarer Vermögensgefährdung entsprechende Sicherungsmaßnahmen
getroffen werden. Insbesondere hätte das Poolkonto zu diesem Zeitpunkt für eingehende Zahlungen gesperrt
werden müssen, sodass weder die per Lastschrifteinzug erfolgten Buchungen noch die Überweisungen der
Abonnenten auf das Konto und somit in die Insolvenzmasse geraten wären.
21 Durch den trotz Kenntnis unterbliebenen Hinweis auf die Insolvenzreife der D. GmbH sei der Klägerin auch jede
Möglichkeit genommen worden, selbst Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen.
22 Die Klägerin beantragt
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Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen,
der der Klägerin dadurch entstanden ist und künftig entstehen wird, dass die Klägerin die von der Firma
D. GmbH im Zeitraum von 01.05.2007 bis 31.08.2007 von Abonnenten der Zeitschrift A. der Klägerin
vereinnahmten Zahlungen nicht bzw. nicht vollständig im Rahmen der Insolvenzauszahlungen der D.
GmbH realisieren wird.
24 Der Beklagte beantragt
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Klageabweisung
26 Der Beklagte trägt vor, die Verwaltung der Bezugsgebühren auf Poolkonten sei branchenüblich. Wegen der
damit verbundenen Mehrkosten erfolge eine Verwaltung auf einem offenen Treuhandkonto nur auf
ausdrücklichen Wunsch des Auftraggebers.
27 Eine Vermischung der Gelder sei nicht erfolgt, vielmehr seien die Poolkonten jeweils konkreten Auftraggebern
zugeordnet gewesen. Eine Zuordnung der eingehenden Abonnentenzahlungen zu den jeweiligen Verlagen sei
jederzeit möglich gewesen, da diese bei Zahlungseingang ordnungsgemäß und buchhalterisch korrekt erfasst
worden seien.
28 Die Stellung des Insolvenzantrags sei zu einem früheren Zeitpunkt nicht absehbar gewesen. Man habe bis zum
08./10.05.2007 Verhandlungen geführt.
29 Da alle Buchungsvorgänge automatisiert bzw. digitalisiert abgelaufen seien, habe auch keine Möglichkeit
bestanden, in die Zahlungsflüsse zugunsten der Klägerin einzugreifen. Dies hätte nach Auskunft der
vorläufigen Insolvenzverwalterin Frau H. vom 31.05.2007 auch eine strafbare Gläubigerbegünstigung
dargestellt.
30 Dem Prozess ist auf Seiten des Beklagten am 12.04.2010 die N. mbH als Nebenintervenientin beigetreten. Sie
ist die Mehrheitsgesellschafterin der D. GmbH und hat sich dem Vorbringen des Beklagten vollumfänglich
angeschlossen.
31 Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die
Sitzungsniederschrift vom 23.04.2010 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
32 Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
I.
33 Die Klage ist zulässig.
34 Die Klägerin begehrt die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung des Beklagten; ihre Klage bezieht sich
mithin auf die Feststellung des Bestehens eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses.
35 Das erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO liegt, da der Beklagte seine
Schadensersatzverpflichtung ernstlich bestreitet und damit das subjektive Recht der Klägerin der
gegenwärtigen Gefahr der Unsicherheit ausgesetzt ist, die durch die begehrte Sachentscheidung ausgeräumt
werden kann. Darüber hinaus besteht das Feststellungsinteresse auch zum Zwecke der Verjährungshemmung.
36 Die Feststellungsklage ist vorliegend nicht subsidiär zur Leistungsklage, da die Anspruchshöhe aufgrund des
noch andauernden Insolvenzverfahrens über das Vermögen der D. derzeit nicht endgültig beziffert werden
kann.
II.
37 Die Klägerin kann von dem Beklagten Schadensersatz aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §
826 BGB verlangen.
38 1. Allerdings kann die Klägerin die erforderliche sittenwidrige Schädigungshandlung des Beklagten nicht aus
einer Verletzung des Vertrags vom 06./16.12.1996 herleiten. Über die Verwaltungsmodalitäten wurden keine
ausdrücklichen Vereinbarungen getroffen. Soweit die Klägerin geltend macht, es habe Einigkeit über die
Führung offener Treuhandkonten bestanden, bleibt sie beweisfällig. Ausdrücklich vereinbart oder gefordert
wurde dies jedenfalls nicht.
39 2. Der unterbliebene Hinweis seitens des Beklagten hinsichtlich der Insolvenzreife der D. GmbH begründet
ebenfalls keine sittenwidrige Schädigung. Der Beklagte ist durch die fristgerechte Antragstellung am
29.05.2007 seiner Antragspflicht aus § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. (jetzt § 15 a Abs. 1 InsO) nachgekommen. Ein
Verhalten, das dem gesetzlichen Maßstab des § 15 a Abs. 1 InsO standhält, kann im Rahmen des § 826 BGB
nicht als sittenwidrig qualifiziert werden (MüKo BGB, 5. Aufl., § 826 Rn. 90).
40 3. Auch die Zusammenführung der der Klägerin zustehenden Bezugsgebühren mit Zahlungen von Kunden
anderer Auftraggeber auf dem Poolkonto bei der Postbank St. sowie die daran anschließenden Transfers
können für sich genommen eine sittenwidrige Schädigungshandlung nicht begründen. Unabhängig davon, ob
die Führung von Poolkonten branchenüblich ist, fehlt es jedenfalls am erforderlichen Schädigungsvorsatz.
41 4. Das Verhalten des Beklagten nach Kenntnis der Insolvenzreife der D. GmbH stellt sich hingegen als
sittenwidrige Schädigung dar.
42
a. Der Beklagte hat trotz seiner Kenntnis von der Insolvenzreife der D. GmbH weiterhin
Bezugsgebühren von Abonnenten der Klägerin eingezogen bzw. deren Überweisung auf das Poolkonto
zugelassen. Die Kenntnis der Insolvenzreife hätte den Beklagten nach dem Anstandsgefühl aller billig
und gerecht Denkenden zu Sicherungsmaßnahmen für das Vermögen seiner Auftraggeber veranlassen
müssen, zumal der Beklagte selbst davon ausging, dass der D. GmbH die eingezogenen
Bezugsgebühren wirtschaftlich und rechtlich nicht zustanden. Eine ausreichende Absicherung im
Insolvenzfall war - erkennbar -nicht vorhanden.
43
b. Er wäre gehalten gewesen, spätestens mit Kenntnis der Insolvenzreife die Einziehung von der
Klägerin zustehenden Forderungen zu unterbinden, was am einfachsten durch eine Sperrung zu
bewerkstelligen gewesen wäre. Durch die Unterlassung der Kontosperrung ist der Klägerin ein kausaler
Vermögensschaden hinsichtlich der durch die D. GmbH eingezogenen bzw. auf dem Konto der D.
GmbH eingegangenen Bezugsgebühren ab 08./10.05.2007 entstanden.
44
c. Soweit der Beklagte vorträgt, eine Zuordnung der Gelder zu den einzelnen Verlagen sei jederzeit
möglich gewesen, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Eine ausreichende Insolvenzsicherheit
war keinesfalls gegeben.
45
i. Die Aussonderungsbefugnis gemäß § 47 InsO richtet sich nach den dinglichen oder
persönlichen Rechten der Klägerin an den Bezugsgebühren. Bei der Verbuchung von
Fremdgeldern auf Eigenkonten - wie hier - scheidet eine Aussonderung von vornherein aus, da
allein der Kontoinhaber Forderungsinhaber gegenüber der Bank ist (Münchener Kommentar zur
InsO, 2. A., §47 Rn. 391).
46
ii. Zwar kann bei Einziehung fremder Forderungen eine Ersatzaussonderung nach § 48 InsO in
Betracht kommen, und zwar selbst dann, wenn das Konto, auf dem Fremdforderungen
verbucht werden, im Kontokorrent geführt wird (siehe BGH NJW 1999, 1709, 1710). Es ist aber
zweifelhaft, ob eine Ersatzaussonderung tatsächlich möglich ist. Zum einen wurden von den
Poolkonten über ein Sammelkonto Beträge auf das Auszahlungskonto bei der Volksbank H.
transferiert, sodass die erforderliche Unterscheidbarkeit verloren gegangen sein könnte.
Darüber hinaus besteht - sofern sich wie hier ein Bankguthaben ausschließlich auf
Einzahlungen oder Überweisungen gründet, die zuvor der Aussonderung unterlagen - kein
Anspruch auf Abtretung eines Teils eines Kontoguthabens; vielmehr kann ein
Ersatzaussonderungsberechtigter nur Abtretung der gegenüber der Bank bestehenden
Forderung an die Gesamtheit der Berechtigten fordern. Schließlich ist unklar, ob und in
welchem Umfang überhaupt noch Kontoguthaben vorhanden ist, das der Ersatzaussonderung
unterliegen kann
47
d. Die Kontosperrung wäre auch zumutbar gewesen, da die Poolkonten ausschließlich für Fremdgelder
verwendet wurden. Eine Sperrung hätte daher die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der D. GmbH nicht
beeinträchtigt.
48 5. Der Beklagte hat auch vorsätzlich gehandelt. Hierzu reicht es aus, wenn der Schädiger spätestens zum
Zeitpunkt des Schadenseintritts Art und Richtung des Schadens jedenfalls billigend in Kauf genommen hat
(Palandt, BGB, 69. A., §826 Rn.11). Eine Schädigungsabsicht ist dagegen nicht erforderlich.
49 Von einer Billigung ist in der Regel auszugehen bei der Durchführung eines Vorhabens in Kenntnis einer
starken Gefährdung eines Rechtsguts, deren Verwirklichung zwar dem Zufall überlassen wird, aber naheliegt
(BGH NJW 2004, 446; Palandt, BGB, 69. Aufl., § 826 Rn. 11).
50 Die Voraussetzungen liegen hier vor:
51
a. Der Beklagte wusste, dass die Bezugsgebühren wirtschaftlich der Klägerin zustanden und dass die
bevorstehende Insolvenz der D. GmbH sich hier insbesondere im Hinblick auf die Poolkontoverwaltung
auswirken könnte. Es bestand die naheliegende Gefahr, dass das auf die D. GmbH laufende Poolkonto
bei der Postbank St. in die Insolvenzmasse fallen würde. Aufgrund des Umstandes, dass der Beklagte
in Kenntnis der Insolvenzreife einerseits und der wirtschaftlichen Zugehörigkeit der Zahlungen zum
Vermögen der Klägerin andererseits weiterhin Bezugsgebühren der Klägerin eingezogen hat, ist davon
auszugehen, dass er eine Vermögensschädigung der Klägerin zumindest billigend in Kauf genommen
hat. Jedenfalls das hohe Gefährdungspotential hinsichtlich des klägerischen Vermögens kann ihm
nicht verschlossen geblieben sein. Die trotzdem unterbliebene Kontosperrung ist in der Situation als so
leichtfertig anzusehen, dass der Beklagte eine Schädigung der Klägerin in Kauf genommen haben
muss (vgl. BGH NJW 2008, 2245 Tz 46).
52
b. Soweit der Beklagte behauptet, ein Eingriff in die Kontobewegungen sei nicht möglich gewesen,
fehlt es an einer substantiierten Darlegung. Auch der Einwand der strafbaren Gläubigerbegünstigung
kann hier nicht eingreifen, da das maßgebliche Verhalten des Beklagten im Zeitraum zwischen der
Kenntnis der Insolvenzreife und der Antragstellung, somit zwischen dem 08./10.05.2007 und dem
29.05.2007, zu verorten ist. Die am 31.05.2007 geäußerte Auffassung der vorläufigen
Insolvenzverwalterin Frau H. kann demnach für das Verhalten des Beklagten nicht kausal gewesen
sein.
53
Diese Auffassung ist ohnehin problematisch. Selbst nach Eröffnung des vorläufigen
Insolvenzverfahrens wurden Fremdforderungen eingezogen. Es ist jedoch keine Rechtfertigung
ersichtlich, Fremdforderungen zur Insolvenzmasse zu ziehen.
54 6. Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch besteht nicht in vollem Umfang.
55
a. Die Klägerin macht als Schadensposten die Zahlungseingänge auf dem Poolkonto der D. GmbH
zwischen dem 01.05.2007 und dem 31.08.2007 geltend. Nach dem übereinstimmenden Parteivortrag
bestand Kenntnis hinsichtlich der Überschuldung ab dem 08.05./10.05. 2007, wobei unklar ist, ob die
am 08.05.2007 durchgeführten Buchungen tatsächlich noch zu verhindern waren. Für den Zeitraum bis
zum 08.05.2010 bleibt die Klägerin daher beweisfällig, ein Anspruch besteht insoweit nicht. Vom
01.05.2007 - 08.05.2007 sind Zahlungseingänge in Höhe von 4.769,07 EUR festzustellen.
56
b. Bei der Berechnung wären darüber hinaus die angesetzten Leistungsentgelte der D. GmbH bis zum
15.06.2004 von der Gesamtforderung der Klägerin in Abzug zu bringen, da ihr insoweit ein Schaden
nicht entstanden ist.
57
c. In welchem Umfang die Klägerin im Insolvenzverfahren Befriedigung erreichen kann, ist für das
vorliegende Feststellungsbegehren ohne Belang. Sie macht ohnehin nur die Differenz zwischen
Gesamtforderung und realisierter Forderung geltend.
III.
58 Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Soweit die Klägerin mit dem Feststellungsbegehren
hinsichtlich des Zeitraums bis 08.05.2007 unterliegt, handelt es sich um eine verhältnismäßig geringfügige
Zuvielforderung, die besondere Kosten nicht veranlasst hat. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.