Urteil des LG Münster vom 27.08.2007

LG Münster: wasser, vereinte nationen, persönliche ausrüstung, geiselnahme, grundausbildung, behandlung, kompanie, verhör, körperverletzung, befragung

Landgericht Münster, 8 KLs 81 Js 1751/07 (33/07)
Datum:
27.08.2007
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
Strafgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 KLs 81 Js 1751/07 (33/07)
Normen:
StGB §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 4, WStG §§ 30, 31
Tenor:
Der Angeklagte H wird wegen gefährlicher Körperverletzung in
Tateinheit mit Misshandlung und entwürdigender Behandlung zu einer
Freiheitsstrafe von einem Jahr sechs Monaten verurteilt, deren
Vollstreckung zur Bewäh-rung ausgesetzt wird.
Der Angeklagte H hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Angeklagte F wird wegen entwürdigender Behandlung zu einer
Geld-strafe von sechzig Tagessätzen zu je 40,- € verurteilt.
Der Angeklagte F hat die Kosten des Verfahrens zu tragen mit
Ausnahme der Auslagen der Staatskasse, die durch die Vernehmung
der Zeugen in den Hauptverhandlungsterminen vom 25.04., 07.05.,
09.05., 24.05., 30.05., 11.06., 13.06., 20.06., 02.07., 30.07., 01.08, 08.08.
und 13.08.2007 entstanden sind. Die ihm selbst in diesen
Hauptverhandlungsterminen entstandenen notwendi-gen Auslagen
werden der Staatskasse auferlegt.
Die Angeklagten K und H1 werden auf Kosten der Staats-kasse, die
auch ihre notwendigen Auslagen zu tragen hat, freigesprochen.
Angewendete Vorschriften: bei H: §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 WStG,
223, 224 Abs. 1 Nr. 4, 52, 56 StGB
bei F: §§ 31 Abs. 1 WStG, 47 Abs. 2 StGB
G r ü n d e
1
I.
2
1.
3
Der zur Tatzeit 27 Jahre alte Angeklagte L wuchs als einziges Kind seiner Eltern in
seinem Geburtsort N3 auf. Sein Vater, der früher Zechenangestellter war, ist heute
Rentner. Seine Mutter arbeitet als Verkäuferin.
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Nach altersgerechter Einschulung besuchte der Angeklagte vier Jahre lang die
Grundschule und anschließend die Realschule bis zur 10. Klasse. Dort erwarb er im
Alter von 16 Jahren seine mittlere Reife und begann sodann eine Lehre bei der M als
Energieelektroniker. Nach 3 ½- jähriger Ausbildung bestand er seine Gesellenprüfung.
Anschließend arbeitete er ein Jahr lang in der Zeche unter Tage, bis er Anfang Januar
1998 schließlich zur Bundeswehr einberufen wurde.
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Dort entschloss er sich während seines Grundwehrdienstes dazu, länger bei der
Bundeswehr zu bleiben. Insgesamt verpflichtete er sich für eine Dienstzeit von acht
Jahren. Seine Bewerbung als Zeitsoldat für weitere vier Jahre hatte er bereits
eingereicht, doch wurde dieser Antrag abgelehnt, nachdem die in diesem Verfahren
erhobenen Vorwürfe gegen den Angeklagten bekannt geworden waren. Am 31.
Dezember 2005, dem regulären Ende seiner Dienstzeit, schied er daher aus der
Bundeswehr aus.
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Derzeit ist der Angeklagte arbeitssuchend und erhält bis zum 30. September 2007
Übergangsgeld in Höhe von 1.370,- € netto von der Bundeswehr. Er hat ein Kind, das
bei der Kindesmutter lebt und für welches er im Monat 257,- € Unterhalt zahlt. Er hat
keine Schulden und ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.
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2. Der zur Tatzeit 26 Jahre alte Angeklagte G wuchs in seinem Elternhaus in O auf. Sein
Vater war Kunststoffformgeber, seine Mutter Hausfrau. Neben einer leiblichen
Schwester hatte er zwischenzeitlich zwei Adoptivgeschwister, die aber auf eigenen
Wunsch hin die Familie des Angeklagten wieder verlassen haben.
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Im Alter von 6 oder 7 Jahren wurde der Angeklagte eingeschult, besuchte dann 4 Jahre
lang die Grundschule und anschließend die Gesamtschule bis zur 10. Klasse. Sodann
begann er eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker. Weil er zu dieser Zeit noch
schulpflichtig war, besuchte er daneben ein Jahr lang die Höhere Handelsschule in D.
Nach 3 ½ Jahren Ausbildung bestand er im Januar 1999 seine Gesellenprüfung.
9
Am 2. Mai 1999 wurde der Angeklagte sodann zur Bundeswehr eingezogen. Er begann
als Wehrpflichtiger, bewarb sich aber – da er gern länger bei der Bundeswehr bleiben
wollte – als Soldat auf Zeit. Weil dies zunächst keinen Erfolg hatte, verlängerte er seinen
Wehrdienst auf 23 Monate. Erst danach wurde seine Bewerbung als Soldat auf Zeit für
vier Jahre positiv beschieden. Als er die Unteroffizierslaufbahn einschlug, verpflichtete
er sich sodann für insgesamt 8 Jahre. Zwei Tage vor Beginn seines
Feldwebellehrganges – die gegen den Angeklagten in diesem Verfahren erhobenen
Vorwürfe waren zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt geworden –, wurde er vom Dienst
suspendiert. Eigentlich hätte er sich als Soldat für weitere vier Jahre auf dann insgesamt
zwölf Jahre verpflichten und den Feldwebellehrgang absolvieren wollen. Als weiteres
10
Ziel hatte er angestrebt, bei der Bundeswehr seinen Kfz-Meister zu machen und
Berufssoldat zu werden. Dies war ihm aber nach seiner Suspendierung nicht mehr
möglich.
Seit dem 1. August 2006 befindet sich der Angeklagte in der Ausbildung zum
Feuerwehrmann bei der Berufsfeuerwehr in E3. Er ist nicht bei der Stadt E3 angestellt,
sondern absolviert dort nur die Ausbildung und bestreitet seinen Lebensunterhalt von
den Übergangszahlungen der Bundeswehr, die sich auf monatlich etwa 1.300,- bis
1.400,- € netto belaufen.
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Der Angeklagte ist geschieden, hat keine Kinder und auch keine
Unterhaltsverpflichtungen. Bis auf einen Kredit für sein Auto hat er keine Schulden.
Strafrechtlich ist er noch nicht in Erscheinung getreten.
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3. Der zur Tatzeit 25 Jahre alte Angeklagte I2 wuchs als jüngstes von insgesamt drei
Kindern seiner Eltern in I5 auf. Sein Vater ist Bahnmitarbeiter, seine Mutter Hausfrau. Er
hat noch zwei Geschwister, eine Schwester und einen Bruder.
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Nach dem Besuch der Grundschule und der Gesamtschule bis zur 10. Klasse begann
der Angeklagte eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker, die er im Alter von 18 oder 19
Jahren erfolgreich abschloss. Seine anschließenden Bewerbungen waren jedoch
erfolglos, weil er seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet hatte und daher ständig
damit rechnen musste, hierzu eingezogen zu werden. Aus diesem Grund wurde er in
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen des Arbeitsamtes beschäftigt. Am 1. November 2000
begann sodann sein Wehrdienst, doch bewarb sich der Angeklagte sogleich für eine
Dienstzeit von vier Jahren und schlug die Unteroffizierslaufbahn ein.
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Nachdem die in diesem Verfahren erhobenen Vorwürfe gegen den Angeklagten
bekannt geworden waren, wurde er für einige Monate vom Dienst suspendiert später
aber wieder – an einem anderen Bundeswehrstandort – wieder in den Dienst versetzt.
Seinen Antrag auf Aufnahme in die Feldwebellaufbahn hat er aufgrund der
Vorkommnisse nicht mehr eingereicht, weil er ohnehin nicht mit dessen Erfolg rechnete.
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Zum 31. Oktober 2007 wird der Angeklagte aus dem aktiven Dienst bei der Bundeswehr
ausscheiden. Sodann will er eine Ausbildung im Berufsförderungsdienst der
Bundeswehr antreten. Sein Ziel ist es, eine Ausbildung zum Physiotherapeuten zu
beginnen. Bislang hat er jedoch keinen Ausbildungsplatz gefunden, möglicherweise
aufgrund des laufenden Strafverfahrens. Reguläres Ende seiner Bundeswehrdienstzeit
ist der 31. Oktober 2008.
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Der Angeklagte I2 ist ledig und hat keine Kinder. Sein monatliches Nettoeinkommen
beträgt etwa 1.300,- €, wovon er etwa die Hälfte zur Tilgung seiner Schulden einsetzt.
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Strafrechtlich ist der Angeklagte bislang ein Mal in Erscheinung getreten. Durch
Strafbefehl erkannte das Amtsgericht C4 am 4. Dezember 2002 (Az. #####) gegen ihn
wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs durch Trunkenheit auf eine
Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu jeweils 40,- €. Zudem wurde eine Sperre für
die Fahrerlaubnis bis zum 3. Dezember 2003 verhängt.
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4. Der Angeklagte I, der zur Tatzeit 23 Jahre alt war, wuchs bei seiner Mutter auf,
nachdem sich seine Eltern schon kurz nach seiner Geburt im Jahre 1981 oder 1982
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hatten scheiden lassen.
Er wurde im Alter von sieben Jahren eingeschult und besuchte nach der Grundschule
sechs Jahre lang die Gesamtschule bis zur 10. Klasse. Anschließend begann er eine
Ausbildung zum Kfz-Mechaniker, die er nach 3 ½-jähriger Ausbildungsdauer mit
bestandener Gesellenprüfung erfolgreich abschloss.
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Am 2. Mai 2001 wurde er zur Bundeswehr eingezogen, wo er sich zunächst auf 4 Jahre
verpflichtete. Später verpflichtete er sich, verbunden mit der erfolgreichen Bewerbung für
die Feldwebellaufbahn, auf insgesamt 12 Jahre. Nachdem die gegen ihn in diesem
Verfahren erhobenen Vorwürfe bekannt geworden waren, wurde er zunächst vom
Dienst suspendiert und schließlich am 21. Februar 2005 fristlos aus der Bundeswehr
entlassen. Nach vierwöchiger Arbeitslosigkeit fand er Anstellung bei einer
Zeitarbeitsfirma. Derzeit arbeitet er als Berufskraftfahrer im Nahverkehr und verdient
monatlich etwa 1.150,- bis 1.200,- € netto. Er hat keine Unterhaltsverpflichtungen und
zahlt auf einen Bankkredit monatlich 60,- € an seine Bank.
21
Strafrechtlich ist der Angeklagte I bisher nicht in Erscheinung getreten.
22
II.
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Die Angeklagten L, G, I2 und I waren als Unteroffiziere in der ##. Kompanie des ###.
Instandsetzungsbataillons der Bundeswehr tätig. Die Kompanie, welche vom früheren
Mitangeklagten Hauptmann T2 geführt wurde, war in der C-Kaserne stationiert. Es
handelte sich dabei um eine reine Ausbildungskompanie, der jeweils zu Quartalsbeginn
neue Rekruten zur dreimonatigen Grundausbildung zugewiesen wurden.
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Der Angeklagte L – damals im Rang eines Oberfeldwebels – wurde erst Ende Mai 2004
zur ##. Kompanie versetzt und war dort seitdem im 2. Zug als Gruppenführer eingesetzt.
Der Angeklagte G – vom Dienstgrad her Stabsunteroffizier – gehörte seit Anfang 2004
zu dieser Kompanie, wo er zunächst als Hilfsausbilder, im 2. Quartal 2004 dann als
Ausbilder und Gruppenführer im 1. Zug tätig war. Der Angeklagte I – ebenfalls
Stabsunteroffizier – war seit dem 2. Quartal 2004 als Ausbilder und Gruppenführer im 2.
Zug tätig. Der Angeklagte I2 – vom Dienstgrad her Stabsunteroffizier – war im 2. Quartal
2004 nicht zur Ausbildung der Rekruten eingesetzt, sondern war als Schirrmeister für
den Fuhrpark der Kompanie zuständig.
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Zum Stammpersonal der Kompanie gehörten u. a. die früheren Mitangeklagten
Hauptfeldwebel D und Hauptfeldwebel H, die bereits seit mehreren Jahren in der ##.
Kompanie als Ausbilder tätig und im 2. Quartal 2004 als Zugführer eingesetzt waren.
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Im 2. Quartal 2004 galt für die Ausbildung der Rekruten die "Anweisung für die
Truppenausbildung Nummer 1" (AnTrA 1), Stand Juni 2001. Sie war im Jahre 2001
durch den für die Ausbildung zuständigen Chef des Heeresamtes II der Bundeswehr
herausgegeben worden und regelte Ziel und Inhalte der Allgemeinen Grundausbildung
(AGA) im Heer. Diese Anweisung sah als Ziel der dreimonatigen Allgemeinen
Grundausbildung vor, jedem Rekruten auf dem Weg vom Zivilisten zum Soldaten
Kenntnisse und Fertigkeiten in den Grundlagen der Selbstverteidigung, des Überlebens
auf dem Gefechtsfeld und des Handelns als Soldat nach den gesetzlichen Pflichten und
Rechten zu vermitteln. Weiterhin sollte der Rekrut auch Kenntnisse und Fähigkeiten
erlernen, mit denen er im Einsatz Sicherungs- und Wachaufgaben übernehmen konnte.
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Eine Ausbildung "Geiselnahme/Verhalten in Geiselhaft" war in dieser AnTrA 1 weder
vorgesehen, noch wurde sie ausdrücklich untersagt.
Weil die Bundeswehr aber nicht mehr ausschließlich zur Landesverteidigung, sondern
immer öfter auch in internationalen Friedensmissionen im Ausland eingesetzt wird, hatte
es schon seit längerer Zeit Überlegungen im Bundesministerium der Verteidigung
gegeben, wie man die Truppenausbildung diesem geänderten Aufgabenspektrum der
Bundeswehr anpassen könnte. Als Ergebnis dieser Überlegungen wurde schließlich am
8. Juli 2004 vom dafür zuständigen Chef des Heeresamtes II der Bundeswehr eine
geänderte AnTrA 1 herausgegeben, die zum 1. Oktober 2004 in Kraft treten sollte. Diese
geänderte AnTrA 1 war ab dem 19. Juli 2004 im Intranet der Bundeswehr abrufbar.
Bereits zuvor fanden Lehrgänge im Vereinte-Nationen-Ausbildungszentrum der
Bundeswehr in I3 statt, in denen Zugführer von Ausbildungskompanien für die
Ausbildung nach der neuen AnTrA 1 geschult wurden. Diese Zugführer sollten sodann
als sogenannte Multiplikatoren ihre neu erworbenen Kenntnisse über die geänderte
Ausbildung in ihren jeweiligen Einheiten an die übrigen Ausbilder weitergeben.
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Die geänderte AnTrA 1 enthielt im Vergleich zu ihrer Vorgängerin einen neuen Teil,
nämlich die "Basisausbildung EAKK" (Einsatzvorbereitende Ausbildung für
Krisenbewältigung und Konfliktverhütung). Ziel der Allgemeinen Grundausbildung sollte
nunmehr – neben dem oben genannten – auch sein, dass der Rekrut bereits in der
Grundausbildung die für einen Auslandseinsatz im Rahmen von Konfliktverhütung und
Krisenbewältigung erforderlichen Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten erlernt. So
sollte den Rekruten z. B. das richtige Verhalten an Checkpoints sowie die Errichtung,
Unterhaltung und Verteidigung eines Feldlagers vermittelt werden.
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Diese "Basisausbildung EAKK" sah auch eine zweistündige Unterrichtseinheit über
Geiselhaft, Entführung und Gefangenschaft bei Einsätzen sowie Konfrontation mit
Verwundung und Tod und deren Bewältigung vor, in der den Rekruten u. a. Kenntnisse
über psychische Belastungen bei Entführung, Geiselhaft und Gefangenschaft vermittelt
werden sollten. Als Ausbildungsform war Unterricht durch den Einheitsführer – also
durch den Kompaniechef – vorgesehen, jedoch keine praktische Übung.
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Anfang April 2004 begannen in der C etwa 80 Rekruten ihre dreimonatige
Grundausbildung, wovon etwa die Hälfte Wehrdienstleistende waren, die insgesamt
neun Monate Grundwehrdienst abzuleisten hatten. Die andere Hälfte bestand entweder
aus freiwillig länger dienenden Soldaten, die sich für eine längere Dienstzeit als neun
Monate verpflichtet hatten, oder aus Soldaten auf Zeit, welche die Laufbahn als
Unteroffizier oder Offizier einschlagen wollten.
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Es wurden zwei Ausbildungszüge gebildet. Zugführer des 1. Zuges war Hauptfeldwebel
D, Zugführer des 2. Zuges war Hauptfeldwebel H. Beide hatten – ebenso wie die
Angeklagten L und I – zu diesem Zeitpunkt bereits an einem Auslandseinsatz der
Bundeswehr teilgenommen und zu diesem Zweck zuvor eine sogenannte
"Einsatzbezogene Zusatzausbildung" (EbZA) absolviert.
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Eine solche Zusatzausbildung war und ist von der Bundeswehr für diejenigen Soldaten
auf Zeit, freiwillig länger dienende oder Berufssoldaten vorgesehen, die ihre Ausbildung
bereits abgeschlossen und die den Befehl bekommen haben, an einem
Auslandseinsatz der Bundeswehr teilzunehmen. Ein Abschnitt dieser Zusatzausbildung
ist eine Übung "Geiselnahme/Verhalten in Gefangenschaft", welche von der
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Bundeswehr an drei Standorten durchgeführt wurde, nämlich im Vereinte-Nationen-
Ausbildungszentrum der Bundeswehr in I3 und in X2 sowie – seit Januar 2004 – im
Gefechtsübungszentrum des Heeres in A. Diese Übung, die zuvor im Unterricht mit den
Teilnehmern besprochen und von Psychologen begleitet wurde, lief dergestalt ab, dass
die auszubildenden Soldaten eine Busfahrt unternahmen und der Bus während der
Fahrt von maskierten "Geiselnehmern" – wobei es sich um Bundeswehrangehörige
handelte – überfallen wurde. Den überfallenen Soldaten wurden die Augen verbunden
und sie wurden aufgefordert, ihre Hände in den Nacken, auf ihre Knie oder auf die
Sitzbank vor ihnen zu legen. Anschließend wurden sie an einen Ort verbracht, an dem
eine "Befragung" stattfand. Die Soldaten, deren Augen nach wie vor verbunden waren,
wurden hierbei physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, um bei ihnen
Stress zu erzeugen. Sie wurden lautstark befragt und mussten körperliche Übungen wie
Liegestütze, Kniebeugen oder Situps machen und Holz sägen, zudem wurde ihnen
damit gedroht, Kameraden zu schlagen oder zu erschießen, wenn sie bei der Befragung
nicht die gewünschten Antworten geben. Zur möglichst realistischen Untermalung
wurden die entsprechenden Geräusche (Schläge oder Schüsse) simuliert. Den
Soldaten war aus dem vorangegangenen Unterricht bekannt, dass sie jederzeit die
Möglichkeit hatten, durch ein Handzeichen aus der Übung auszusteigen. Im
anschließenden Unterricht wurde die Übung sodann besprochen.
In der Vergangenheit war es allerdings in der Bundeswehr vorgekommen, dass auch
außerhalb dieser drei benannten Ausbildungszentren eine Ausbildung
"Geiselnahme/Geiselhaft" durchgeführt worden war, die nicht der Ausbildung in den
Ausbildungszentren der Bundeswehr entsprach und die bei einigen Teilnehmern zu
Anzeichen einer Traumatisierung geführt hatte. Aus diesem Grund hatte das
Heeresführungskommando der Bundeswehr in L2 mit einem als "VS – nur für den
Dienstgebrauch" gekennzeichneten Schreiben vom 26. Februar 2004 darauf
hingewiesen, dass die Ausbildung "Geiselnahme/Geiselhaft" ausschließlich im Rahmen
der einsatzbezogenen Zusatzausbildung in dem Vereinte-Nationen-
Ausbildungszentrum bzw. im Gefechtsübungszentrum des Heeres durchgeführt werde,
da dort die Ausbildung unter Anleitung des dafür speziell geschulten Personals erfolgen
könne. Zu den Empfängern dieses Schreibens gehörte auch die ##. Panzerdivision, zu
der das ###. Instandsetzungsbataillon – und damit auch die ##. Ausbildungskompanie
in D – damals noch gehörten.
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Auch in dem "Befehl 38/10" vom 12. April 2004 hatte das Heeresführungskommando
der Bundeswehr die Ausbildung über das Thema "Verhalten in Geiselhaft"
ausschließlich dem VN-Ausbildungszentrum zugewiesen, wo freiwillig längerdienende
Soldaten, Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten ihre abschließende Ausbildung für
einen bevorstehenden Auslandseinsatz erhalten sollten.
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Dass die Angeklagten G, L, I und I2 das Schreiben des Heeresführungskommandos
vom 26. Februar 2004 oder den "Befehl 38/10" kannten oder von ihm wussten, steht
aufgrund der Beweisaufnahme nicht fest.
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Im Verlauf des 2. Quartals 2004 – der genaue Zeitpunkt ließ sich nicht mehr feststellen –
kamen die Zugführer D und H auf die Idee, in der Allgemeinen Grundausbildung in D
eine Geiselnahmeübung durchzuführen. Ob sie zuvor an dem bereits erwähnten
zweitägigen Fortbildungslehrgang für Zugführer in Ausbildungskompanien in I3
teilgenommen hatten, auf dem die neuen Inhalte der am 1. Oktober 2004 in Kraft
tretenden geänderten AnTrA 1 vermittelt werden sollten, konnte die Kammer in der
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bisherigen Beweisaufnahme dabei nicht klären.
An einem genauer nicht mehr feststellbaren Tag vor dem 8. Juni 2004 fand auf
Anordnung dieser beiden Hauptfeldwebel eine Ausbilderbesprechung statt, an der
neben anderen Ausbildern der Kompanie auch die vier Angeklagten teilnahmen. Die
Angeklagten L, G und I nahmen teil, weil sie damals als Gruppenführer in der
Grundausbildung tätig waren und die Besprechung von ihren Zugführern angeordnet
worden war. Der Angeklagte I2, der – wie bereits ausgeführt – damals Schirrmeister der
Kompanie war, nahm teil, weil D ihn zuvor mit dem Bemerken, dass man noch Leute für
einen Überfall auf die Rekruten zwecks Geiselnahme benötige, gefragt hatte, ob er – I2
– nicht mitmachen wolle. I2 hatte daraufhin zugesagt. Er hätte als Schirrmeister zwar
auch ablehnen können, freute sich aber darauf, wieder einmal an einer Geländeübung
teilnehmen zu können.
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Auf dieser Ausbilderbesprechung wurde den Anwesenden der grobe Ablauf der
geplanten Geiselnahmeübung mitgeteilt. Auf dem Dienstplan der Rekruten war für den
8. Juni 2004 tagsüber eine Schießübung angesetzt, die ins Nachtschießen übergehen
sollte. Anschließend – so sah es der Plan der beiden Zugführer vor – sollten die
Rekruten gruppenweise auf einen nächtlichen Orientierungsmarsch geschickt werden,
bei dem zum Schluss sodann die "Geiselnahme" mit anschließendem "Verhör" erfolgen
sollte. Weder der Orientierungsmarsch noch die geplante Einlage, nämlich diese
Geiselnahme, standen auf dem für die Rekruten einsehbaren Dienstplan und waren
diesen somit nicht bekannt.
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Seitens der Zugführer war vorgesehen, die Rekruten an einem asphaltierten
Wirtschaftsweg im Gelände zu überfallen, wo sie nach den Marschvorgaben in den
frühen Morgenstunden des 9. Juni 2004 eintreffen sollten. Für diesen Überfall teilten D
und H die Angeklagten L, G und I2 sowie die früheren Mitangeklagten S, F und E ein,
die das "Überfallkommando" bilden sollten. Diese sechs Ausbilder sollten die Rekruten
überfallen, entwaffnen, fesseln, ihnen die Augen verbinden und ihnen die persönliche
Ausrüstung abnehmen. Anschließend sollten die Rekruten mit einem Pritschenwagen
der Bundeswehr zum Standortübungsplatz gefahren werden, wo sodann in einer
Sandgrube ihr "Verhör" stattfinden sollte. Für dieses Verhör teilten die beiden Zugführer
den Angeklagten I ein. Diesem sagte D, er – I – sei ja auch in I3 dabei gewesen; etwa so
wie in I3 solle das "Verhör" in der Sandgrube ablaufen. Mit seiner Bemerkung meinte D
die Geiselnahmeübung, die der Angeklagte I im Rahmen seiner Vorbereitung auf einen
Auslandseinsatz mitgemacht hatte. Ob in der Besprechung auch weitere Einzelheiten
für die geplanten Stationen "Überfall" und "Verhör" erörtert wurden, konnte die Kammer
dabei ebenso wenig aufklären wie die Frage, ob bereits in dieser Besprechung die
Rede davon war, dass die Fesselung der Rekruten beim Überfall mit Kabelbindern
erfolgen sollte.
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Weiterhin teilten die Zugführer bei dieser Besprechung auch noch das Personal für die
übrigen Stationen an den einzelnen Wegpunkten des Orientierungsmarsches ein,
welche die Rekruten zuvor anzulaufen hatten und wo sie dann jeweils bestimmte
Aufgaben zu erfüllen hatten. An diesen Stationen erhielten die Rekruten auch neue
Kartenausschnitte und Anweisungen für ihren Weitermarsch.
41
Der frühere Mitangeklagte F hatte, als ihn einer der Zugführer im Vorfeld dieser
Ausbilderbesprechung auf die Geiselnahme angesprochen hatte, gefragt, ob die Übung
vom Kompaniechef genehmigt worden sei. Der Zugführer – wer es war, ließ sich bislang
42
nicht feststellen – hatte ihm daraufhin entgegnet, Hauptmann T2 prüfe dies zur Zeit
noch. Auf der erwähnten Ausbilderbesprechung teilten die beiden Zugführer D und H
den anwesenden Ausbildern sodann mit, dass die geplante Übung "Geiselnahme" vom
Kompaniechef abgesegnet worden sei. Tatsächlich hatte der Kompaniechef Hauptmann
T2 die Geiselnahmeübung genehmigt, wenn auch in der bisherigen Beweisaufnahme
offen geblieben ist, ob er zu diesem Zeitpunkt Einzelheiten der geplanten Übung kannte.
Bedenken gegen die Durchführung der Übung wurden in der Ausbilderbesprechung aus
den Reihen der Ausbilder nicht erhoben.
Am Abend des 8. Juni 2004 verlud der Angeklagte I die Materialien, die er nach seiner
Vorstellung für das Verhör in der Sandgrube benötigte – nämlich ein Maschinengewehr,
Stacheldrahtrollen sowie eine Kübelspritze und Reservekanister mit Wasser – auf einen
Bundeswehr-LKW. Als sein Zugführer, Hauptfeldwebel H, dies sah und ihn fragte, wozu
er die Kübelspritze mitnehme, antwortete er, dass man damit die Rekruten nass machen
könne. Daraufhin entgegnete H nach bislang unwiderlegter Einlassung des I, das sei
nicht schlimm, I solle sie mitnehmen.
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Die Rekruten befanden sich derweil noch auf der Schießbahn und absolvierten das
nach Dienstplan vorgesehene Schießen. Gegen Ende des Nachtschießens kamen
sodann die beiden Zugführer D und H mit einem Geländewagen zur Schießbahn. Sie
trugen Tarnschminke im Gesicht, waren gefechtsmäßig ausgerüstet und ließen die
Rekruten antreten. Diesen teilten sie sodann eine Lage mit, wonach Terroristen im
Raum D gesichtet worden seien und das Gebiet bestreift werden müsse. Sämtliche
Auffälligkeiten sollten dokumentiert werden. Die Rekruten, die ihr komplettes
Marschgepäck sowie ihr Gewehr bereits bei sich hatten, kehrten daraufhin zur Kaserne
zurück, wo sie Manövermunition (Platzpatronen) aufnahmen. Anschließend machten sie
sich gruppenweise auf den Weg, wobei die einzelnen Gruppen zeitlich versetzt
losmarschierten. Der planmäßige Gruppenführer marschierte dabei nicht mit; vielmehr
musste jeweils ein Rekrut aus der Gruppe die Rolle des Gruppenführers übernehmen.
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Vor dem Abmarsch gab es keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass im Verlaufe des
Marsches – abgesehen von eventuellem "Feindkontakt" – etwas besonderes passieren
könnte. Der Zeuge L5 vermutete dies aufgrund des Verhaltens der Ausbilder zwar, weil
tagsüber die Vollständigkeit des Gepäcks der Rekruten kontrolliert worden war, wusste
jedoch nicht, womit er zu rechnen hatte. Der Zeuge C2 hatte von einem Ausbilder,
möglicherweise von seinem Zugführer, erfahren, dass noch etwas Überraschendes
passieren werde, dachte jedoch, der Nachtmarsch sei die Überraschung. Mit einer
Geiselnahme rechnete auch er nicht.
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Es wurde den Rekruten auch kein Kennwort mitgeteilt, durch dessen Nennung sie die
Übung hätten beenden können. Möglicherweise hatte Hauptfeldwebel D bei einer
früheren Gelegenheit einmal gesagt, man könne eine Übung jederzeit durch Heben der
Hand abbrechen, wenn man nicht mehr weitermachen könne.
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Dem Angeklagten I waren zur Unterstützung an der Sandgrube auf dem
Standortübungsplatz drei Hilfsausbilder zugeteilt worden, nämlich die als Zeugen
vernommenen Obergefreiten D1, K und B. Nachdem der von I beladene LKW die
Ausrüstung zur Sandgrube gebracht hatte, teilten I und die Hilfsausbilder dort einen
Bereich des Geländes mit dem Stacheldraht ab, um so den Eindruck eines befestigten
"Lagers" zu erwecken. Für das Maschinengewehr richteten sie oberhalb der Sandgrube
eine Stellung ein und luden seine Patronengurte mit Manövermunition. Zudem füllten
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sie die Kübelspritze mit Wasser und stellten die ebenfalls mitgebrachten
Reservekanister bereit. Anschließend ruhten sich I und die Hilfsausbilder etwas aus und
warteten auf die Ankunft der ersten Rekruten, die zwischenzeitlich losmarschiert waren.
Das "Überfallkommando" – bestehend aus S, E und F sowie den Angeklagten L, G und
I2 – wurde derweil von den hierfür eingeteilten Zeugen N und Gefreiter S1 mit einem
Pritschenwagen der Bundeswehr zum vorgesehenen Überfallort gefahren. Diese sechs
"Angreifer" trugen Bundeswehrkleidung, hatten aber zum Teil ihre Dienstgradabzeichen
oder Namensschilder entfernt. Ihre Gesichter waren mit einem Schal, einem
Mückenschleier oder einer Mütze vermummt, wodurch sie nicht auf den ersten Blick als
Ausbilder zu erkennen waren. Dies war auch beabsichtigt, weil sie Angehörige irregulär
kämpfender Einheiten darstellen wollten. Sie hatten Gewehre mit aufgesetzten
Manöverpatronengeräten dabei, deren Magazine mit Manövermunition geladen waren,
teilweise auch ungeladene Pistolen und mehrere Übungsgranaten. Zudem hatten sie
auch eine Munitionskiste mitgenommen, welche später dazu dienen sollte, die Rekruten
abzulenken.
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Mit einem der Fahrzeuge – entweder mit dem Pritschenwagen oder mit dem von D und
H an diesem Morgen benutzten Geländewagen – waren auch Kabelbinder zur
Überfallstation gebracht worden. Die dort eingeteilten Ausbilder besprachen spätestens
jetzt, den Rekruten damit die Hände auf den Rücken zu fesseln. Die Kabelbinder sollten
dabei zum einen den Rekruten möglichst über der Kleidung oder über den
Handschuhen angelegt werden, zum anderen sollten sie nicht ganz eng zugezogen
werden. Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass sie in die Haut schnitten. Die
Fesselung mit Kabelbindern war den Rekruten bereits aus der vorangegangenen
Wachausbildung bekannt, in welcher die Festnahme eines Störers oder Verdächtigten
geübt und dieser unter anderem mit Kabelbindern gefesselt wurde.
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Das Überfallkommando richtete den Hinterhalt im Gelände ein und wartete sodann
ebenfalls auf die erste Gruppe Rekruten, die gegen 3.00 Uhr morgens dort eintreffen
sollte. Weil sich aber einzelne Gruppen auf dem Orientierungsmarsch verlaufen hatten,
verzögerte sich der geplante Ablauf. Die erste Gruppe Rekruten – darunter die Zeugen
M, T und O3 – traf deshalb erst in der Morgendämmerung des 9. Juni 2004 am vorletzten
Wegpunkt des Orientierungsmarsches ein, wo sie von einem Hilfsausbilder empfangen
wurde. Dieser wies sie an, quer über ein Feld zu einer Straße weiterzugehen, wo sich
die letzte Station des Marsches befinde. Den dort eingerichteten Hinterhalt sowie die
geplante Geiselnahme verschwieg er jedoch.
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Die Rekruten folgten der ihnen vorgegebenen Richtung und marschierten über das
Feld. Nach wenigen Minuten trafen sie auf einen asphaltierten Wirtschaftsweg, der auf
beiden Seiten von Bäumen und Büschen gesäumt war. Aufgrund der
Geländebeschaffenheit waren sie dabei für die Angreifer bereits aus einiger Entfernung
sichtbar, so dass diese sich auf den Überfall vorbereiten und in Deckung gehen
konnten. Das Überfallkommando wurde zwischenzeitlich von den Hauptfeldwebeln D
und H verstärkt, die an diesem Morgen mit einem Geländewagen, der vom früheren
Mitangeklagten J gesteuert wurde, Dienstaufsicht fuhren und sich dabei zeitweise auch
am Überfallort aufhielten. Sofern dort in dieser Zeit eine Gruppe Rekruten eintraf, halfen
D und H auch dabei mit, diese Gruppe zu überfallen und zu überwältigen.
51
Um die Rekruten abzulenken, hatten die Angreifer die mitgebrachte Munitionskiste gut
sichtbar auf die Straße gestellt. Bei einigen Gruppen legte sich auch einer der Angreifer
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selbst auf die Straße, um einen Verletzten zu simulieren. Weil die Rekruten vor
Marschbeginn angewiesen worden waren, sämtliche Auffälligkeiten zu dokumentieren,
erweckte dies ihre Aufmerksamkeit. Als sie sich der Munitionskiste bzw. dem
"Verletzten" zuwandten, um nähere Untersuchungen anzustellen, nutzten die Angreifer
diesen Moment und kamen schreiend und schießend aus ihrer Deckung. Manchmal
ließen sie, um die Rekruten zusätzlich zu verwirren, zuvor Übungsgranaten auf der
Straße detonieren. Sie schrien den Rekruten – teils auf Englisch, teils auf Deutsch – laut
zu, dass diese ihre Waffen ablegen, sich hinknien und die Hände in den Nacken
nehmen sollten.
Die Rekruten waren im allgemeinen zu überrascht und – nach rund 24 Stunden Dienst
und einem mehrstündigen Orientierungsmarsch – zumeist auch zu erschöpft, um noch
größere Gegenwehr zu leisten. Trotz der Überraschung gingen die Rekruten aber
durchweg davon aus, dass es sich bei den maskierten Angreifern um
Bundeswehrangehörige handelte; zum Teil erkannten sie auch einzelne Ausbilder wie
beispielsweise ihren Zugführer oder Gruppenführer.
53
In aller Regel leisteten die Rekruten der Aufforderung der Angreifer, sich zu ergeben
und auf den Boden zu legen, letztlich freiwillig Folge. Bei manchen Rekruten halfen die
Angreifer mit körperlichem Druck nach. Teilweise gab es zuvor noch einen
Schusswechsel zwischen den Rekruten und den Angreifern. Allerdings gab es auch
Rekruten, die der Auffassung waren, sich als Soldaten der Gefangennahme widersetzen
zu müssen und aus diesem Grund Widerstand leisteten.
54
Der Zeuge M ging beim Überfall auf seine Gruppe im Straßengraben in Deckung. Als er
von dort aus das Geschehen auf der Straße beobachtete, wurde er von dem früheren
Mitangeklagten Oberfeldwebel J entdeckt, der dies den Angreifern mitteilte. Daraufhin
rannten zumindest zwei der Ausbilder auf M zu, darunter möglicherweise der ehemalige
Mitangeklagte F. Als M aus dem Graben aufstehen wollte, wurde er von einem dieser
Ausbilder umgerissen und zu Boden gebracht, wo er auf dem Bauch zu liegen kam.
Damit er nicht wieder aufstehen konnte, stellte einer der Ausbilder ein Knie auf L Hals.
Anschließend wurden L Hände auf dem Rücken mit den Kabelbindern gefesselt und
zusätzlich mit der Splitterschutzweste oder dem Koppeltragegestell verbunden, wodurch
die Arme des Zeugen nach oben gezogen wurden und er schmerzhaften Druck auf
seinen Schultern verspürte. Als er sich gegen die Fesselung wehrte, nahm einer der
Ausbilder sein Knie in einen Haltegriff, wodurch L Bein verdreht wurde und er
Schmerzen erlitt. Wer von den Ausbildern an dieser körperlichen Auseinandersetzung
mit dem Zeugen M beteiligt war, konnte die Kammer bisher nicht feststellen;
wahrscheinlich war einer der Ausbilder der frühere Mitangeklagte F.
55
Als der Zeuge S entwaffnet werden sollte, gab es zwischen ihm und seinem Angreifer
eine kleine Rangelei, wobei aber niemand verletzt wurde. Wer von den Mitgliedern des
Überfallkommandos dieser Angreifer war, konnte die Kammer nicht feststellen.
56
Der Zeuge L4 schließlich wurde beim Überfall von einem der Ausbilder – von wem, ließ
sich nicht feststellen – von hinten in einen Würgegriff genommen und auf diese Weise
zu Boden gebracht. Die Luft wurde dem Zeugen hierdurch aber nicht abgedrückt.
57
Sobald alle Rekruten der jeweils überfallenen Gruppe entwaffnet und auf der Straße
gesammelt worden waren, wo sie sich hinknien oder auf den Bauch legen mussten,
wurde ihnen die gesamte persönliche Ausrüstung abgenommen und in einzelnen
58
Säcken verstaut. Ihre Hände wurden auf dem Rücken mit den Kabelbindern gefesselt,
wobei die Ausbilder größtenteils darauf achteten, dass die Kabelbinder nicht zu stramm
anlagen. Zumindest die Zeugen C6, C2, E, E4, E1, H3, L5, L3, L4, G3, U, S, W und W1
wurden von den sie fesselnden Ausbildern ausdrücklich gefragt, ob die Fesselung zu
stramm oder erträglich sei. Als sich der Zeuge E daraufhin beschwerte, dass die
Fesseln zu stramm seien, bekam er neue, dieses Mal lockerer sitzende Kabelbinder
angelegt. Auch der Zeuge M beschwerte sich über die zu fest sitzenden Kabelbinder; er
wurde allerdings nicht von diesen befreit, stattdessen zog später einer der Ausbilder die
Kabelbinder noch einmal fester zu und äußerte dabei, sie säßen zu locker. Wer dies
getan hat, konnte die Kammer jedoch nicht feststellen.
Bei den meisten Rekruten hinterließen die Kabelbinder keine Spuren auf der Haut. Die
Zeugen G3, I4, U, T, X4 und X3 hatten nach ihrer Befreiung jedoch Druckstellen an den
Handgelenken. Bei den Zeugen G2 und U waren Kratzer bzw. kleine Schnittwunden an
den Armen zu sehen, nachdem sie befreit worden waren. Diese Wunden waren jedoch
spätestens nach einer Woche vollständig verheilt. G2 war nicht durch einen der
Angeklagten dieses Verfahrens gefesselt worden. U war nach der Fesselung von dem
ihn fesselnden Ausbilder gefragt worden, ob die Fesseln zu stramm säßen, hatte diese
Frage aber verneint.
59
Die Augen der Rekruten wurden mit dem Dreiecktuch, welches sie bei sich führten,
verbunden, möglicherweise ist dem einen oder anderen Rekruten stattdessen auch ein
Wäschesack über den Kopf gezogen worden. Die Rekruten konnten hiernach zwar noch
atmen, aber nicht mehr oder nur noch äußerst eingeschränkt sehen. Teilweise wurden
sie bereits jetzt in gebrochenem Englisch nach ihrem Gruppenführer, dem
Kompaniechef oder der Gruppenstärke befragt. Der Zeuge U wurde bei der Befragung –
allerdings nicht durch einen der Angeklagten – auf englisch beschimpft und als "fucking
soldier boy" bezeichnet. Der Zeuge U ging jedoch davon aus, dass dies zu der Rolle
gehört, welche die Angreifer spielten, und fühlte sich dadurch nicht persönlich beleidigt.
60
Nach dem Überfall auf eine Gruppe – um welche Gruppe es sich handelte, ist offen
geblieben – stellte der Angeklagte G einem Rekruten, der mit gefesselten Händen und
verbundenen Augen auf dem Bauch auf der Straße lag, seinen rechten Fuß auf den
Rücken. In der rechten Hand hielt G sein Gewehr, die linke Faust reckte er in die Höhe.
In dieser Pose – vergleichbar einem Jäger, der seine Beute präsentiert – ließ er sich
sodann fotografieren. Wer dieser Rekrut war und wer dieses Foto gemacht hat, konnte
die Kammer aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme nicht aufklären. Von den
Überfällen auf die Rekruten und ihrer Gefangennahme wurden an diesem Morgen,
ebenso wie von den anschließenden Verhören auf dem Standortübungsplatz,
zahlreiche weitere Fotos gemacht.
61
Nachdem sämtliche Rekruten einer Gruppe auf die vorstehend beschriebene Art und
Weise außer Gefecht gesetzt worden waren, was zwischen fünf und zehn Minuten
dauerte, wurde der von den Zeugen N und S1 gefahrene Pritschenwagen auf ein
verabredetes Zeichen der Ausbilder hin an den Überfallort herangefahren.
Anschließend wurden die Rekruten von den Angeklagten und den übrigen Mitgliedern
des Überfallkommandos auf diesen Pritschenwagen verladen. Dabei wurden die
Rekruten, die ja aufgrund der Augenbinde gar nicht oder nur äußerst eingeschränkt
sehen konnten, von einem Ausbilder zur Ladekante des Pritschenwagens geführt, auf
diese Kante gesetzt und sodann entweder von einem zweiten Ausbilder auf die
Ladefläche gezogen oder sie rutschten selbst in den LKW hinein und suchten sich einen
62
Sitzplatz. Der Zeuge E wurde in den LKW hineingezogen oder unsanft
hineingeschoben. Der Zeuge O3 kam nach dem Einladen auf Kameraden zu liegen, die
sich bereits auf der Ladefläche befanden, was er als unangenehm empfand. Der Zeuge
C wurde auf den LKW geschubst und stieß sich dabei das Knie, was er an diesem Tag
als das Schmerzhafteste empfand, was ihm passierte.
Als alle Rekruten einer Gruppe auf die Ladefläche verbracht worden waren und ihre
Ausrüstung im Führerhaus des Pritschenwagens verstaut worden war, fuhr der Zeuge N
mit dem Wagen los und brachte die Rekruten in langsamer Fahrt zum
Standortübungsplatz, der etwa 2 km vom Überfallort entfernt war. Während dieser Fahrt
fuhr einer der Ausbilder aus dem Überfallkommando mit, um unter den Rekruten für
Ruhe zu sorgen und zu verhindern, dass sie miteinander reden. Wenn einer der
Rekruten die meist auf Englisch ausgesprochene Anweisung, ruhig zu sein, nicht
befolgte, erhielt er – wie die Zeugen O3 und E – vom mitfahrenden Ausbilder einen
leichten Schlag, zumeist auf den Helm. Schmerzhaft war dies nicht, es sollte dem
Rekruten nur bedeuten, mit dem Reden aufzuhören. Der Zeuge M erhielt, als er der
Aufforderung, seine "Klappe zu halten", nicht folgte, leichte Schläge auf seine Schultern.
Dies war für ihn etwas schmerzhaft, weil seine Schultern aufgrund der Fesselung bereits
erheblich schmerzten. Wer dem Zeugen M diese Schläge versetzt hat, konnte die
Kammer nicht feststellen. Zumindest ein Rekrut, nämlich der Zeuge O3, bekam während
der Fahrt aufgrund der beengten Platzverhältnisse auf der Pritsche einen schmerzhaften
Krampf in den Beinen.
63
Der Pritschenwagen traf nach fünf bis zehn Minuten Fahrt auf dem Übungsgelände an
der Sandgrube ein, wo die Rekruten vom Angeklagten I und seinen Hilfsausbildern, den
erwähnten drei Obergefreiten, in Empfang genommen wurden. Nachdem der
Pritschenwagen angehalten hatte, wurden die Rekruten einzeln von der Ladefläche
geholt, wobei darauf geachtet wurde, dass sie sich nicht verletzten. Die Zeugen K, O3,
S, M und T fielen beim Abladen allerdings auf den Sandboden, verletzten sich dabei
jedoch nicht. Bei den übrigen Rekruten verlief das Abladen reibungslos.
64
Die Rekruten wurden in den zuvor mit Stacheldraht abgetrennten Bereich des
Übungsplatzes gebracht, wo sie sich zunächst in einer Sandgrube hinknien mussten.
Bei dieser Sandgrube handelte es sich um eine etwa 3 Meter durchmessende
Abgrabung mit steilen Sandwänden, die zu einer Seite hin offen war. Einige der
Rekruten wurden angewiesen, sich mit ihrem Kopf an diese Sandwand anzulehnen. Der
Pritschenwagen fuhr, nachdem auch die Ausrüstung der Rekruten abgeladen worden
war, derweil mit dem Ausbilder, der zur Begleitung auf der Pritsche mitgefahren war,
zurück zum Überfallort, um dort auf die nächste Gruppe Rekruten zu warten.
65
In der Sandgrube begann sodann das eigentliche, vom Angeklagten I geleitete "Verhör".
Die Rekruten wurden zunächst ganz allgemein befragt, wer Gruppenführer und wer
Zugführer ist, wie stark die Truppe ist und welchen Auftrag sie hat, teilweise wurden
auch Namen und Personenkennziffer der Befragten verlangt. Der Angeklagte I stellte
diese Fragen durchweg in gebrochenem Englisch, wodurch er möglichst realistisch eine
Gefangennahme durch irregulär kämpfende Einheiten simulieren wollte. Manchmal
wurden seine Fragen von einem der Hilfsausbilder für diejenigen Rekruten ins
Deutsche übersetzt, die kein Englisch verstanden.
66
Die Rekruten reagierten auf diese Befragung unterschiedlich. Sie waren auf eine solche
"Übung" nicht vorbereitet worden und wussten deshalb nicht, wie sie sich richtig zu
67
verhalten hatten. Manche der Rekruten gaben nicht ernst gemeinte Antworten. So
bezeichnete der Zeuge X3 den Fragesteller als "Jogi-Bär". Ein Kamerad aus der Gruppe
des Zeugen L3 gab "H" als Antwort auf die Frage nach seinem Anführer; der Zeuge von
K beantwortete diese Frage mit "Bundeskanzler Gerhard Schröder". Manche Rekruten
sagten, dass sie die gewünschten Antworten nicht wüssten. Einige wenige Rekruten,
wie beispielsweise der Zeuge H3, beantworteten die Fragen wahrheitsgemäß.
Größtenteils gingen die Rekruten aber davon aus, dass von ihnen als Soldaten erwartet
werde, niemanden zu verraten, deshalb schwiegen sie und gaben keine Antwort. Der
Angeklagte I versuchte, diese schweigenden Rekruten und diejenigen, die unpassende
Antworten gaben, dann doch noch zu einer aus seiner Sicht zufriedenstellenden Antwort
zu bewegen, indem er sie unterschiedlichen "Behandlungen" unterzog.
Ein Teil der Rekruten musste sich in einer Entfernung von etwa einem Meter einem
Kameraden gegenüber hinknien. Sodann wurden beide mit dem Oberkörper soweit
nach vorne gezogen, bis sich ihre Helme berührten. Diese Position mussten zumindest
die Zeugen C2, E, J, G3, N2, A, C6 und E1 einnehmen. Es wurde für die Rekruten nach
einiger Zeit anstrengend, diese Position zu halten. Wenn einen der Rekruten die Kräfte
verließen und er umfiel, wie dies dem Zeugen N2 passierte, fiel auch der andere
Kamerad mit um. Da die Rekruten nach wie vor gefesselt waren, hatten sie keine
Möglichkeit, sich hierbei abzufangen und fielen in den Sand.
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Eine Variation dieser Zwangshaltung bestand darin, einen Rekruten an einen Baum zu
stellen, ihn sich mit dem behelmten Kopf daran anlehnen zu lassen und sodann seine
Füße soweit zurückzuziehen, bis es für ihn sehr anstrengend wurde, die Position zu
halten. Auf diese Weise wurde von den Ausbildern mit dem Zeugen E4 verfahren. Wäre
er mit dem Kopf abgerutscht, wäre er umgefallen und hätte sich wegen seiner nach wie
vor auf dem Rücken gefesselten Hände auch nicht abfangen können.
69
Ein anderer Teil der Rekruten wurde von den Kabelbindern befreit und musste sodann –
wie die Zeugen C2, H3, K, Le, X3, P und H – mit verbundenen Augen Liegestütze oder
Kniebeugen machen. Den Zeugen C2, der Liegestütze machen musste, fasste der
Angeklagte I dabei am Kragen und drückte ihn nach unten, wodurch die Ausführung der
Liegestütze erheblich anstrengender wurde. Als C2 hierbei mit seinem Kopf auf den
Sandboden aufschlug, entschuldigte sich der Angeklagte I sofort hierfür.
70
Einige Rekruten, darunter die Zeugen C2, E, H3, Le, X3, W, S, H und E1, mussten nach
dem Lösen der Kabelbinder mit verbundenen Augen alleine oder zu zweit einen
Baumstamm vor dem Körper bzw. über dem Kopf halten. Bei denjenigen Rekruten, die
den Baumstamm über ihrem Kopf halten mussten, standen zur Absicherung jeweils
zwei Hilfsausbilder daneben, die notfalls den Baumstamm auffangen sollten, falls die
Rekruten von ihren Kräften verlassen würden und sie den Baumstamm fallen ließen.
Zwei Kameraden aus der Gruppe des Zeugen O2, die einen Baumstamm halten
mussten, wurde von den Verhörenden gesagt, dass einer ihrer Kameraden erschossen
werde, wenn sie den Baumstamm fallen lassen. Ließen sie den Baumstamm dann
tatsächlich fallen, gab einer der Hilfsausbilder auf ein zuvor verabredetes Zeichen eines
anderen Ausbilders hin einen Feuerstoß aus dem Maschinengewehr ab, wodurch die
angedrohte Erschießung des Kameraden simuliert werden sollte.
71
Solche simulierten Erschießungen gab es im übrigen auch dann, wenn Rekruten sich
weigerten, auf die Fragen des Angeklagten I zu antworten. Den Zeugen K, E, X, H3, O3,
T, U, S, W, von K, C und K1 wurde damit gedroht, sie zu erschießen, wenn sie nicht
72
antworteten. Als sie gleichwohl keine Antwort auf die Fragen des Angeklagten I gaben,
wurde ein Feuerstoß aus dem Maschinengewehr abgegeben. Anschließend wurde
ihnen auf Deutsch leise ins Ohr geflüstert, sie seien jetzt tot und sollten sich ruhig
verhalten. Sie wurden dann während der weiteren Befragung auch nicht mehr
angesprochen.
Aus der mitgebrachten Kübelspritze wurden zahlreiche Rekruten, darunter die Zeugen
K, E2, E, E1, F, Le, U, O3, X3, W, P, W1, W2, H, K und E3, mit Wasser bespritzt, was
einige aufgrund der sommerlichen Außentemperaturen als nicht schlimm oder als
Erfrischung empfanden, andere hingegen – nämlich der Zeuge F – als überflüssig oder
– wie der Zeuge O3 – als unangenehm. Dem Zeugen M wurde gesagt, als er in der
Sandgrube von oben herab nass gespritzt wurde, dass auf ihn und seine Gruppe
herunteruriniert werde.
73
Anderen Rekruten wurde Sand unter ihre Kleidung geworfen, wie den Zeugen M5 und
C2, und schließlich gab es auch noch Rekruten, die mit beidem – also mit Wasser und
Sand – traktiert wurden. Hierzu gehörten unter anderem die Zeugen I4, Le, X4, U, S1, S
und C. Da der nasse Sand an der Kleidung haftete und auf der Haut rieb, führte dies bei
den als Zeugen vernommenen Rekruten X4 und C dazu, dass sie sich beim
abschließenden Marsch zurück zur Kaserne die Oberschenkel wund liefen bzw. sich
ihre vom vorangegangenen Nachtmarsch herrührenden wunden Stellen
verschlimmerten.
74
Einem weiteren Teil der Rekruten – nämlich den Zeugen O3, T, M, E2, F, X und L5 –
wurde durch den Angeklagten I und einen Hilfsausbilder das Wasser aus der
Kübelspritze auch in den Mund gepumpt, wobei entweder der Angeklagte I den
Rekruten festhielt und der Hilfsausbilder pumpte oder umgekehrt.
75
Die Zeugen T, O3 und M gehörten zur ersten Gruppe Rekruten, die in der Sandkuhle
ankam. Der Zeuge M wurde im Laufe seiner Befragung auf den Rücken gelegt. Weil die
Schmerzen in seinen Schultern in dieser Lage schlimmer wurden, versuchte er, sich
wieder auf die Seite zu drehen, wurde aber wieder auf den Rücken gelegt, dabei
festgehalten und weiter befragt. Da er nach wie vor nicht die gewünschten Antworten
gab, wurde ihm der Schlauch der Kübelspritze entweder von I oder einem der beteiligten
Hilfsausbilder im Beisein des I vor den Mund gehalten und die Kübelspritze sodann
betätigt. Weil M seinen Mund nicht freiwillig aufmachte, wurde dieser vom Angeklagten I
oder dem Hilfsausbilder im Beisein des I dadurch gewaltsam geöffnet, dass mit der
Hand Druck auf L Unterkiefer ausgeübt wurde. In den auf diese Weise geöffneten Mund
wurde sodann das Wasser aus der Kübelspritze hineingepumpt. Infolge des Wassers im
Mund bekam M keine Luft mehr und versuchte, sich seitlich wegzudrehen. Dies gelang
ihm aber nicht, da er – entweder vom Angeklagten I oder einem der anwesenden
Hilfsausbilder – weiterhin festgehalten und auf dem Boden fixiert wurde. In dieser Lage
wurde M mehrmals Wasser in den Mund gepumpt. Später wurde ihm dann noch der
Reißverschluss seiner Hose geöffnet, der Schlauch der Kübelspritze hineingesteckt und
sodann Wasser in die Hose gepumpt. Anschließend wurde M vom Angeklagten I in
Anspielung auf die nasse Hose als "Bettnässer" verhöhnt. Als der Zeuge M daraufhin
richtig wütend wurde und seinerseits den Angeklagten I beleidigte, fragte dieser ihn, ob
er sterben wolle. M, der er keine Lust mehr auf die Fortsetzung der Befragung hatte,
bejahte dies mit den Worten "It`s a nice day to die.". Daraufhin bekam er einen
metallischen Gegenstand – welchen, konnte die Kammer nicht klären – an den Kopf
gehalten und hörte einen Maschinengewehrverschluss einrasten. Er geriet daraufhin in
76
Panik, weil er im ersten Moment dachte, dass ihm tatsächlich ein Maschinengewehr an
den Kopf gehalten werde und er aus dem vorangegangenen Unterricht wusste, welche
Verletzungen auch Platzpatronen verursachen können, wenn sie in unmittelbarer Nähe
eines Menschen abgeschossen werden. Es fielen sodann tatsächlich mehrere Schüsse
aus dem Maschinengewehr, doch befand sich dies nicht unmittelbar am Kopf des
Zeugen, sondern in einer Entfernung von einigen Metern. Anschließend sagte der
Angeklagte I dem Zeugen M, dass dieser jetzt "tot" sei und ruhig sein solle.
Den Zeugen T und O3 – ebenfalls aus der ersten Gruppe Rekruten, die zur Sandgrube
kam – wurden, während sie auf dem Sandboden mit verbundenen Augen und auf dem
Rücken gefesselten Händen knieten, die Nase zugehalten, damit sie ihren Mund
aufmachten. Sodann wurde ihnen ebenfalls Wasser mit der Kübelspritze in den Mund
gepumpt, so dass sie eine Zeit lang nicht richtig atmen konnten. Auch dem Zeugen F,
der in einer anderen Gruppe als die Zeugen T, M und O3 war, wurde in der Sandgrube
gewaltsam der Mund aufgedrückt und Wasser hineingepumpt. Dabei lief ihm auch
Wasser in die Nase. Atemprobleme bekam der Zeuge F hierdurch aber nicht.
77
Dem Zeugen E2, der in derselben Gruppe wie der Zeuge F war, passiert das Gleiche
wie diesem. Er hatte kurzfristig Luftnot, als ihm die Nase zugehalten wurde. Auch ihm
wurde der Reißverschluss seiner Hose geöffnet, der Schlauch der Kübelspritze durch
die Öffnung in die Hose gesteckt und sodann Wasser in die Hose gepumpt. Dem
Zeugen U wurde mit der Kübelspritze mehrmals Wasser in den Mund gespritzt, bis er
nicht mehr richtig atmen konnte, weil ihm das Wasser dann auch in die Nase lief.
Allerdings wurde sein Mund nicht gewaltsam geöffnet. Der Zeuge L5 wurde mit Wasser
aus der Kübelspritze übergossen. Nachdem er sodann auf den Rücken gelegt worden
war, wurde ihm Wasser in den Mund gepumpt.
78
Der Zeuge X, der eine patzige Antwort auf eine Frage des Angeklagten I gegeben hatte,
wurde ebenfalls auf den Rücken gelegt. Sodann wurde ihm der Schlauch der
Kübelspritze vor ein Nasenloch gehalten und Wasser in die Nase gepumpt.
Anschließend wurde ihm die Nase zugehalten und Wasser mit der Kübelspritze in den
Mund gepumpt. Der Zeuge versuchte, das Wasser auszuspucken, und verschluckte sich
dabei. Als dem auf dem Rücken liegenden Zeugen X Wasser in den Mund eingeflößt
wurde, wurde dies fotografiert. Wer diese Aufnahme machte, ließ sich in der bisherigen
Beweisaufnahme jedoch nicht klären.
79
Diese Behandlung der Rekruten hatte sich der Angeklagte I ausgedacht, der sie zum
Teil selbst vornahm und im übrigen die ihm zugeteilten Hilfsausbilder dazu veranlasste,
sie vorzunehmen. Er war, als er die Zeugen M, O3 und T aus der ersten Gruppe so wie
oben beschrieben mit der Kübelspritze misshandelte, zuvor nicht durch den
Hauptfeldwebel D dazu animiert worden. Allerdings ist möglich, dass der Angeklagte I
sich durch eine zeitweise Anwesenheit des Hauptfeldwebels D an der Sandgrube
bestärkt gefühlt hat, die Behandlung der Rekruten auf diese Art und Weise fortzusetzen.
80
Manchen der Rekruten – wie den Zeugen C2, E, G3, X4, X3, S und O2 – wurde
während ihres Verhörs gesagt, dass sie nur das Wort "Tiffy" sagen müssten, dann sei
die Übung für sie beendet. Bis auf den Zeugen G3 machte hiervon aber niemand
Gebrauch. Der Zeuge G3 war bereits während des Überfalls bei dem Versuch, vor den
Angreifern zu fliehen, in einen Graben gefallen und dabei mit dem Rücken auf einen
Stein gestürzt; seitdem schmerzte ihm der Rücken. Als er später in der Sandgrube auf
die oben beschriebene Art und Weise Kopf an Kopf mit einem Kameraden knien
81
musste, bereitete ihm diese Haltung aufgrund des vorangegangenen Sturzes besondere
Schmerzen. Er wurde deshalb dem Hauptfeldwebel D vorgeführt, der zumindest zu
diesem Zeitpunkt an der Sandgrube anwesend war. D sagte zu G3 sodann auf Deutsch,
er – der Zeuge – müsse nur sagen, dass er ein "Tiffy" sei, dann sei die Übung für ihn
beendet. Dies tat der Zeuge G3 anschließend auch, woraufhin ihm die Kabelbinder und
die Augenbinde abgenommen wurden. Danach wurde er von D angewiesen, sich an
einen bestimmten Platz im Wald zurückzuziehen und sich dort auszuruhen.
Das Wort "Tiffy" wurde als Synonym für "Schwächling" oder "Weichei" im 2. Quartal
2004 in der Grundausbildung teilweise von den Ausbildern, größtenteils aber von den
Rekruten verwendet, die damit Kameraden – meist aus dem jeweils anderen Zug –
verhöhnten. Es war also durchaus negativ behaftet.
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Manche Rekruten, nämlich die Zeugen L3, G2, L4, E, R, S, O2, E1, F und M, wurden
während des Verhörs von den Ausbildern allenfalls befragt, ansonsten aber in Ruhe
gelassen. Sie mussten also weder Liegestütze machen oder einen Baumstamm halten,
noch wurden sie mit Sand oder Wasser bespritzt.
83
Das Verhör einer Gruppe an und in der Sandgrube dauerte etwa 30 Minuten. Dann
wurde in der Regel schon die nächste Gruppe Rekruten mit dem Pritschenwagen zum
Übungsplatz gebracht, wo sie von dem Angeklagten I und seinen Hilfsausbildern in
Empfang genommen und zur Sandgrube geführt wurde. Für die vorherige Gruppe war
die Übung damit beendet. Deren Rekruten wurden, soweit dies noch nicht geschehen
war, von den Kabelbindern und den Augenbinden befreit. Anschließend wurde ihnen in
einiger Entfernung zur Sandgrube ein Platz im Wald zugewiesen, an dem sie sich
ausruhen sollten. Der Zeuge M blieb allerdings, nachdem er von den Kabelbindern
befreit worden war, zunächst im Sand liegen, weil seine Schultern aufgrund der
Fesselung derart stark schmerzten, dass er nicht aufstehen konnte. Auch nach der
Aufforderung eines Ausbilders, aus der Sandkuhle zu gehen, konnte er zunächst nicht
aufstehen. Erst als ihn zwei Hilfsausbilder unterstützten, konnte er mit deren Hilfe zu
dem Platz gehen, der seiner Gruppe zugewiesen worden war. Der Zeuge M war über
das Geschehen so erzürnt, dass er auch nach der Ruhepause im Wald immer noch
"sauer" war.
84
Auf diese beschriebene Art und Weise wurden sämtliche Gruppen der beiden Züge, die
an diesem Tag unterwegs waren, überfallen und in der Sandgrube verhört.
85
Im Verlauf des Vormittags wurde Verpflegung zum Übungsplatz gebracht, welche die
Rekruten dann an dem ihnen zugewiesenen Platz im Wald einnehmen konnten.
Manche Rekruten nutzten die Ruhepause auch, um ihre nassen Sachen auszuziehen
und sich die Wechselkleidung, die jeder Rekrut in seinem Marschgepäck bei sich trug,
anzuziehen. Die Gruppe, in der sich der Zeuge X4 befand, hatte hierzu jedoch keine
Zeit mehr, da sie unmittelbar nach Übungsende zur Kaserne zurückmarschierte.
86
Während der Befragung der letzten oder vorletzten Gruppe in der Sandgrube erschien
dort auch der Kompaniechef, Hauptmann T2, gemeinsam mit dem Zeugen B2 und
schaute sich das Geschehen an.
87
Im Anschluss an die Übung gab es noch eine Nachbesprechung, in welcher die
Zugführer den Rekruten sagten, was diese falsch gemacht hätten. Sie wiesen die
Rekruten insbesondere darauf hin, dass sie bei einer echten Geiselnahme besser mit
88
den Geiselnehmern kooperieren und deren Fragen ruhig beantworten sollten, weil sie
ansonsten erschossen würden.
Sämtliche von der Kammer als Zeugen vernommenen Rekruten gingen im Zeitpunkt der
Übung davon aus, dass diese regulärer Bestandteil der Allgemeinen Grundausbildung
war. Bis auf diejenigen Rekruten, denen dies im Laufe der Übung ausdrücklich gesagt
worden war, wusste auch niemand, dass er die Geiselnahmeübung durch Nennung des
Wortes "Tiffy" hätte abbrechen können. Die Kammer hält es allerdings für möglich, dass
die Übung für einen Rekruten abgebrochen worden wäre, wenn dieser erklärt hätte,
dass er nicht mehr weitermachen könne.
89
Die meisten der als Zeugen vernommenen 55 Rekruten, die an dieser Übung
teilgenommen haben, fand und findet auch heute noch die Übung nicht schlimm. Die
Zeugen K, L3, E2, E, H3, J, L5, U, R, v, A, H, H1 E4, K, E5 und M fanden die Übung
sogar gut; die Zeugen C6 und E bezeichneten sie als Höhepunkt bzw. "Highlight" ihrer
Grundausbildung. Lediglich die Zeugen C2, X4, M, E und E fanden die Übung nicht gut,
aber auch sie beschwerten sich nach der Übung nicht darüber.
90
Ob die Angeklagten L, G und I2 davon wussten, was der Angeklagte I und die ihm
zugewiesenen Hilfsausbilder in der Sandgrube im Einzelnen anstellten, konnte die
Kammer nicht feststellen.
91
III.
92
Diese Feststellungen beruhen auf der durchgeführten Beweisaufnahme, deren Art und
Umfang sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergeben.
93
1.
94
Die Angeklagten
G, I2 und L
Kammer es letztlich festgestellt hat, glaubhaft eingeräumt. Sie haben weiter erklärt, dass
sie von einer zulässigen Ausbildung ausgegangen seien, an der sie mitgewirkt hätten.
Von dem, was in der Sandgrube passiert sei, hätten sie nichts gewusst; weder sei
darüber vor der Übung gesprochen worden, noch hätten sie im Laufe der Übung davon
erfahren.
95
Für die Kammer haben sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben, an der Richtigkeit der
Angaben der Angeklagten G, I2 und L über ihre Beteiligung an der Übung zu zweifeln,
zumal diese durch das Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme gestützt werden.
96
2.
97
Der Angeklagte
I
wesentlichen ebenfalls eingeräumt. Abweichend von den getroffenen Feststellungen hat
er sich wie folgt eingelassen:
98
Er habe die Kübelspritze nicht schon zu Beginn der Verhöre, sondern erst bei einem
zum 1. Zug gehörenden Soldaten aus der dritten Gruppe der Rekruten in der Sandgrube
zum Einsatz gebracht und diesem Soldaten damit Wasser in den Mund gepumpt. Der
Soldat habe dabei auch nicht auf dem Rücken gelegen, sondern gekniet. Dazu sei es
wie folgt gekommen: Während er, I, damals die Soldaten der zweiten Gruppe, die zur
99
Sandgrube gebracht worden sei, verhört habe, sei die Dienstaufsicht in Person der
Hauptfeldwebel D und H zusammen mit Oberfeldwebel J zur Sandgrube gekommen.
Als dann die dritte Gruppe Rekruten zur Sandgrube gebracht worden sei, habe D hinter
ihm, I, gestanden und ihm gesagt: "Da kommt ein Querulant, nimm ihn ordentlich ran!". D
habe dabei auf einen Soldaten aus dem 1. Zug gezeigt, den er, I, habe härter behandeln
sollen. Das habe er, I, dann auch getan, indem er dem knienden Soldaten das Wasser
mit der Kübelspritze in den Mund gespritzt habe, während ein Hilfsausbilder den Kopf
des Rekruten festgehalten habe. Der Rekrut, dessen Nase frei geblieben sei, habe das
Wasser dann wieder ausgespuckt. D habe dann zu ihm, I, zumindest sinngemäß gesagt:
"Mach weiter, ist gut.". Später habe D dann diesen Rekruten, dem es zu diesem
Zeitpunkt nicht gut gegangen sei, aus der Übung herausgenommen. Er, I, habe deshalb
geglaubt, dass alles seine Richtigkeit habe. Sein Ton sei im Laufe des Vormittags aber
auch rauer geworden. Erst später habe er dann auch Rekruten, die auf dem Rücken
gelegen hätten, Wasser in den Mund gepumpt. Er könne sich jedoch nicht daran
erinnern, irgendeinem der Rekruten dabei die Nase zugehalten zu haben. Es seien
auch nicht viele Soldaten gewesen, denen er Wasser in den Mund gepumpt habe,
während diese auf dem Rücken gelegen hätten. Dem Zeugen M habe er aber nur
Wasser in den Mund gepumpt, als dieser gekniet habe; der Zeuge habe dabei nicht auf
dem Rücken gelegen.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme ist die Kammer jedoch überzeugt, dass
der Angeklagte I abweichend von dieser Einlassung bereits Rekruten aus der ersten
Gruppe, die zur Sandgrube transportiert worden war, ohne Aufforderung durch
Hauptfeldwebel D Wasser in den Mund gepumpt hat, der Zeuge M dabei auf dem
Rücken lag und der Angeklagte I oder einer der Hilfsausbilder im Beisein des I den
Zeugen T, E2, X und O3 die Nase zugehalten hat.
100
a)
101
Der Zeuge M hat seine Behandlung durch den Angeklagten I so, wie von der Kammer
festgestellt, geschildert und dabei auch glaubhaft angegeben, er habe auf dem Rücken
gelegen, als ihm das Wasser in den Mund eingeflößt worden sei. Soweit der Angeklagte
I später in der Hauptverhandlung erklärt hat, "der gute Mann" – gemeint war der Zeuge
M – habe gelogen, weil dieser nicht auf dem Rücken gelegen, sondern gekniet habe, als
er, I, ihm das Wasser in den Mund gepumpt habe, glaubt die Kammer dem Zeugen M.
Dieser hat eindrucksvoll und detailliert geschildert, wie er auf dem Rücken liegend
versucht habe, sich seitlich wegzudrehen, weil seine Schultern geschmerzt hätten und
er sich zudem auch gegen das gewaltsame Einflößen des Wassers habe zur Wehr
setzen wollen. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge M hierbei die Unwahrheit gesagt
hat, haben sich für die Kammer nicht ergeben. Der Zeuge M war bei seiner Aussage
bemüht, das gesamte Geschehen detailreich und dabei stets wahrheitsgemäß zu
schildern. Er hat deutlich zu erkennen gegeben, wenn er sich an einzelne Umstände
nicht oder nicht mehr sicher erinnern konnte. Für die Richtigkeit seiner Angaben spricht
im übrigen, dass der Angeklagte I tatsächlich, wie er eingeräumt hat, Rekruten Wasser
in den Mund gepumpt hat, die dabei auf dem Rücken gelegen haben, wie es auf den in
der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern Nr. 69 und 70 (Blatt
506 d. A.) abgebildet worden ist.
102
Die Zeugen O3 und T haben bekundet, dass sie zusammen mit dem Zeugen M in einer
Gruppe marschiert und gefangen genommen worden seien. Sie haben weiter bekundet,
dass ihnen in der Sandgrube mit der Kübelspritze Wasser in den Mund gespritzt worden
103
sei, als sie mit auf dem Rücken gefesselten Händen im Sand gekniet hätten. Damit sie
den Mund aufgemacht hätten, sei ihnen die Nase zugehalten worden. Die Kammer hat
keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Zeugenaussagen zu zweifeln. Die Zeugen O3
und T haben bei ihren Angaben in der Hauptverhandlung keine Belastungstendenz
gezeigt; nach ihren Angaben sind sie in den drei Monaten ihrer Grundausbildung durch
ihre Ausbilder zwar an ihre Grenzen geführt, dabei aber immer fair behandelt worden.
b)
104
Die Kammer ist weiterhin davon überzeugt, dass die Zeugen M, O3 und T zu der ersten
Gruppe Rekruten gehörten, die in der Sandgrube ankam und dort von dem Angeklagten
I und seinen Hilfsausbildern "verhört" wurde.
105
Der Zeuge M hat erklärt, dass er zu der ersten Gruppe Rekruten gehört habe, die an der
Sandgrube eingetroffen und dort vom Angeklagten I "behandelt" worden sei. Seine
Gruppe, die 1. Gruppe des 2. Zuges, sei zwar in der Nacht als zweite Gruppe
losmarschiert, habe jedoch während des Orientierungsmarsches die Gruppe vor ihnen
überholt, die sich wohl verlaufen habe, und sei dann als erste Gruppe am Überfallort
und in der Sandgrube angekommen. Im übrigen sei ihm später gesagt worden, dass sie
dort die erste Gruppe gewesen seien. Dies deckt sich mit der Aussage des Zeugen O3.
Dieser hat bekundet, dass seine Gruppe, in der sich auch der Zeuge M befunden habe,
als erste Gruppe am Überfallort und in der Sandgrube angekommen sei. Die Aussage
des Zeugen M wird teilweise gestützt durch die Aussage des Zeugen T, der erklärt hat,
dass seine Gruppe, in der sich auch die Zeugen M und O3 befunden hätten, als zweite
Gruppe losmarschiert sei. Die Aussage des Zeugen M, dass seine Gruppe während des
Marsches die vor ihnen losmarschierte Gruppe überholt habe, deckt sich auch mit den
Bekundungen des Zeugen E2, der erklärt hat, dass er damals in der 1. Gruppe des 1.
Zuges marschiert sei, die beim Orientierungsmarsch als erste Gruppe losmarschiert sei.
Im Laufe des Marsches hätten er und seine Kameraden – so E2 – in der Ferne aber
noch eine Gruppe vor sich gesehen.
106
Nach alledem ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte I von Anfang an –
das heißt schon bei der ersten Gruppe Rekruten, die zur Sandgrube kam – die
Kübelspritze eingesetzt hat, um den Rekruten damit Wasser in den Mund zu spritzen,
wie es die Zeugen M, T und O3 geschildert haben.
107
c)
108
Die Kammer hält auch die Einlassung des Angeklagten I für widerlegt, wonach dieser
erst dann damit begonnen haben will, den Rekruten Wasser in den Mund einzuflößen,
als er von Hauptfeldwebel D dazu angewiesen worden sei, einen Rekruten des 1.
Zuges aus der 3. Gruppe "ordentlich ’ranzunehmen".
109
Aufgrund der glaubhaften Aussagen der Zeugen M, O3 und T steht zur Überzeugung
der Kammer zum einen fest, dass bereits diesen Rekruten aus der ersten Gruppe, die
zur Sandgrube kam, mit der Kübelspritze Wasser in den Mund eingeflößt wurde. Zum
anderen gehörten die Zeugen M, O3 und T zum 2. Zug, so dass keiner von ihnen
derjenige für I unbekannte Rekrut aus dem 1. Zug gewesen sein kann, auf den D den
Angeklagten I hingewiesen haben soll.
110
Die Kammer hält es allerdings für möglich, dass sich der Angeklagte I durch die
111
Anwesenheit des Hauptfeldwebels D an der Sandgrube zu einem späteren Zeitpunkt in
seiner Vorgehensweise bestärkt gefühlt hat.
d)
112
Nicht nur aufgrund der Aussagen der Zeugen T und O3, sondern auch aufgrund der
Aussagen der Zeugen E2 und X ist die Kammer davon überzeugt, dass diesen Zeugen
– woran der Angeklagte I keine Erinnerung mehr haben will – die Nase zugehalten
wurde, damit sie den Mund aufmachten, in den dann mit der Kübelspritze Wasser
gepumpt wurde. Das haben diese Zeugen übereinstimmend bekundet. Anhaltspunkte
dafür, dass die Zeugen bei ihrer Aussage nicht die Wahrheit gesagt haben, hat die
Kammer nicht gefunden.
113
e)
114
Aufgrund der Aussage des Zeugen X ist die Kammer davon überzeugt, dass auch
dieser Zeuge auf den Rücken gelegt und dann so, wie in den Feststellungen
beschrieben, mit der Kübelspritze misshandelt wurde. Die Aussage des Zeugen X ist
glaubhaft. Sie wird bestätigt durch die in Augenschein genommenen Fotos 69 und 70
auf Bl. 506 der Gerichtsakten. Auf diesen Bildern ist ein auf dem Rücken liegender
Soldat abgebildet, dem der neben ihm kniende Angeklagte I mit der rechten Hand die
Nase zuhält, während eine andere Person das Endstück des Schlauches der
Kübelspritze vor den geöffneten Mund des Rekruten hält. Wegen der Einzelheiten wird
auf die Bilder 69 und 70 auf Bl. 506 d. A. Bezug genommen. Der Zeuge X hat sich auf
Bild 69 sicher wiedererkannt. Bei der Person, die auf Bild 69 links im Bild zu sehen ist,
handelt es sich um den Angeklagten I, wie dieser selbst eingeräumt hat.
115
3.
116
Was die Einzelheiten des Geschehens beim Überfall und dem anschließenden Verhör
betrifft, ergeben sich diese Feststellungen aus den Schilderungen der als Zeugen
vernommenen Rekruten C2, E2, E, E1, F, X, H3, I4, J, L5, L3, K, K1, Le, U, O3, T, X4,
X3, W, U, T, S, G2, M, P, E, N2, S, W1, v, A, W2, H, H1, K2, K3, S, E4, M6, C, C6, K4,
E5, M5, O2, E6, F1, M, H4, G3 und L4. Abgesehen vom Zeugen M2, der an dieser
"Übung" nicht teilgenommen haben will, und einigen anderen Rekruten wie
beispielsweise den Zeugen S und K, die sich nicht mehr daran erinnern konnten, was
dem Orientierungsmarsch vorausging, haben sämtliche vernommenen Rekruten den
Geschehensablauf, was den äußeren Rahmen betrifft, identisch geschildert.
117
Aus den Aussagen der Rekruten folgt auch die Überzeugung der Kammer, dass den
Rekruten vor dieser Übung kein spezielles Codewort bekannt gegeben wurde, mit dem
sie die Geiselnahmeübung jederzeit hätten abbrechen können. Einigen Rekruten wie
den Zeugen M6 oder C6 war das Wort schon zuvor als Möglichkeit bekannt, aus einer
Übung auszusteigen, wenn man nicht mehr weitermachen kann. Einen ausdrücklichen
Hinweis der Ausbilder vor dem Orientierungsmarsch, dass man die Übung jederzeit
durch Nennung dieses Wortes hätte abbrechen können, hat es aber nach den
übereinstimmenden Aussagen sämtlicher als Zeugen vernommener Rekruten nicht
gegeben.
118
4.
119
Das Geständnis des Angeklagte G, einem am Boden liegenden Soldaten den Fuß auf
den Rücken gestellt und seinen linken Arm in die Höhe gereckt zu haben, ist richtig. Der
Angeklagte G wurde dabei fotografiert. Das Foto, das in der Hauptverhandlung in
Augenschein genommen wurde und das diese Pose des Angeklagten G zeigt, befindet
sich bei den Akten. Wegen der Einzelheiten wird insoweit gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3
StPO auf Bild 32, Bl. 487 d. A., verwiesen. Der Angeklagte G hat eingeräumt, dass er die
auf dem Foto abgebildete Person ist, die dem Soldaten den Fuß auf den Rücken stellt.
120
5.
121
Die Feststellungen zu den Ausbildungsvorschriften der Bundeswehr, dem Schreiben
des Heeresführungskommandos vom 26. Februar 2006 sowie zum Befehl 38/10 und
den zugrundeliegenden Anlässen beruhen auf der Aussage des als Zeugen
vernommenen Oberstleutnant C3, der damals als Dezernatsleiter für Ausbildung im
Heeresführungskommando der Bundeswehr der Verantwortliche für die
Ausbildungssteuerung war und demzufolge die Ausbildungsvorschriften im einzelnen
kennt.
122
6.
123
Aufgrund der Beweisaufnahme ist offen geblieben, ob die Angeklagten G, L und I2
wussten, was der Angeklagte I und die ihm zugeteilten Hilfsausbilder in der Sandgrube
mit den Rekruten im Einzelnen anstellten.
124
Dass in der Ausbilderbesprechung, die der Geiselnahmeübung voranging, Einzelheiten
des geplanten "Verhörs" besprochen worden sind, hat keiner der Angeklagten und ihrer
ehemals Mitangeklagten erklärt. Nach der Einlassung der Angeklagten war bei dieser
Besprechung nur ganz allgemein davon die Rede, dass es nach dem Überfall eine
Befragung der Rekruten am Standortübungsplatz geben sollte. Wie diese habe ablaufen
sollen, sei aber – so haben die Angeklagten G, L und I2 erklärt – nicht besprochen
worden. Nichts anderes haben die früheren Mitangeklagten – soweit sie überhaupt
Angaben zu dieser Besprechung gemacht haben – erklärt. Der frühere Mitangeklagte D
hat bekundet, dass mit allen Ausbildern an einem Tisch besprochen worden sei, dass
eine Gefangennahme habe stattfinden sollen und dann die Rekruten hätten
abtransportiert und befragt werden sollen; dabei sei aber betont worden sei, dass den
Rekruten nichts passieren dürfe. Der frühere Mitangeklagte E hat erklärt, dass er als
Mitglied des Überfallkommandos eingeteilt und lediglich in diese Aufgabe eingewiesen
worden sei. Von einer Einweisung des Angeklagten I in dessen Station hat er nichts
berichtet. Auch der Angeklagte I hat nicht behauptet, dass die Zugführer bei dieser
Besprechung bereits Einzelheiten genannt hätten, wie er bei der Befragung habe
vorgehen sollen. Seine Station – so hat I erklärt - sei lediglich mit zwei Sätzen
sinngemäß so besprochen worden, dass er, I, ja auch zur Ausbildung in I3 gewesen sei
und das Verhör in etwa so wie dort ablaufen solle.
125
Die Kammer kann auch nicht davon ausgehen, dass die Angeklagten G, L und I2 im
Laufe der Übung mitbekommen haben, wie die Verhöre in der Sandgrube abliefen. Zwar
ist die Kammer davon überzeugt, dass jeweils ein Ausbilder aus dem
"Überfallkommando" auf der Ladefläche mitgefahren ist, wenn die Rekruten mit dem
Pritschenwagen zur Sandgrube transportiert wurden. Es ließ sich aber nicht feststellen,
dass einer der Angeklagten G, L und I2 dabei mitbekommen hat, was in der Sandgrube
geschah.
126
Die Angeklagten L und I2 haben insoweit erklärt, dass sie erst zur Sandgrube gefahren
worden seien, als die Übung für alle Rekruten bereits beendet gewesen sei und diese
sich schon beim Essen befunden hätten. Diese Einlassung ist aufgrund der
Beweisaufnahme nicht widerlegt worden. Keiner der vernommenen Zeugen hat erklärt,
dass der Angeklagte L oder der Angeklagte I2 auf dem Pritschenwagen mitgefahren sei.
127
Der Angeklagte G hat zwar eingeräumt, dass er zwischenzeitlich einmal mit den
gefangenen Rekruten zur Sandgrube gefahren sei, weil er auf die dort stehende
chemische Toilette habe gehen müssen. Er habe aber, als der Pritschenwagen an der
Sandgrube angekommen sei, sofort das dort in einer Entfernung von 100 bis 200 m von
der Sandkuhle aufgestellte "Dixi-Klo" aufgesucht, um seine Notdurft zu verrichten, und
sei sodann sofort mit dem Pritschenwagen zum Überfallort zurückgefahren, wo er
gebraucht worden sei. Er sei dann ein zweites Mal zur Sandgrube gefahren, als die
gesamte Übung beendet gewesen sei. Von dem Geschehen in der Sandgrube habe er
deshalb nichts mitbekommen. Die Kammer hat zwar gewisse Zweifel daran, dass der
Angeklagte G nicht neugierig war, was in der Sandkuhle geschah, und dass er sich bei
seiner Fahrt zur Toilette nicht auch das Geschehen dort angeschaut haben will. Durch
die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Fotos von der Sandgrube
auf Bl. 426 der Gerichtsakten ist aber nicht widerlegt, dass das Dixi-Klo in einer
größeren Entfernung von der Sandgrube aufgestellt war, wo sich das maßgebliche
Geschehen abgespielt hat. Dieses Foto zeugt die Umgebung der Sandgrube und lässt
in einiger Entfernung im Hintergrund ein blaues Dixi-Klo erkennen. Außerdem hält die
Kammer es auch tatsächlich noch für möglich, dass ein auf der Pritsche mitfahrender
Ausbilder nicht mitbekommen hat, was genau in der Sandgrube geschehen ist. Sobald
der Pritschenwagen nämlich an der Sandgrube angekommen war und eine "neue"
Gruppe Rekruten dort hingebracht hatte, war die Übung für die vorherige Gruppe
beendet, wie nicht nur der Angeklagte I, sondern auch die Rekruten G2 und U
übereinstimmend bekundet haben. Sie seien – so haben dieses Zeugen bekundet -
dann von den Fesseln und Augenbinden befreit und nicht weiter befragt worden. Bei
dieser Sachlage ist es tatsächlich möglich, dass ein erst mit dem Pritschenwagen
ankommender Zuschauer nicht mitbekommen haben muss, wie die Verhöre im
einzelnen abliefen. Außerdem blieb für den mitfahrenden Ausbilder nur wenig Zeit an
der Sandgrube, weil er ebenso wie der Pritschenwagen schnell zum Überfallort zurück
musste, wo bereits die nächste Gruppe erwartet wurde.
128
7.
129
Aufgrund der Beweisaufnahme hat es auch keinen Anhaltspunkt dafür gegeben, dass
die Angeklagten G, I2 und L das Schreiben des Heeresführungskommandos vom 26.
Februar 2004 oder den "Befehl 38/10" kannten. Selbst der ehemalige Mitangeklagte
Hauptmann T2 hat erklärt, dass ihm – obwohl Kompaniechef der ##. Kompanie – beide
Schreiben nicht bekannt gewesen seien.
130
IV.
131
1.
132
Das Verhalten des Angeklagten I in der Sandgrube stellt eine gefährliche
Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar, weil er zusammen mit jeweils
zumindest einem Hilfsausbilder die Rekruten in deren körperlichem Wohlbefinden
133
erheblich beeinträchtigt hat. Gleichzeitig stellt sein Verhalten eine nach § 30 WStG
strafbare Misshandlung dar, weil der Angeklagte I als Stabsunteroffizier gemäß § 4 Abs.
1 Nr. 3 der Verordnung über die Regelung des militärischen Vorgesetztenverhältnisses
(SVorgesV) damals Vorgesetzter der Rekruten war. Und schließlich stellt das Verhalten
des Angeklagten I auch eine nach § 31 WStG strafbare entwürdigende Behandlung dar,
weil er Untergebene der Lächerlichkeit preisgegeben hat, indem er den Schlauch der
Kübelspritze in ihre Hose einführte und Wasser hineinpumpte sowie darüber hinaus den
Zeugen M aufgrund dessen nasser Hose als Bettnässer verhöhnt hat.
Das Verhalten des Angeklagten I war auch rechtswidrig. Eine die Rechtswidrigkeit
ausschließende Einwilligung der Rekruten lag nicht vor. Zum einen war den Rekruten
im Vorfeld der Übung kein Codewort bekannt gegeben worden, durch dessen Nennung
sie die Übung hätten beenden können. Zum anderen war ihnen der Geschehensablauf
nicht bekannt, d. h. sie wussten gar nicht, in welches Geschehen sie überhaupt hätten
einwilligen sollen. Auch denjenigen Rekruten, die in der Sandgrube aufgefordert
wurden, "Tiffy" zu sagen, woraufhin die Übung für sie beendet sei, wurde nicht mitgeteilt,
was ansonsten noch geschehen werde.
134
Der Angeklagte I hat auch schuldhaft gehandelt. Sein Verhalten ist nicht nach § 5 WStG
entschuldigt, da er nicht auf Befehl gehandelt hat. Schon nach seiner eigenen
Einlassung hat ihm niemand befohlen, die Rekruten auf die festgestellte Art und Weise
zu behandeln. Es beruhte alles auf seiner eigener Idee, und auch die benötigten
Gerätschaften wie beispielsweise die Kübelspritze hat der Angeklagte I aus eigener
Initiative mit zur Sandgrube genommen. Eine ausdrückliche Anweisung eines
Vorgesetzten, die Rekruten auf die festgestellte Art und Weise zu behandeln, gab es
nicht.
135
Es liegt nur eine Tat im Rechtssinn vor. Zwar hat der Angeklagte I die körperliche
Integrität von mehreren Rekruten – und damit ein höchstpersönliches Rechtsgut eines
jeden Rekruten – verletzt. Seine Handlungen sind aber als natürliche Handlungseinheit
zu bewerten, weil sie so eng miteinander verknüpft sind, dass eine getrennte
Beurteilung ihren Unrechts- und Schuldgehalt nicht zutreffend erfassen würde.
136
2.
137
Die Angeklagten
G
nicht strafbar gemacht.
138
Diese drei Angeklagten gehörten, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, dem
"Überfallkommando" an. Was später in der Sandgrube passiert ist, müssen sie sich nicht
zurechnen lassen, weil sie und der Angeklagte I insoweit keine Mittäter i. S. des § 25
Abs. 1 StGB sind. Nach den Feststellungen gab es keinen gemeinsamen Tatplan
zwischen den Angeklagten G, L und I2 und dem Angeklagten I, aufgrund dessen die
Angeklagten G, L und I2 wussten, was der Angeklagte I mit den von ihnen gefangen
genommenen und zur Sandgrube transportierten Soldaten anstellen würde. Dass in der
Ausbilderbesprechung, die der Geiselnahmeübung voranging, Einzelheiten des
geplanten "Verhörs" besprochen worden sind, steht nicht fest. Nach den Feststellungen
kann die Kammer auch nicht davon ausgehen, dass die Angeklagten G, L und I2 im
Laufe der Übung mitbekommen haben, wie die Verhöre in der Sandgrube abgelaufen
sind und was mit den von ihnen gefangen genommenen und gefesselten Rekruten in
der Sandgrube passierte.
139
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht daher nur fest, dass die
Angeklagten G, L und I2 die Rekruten überfallen, ihnen die Augen verbunden, sie
gefesselt und anschließend auf den Pritschenwagen verladen haben. Der Angeklagte G
hat darüber hinaus einem Rekruten, der mit gefesselten Händen und verbundenen
Augen auf dem Bauch auf der Straße lag, seinen rechten Fuß auf den Rücken gestellt,
die linke Faust in die Höhe gereckt und sich dabei fotografieren lassen. Der Überfall,
das Verbinden der Augen, die Fesselung und das Verladen der Rekruten auf den
Pritschenwagen ist aber weder eine strafbare gefährliche Körperverletzung, noch eine
Misshandlung oder entwürdigende Behandlung Untergebener.
140
a)
141
Sowohl die gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 StGB als auch die
Misshandlung eines Untergebenen nach § 30 Abs. 1 WStG setzen eine üble,
unangemessene Behandlung eines Menschen voraus, durch welche entweder das
körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit dieses Menschen nicht
nur unerheblich beeinträchtigt wird.
142
Was mit dem Zeugen M beim Überfall geschehen ist, stellt eine solche üble,
unangemessene Behandlung dar. Dies war aber, wovon die Kammer nach der
durchgeführten Beweisaufnahme überzeugt ist, eine Ausnahme. Welcher der Ausbilder
des Überfallkommandos an der Überwältigung des Zeugen M beteiligt war, konnte die
Kammer nicht mit hinreichender Sicherheit klären. Einer war vermutlich der frühere
Mitangeklagte F, gegen den das Verfahren aber nach § 153a StPO gegen Zahlung einer
Geldbuße eingestellt worden ist. Ob der zweite Angreifer, der den Zeugen M überwältigt
hat, einer der Angeklagten G, L oder I2 war, ließ sich durch die Beweisaufnahme nicht
klären. Aus diesem Grund kann die Kammer bei diesen drei Angeklagten nach dem
Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" nur von dem ausgehen, was den Rekruten
im Regelfall passiert ist und woran die Angeklagten auch nach ihrer eigenen Einlassung
beteiligt waren. Dies waren Schüsse mit Platzpatronen, die an die Rekruten gerichtete
Aufforderung, sich hinzulegen, das anschließende Entwaffnen und Fesseln mit
Kabelbindern, das Verbinden der Augen, das Hinführen zum Pritschenwagen und das
Aufhelfen auf dessen Ladefläche.
143
Zwar wird man davon ausgehen müssen, dass auch diese Behandlung der Rekruten,
zumindest aber das Fesseln, eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen
Wohlbefindens der Rekruten darstellt, selbst wenn die Mehrzahl der Rekruten dies nicht
so empfunden hat. Gleichwohl stellt sich das Verhalten der Angeklagten L, G und I2
nicht ohne weiteres als strafbare Körperverletzung bzw. Misshandlung Untergebener
dar, weil die überfallenen Personen keine unbeteiligten Zivilisten, sondern Soldaten in
der Grundausbildung waren. Bei Soldaten bestimmt sich die Frage, ob bei einer nicht
unerheblichen Beeinträchtigung ihres körperlichen Wohlbefindens auf sie durch ein
strafbares Verhalten übel und unangemessen eingewirkt worden ist, nach dem Wesen
des militärischen Dienstes. An einer strafbaren Misshandlung fehlt es dann, wenn ein
Vorgesetzter im Rahmen seiner allgemeinen Befugnisse und zum Zwecke der
Ausbildung einem Soldaten in sozial adäquater Weise zwar besondere Anstrengungen
zumutet, dabei aber nicht offensichtlich gegen gesetzliche Bestimmungen und
rechtmäßige Dienstvorschriften und Befehle verstößt (BGHSt 14, 287).
144
Im vorliegenden Fall verstieß die durchgeführte Geiselnahmeübung – und damit auch
145
das Handeln der Angeklagten G, L und I2 – zwar objektiv gegen Dienstvorschriften und
Befehle der Bundeswehr. Denn eine Ausbildung "Verhalten bei Geiselnahme" durfte
damals und darf auch heute noch nur im VN-Ausbildungszentrum der Bundeswehr in I3
und X2 bzw. im Gefechtsübungszentrum des Heeres in Altmark durch speziell geschulte
Ausbilder durchgeführt werden. Die Angeklagten L, I2 und G können aber nach
Auffassung der Kammer nicht bestraft werden, weil sie in subjektiver Hinsicht
unwiderlegt davon ausgingen, keine vorschrifts- oder befehlswidrige Ausbildung
durchzuführen. Sie konnten davon ausgehen, dass es eine Übung "zu
Ausbildungszwecken" war. Denn die Übung war durch ihre Zugführer angeordnet und in
einer durch die Zugführer anberaumten Ausbilderbesprechung besprochen worden. In
dieser Ausbilderbesprechung haben die Zugführer mitgeteilt, dass der Kompaniechef
die Übung genehmigt habe. Der Angeklagte L hatte – wie auch andere Mitglieder der
Kompanie – selber eine ähnliche Übung in seiner eigenen Ausbildung miterlebt, wenn
auch nicht in der Grundausbildung. Dass aber auch in den Kreisen der Ausbilder
seinerzeit – also im 2. Quartal 2004 – davon die Rede war, dass die AnTrA 1 den
geänderten Verhältnissen, nämlich Einsätzen der Bundeswehr im Ausland im Rahmen
von Friedensmissionen, angepasst werden sollte, kann den Angeklagten auch nicht
widerlegt werden, weil tatsächlich eine Änderung der AnTra 1 im Juli 2004 bekannt
gemacht worden ist. Dass die Angeklagten L, I2 und G das Schreiben des
Heeresführungskommandos vom 26. Februar 2004 bzw. den Befehl 38/10 aus April
2004 kannten, konnte die Kammer nicht feststellen. Die damals gültige AnTrA 1, welche
die Angeklagten möglicherweise kannten, enthielt im 2. Quartal 2004 keine Regelung
zu einer Übung "Verhalten bei Geiselnahme". Sie sah einerseits eine solche
Ausbildung nicht vor, untersagte sie andererseits aber auch nicht ausdrücklich. Und
schließlich gingen die drei Angeklagten auch davon aus, dass ihr Kompaniechef, der in
der Hierarchie des Militärs weit höher stand als sie und damit die Befehle und
Vorschriften zur Ausbildung kennen sollte, die Übung genehmigt hatte. Tatsächlich lag
damals eine solche Genehmigung des Kompaniechefs ja auch vor, wenngleich bisher
nicht klar ist, was der Kompaniechef von der Planung wusste, als er die Übung mündlich
gegenüber den Zugführern D und H genehmigt hatte.
Die Verwendung von Kabelbindern zum Fesseln der Rekruten war nichts
Außergewöhnliches. Kabelbinder wurden auch in der Wachausbildung zum Fesseln
verwendet und waren in der entsprechenden Vorschrift, wie der Zeuge C3 bekundet hat,
als Notbehelf vorgesehen, falls keine Handschellen vorhanden sein sollten. Den
Angeklagten kann auch nicht widerlegt werden, dass sie beim Anlegen der Kabelbinder
behutsam vorgegangen sind und die einzelnen Rekruten gefragt haben, ob die
Kabelbinder zu stramm seien.
146
Die Kammer kann nach alledem den Angeklagten nicht widerlegen, dass diese bei ihrer
Tätigkeit als Überfallkommando in den frühen Morgenstunden des 9. Juni 2004 von
einem im Rahmen der militärischen Ausbildung sozial adäquaten Tun ausgingen und
deshalb – da die Sozialwidrigkeit zum Tatbestand der §§ 30 WStG, 223 StGB gehört –
aufgrund eines solchen Irrtums gemäß § 16 StGB nicht vorsätzlich gehandelt haben. Die
Angeklagten L, I2 und G haben sich aus diesem Grund weder nach §§ 223, 224 StGB
noch nach § 30 WStG strafbar gemacht.
147
b)
148
Eine Verurteilung der Angeklagten L, G und I2 nach § 229 StGB wegen fahrlässiger
Körperverletzung kam ebenfalls nicht in Betracht. Denn ihnen kann kein Vorwurf
149
gemacht werden, pflichtwidrig nicht gewusst zu haben, dass die Übung gegen Befehle
der Bundeswehr verstieß. Sie haben sich nach den Feststellungen der Kammer beim
Überfall auf die Rekruten an diejenigen Vorgaben gehalten, welche ihre Zugführer auf
der Ausbilderbesprechung gemacht hatten und von denen sie aufgrund der Erklärung,
dass die Übung vom Kompaniechef genehmigt worden sei, annehmen durften, dass sie
mit den geltenden Vorschriften in Einklang stehen. Ein nochmaliges Nachfragen beim
Kompaniechef oder etwa beim Bataillonskommandeur des 7. Instandsetzungsbataillons
war angesichts dieser Genehmigung nicht angezeigt.
Eine andere Frage ist, ob die durchgeführte Übung sinnvoll war. Dies mag angesichts
des Umstandes, dass es sich bei etwa 50 % der Rekruten um Wehrpflichtige handelte,
die auf keinen Auslandseinsatz geschickt werden, und die Übung zuvor im Unterricht
nicht besprochen worden ist, mehr als zweifelhaft sein. Hierüber hatte die Kammer
jedoch nicht zu befinden.
150
c)
151
Was den Vorwurf der entwürdigenden Behandlung (§ 31 WStG) angeht, hat sich
lediglich der Angeklagte G einer solchen Tat strafbar gemacht.
152
Entwürdigend handelt hiernach ein Vorgesetzter, wenn er durch sein Verhalten einen
Untergebenen zum Objekt, zu einem bloßen Mittel oder einer vertretbaren Größe
erniedrigt und damit dessen sozialen Achtungsanspruch missachtet, wie dies der
Angeklagte I dadurch gemacht hat, dass er Rekruten den Schlauch vorne in die Hose
gesteckt und Wasser in die Hose gepumpt und den Zeugen M darüber hinaus als
Bettnässer beschimpft hat, nachdem er ihm die Hose durchnässt hatte. Der den
Angeklagten L, G und I2 anzulastende Überfall auf die Rekruten ist kein solches
entwürdigendes Verhalten. Zwar wurde nach den Feststellungen beim Überfall
zumindest der Zeuge U von dem ihn angreifenden Ausbilder mit den Worten "fucking
soldier boy" beschimpft. Dies geschah jedoch zum einen deshalb, weil der Angreifer
seine Rolle möglichst realistisch spielen wollte, was der Zeuge U auch erkannt hatte
und sich dadurch auch nicht beleidigt fühlte. Zum anderen erfolgte diese Beschimpfung
nicht durch einen der Angeklagten L, I2 oder G.
153
Anders ist jedoch das Verhalten des Angeklagten G zu bewerten, der seinen Fuß auf
einen am Boden liegenden Rekruten stellt, in der einen Hand das Gewehr, die andere
Hand triumphierend zur Faust geballt in den Himmel gestreckt, und sich dabei wie ein
Großwildjäger präsentiert und den Rekruten wie seine erlegte Beute aussehen lässt.
Eine solche Pose gibt den auf dem Boden liegenden Rekruten der Lächerlichkeit preis,
was zumindest derjenige Ausbilder mitbekommt, der das Foto gemacht hat. Dies reicht
aus; es ist nicht erforderlich, dass auch der Rekrut, der am Boden liegt, diese Pose
mitbekommt. Dass der Rekrut dies wahrscheinlich auch nicht mitbekommen hat, weil
seine Augen verbunden waren, ist daher ohne Belang. Dieses Verhalten des
Angeklagten G hatte auch nichts mit seiner Rolle als Geiselnehmer zu tun, die er an
diesem Morgen gespielt hatte. Denn dafür war es nicht erforderlich, dass er eine solche
Haltung einnimmt.
154
d)
155
Die Angeklagten
L
wegen entwürdigender Behandlung nach § 31 Abs. 1 WStG schuldig gemacht hat.
156
V.
157
Im Rahmen der vorzunehmenden Strafzumessung hatte die Kammer anhand des
zugrunde zu legenden Strafrahmens die jeweils konkrete Strafe für die Angeklagten zu
bestimmen. Unter Berücksichtigung der Grundsätze, die § 46 StGB aufstellt, hat sie sich
dabei im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten lassen:
158
1.
159
Im Hinblick auf den Angeklagten
I
§ 224 StGB zu entnehmen, da diese Vorschrift im Verhältnis zu § 30 WStG und § 31
WStG die schwerere Strafe androht.
160
Die Kammer hat zunächst geprüft, ob vom Regelstrafrahmen des § 224 StGB, der
Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht, auszugehen ist, oder ob
ein sogenannter minder schwerer Fall der gefährlichen Körperverletzung vorliegt, der
mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen ist.
161
Ein minder schwerer Fall ist dann anzunehmen, wenn das gesamte Tatbild
einschließlich aller subjektiven Momente vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß
vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, welche die Anwendung des
Ausnahmestrafrahmens geboten erscheinen lässt. Bei der vorzunehmenden
Gesamtwürdigung sind alle Umstände heranzuziehen, die für die Bewertung von Tat
oder Täterpersönlichkeit in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat inne wohnen,
sie begleiten, ihr vorausgehen oder folgen.
162
Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes hat die Kammer alle zu Gunsten und zu
Lasten des Angeklagten I sprechenden Umstände gegeneinander abgewogen. Sie hat
dabei zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass er im Tatzeitpunkt nicht vorbestraft war
und seitdem auch nicht wieder straffällig geworden ist. Für ihn sprach auch, dass er die
Tat überwiegend gestanden hat. Weiterhin sprach für ihn, dass die Durchführung der
Geiselnahmeübung von den beiden Zugführern anberaumt worden ist, wenngleich die
konkrete Ausgestaltung des Verhörs auf den Ideen des Angeklagten I beruhte. Der
Angeklagte ist, was die Kammer ebenfalls zu seinen Gunsten berücksichtigt hat, unter
anderem wegen dieser Tat fristlos aus der Bundeswehr entlassen worden, seine
Karriere – er war bereits Feldwebelanwärter und Soldat auf Zeit für 12 Jahre – ist
beendet. Zu seinen Gunsten sprach weiterhin, dass die Tat bereits mehr als drei Jahre
zurückliegt und das Strafverfahren gegen ihn seit Oktober 2004, nunmehr also auch seit
fast drei Jahren, läuft, ohne dass der Angeklagte dies zu vertreten hätte. Und schließlich
hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er – da er verurteilt
wurde – die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. An sich ist dies, da es nur eine
Nebenfolge der Verurteilung ist, kein Grund, der im Rahmen der Strafzumessung zu
Gunsten eines Angeklagten zu berücksichtigen wäre. Der vorliegende Fall bietet
allerdings insoweit eine Ausnahme, als die Verfahrenskosten aufgrund der langen
Dauer der Hauptverhandlung mit 20 Hauptverhandlungstagen sowie mehr als 60
vernommenen Zeugen ganz erheblich sind und den Angeklagten I über längere Zeit an
den Rand seiner finanziellen Leistungsfähigkeit bringen werden.
163
Gegen den Angeklagten – und damit auch gegen die Annahme eines minder schweren
Falles – sprach hingegen die Art und Weise, auf welche er die Körperverletzung
164
begangen hat. Auch die Vielzahl der Geschädigten sowie die Dauer der Tat, die sich
über mehrere Stunden hinzog und keine einmalige, spontane Entgleisung des
Angeklagten war, sprachen hiergegen. Weiterhin hat die Kammer zu Lasten des
Angeklagten in die Abwägung einbezogen, dass er durch seine Tat gegen mehrere
Strafgesetze verstoßen hat.
Unter Abwägung dieser Gesichtspunkte ist die Kammer zu dem Ergebnis gelangt, dass
insgesamt kein minder schwerer Fall vorliegt, die Findung einer gerechten Strafe also
auch bei Anwendung des Regelstrafrahmens möglich ist.
165
Bei der konkreten Strafzumessung hat die Kammer sodann noch einmal alle bereits
dargelegten für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände gegeneinander
abgewogen. Sie hielt hiernach eine Freiheitsstrafe von
166
einem Jahr sechs Monaten
167
für tat- und schuldangemessen und hat auf eine solche erkannt.
168
Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe konnte gemäß § 56 StGB zur Bewährung
ausgesetzt werden. Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 StGB liegen vor. Der
Angeklagte ist weder vor noch nach der hier abgeurteilten Tat straffällig geworden,
obwohl die Tat mehr als drei Jahre zurück liegt. Hinzu kommt, dass der Angeklagte aus
der Bundeswehr entlassen worden ist, also auch keine Möglichkeit mehr hat, eine
ähnliche Straftat zu begehen. Es besteht aufgrund dieser Tatsachen eine begründete
Erwartung, dass der Angeklagte sich allein die Verurteilung zur Warnung dienen lassen
und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen
wird. Auch die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 StGB, unter denen eine Freiheitsstrafe
von mehr als einem Jahr zur Bewährung ausgesetzt werden kann, liegen vor. Denn die
Tat liegt mittlerweile mehr als drei Jahre zurück, ohne dass der Angeklagte
zwischenzeitlich wieder straffällig geworden wäre.
169
Die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung wird auch durch § 14 WStG nicht
verboten. Der Angeklagte I ist heute Zivilist, so dass es nach Auffassung der Kammer
die Wahrung der Disziplin nicht mehr gebietet, die Strafe auch zu vollstrecken.
170
2.
171
Beim Angeklagten
G
Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren vorsieht.
172
Zu Gunsten des Angeklagten G sprach, dass er nicht vorbestraft ist und seine Tat
gestanden hat. Es handelte sich unwiderlegbar um eine Spontantat, die
zwischenzeitlich mehr als drei Jahre zurückliegt. Zu Gunsten des Angeklagten hat die
Kammer weiterhin berücksichtigt, dass das Strafverfahren gegen ihn bereits seit Oktober
2004 läuft, ohne dass der Angeklagte dies zu vertreten hätte. Schließlich ist auch die
Karriere des Angeklagten G bei der Bundeswehr aufgrund dieses Vorfalls beendet.
Nach Bekanntwerden der gegen ihn erhobenen Vorwürfe durfte er nicht mehr an dem
eigentlich für ihn vorgesehenen Feldwebellehrgang teilnehmen, was ihn zumindest eine
Beförderung gekostet hat. Der Angeklagte scheidet im nächsten Jahr lediglich im Range
eines Stabsunteroffiziers aus der Bundeswehr aus.
173
Umstände, die gegen den Angeklagten sprechen, haben sich durch die
Beweisaufnahme nicht ergeben.
174
Nach einer Gesamtabwägung ist die Kammer deshalb zu der Auffassung gelangt, dass
sich die Strafe am unteren Ende des von § 31 WStG vorgesehenen Strafrahmens
bewegen muss. Sie hielt eine Freiheitsstrafe von
175
zwei Monaten
176
für tat- und schuldangemessen.
177
Gemäß § 47 Abs. 2 StGB war anstatt dieser Freiheitsstrafe eine entsprechende
Geldstrafe von 60 Tagessätze zu verhängen. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe war
nämlich weder zur Einwirkung auf den Angeklagten G unerlässlich (§ 47 Abs. 1 StGB),
noch geboten besondere Umstände in der Person des Angeklagten zur Wahrung der
Disziplin in der Bundeswehr die Verhängung der Freiheitsstrafe (§ 10 WStG). Nach
Auffassung der Kammer hat bereits das vorliegende Strafverfahren genügend auf den
Angeklagten eingewirkt.
178
Die Höhe des Tagessatzes hat die Kammer – ausgehend vom Nettoeinkommen des
Angeklagten G in Höhe von zumindest 1.300,- € pro Monat – mit 40,- € pro Tag
angesetzt.
179
VI.
180
Die Kostenentscheidung beruht, was die Angeklagten L und I2 betrifft, auf § 467 StPO,
was die Angeklagten I und G betrifft, auf § 465 StPO.
181
Der Angeklagte G ist zwar verurteilt worden, doch diente die gesamte
Zeugenvernehmung nur der Aufklärung des Vorwurfs der Körperverletzung und
Misshandlung. Insoweit ist der Angeklagte G jedoch nicht verurteilt worden. Seine
Verurteilung beschränkte sich auf den Vorwurf der entwürdigenden Behandlung.
Insoweit war der Angeklagte aber geständig, zudem lag ein Foto seiner "Siegerpose"
vor. Einer weiteren Beweisaufnahme bedurfte es daher insoweit nicht. Aus diesem
Grund hat die Kammer von der Möglichkeit des § 465 Abs. 2 Satz 2 und 3 StPO
Gebrauch gemacht und den Angeklagten G von denjenigen Auslagen der Staatskasse
freigestellt, die dadurch entstanden sind, dass die Kammer die Vorwürfe der
Körperverletzung und Misshandlung aufzuklären versucht hat. Insoweit sind auch die
notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt worden.
182