Urteil des LG Neuruppin vom 10.02.2005

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Gericht:
LG Neuruppin 3.
Strafkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 Qs 109/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 83 Abs 1 Nr 3 BRAGebO, § 86
Abs 1 BRAGebO, § 113
BRAGebO, § 467 StPO, § 34a
Abs 3 BVerfGG
Verteidigergebühren: Vergütung für Tätigkeit im
Bußgeldverfahren und Einlegung einer Verfassungsbeschwerde
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts
Neuruppin vom 10. Februar 2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt 556,80 EUR.
Gründe
Die zentrale Bußgeldstelle der Polizei des Landes Brandenburg hat gegen den
Betroffenen am 27. Mai 2003 einen Bußgeldbescheid wegen einer
Geschwindigkeitsüberschreitung erlassen. Der Bußgeldrichter des Amtsgerichts
Neuruppin hat den gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch in der
Hauptverhandlung am 14. Oktober 2003 verworfen, weil der Betroffene zu dem Termin
der Hauptverhandlung nicht erschienen war. Daraufhin bestellte sich der Verteidiger für
den Betroffenen und beantragte zum einen, dem Betroffenen Wiedereinsetzung in den
vorherigen Stand zu gewähren, zum anderen erhob er die Rechtsbeschwerde. Das
Amtsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig verworfen. Die gegen diese
Entscheidung gerichtete Beschwerde hat die erkennende Kammer mit Beschluss vom
25. Juni 2004 kostenpflichtig als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen
Kammerbeschluss hat der Betroffene Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht
erhoben. Das aufgrund der noch anhängigen Rechtsbeschwerde mit der Sache befasste
Brandenburgische Oberlandesgericht hat das Bußgeldverfahren mit Beschluss vom 13.
September 2004 gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 OWiG ohne Mitteilung der Gründe eingestellt
und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auferlegt.
Der Betroffene hat daraufhin die Erstattung notwendiger Auslagen in Höhe von 817,80
EUR beantragt. Er hat Verteidigergebühren für das Bußgeldverfahren gegenüber dem
Amtsgericht und für das Rechtsbeschwerdeverfahren sowie die Gebühr für das Verfahren
vor dem Bundesverfassungsgericht in Ansatz gebracht. Das Amtsgericht hat die dem
Betroffenen aus der Landeskasse zu erstattenden Auslagen auf 261,00 EUR festgesetzt.
Es hat dem Verteidiger lediglich die Gebühr für das Rechtsmittelverfahren
(antragsgemäß in Höhe der Mittelgebühr) zugesprochen und ausgeführt, dass er vor
dem Urteil des Amtsgerichts nicht tätig geworden ist, so dass auch eine entsprechende
Gebühr nicht entstanden sei und auch durch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den
vorherigen Stand nicht entstehen konnte. Die gegen den Beschluss des Landgerichts
gerichtete Verfassungsbeschwerde sei im Hinblick auf das noch anhängige
Rechtsbeschwerdeverfahren nicht notwendig gewesen. Gegen diese Entscheidung richtet
sich die Beschwerde des Betroffenen.
Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Die Gebühr des § 83 Abs. 1 Ziff. 3 BRAGO für das Verfahren vor dem Amtsgericht ist
nicht entstanden, weil der Verteidiger in diesem Verfahren bis zum Erlass des
Verwerfungsurteils am 14. Oktober 2003 nicht tätig geworden war und diese Gebühr
auch durch den nach der Hauptverhandlung gestellten Wiedereinsetzungsantrag nicht
entsteht. Der Verteidiger hat sich erstmals nach Zustellung dieser amtgerichtlichen
Entscheidung mit seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und der
Rechtsbeschwerde vom 06. April 2004 für den Betroffenen bestellt. Auch die Vollmacht
datiert auf den 30. März 2004, somit auf einen Zeitpunkt nach Abschluss des
amtsgerichtlichen Verfahrens. Der Betroffene wurde auch durch keine nachträgliche
gerichtliche Entscheidung in einen Verfahrensabschnitt (zurück)versetzt, in der die
Gebühr für die Verteidigung vor dem Amtsgericht entstehen konnte. Der Antrag auf
Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wurde durch das Amtsgericht gerade
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Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wurde durch das Amtsgericht gerade
zurückgewiesen; die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde hatte keinen
Erfolg. Mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und der
Rechtsbeschwerde hat der Betroffene somit (nur) das Rechtsmittelverfahren ausgelöst,
in dem die gesamte Tätigkeit des Verteidigers durch die Gebühr des § 86 Abs. 1 BRAGO
abgegolten wird. Die Kostenfestsetzung für dieses Verfahren erfolgte antragsgemäß, so
dass für eine Erhöhung der Rechtsmittelgebühr im Beschwerdeverfahren kein Raum ist.
Im Übrigen scheidet eine Erhöhung dieser Gebühr aufgrund des (erfolglosen)
Beschwerdeverfahrens vor dem Landgericht bereits deshalb aus, weil es sich bei der
vorliegenden Geschwindigkeitsüberschreitung um ein Verfahren handelt, welches im
Hinblick auf die Kriterien des § 12 BRAGO grundsätzlich als unterdurchschnittlich
anzusehen ist und alle Besonderheiten des vorliegenden Falls mit Gewährung der
Mittelgebühr hinreichend berücksichtigt wurden.
Der Betroffene kann im Verfahren der Kostenfestsetzung für das vorliegende
Bußgeldverfahren keine Festsetzung der Gebühr des § 113 BRAGO für das Verfahren vor
dem Verfassungsgericht beanspruchen. Die Kosten der von dem Betroffenen während
des Bußgeldverfahrens eingelegten Verfassungsbeschwerde stellen keine notwendigen
Auslagen das Strafverfahrens im Sinne des § 467 StPO dar (OLG Hamm, NJW 66, 2073;
im Ergebnis so auch BFH BStBl 65 III 519), es handelt sich insoweit um einen anderen
Rechtszug. Das ergibt sich bereits daraus, dass für das Verfassungsgerichtsverfahren
mit § 34a Abs. 3 BVerfGG über die Fragen der Auslagenerstattung eine eigene Regelung
geschaffen wurde. Ob dem Betroffenen die Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten
sind, kann danach nur das Bundesverfassungsgericht anordnen. Soweit das
Bundesverfassungsgericht wie hier, eine Auslagenerstattung nicht gewährt, kann ein
Ausgleich nicht über die für das Bußgeldverfahren geltenden Kostenvorschriften gewährt
werden. Das gilt insbesondere auch dann, wenn das Bundesverfassungsgericht in der
Sache überhaupt nicht entscheidet und sich über die Erfolgsaussichten der
Verfassungsbeschwerde daher keine Anhaltspunkte ergeben; die eigenständige
Beurteilung der Erfolgsaussichten ist dem Instanzgericht ohnehin verwehrt. Etwas anders
könnte allenfalls dann gelten, wenn die Verfassungsbeschwerde insoweit erfolgreich
gewesen wäre, dass das Bundesverfassungsgericht eine instanzgerichtliche
Entscheidung - ähnlich wie das Revisionsgericht gemäß § 354 Abs. 2 StPO - aufhebt und
die Sache ohne Kostenentscheidung an ein Fachgericht zurückverweist, welches in der
dann abschließenden Entscheidung über die Verfahrenskosten zu befinden hat (LG
München AnwBl. 64, 51). Gerade eine solche Entscheidung hat das
Bundeserfassungsgericht im vorliegenden Fall jedoch nicht getroffen. Im Übrigen wären
die in dem Verfassungsgerichtsverfahren entstandenen Auslagen in jedem Fall auch nur
dann erstattungsfähig, wenn gerade auch dieses Verfahren sachdienlich und
zweckentsprechend gewesen wäre, um dem Schutzbedürfnis des Betroffenen
nachzukommen. Im Hinblick auf das im Zeitpunkt der Erhebung der
Verfassungsbeschwerde noch anhängige Rechtsbeschwerdeverfahren kann eine solche
Notwendigkeit nicht angenommen werden.
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