Urteil des LG Münster vom 05.12.2008

LG Münster: käufer, vollmacht, zwangsvollstreckung, beurkundung, drucksache, gesetzesmaterialien, zwischenverfügung, kreis, vertretungsbefugnis, grundstück

Landgericht Münster, 5 T 798/08
Datum:
05.12.2008
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 T 798/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Ahaus, Ammeloe Bl. 2165
Schlagworte:
Finanzierungsvollmacht, Vertretungsbefugnis, Vertretungsberechtigung
Normen:
§ 79 ZPO, § 13 FGG
Leitsätze:
Auch nach der Neufassung der §§ 79 ZPO, 13 FGG kann der Verkäufer
einer Immobilie den Käufer im Rahmen einer Finanzierungsvollmacht
bevollmächtigen, das Grundstück bereits vor Eigentumsumschreibung
mit einer Grundschuld zu belasten und der sofortigen
Zwangsvollstreckung zu unterwerfen.
Tenor:
Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.
Das Amtsgericht wird angewiesen, von den in der angefochtenen
Zwischenverfügung erhobenen Bedenken Abstand zu nehmen.
G r ü n d e
1
Mit notariellem Vertrag vom 12.09.2008 (UR-Nr. ##### der Notarin M aus W) verkauften
die Beteiligten zu 1) dem Beteiligten zu 2) den im Rubrum näher benannten Grundbesitz
zum Kaufpreis von 194.000,00 Euro. Unter § 11 des Vertrages ist folgendes geregelt:
2
"Die Vertragsparteien sind damit einverstanden, zum Zweck der
Kaufpreisfinanzierung den Kaufgegenstand auf Rechnung des Käufers
schon vor der Eigentumsumschreibung mit Grundpfandrechten in beliebiger
Höhe nebst Zinsen und Nebenleistungen zu den von der Gläubigerin
geforderten Bedingungen zu belasten.
3
Die Übernahme einer persönlichen Haftung durch den Verkäufer ist dabei
grundsätzlich ausgeschlossen.
4
Der Verkäufer verpflichtet sich hierbei mitzuwirken, sofern gewährleistet ist,
dass die Darlehensvaluta bis zur Höhe des Kaufpreises ausschließlich an
den Verkäufer ausgezahlt wird.
5
Der Verkäufer bevollmächtigt unter Befreiung von den Beschränkungen des
§ 181 BGB den Käufer, ihn bei der Grundpfandrechtsbestellung, jedoch
ausschließlich vor der amtierenden Notarin oder dem Notar N in W zu
vertreten, sämtliche Bewilligungen und Anträge für dieses Grundpfandrecht
abzugeben, insbesondere auch die erworbene Grundbesitzung der
sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen, überhaupt alle Erklärungen
und Bewilligungen abzugeben, welche für die Eintragung eines
Grundpfandrechtes überhaupt denkbar sind.
6
Vor diesem Hintergrund tritt der Käufer bereits jetzt seine
Darlehensauszahlungsansprüche bis zur Höhe des Kaufpreises an den
Verkäufer ab, der die Abtretung annimmt.
7
Die Notarin wird beauftragt, den jeweiligen Gläubigern eine
Abtretungsanzeige zu erteilen.
8
Die Notarin wird unwiderruflich angewiesen, die Eintragung des
Grundpfandrechtes im Grundbuch erst dann zu beantragen, wenn ihr die
finanzierende Bank schriftlich bestätigt hat, dass sie die Darlehensvaluta bis
zur Höhe des Kaufpreises ausschließlich an den Verkäufer auszahlt.
9
Die den Kaufpreis nur teilweise und nicht ganz finanzierende Bank wird
unwiderruflich angewiesen, den finanzierten Kaufpreisanteil erst dann an
den Verkäufer auszuzahlen, wenn der Käufer die Restkaufpreiszahlung
nachgewiesen hat.
10
Die insoweit vor der Eigentumsumschreibung eingetragenen
Grundpfandrechte werden vom Käufer übernommen.
11
Alle Rechte und Ansprüche aus solchen Grundpfandrechten werden mit
Wirkung ab Eigentumsübergang an den Käufer abgetreten, der die
Abtretung annimmt.".
12
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 87 f. der Akten Bezug genommen.
13
Mit der weiteren notariellen Urkunde vom 09.10.2008 (UR-Nr. ##### der Notarin M aus
W) bestellte der Beteiligte zu 2) im eigenen Namen sowie im Namen der Beteiligten zu
1) zugunsten der Sparkasse V – Zweckverbandssparkasse der Kreise C3 und D und der
Städte D, E, W, J und C – in B und E eine Grundschuld in Höhe von 160.000,00 Euro.
Gleichzeitig bewilligte und beantragte er die Eintragung der Grundschuld in das
Grundbuch bei gleichzeitiger Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung.
14
Mit der angefochtenen Zwischenverfügung vom 22. Oktober 2008 wies das
Grundbuchamt darauf hin, dass dem Antrag nicht entsprochen werden könne. Nach dem
Inkrafttreten von § 13 FGG n.F., § 79 ZPO n.F. sei eine Vertretung des Verkäufers durch
den Käufer hinsichtlich der Grundbuchbewilligung und
Zwangsvollstreckungsunterwerfung nicht zulässig, weil der Käufer grundsätzlich nicht
zum Kreis der nach § 13 FGG n.F. vertretungsberechtigten Personen gehöre. Es bedürfe
daher einer Bewilligung des Eigentümers nebst Zwangsvollstreckungsunterwerfung in
Urkundsform. Zur Behebung des Hindernisses werde gemäß § 18 GBO eine Frist bis
zum 22. Dezember 2008 gesetzt.
15
Hiergegen wenden sich die Beteiligten mit ihrer Beschwerde vom 24. Oktober 2008. Die
§§ 13 FGG und 79 ZPO seien im Beurkundungsverfahren nicht anwendbar. Dieses
habe bereits das Landgericht Bielefeld in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung
der Bundesnotarkammer und des Notarinstitutes bestätigt.
16
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sich zur Begründung auf den
Beschluss des Amtsgerichts Gladbeck vom 23.10.2008, Az. G-23290-6 bezogen.
17
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
18
Der Verkäufer eines Grundstücks kann auch nach der Neufassung der §§ 79 ZPO, 13
FGG den Käufer in der notariellen Kaufvertragsurkunde bevollmächtigen, schon vor der
Eigentumsumschreibung das Grundstück mit Grundpfandrechten zu belasten und die
Grundbesitzung der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen. Die Vorschriften
der §§ 79 ZPO, 13 FGG sind nämlich nach Auffassung der Kammer auf die
Finanzierungsvollmacht nicht anzuwenden.
19
Soweit es um die Bestellung der Grundschuld geht, handelt es sich um einen
zivilrechtlichen Vorgang, dessen Stellvertretungsrecht sich nach §§ 164 f. BGB richtet.
Dieses gilt auch im Fall notarieller Beurkundung. Das FGG ist gemäß § 1 FGG für
diejenigen Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden, welche durch
Reichsgesetz den Gerichten übertragen sind. Das Beurkundungsverfahren ist aber nach
§ 20 Absatz 1 Bundesnotarordnung nicht den Gerichten, sondern den Notaren
übertragen. Hierfür gilt das Beurkundungsgesetz, nicht das FGG. Weder in den §§ 164 f.
BGB noch im BeurkG finden sich Einschränkungen der Vertretungsberechtigung. Die
Kammer hält insoweit die Auffassung des Amtsgerichts Gladbeck in dem Beschluss
vom 23. Oktober 2008, Aktenzeichen G-23290-6 nicht für zutreffend. Das
Beurkundungsverfahren und das Grundbuchverfahren sind zu trennen. Allenfalls im
Grundbuchverfahren wäre § 13 FGG anzuwenden. Den Antrag auf Eintragung der
Grundschuld ins Grundbuch hat aber im vorliegenden Fall die Notarin gestellt, nicht der
Beteiligte zu 2). Der entsprechende Auftrag beziehungsweise die Vollmacht ist in § 11
bzw. § 9 des notariellen Vertrages durch die Beteiligten zu 1) als
Grundstückseigentümer vorab erklärt worden. Der Vorschrift des § 13 FGG n. F. ist damit
grundbuchrechtlich genüge getan, da nach § 13 Absatz 2 Nummer 3 FGG n. F. Notare
vertretungsbefugt für die Beteiligten sind.
20
Hierfür spricht auch der Sinn und Zweck der Neufassung der §§ 13 FGG, 79 ZPO, wie er
sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt. Diese Änderung erfolgte nämlich im
Zusammenhang mit der Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes, deren Ziele der
Schutz der Rechtsuchenden und die Stärkung des bürgerlichen Engagements sind
(Bundestag Drucksache 16/3655, Seite 1). Da das neue "Rechtsdienstleistungsgesetz"
nur die Befugnis zur Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen regelt,
wurden zugleich die Vorschriften der Verfahrensordnungen über die gerichtliche
Vertretung neu gestaltet (Bundestag Drucksache 16/3655, Seite 1). Die bisher
uneinheitlichen Vorschriften der zivil- und öffentlich-rechtlichen Verfahrensordnungen
sollten einander so weit wie möglich angeglichen werden (Bundestag Drucksache
16/3655, Seite 2). Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich an keiner Stelle, dass hiermit
eine Änderung des Beurkundungsverfahrens beabsichtigt war. Dies erscheint auch im
Sinne des Rechtsberatungsgesetzes bzw. Rechtsdienstleistungsgesetzes nicht
erforderlich, weil im Rahmen der Beurkundung sowohl des Kaufvertrages mit der
21
Finanzierungsvollmacht wie auch der Grundschuld eine umfassende Belehrung und
Beratung durch den jeweiligen Notar erfolgt. Auch wird die
Grundschuldbestellungsurkunde von dem Notar bzw. der finanzierenden Bank
entworfen und nicht etwa von dem Käufer des Grundstücks. Das Problem, dass hier der
Grundstückskäufer eine rechtsberatende Tätigkeit ausüben könnte, indem er die
Grundschuldbestellung als Bevollmächtigter des Verkäufers vornimmt, stellt sich damit
nicht. Dementsprechend ist auch in den Gesetzesmaterialien folgendes ausgeführt:
"Angesichts der immer weiter zunehmenden Verrechtlichung des alltäglichen Lebens
und der ständigen Entwicklung neuer Dienstleistungsberufe muss der Verbotsbereich
des Gesetzes auf Fälle echter Rechtsanwendung beschränkt werden... Werden
rechtliche Vorgänge nach der maßgeblichen Verkehrsanschauung ohne eine
individuelle rechtliche Prüfung abgewickelt – etwa in allen Fällen des schlichten
Vertreterhandelns – ..., so liegt keine Rechtsdienstleistung vor." Nach Auffassung der
Kammer handelt es sich im vorliegenden Fall um ein "schlichtes Vertreterhandeln" in
diesem Sinne, das keine Rechtsdienstleistung darstellt.
Gleiches gilt für die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung. Die Kammer
schließt sich insoweit der Entscheidung des Landgerichts Bielefeld vom 15. Oktober
2008 in dem Verfahren 23 T 824/08 an. Zwar hat der BGH entschieden, dass die
Vollstreckungsunterwerfungserklärung keine privatrechtliche, sondern eine
ausschließlich auf das Zustandekommen eines Vollstreckungstitels gerichtete einseitige
prozessuale Willenserklärung sei, die rein prozessualen Grundsätzen unterstehe ..., was
bedeute, dass die auf Abgabe einer solchen Erklärung gerichtete Vollmacht allein den
Vorschriften der §§ 80 f. ZPO und nicht denen der §§ 164 f. BGB unterfalle (BGH Urteil
vom 18.11.2003, Az. XI ZR 332/02, NJW 2004, Seite 844). Das Urteil des BGH verhält
sich demnach nur über die Frage, ob eine notarielle Beurkundung der Vollmacht
erforderlich ist, was im Hinblick auf § 80 ZPO verneint wird. Allerdings wird in dem
betreffenden Fall die Vollmacht gleichwohl gem. Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG i.V.m. §
134 BGB als unwirksam angesehen, da ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz
vorliege, indem nämlich der Bevollmächtigte mit einer umfassenden Rechtsbetreuung
im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung beauftragt gewesen sei.
In der bisherigen BGH-Rechtsprechung ging es demzufolge nur um die Form der
Vollmacht. Die Frage der Person des Bevollmächtigten spielte nur im Zusammenhang
mit dem Rechtsberatungsgesetz eine Rolle, was nunmehr in § 79 ZPO n. F. Eingang in
die Zivilprozessordnung selbst gefunden hat. Der hier vorliegende Fall unterscheidet
sich jedoch maßgeblich von dem, den der BGH zu entscheiden hatte. Eine
Geschäftsbesorgung oder eine umfassende Rechtsberatung durch den Käufer der
Immobilie, den Beteiligten zu 2., liegt hier gerade nicht vor, sondern – wie bereits
ausgeführt wurde – ein "schlichtes Vertreterhandeln". Ein Verstoß gegen das
Rechtsberatungsgesetz bzw. Rechtsdienstleistungsgesetz ist nicht ersichtlich.
22
Zudem ist die Kammer auch allgemein der Auffassung, dass § 79 ZPO für das
gerichtliche Erkenntnisverfahren und das gerichtliche Vollstreckungsverfahren gilt, aber
nicht für das Beurkundungsverfahren, selbst wenn durch die
Zwangsvollstreckungsunterwerfung ein Vollstreckungstitel geschaffen wird (so auch
Zöller, ZPO, 27. Auflage, § 794 Rn. 33; Stöber, NotBZ 2008, Seite 209/212). So spricht
auch § 79 Absatz 1 ZPO n. F. explizit von "Führung eines Rechtsstreites", und zwar in
dem Sinne, dass die Parteien den Rechtsstreit selbst führen können, soweit nicht eine
Vertretung durch Rechtsanwälte geboten ist. In Absatz 2 ist dann geregelt, wer
ansonsten als Bevollmächtigter vertretungsbefugt ist. Die Beurkundung einer
Grundschuldbestellung mit Vollstreckungsunterwerfung ist jedoch kein "Rechtsstreit".
23
Vielmehr ist das Beurkundungsverfahren im BeurkG, nicht in der ZPO, geregelt. Hier ist
– wie gesagt – der Kreis der Vertretungsberechtigten nicht beschränkt. Es ist nicht
davon auszugehen, dass der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 79 ZPO für das
Beurkundungsverfahrens etwas ändern wollte, selbst wenn ein Vollstreckungstitel
geschaffen wird. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nämlich kein Anhaltspunkt
dafür, dass eine Änderung der Rechtslage im Hinblick auf die Vertretungsbefugnis im
Rahmen der Zwangsvollstreckungsunterwerfung beabsichtigt war (vgl. Bundestag
Drucksache 16/3655, Seite 85 f.). Vielmehr ist auch hier immer nur von
"Prozessvertretung" die Rede. Insbesondere ist ein Konflikt mit dem
Rechtsberatungsgesetz, wie bereits ausgeführt wurde, nicht zu befürchten, wenn – wie
hier – eine umfassende Beratung und Belehrung durch einen Notar erfolgt und derselbe
auch die entsprechenden Vertragsurkunden entwirft. Die Verkäuferseite als Vertretene
ist dann nicht schutzbedürftig.
Selbst wenn die Auffassung des Grundbuchamtes zutreffend wäre, wäre die
Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung jedenfalls nach § 79 Absatz 3 ZPO
uneingeschränkt wirksam. Denn eine Zurückweisung des Bevollmächtigten durch
Beschluss ist nicht erfolgt (vgl. Rundschreiben der BNotK 24/2008, Seite 3). Für die
Zurückweisung der Vollmacht wäre allein der Notar zuständig, da er im Rahmen der
Beurkundung das zuständige Rechtspflegeorgan ist. Wenn er aber die
Zwangsvollstreckungsunterwerfung beurkundet und damit die entsprechende Vollmacht
akzeptiert, so ist die Unterwerfungserklärung gemäß § 79 Absatz 3 Satz 2 ZPO n. F. als
wirksam zu behandeln (so auch Rundschreiben der BNotK 24/2008, Seite 3; Zöller,
ZPO, 27. Auflage, § 794 Rn. 33; Stöber, NotBZ 2008, Seite 209/213). Das
Grundbuchamt ist nicht befugt, im Hinblick auf eine vermeintliche Unzulässigkeit der
Bevollmächtigung den Eintragungsantrag zurückzuweisen.
24