Urteil des LG Neuruppin vom 10.07.2007

LG Neuruppin: fernwärme, juristische person, besondere härte, billigkeit, verfügung, preisliste, androhung, vertragsschluss, tarif, mahnung

1
2
3
4
5
Gericht:
LG Neuruppin 3.
Zivilkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 O 281/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 AVBFernwärmeV, § 24
AVBFernwärmeV, § 315 Abs 3
BGB
Fernwärmeversorgungsvertrag: Unberechtigte
Rechnungskürzung unter Berufung auf die Unbilligkeit einer
dem Kunden bekannten Preisanpassungsklausel
Tenor
Der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 10.
Juli 2007 zum Aktenzeichen - 25 C 94/07 - wird nicht abgeholfen und diese dem
Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe
I.
Die Verfügungsbeklagte ist ein regionales Energieversorgungsunternehmen mit Sitz in
…. Sie beliefert die Verfügungsklägerin als Vermieterin von Wohn- und Gewerberäumen
unter anderem in der … 53, 55, und 57 in … jedenfalls seit 1997 mit Fernwärme. Ein
Anschluss- und Benutzungszwang für das Fernwärmenetz in … besteht nicht. Ein
schriftlicher Vertrag zwischen den Parteien über die Versorgung mit Fernwärme ist
zwischen den Parteien nicht zustande gekommen.
Neben den allgemeinen Versorgungsbedingungen der AVBFernwärmeV gelten die
allgemeinen Versorgungsbedingungen der Verfügungsbeklagten, zu denen auch eine
Preisliste gehört. Unter 3. enthält die Preisliste eine Preisanpassungsklausel, nach der
sich der Leistungspreis in Abhängigkeit von der Entwicklung der Lohnkosten, der
Arbeitspreis in Abhängigkeit von der Entwicklung der Brennstoffkosten ändern soll. In der
Vergangenheit wurden verschiedene Preisanpassungen vorgenommen, die der
Verfügungsklägerin stets schriftlich bekannt gegeben wurden.
Mit Schreiben vom 27. September 2005 kündigte die Verfügungsbeklagte eine weitere
Preisanpassung mit einer Erhöhung des Arbeitspreises zum 01. Oktober 2005 von 44,95
€ je MWh auf 46,52 € je MWh an. Der Preiserhöhung widersprach die Verfügungsklägerin
mit Schreiben vom 04. Oktober 2005, kündigte die Zahlung des bisher geltenden Preises
an und machte die Zahlung des erhöhten Preises von dem Nachweis der Billigkeit der
Tarife abhängig. Wegen des Inhaltes des Schreibens im Einzelnen wird auf die der
Antragsschrift beigefügte Kopie (Blatt 9 d. A.) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 06.
Oktober 2005 wies die Verfügungsbeklagte das Ansinnen der Verfügungsklägerin auf
Nachweis der Billigkeit der Preise zurück und machte geltend, dass der Zurückbehaltung
der geschuldeten Entgelte § 30 AVBFernwärmeV entgegenstehe. Mit Schreiben vom 03.
August 2006 teilte die Verfügungsklägerin mit, dass sie Abrechnungen für das Jahr 2005
sowie unangemessene Vorauszahlungen für das Jahr 2006 um die nicht nachgewiesenen
Beträge gekürzt würden. Die Verfügungsklägerin hat zwischenzeitlich für die
Jahresabrechnung 2006 und wegen der Abschläge März und Juni 2007 für die drei
Liegenschaften insgesamt einen Betrag von 9.991,15 € einbehalten.
Mit Schreiben vom 22. Juni 2007 teilte die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin
mit, wegen der Rückstände Zahlungsklage erheben zu wollen und kündigte zugleich für
den 11. Juli 2007 die Einstellung der Versorgung mit Fernwärme an.
Die Verfügungsklägerin ist mit näheren Ausführungen der Auffassung, der
Verfügungsbeklagten stehe ein Recht zur Unterbrechung der Versorgung mit Fernwärme
nicht zu. Mit Androhung und gegebenenfalls Vollzug der Sperre setze die
Verfügungsbeklagte in Ausnutzung ihrer Marktstellung sie, die Verfügungsklägerin,
einseitig unter Druck. Die Berechtigung zur einseitigen Preisbestimmungen und der
darauf gestützten Preisänderungen sei durch die Verfügungsklägerin allein im Wege der
Leistungsklage wegen der rückständigen Beträge zu erreichen. Die
Versorgungseinstellung stelle eine besondere Härte dar, die auch in Abwägung des
Interesses der Verfügungsbeklagten auf Ausgleich ihrer Forderungen unangemessen sei,
6
7
8
9
10
11
12
Interesses der Verfügungsbeklagten auf Ausgleich ihrer Forderungen unangemessen sei,
weil in den von einer Versorgungsunterbrechung betroffenen Häusern eine Vielzahl von
Mietern lebten, die auf die Versorgung mit Fernwärme auch in den Sommermonaten zur
Warmwasserversorgung angewiesen seien. Der Verfügungsbeklagten drohten auch
sonstige Nachteile nicht. Sie, die Verfügungsklägerin, sei hinreichend solvent, könne für
die nicht gezahlten Beträge gegebenenfalls auch Sicherheit leisten. Die in der
Vergangenheit geleisteten Zahlungen seien in der Vorstellung erfolgt, die Abrechnungen
der Verfügungsbeklagten seien auf der Grundlage der gestiegenen Heizölpreise erfolgt,
weil die Fernwärme der Verfügungsbeklagten mit Heizöl erzeugt würde. Erst anlässlich
eines Gesprächs mit dem Mitarbeiter … der Verfügungsbeklagten hätte sie, die
Verfügungsklägerin, davon Kenntnis erlangt, dass tatsächlich die Fernwärme mit Erdgas
erzeugt werde. Bei der Begleichung der ihr, der Verfügungsklägerin, in den Vorjahren
mitgeteilten Preisanpassungen sei sie daher von falschen Voraussetzungen
ausgegangen. Es sei allgemein bekannt, dass die Ölpreise in den letzten Jahren stärker
gestiegen seien als die Gaspreise. Darüber hinaus seien die Gaslieferverträge
längerfristig vereinbart, so dass sie längerer Preisbindung unterlägen und auch dadurch
moderater als die Ölpreise angestiegen seien.
Den bei dem Amtsgericht Oranienburg unter dem 10. Juli 2007 eingegangenen Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit dem der Antragsgegnerin aufgegeben
werden sollte, es zu unterlassen, die Fernwärmeversorgung für die Wohnobjekte … 53,
55, und 57 in 1.. …zu unterbrechen und einzustellen, hat das Amtsgericht durch der
Verfügungsklägerin am 13. Juli 2007 zugestellten Beschluss vom selben Tage zum
Aktenzeichen – 25 C 94/07 – unter Berücksichtigung einer vorliegenden Schutzschrift der
Verfügungsbeklagten zurückgewiesen. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19. Juli 2007,
am selben Tage bei dem Amtsgericht Oranienburg eingegangen, hat die
Verfügungsklägerin gegen den vorbenannten Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt
und diese begründet. Das Amtsgericht Oranienburg hat sich durch Beschluss vom 23.
Juli 2007 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht
Neuruppin verwiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Beschluss (Blatt
59/60 d. A.) Bezug genommen.
Sie beantragt nunmehr,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses gemäß dem Ausgangsantrag
vom 09. Juli 2007 zu erkennen.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg
vom 10. Juli 2007 zurückzuweisen.
Der Verfügungsklägerin stehe kein Verfügungsanspruch zur Seite, denn sie, die
Verfügungsbeklagte, sei gemäß § 33 Abs. 2 AVBFernwärmeV berechtigt, die Lieferung
an die Verfügungsklägerin zwei Wochen nach Androhung einzustellen. Die die Einstellung
begründende Zuwiderhandlung gegen die Allgemeinen Versorgungsbedingungen folge
aus der Nichtzahlung der Beträge trotz Mahnung, die jedenfalls im Schreiben vom 22.
Juni 2007 enthalten sei. Der Zahlungspflicht könne die Verfügungsklägerin nicht den
Einwand der Unbilligkeit nach § 315 BGB entgegenhalten. Einer unmittelbaren
Anwendung stehe entgegen, dass durch den zwischen den Parteien bestehenden
Vertrag ein einseitiges Preisbestimmungsrecht nicht eingeräumt worden sei, der Preis
vielmehr bereits vor Vertragsschluss auf der Grundlage des damals geltenden
Preisblattes festgestanden habe. Auch eine analoge Anwendung komme nicht in
Betracht, nachdem sie, die Verfügungsbeklagte für die Versorgung auf dem
Wärmemarkt wegen des dort bestehenden Substitutionswettbewerbs keine
Monopolstellung innehabe. Darüber hinaus könne die Verfügungsbeklagte als juristische
Person sich auf eine analoge Anwendung des § 315 BGB ohnehin nicht berufen. Die
Verfügungsklägerin habe darüber hinaus die Ausgangspreise zu keinem Zeitpunkt
angegriffen, so dass sie nach einem Zeitablauf von gut zehn Jahren mit dem Einwand
der Unbilligkeit der Preise ausgeschlossen sei. Auch auf die Preiserhöhung vom 11.
Oktober 2006 finde § 315 BGB keine Anwendung, nachdem für sie, die
Verfügungsbeklagte, wegen der vertraglich fest vereinbarten Berechnungsfaktoren ein
Ermessensspielraum bei der Berechnung des geänderten Preises nicht bestehe.
Unerheblich sei, auf welche Weise sie, die Verfügungsbeklagte, die Fernwärme erzeuge.
Schließlich stehe dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung keine
Verfügungsgrund zur Seite, nachdem zwischenzeitlich Rückstände in Höhe von 10.000,-
€ aufgelaufen seien und eine Abwägung der Interessen auch mit Rücksicht auf die
künftig weiter auflaufenden Rückstände zur ihren, der Verfügungsbeklagten Gunsten
ausgehe.
13
14
15
16
17
II.
Der sofortigen Beschwerde gegen den den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Verfügung zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 10. Juli 2007
zum Aktenzeichen – 25 C 94/07 – war nicht abzuhelfen und die sofortige Beschwerde
dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur weiteren Entscheidung vorzulegen.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet, weil der
Verfügungsklägerin ein Anspruch auf Unterlassung der angekündigten Sperre der
Fernwärmeversorgung der Wohnhäuser der Klägerin durch die Beklagte nicht zusteht.
Die Voraussetzungen für eine Sperre der Versorgung durch die Verfügungsbeklagte sind
gegeben. Gemäß § 33 Abs. 2 AVBFernwärmeV ist das
Fernwärmeversorgungsunternehmen berechtigt, bei anderen als den in § 33 Abs. 1
AVBFernwärmeV aufgeführten Zuwiderhandlungen, so namentlich im Falle der
Nichterfüllung der Zahlungsverpflichtung trotz Mahnung die Versorgung zwei Wochen
nach Androhung einzustellen. Die Verfügungsklägerin ist mit einem Betrag von knapp
10.000,- € mit ihren – fälligen – Zahlungspflichten gegenüber der Verfügungsbeklagten
in Rückstand. Die Verfügungsbeklagte hat die Zahlung des Betrages mit Schreiben vom
22. Juni 2007 angemahnt und zugleich die Sperre der Versorgung zum 11. Juli 2007
angekündigt. Mit Rücksicht auf das laufende Verfahren hat sie zwischenzeitlich den
Termin der Abschaltung der Versorgung auf den 16. August 2007 verlegt, so dass
jedenfalls die Zwei-Wochen-Frist gewahrt ist.
Die Verfügungsklägerin kann auch nicht geltend machen, dass die Forderungen der
Verfügungsbeklagten in Höhe der einbehaltenen Beträge der Klägerin nicht zustünden,
jedenfalls in Ermangelung der Billigkeit der erhöhten Preise nicht fällig seien.
Die Parteien sind vertraglich miteinander verbunden. Die Verfügungsbeklagte hat
fortlaufend jedenfalls seit 1997 von der Verfügungsbeklagten Fernwärme bezogen und
diese in der Vergangenheit auf der Grundlage der durch die Verfügungsbeklagte
gestellten Abrechnungen auch bezahlt. Damit sind die Parteien vertraglich miteinander
verbunden. Grundsätzlich ist in dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens
ein Vertragsangebot in Form einer so genannten Realofferte zum Abschluss eines
Versorgungsvertrages zu sehen, das von demjenigen konkludent angenommen wird, der
aus dem Leitungsnetz des Versorgungsunternehmens unter anderem Fernwärme
entnimmt. Durch diesen Rechtsgrundsatz, der in § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV lediglich
wiederholt ist, wird der Tatsache Rechnung getragen, dass in der öffentlichen
leitungsgebundenen Versorgung die angebotenen Leistungen vielfach – wie auch
vorliegend – ohne ausdrücklichen schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluss in
Anspruch genommen werden. Der Bundesgerichtshof hat – die Kammer hat keine
Veranlassung, dem entgegenzutreten – entschieden (BGH NJW 2006, 1667, 1668), dass
diese Beurteilung auch für den Bereich der Fernwärmeversorgung gilt, obgleich anders
als bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas es an einer verbindlichen
Bundestarifordnung sowie allgemeinen Tarifpreisen und der normativ vorgegebenen
Unterscheidung zwischen und Tarif- und Sonderkunden fehle. Darüber hinaus hat der
Bundesgerichtshof auch für den Bereich der Versorgung mit Elektrizität auch in den
Fällen, in denen sich die Abnahmebedingungen nicht nach einem festen Tarif des
Versorgungsunternehmens, sonder nach einem im Einzelfall abzuschließenden
Sonderabnahmevertrag bestimmen, entgegen der Auslegungsregel des § 154 Abs. 1
BGB angenommen, dass Versorgungsunternehmen und Sonderabnehmer regelmäßig
nicht im vertragslosen Raum handeln wollen, wenn sie sich etwa über den Strompreis
nicht einig sind, gleichwohl aber Strom geliefert und abgenommen wird, weil anderenfalls
sich die erbrachten und zu erbringenden Leistungen nur nach den
Bereicherungsvorschriften beurteilen würden, was der Abwicklung der von beiden
Parteien gewollten und faktisch bereits bestehenden Dauerbeziehung nicht gerecht
werden würde. Vorliegend hat die Verfügungsklägerin jedenfalls unstreitig seit 1997
fortlaufend Fernwärme über die Verfügungsbeklagte bezogen und diese auch
regelmäßig bezahlt. Zwar hat die Verfügungsbeklagte versäumt, vorzutragen, ob sie
ihren Pflichten nach § 2 Abs. 1 Satz 2 AVBFernwärmeV entsprochen und der
Verfügungsklägerin ihre Versorgungsbedingungen nebst Preislisten übersandt hat,
nachdem der Vertrag nicht schriftliche zustande gekommen war. Indessen folgt aus dem
Vorbringen der Verfügungsklägerin, dass ihr jedenfalls die Preislisten der
Verfügungsbeklagten bekannt waren. Die Verfügungsbeklagte hat fortlaufend auf der
Grundlage ihrer eigenen Versorgungsbedingungen in Verbindung mit der Preisliste die
Fernwärmelieferungen abgerechnet. Die Verfügungsklägerin hat damit auch die
Bedingungen der Verfügungsbeklagten einschließlich der Preislisten und der in ihr
enthaltenen Preisänderungsklausel im Sinne des § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV
18
19
20
21
22
enthaltenen Preisänderungsklausel im Sinne des § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV
anerkannt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann diese sich nicht auf § 30 AVBFernwärmeV für
ihr Zurückbehaltungsrecht eines Teilbetrages berufen, soweit sie mit ihren Vortrag die
Unbilligkeit der Preisbestimmung der Verfügungsbeklagten geltend macht. § 30
AVBFernwärmeV erfasst nur solche Einwendungen gegen Rechnungen des
Energieversorgers, bei denen sich aus dem Umständen ergibt, dass offensichtlich Fehler
vorliegen. Das Bestreiten der Billigkeit der Preisbestimmung des
Versorgungsunternehmens wird von der Vorschrift nicht erfasst, denn die geltend
gemachte Unbilligkeit nach § 315 BGB betrifft nicht reine Rechen- und Ablesefehler oder
andere Abrechnungsgrundlagen, sondern die Leistungspflicht des Kunden, der im Falle
der Unangemessenheit des verlangten Preises von Anfang an nur den vom Gericht
bestimmten Preis schuldet, § 315 Abs. 3 BGB (BGH NJW 2003, 3131 ff.). Nach § 315 Abs.
3 BGB sind die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife nur verbindlich, wenn
sie der Billigkeit entsprechen. Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird
sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der
richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen mit der Folge, dass erst diese
durch das Gericht festgesetzten Tarife für den Kunden verbindlich sind und erst mit
Rechtskraft eines solchen Gestaltungsurteils die Forderung des
Versorgungsunternehmens fällig wird, so dass erst ab diesem Zeitpunkt Verzug bei dem
Kunden des Energieversorgers eintreten kann. Daraus folgt, dass der Kunde nicht darauf
beschränkt ist, Einwendungen gegen die Billigkeit der Tarifbestimmungen in einem von
ihm anzustrengenden Rückforderungsprozess geltend zu machen.
Gleichwohl kann sich vorliegend die Verfügungsklägerin nicht auf die Anwendung des §
315 BGB berufen.
Einer unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB steht entgegen, dass die Parteien keine
ausdrückliche Vereinbarung darüber getroffen haben, dass einer von ihnen den Preis
bestimmen solle. Denn an einer solchen Voraussetzung fehlt es, wenn sich der bei
Abschluss des Energielieferungsvertrags von dem Versorgungsunternehmen geforderte
Preis für die Gaslieferung au dem jeweiligen allgemeinen Tarif für die leitungsgebundene
Versorgung mit Fernwärme ergab (BGH, Urteil vom 13. Juni 2007 – Aktenzeichen VIII ZR
36/06, zitiert nach juris, Rdnr. 32, für den Bereich der Gasversorgung). Zwar gibt es für
den Bereich der Fernwärme keine allgemeinen Tarife. Indessen haben die Parteien im
Rahmen des durch die Abnahme von Fernwärme durch die Verfügungsklägerin
begründeten faktischen Vertrages die bekannt gemachte Preisliste der
Verfügungsbeklagten einbezogen und damit vor Vertragsschluss feststehende Preise
vereinbart.
Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB sind
vorliegend ebenfalls nicht gegeben. Die Verfügungsklägerin hat einen derzeitigen
Anschluss- und Benutzungszwang an das Fernwärmenetz ebenso wenig dargetan wie
eine Monopolstellung der Verfügungsbeklagten. Soweit die Verfügungsbeklagte im
Stadtgebiet … der einzige Anbieter für Fernwärme ist, genügt dies für die Annahme der
Monopolstellung nicht. Denn auf dem Wärmemarkt ist mit dem Energiewirtschaftsrecht
eine hinreichende Wettbewerbssituation geschaffen worden, bei der die verschiedenen
Energieträger miteinander konkurrieren (BGH, Urteil vom 13. Juni 2007 – Aktenzeichen
VIII ZR 36/06, zitiert nach juris, Rdnr. 34). Ebenso wie die in dieser Entscheidung
beschiedenen Rechtsverhältnisse zur Versorgung mit Gas fehlt es bei der Versorgung
mit Fernwärme an dem Erfordernis einer behördlichen Genehmigung von Tarifen. Und
ebenso wie für die Gasversorgung gilt, dass Neukunden zur Deckung ihres
Wärmebedarfs unmittelbar zwischen verschiedenen Energieträgern wählen können,
wodurch eine solche Konkurrenzsituation ein Wettbewerbsdruck entsteht, der allen
Kunden zu Gute kommt, auch wenn für den einzelnen Kunden unter Umständen der
Wechsel zu einer anderen Energieart wegen der hiermit verbundenen Kosten keine echte
Alternative darstellt (BGH a. a. O.).
Erfolglos wendet die Verfügungsklägerin auch die Unwirksamkeit der Klausel als solcher
ein. Anders als die durch das durch die Verfügungsklägerin in Bezug genommene Urteil
des OLG Rostock zu beurteilende Klausel enthält die vorliegende
Preisanpassungsklausel, die darüber hinaus, weil den besonderen Regeln der
AVBFernwärmeV unterfallend, vorliegend nicht der Inhaltskontrolle nach dem AGB,
nunmehr geregelt in §§ 305 ff. BGB, unterliegen (vgl. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches
Gesetzbuch, 65. Auflage 2006, vor § 307 Rdnr. 3 m. w. Nw.), die genauen
Berechnungsfaktoren, nach denen auf der Grundlage der geänderten Ölpreise der
anzupassende Preis berechnet wird. Damit enthält die Klausel die für den Verbraucher
erforderliche Transparenz, weil er die Richtigkeit der Berechnung jederzeit auf der
23
24
erforderliche Transparenz, weil er die Richtigkeit der Berechnung jederzeit auf der
Grundlage der vereinbarten Parameter selbst nachrechnen kann. Die Klausel genügt
damit insbesondere den Anforderungen des § 24 Abs. 3 Satz 2 AVBFernwärmeV.
Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Preisanpassung auf der Grundlage der
Heizölpreisentwicklung erfolgt, obgleich die Fernwärme durch die Verfügungsbeklagte
überwiegend über Erdgas hergestellt wird. Die Parteien haben durch Einbeziehung der
Vertragsbedingungen der Verfügungsbeklagten die Anpassung auf dieser Grundlage, die
als solche durchaus marktüblich ist, vereinbart. Sie führt auch zu keiner
unangemessenen Benachteiligung der Verfügungsklägerin, denn – wie die
Verfügungsbeklagte geltend macht und entgegen der Auffassung der
Verfügungsklägerin – es ist allgemein bekannt und Gegenstand vielfältiger Kritik, dass
Öl- und Gaspreis miteinander gekoppelt sind, so dass der Gaspreis Anpassungen bei
dem Ölpreis nach oben – wenn auch zeitverzögert – entsprechend nachzieht. Damit wird
der Forderung des § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV nach einer angemessenen
Berücksichtigung der Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung hinreichend
Rechnung getragen.
Auf die durch die Verfügungsklägerin geltend gemachte Unverhältnismäßigkeit einer
Sperre im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 2 AVBFernwärmeV kommt es nicht an. Die
Verfügungsklägerin verweigert die Zahlung eines Teilbetrages. Im Falle der
Zahlungsverweigerung liegt es in der Hand des Schuldners, den durch eine Liefersperre
entstehenden Zustand durch vertragsgemäßes Verhalten, hier durch Zahlung der
zurückbehaltenen Beträge abzuwenden und zu beseitigen (OLG Hamburg, NJW-RR 1988,
1518; Hempel in Hempel/Franke, Recht der Energie- und Wasserversorgung,
Loseblattsammlung, Band 5, AVBEltV § 33 Rdnr. 138). Stattdessen hat die
Verfügungsklägerin eine zuletzt durch das Gericht angeregte Zahlung der rückständigen
Beträge an die Verfügungsbeklagten unter Vorbehalt abgelehnt und auch für künftig
fällig werdende Zahlungen den Einbehalt von Teilbeträgen angekündigt, so dass eine
hinreichende Aussicht, der Kunde werde seinen Verpflichtungen nachkommen, § 33 Abs.
2 Satz 2 AVBFernwärmeV, nicht besteht.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum