Urteil des LG Neuruppin vom 13.03.2017

LG Neuruppin: messung, abrechnung, ermessen, schwerin, erstellung, messgerät, einspruch, vergütung, abschlag, vergleich

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Gericht:
LG Neuruppin 3.
Große Strafkammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 Qs 3/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 9 Abs 1 JVEG, § 9 Abs 2 S 3
JVEG
Sachverständigenvergütung: Einordnung der Gutachtertätigkeit
in angemessene Honorargruppe
Tenor
Auf die Beschwerde der D wird die Sachverständigenentschädigung für die Erstellung des
Gutachtens auf 1.253,22 EUR festgesetzt.
Gründe
Das Beschwerdeverfahren betrifft die Frage, nach welcher Honorargruppe des § 9 JVEG
die Vergütung eines Sachverständigen abzurechnen ist, der im Auftrag des
Amtsgerichts eine Geschwindigkeitsmessung mittels des Radarmessgeräts TRAFFIPAX
„speedophot-M„ umfassend überprüft hat.
Die Verwaltungsbehörde hatte gegen den Betroffenen am 30. Januar 2004 einen
Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung erlassen, gegen den er
Einspruch eingelegt hatte. Im Verfahren vor dem Amtsgericht hat der Betroffene
verschiedene Beweisanträge gestellt, die in der Sache darauf zielten, sowohl dass
Messgerät, als auch den gesamten Messvorgang durch einen Sachverständigen
überprüfen zu lassen. In der Hauptverhandlung am 25. Oktober 2004 hat die
Bußgeldrichterin des Amtsgerichts das Verfahren ausgesetzt und die Einholung eines
Sachverständigengutachtens über die Geschwindigkeitsmessung angeordnet. Mit der
Begutachtung hat sie die D beauftragt.
Der Sachverständige der D hat das Gutachten am 21. Februar 2004 erstattet. Er hat
zunächst die Gerätedaten und die Messtechnik untersucht, anschließend hat er auch
den gesamten Messvorgang einer eingehenden Überprüfung unterzogen, insbesondere
hat er diesen auf mögliche Bedienungsfehler, Eichfehler und die Frage des Auftretens
von Knickstrahlreflektionen oder Rotationsfehlmessungen sowie anderen möglichen
Fehlerquellen untersucht. Im Ergebnis ist der Sachverständige zu dem Ergebnis
gekommen, dass die Messung dem Betroffenen zuzuordnen ist und weder Mängel bei
dem Messgerät, noch Fehler bei dem Messvorgang festzustellen sind. In der
Hauptverhandlung am 28. Februar 2005 hat der Betroffene seinen Einspruch gegen den
Bußgeldbescheid zurückgenommen.
Die D hat für die Erstellung des Gutachtens 1.287,44 EUR sowie für die Teilnahme an der
Hauptverhandlung weitere 176,44 EUR geltend gemacht. Sie hat dabei ihre Leistungen
gemäß § 9 Abs. 1 JVEG nach der Honorarstufe 10 mit einem Stundensatz in Höhe von
95,- EUR abgerechnet.
Das Amtsgericht Oranienburg hat beide Rechnungen gekürzt und dem
Sachverständigen für die Gutachtenerstellung eine Entschädigung in Höhe von 981,08
EUR sowie für die Teilnahme an der Hauptverhandlung in Höhe von 132,93 EUR gewährt.
Es hat der D lediglich eine Abrechnung nach Honorarstufe 5 des § 9 Abs. 1 JVEG mit
einem Stundensatz in Höhe von 70,- EUR zuerkannt. Gegen diese Kürzungen richtet sich
die Beschwerde der D. Diese vertritt - mit näheren Darlegungen - die Ansicht, dass die
hier maßgebliche Tätigkeit der Verkehrsüberwachung keinem der in Anlage 1 zu § 9 JVEG
genannten Sachgebieten zuzuordnen sei, es handele sich vielmehr um ein eigenes
Sachgebiet. Außergerichtlich würde der Sachverständige für Gutachten der vorliegenden
Art einen Stundensatz in Höhe von 130,- EUR erhalten, daher sei nach § 9 Abs. 2 Satz 3
JVEG die Abrechnung nach Honorarstufe 10 gerechtfertigt.
Die Beschwerde der D ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg.
Nach § 9 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 3 JVEG ist die Tätigkeit des
Sachverständigen in dem vorliegenden Bußgeldverfahren der Honorargruppe 7
zuzuordnen.
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Gemäß § 9 Abs. 1 JVEG erhält der gerichtlich beauftragte Sachverständige für jede
Stunde ein Honorar, dessen Höhe sich aus einer der in dieser Vorschrift genannten
Honorargruppen ergibt. Nach welcher Honorargruppe der Sachverständige zu
entschädigen ist, richtet sich danach, auf welchem Sachgebiet er tätig wurde, wobei in
Anlage 1 zu § 9 JVEG verschiedene Sachgebiete aufgeführt und einer Honorargruppe
zugeordnet werden. Soweit der Sachverständige Leistungen auf einem Sachgebiet
erbringt, die keinem der dort aufgeführten Sachgebiete zuzuordnen sind, ist die
Honorargruppe unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art
außergerichtlich vereinbarten Stundensätze nach billigem Ermessen zu bestimmen.
Der Sachverständigenauftrag des Amtsgerichts Oranienburg ist keinem der in der
Anlage 1 zu § 9 JVEG genannten Sachgebiete zuzuordnen. Das Amtsgericht hatte
beschlossen, ein Sachverständigengutachten „über die Messung„ einzuholen,
Gegenstand des Sachverständigenauftrages war somit die umfassende Überprüfung der
Geschwindigkeitsmessung, einschließlich der Überprüfung des eingesetzten
Messgerätes, des gesamten Messvorganges, der Fotos und der Örtlichkeiten sowie die
Prüfung, ob es bei der konkreten Messung zu Fehlerquellen gekommen sein könnte.
Diese Tätigkeit des Sachverständigen kann daher insbesondere nicht dem Sachgebiet
„Elektrotechnische Anlagen und Geräte„ zugeordnet werden (LG Schwerin Beschluss
vom 19. Januar 2005, Az.: 33 Qs 51/04), weil sich der Gutachterauftrag nicht in der
handwerklichen Überprüfung des Funktionierens des verwendeten Messgerätes
erschöpfte. Maßgeblich für die Beweisfrage war, ob der Messvorgang ordnungsgemäß
durchgeführt wurde, was sich vorrangig aus der Auswertung der sich aus der Messung
ergebenden Daten und der weiteren Umstände des Messvorganges ergibt. Allerdings
kann die Tätigkeit des Sachverständigen auch nicht dem Sachgebiet
„Kraftfahrzeugschäden- und Bewertung„ zugeordnet werden (anders offenbar LG
Schwerin aaO.). Es widerspricht der gesetzlichen Regelung, Sachgebiete, die nicht in der
Anlage 1 zu § 9 JVEG aufgeführt sind, allein aufgrund eines Vergleichs des Umfangs der
Tätigkeit einem der dort genannten zuzuordnen, wenn die Tätigkeit sachlich nicht
vergleichbar ist: „Dabei darf man das Gesetz nicht quälend dahin pressen, dass doch
eine der Gruppen vorliege …; das amtliche Raster ist großmaschig, man darf es nicht
mit gewaltsamer Zuordnungstechnik feinmaschiger zu zaubern versuchen.„ (Peter
Hartmann Kostengesetze 35. Aufl. § 9 JVEG Rn. 14). Die Untersuchung eines Fahrzeuges
war gerade nicht Gegenstand des hier erteilten Sachverständigenauftrages.
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG ist daher das Honorar des Sachverständigen unter
Berücksichtigung der außergerichtlichen und außerbehördlichen Stundensätze nach
billigen Ermessen festzusetzen, wobei neben dem Umfang und der Schwierigkeit der
gutachterlichen Tätigkeit auch der erforderliche gutachterliche Standart und die vom
Sachverständigen geforderte Ausbildung zu berücksichtigen sind (OLG Dresden
Beschluss vom 13. Oktober 2005 Az.: 3 Ws 49/05).
Bei der Festsetzung der angemessenen Vergütung ist von dem Vergütungssystem des
§ 9 JVEG auszugehen, welches Stundenhonorare von 50,- bis 95,- EUR vorsieht.
Innerhalb dieses Rahmens ist die Tätigkeit in einem nicht in der Anlage 1 zu der
genannten Vorschrift aufgeführten Sachgebiet in jedem Einzelfall der angemessenen
Honorargruppe zuzuordnen. Aus dieser Anlage ergibt sich, dass die höchste sowie die
zweit- und dritthöchste Honorargruppe solchen Sachgebieten vorbehalten bleiben soll,
die in jeder Hinsicht besondere Anforderungen an den Gutachter und seine Tätigkeit
stellen; die Anlage ordnet die drei höchsten Honorargruppen den Sachgebieten
„Unternehmensbewertung„ mit Honorargruppe 10, „Betriebsunterbrechungs- und -
verlagerungsschäden„ mit Honorargruppe 9 und „Datenverarbeitung„ mit
Honorargruppe 8 zu. Da Gutachten in diesen Sachgebieten ganz erheblichen zeitlichen
und personellen Aufwand erfordern und mit äußerst schwierigen Sach- und Rechtsfragen
verbunden sind und insoweit hinsichtlich Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit des
Sachverständigen als deutlich überdurchschnittlich einzuordnen sind, scheiden diese
Honorargruppen für den hier vorliegenden Gutachterauftrag aus. Auszugehen ist ferner
davon, dass die Honorargruppe 5, zu der etwa „Elektrotechnische Anlagen und Geräte„
zählt, für den vorliegenden Gutachterauftrag nicht in Betracht kommt, weil - wie bereits
ausgeführt - die Tätigkeit des Sachverständigen bei der Überprüfung eines
Messvorganges über die handwerkliche Prüfung eines technischen Geräts hinaus geht.
Für die gutachterliche Tätigkeit kommen somit im vorliegenden Fall überhaupt nur die
Honorargruppen 6 oder 7 in Betracht, denen auch durch den Gesetzgeber die ganz
überwiegende Zahl der anspruchsvollen technischen Gutachteraufträge zugewiesen
wurden. Die im vorliegenden Fall erbrachte Sachverständigentätigkeit ist aufgrund des
erheblichen Aufwandes, wie er sich aus dem ausführlichen Gutachten ergibt, und der
erforderlichen Spezialkenntnisse des Gutachters der höheren der beiden, der
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erforderlichen Spezialkenntnisse des Gutachters der höheren der beiden, der
Honorargruppe 7 zuzuordnen.
Etwas anders ergibt sich auch nicht aus den von der Beschwerdeführerin gemachten
Angaben, dass sie im außergerichtlichen Bereich für Gutachten im Sachgebiet
Verkehrsüberwachung einen Stundensatz von 130,- EUR erzielen kann. Die
Beschwerdeführerin weist selbst zutreffend darauf hin, dass die in § 9 JVEG normierten
Stundensätze deutlich unter den üblichen Sätzen im außergerichtlichen Bereich liegen.
Aus solchen Sätzen kann daher nicht durch einen prozentualen Abschlag auf die Höhe
des angemessenen Honorars geschlossen werden, vielmehr sind solche Stundesätze
sowie ein Vergleich zu solchen für andere Gutachteraufträge bei der Einordnung der
nicht in der Anlage 1 genannten Tätigkeit in den gesetzlichen Rahmen angemessen zu
berücksichtigen. Im übrigen ist der seit Jahren auch als Wirtschaftstrafkammer gemäß §
74 c GVG tätigen Beschwerdekammer aus der täglichen Praxis bekannt, dass im
außergerichtlichen Bereich in den den beiden höchsten Honorargruppen zugeordneten
Sachgebieten „Unternehmensbewertung„ und „Betriebsunterbrechungs- und -
verlagerungsschäden„ Honorarsätze gezahlt werden, die ganz erheblich über dem in § 9
JVEG genannten Höchstsatz aber auch deutlich über den für Gutachten im Bereich
Verkehrsüberwachung gezahlten Honoraren liegen, so dass die von der D
vorgenommene Berechnung (130,- EUR abzüglich 25 %) auch aus diesem Grunde nicht
maßgeblich sein kann.
Eine Kostenentscheidung ergeht nicht, § 4 Abs. 8 JVEG.
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