Urteil des LG Münster vom 22.07.2005
LG Münster: aufhebung der sperre, objektivität, seminar, mindestdauer, kontrolle, prüfungspflicht, qualifikation, sperrfrist, form, unterliegen
Landgericht Münster, 3 Qs 63/05
Datum:
22.07.2005
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
3. Strafkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Qs 63/05
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die im Urteil des Amtsgerichts Xvom 30. März 2004
- ###########– verhängte Sperre für die Neuertei-lung einer
Fahrerlaubnis wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem
Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen wer-den der
Staatskasse auferlegt.
G r ü n d e :
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Die gemäß §§ 463 Abs. 5, 462 Abs. 3 S. 1 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist
zulässig und begründet.
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Gemäß § 69 a Abs. 7 StGB kann das Gericht die verhängte Sperre für die Erteilung
einer Fahrerlaubnis vorzeitig aufheben, wenn sich Grund für die Annahme ergibt, dass
der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist. Das ist dann der
Fall, wenn erhebliche neue Tatsachen, insbesondere das Verhalten des Täters in der
Zwischenzeit, zu einer Gesamtwürdigung führen, die ihn nicht mehr als ungeeignet
erscheinen lässt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 69 a Rdn. 15 a).
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Die vorzeitige Aufhebung der Sperre ist frühestens nach Ablauf einer Mindestdauer
zulässig, die seit dem 01. Januar 1999 für Ersttäter drei Monate beträgt. Grund für die
Herabsetzung der Mindestdauer von sechs auf drei Monate war nach der amtlichen
Begründung die Schaffung eines Anreizes zur Teilnahme an einem Aufbauseminar (
früher: Nachschulung; vgl. Hentschel, Trunkenheit-Fahrerlaubnisentziehung-Fahrverbot,
8. Aufl., Rdn. 788). Die erfolgreiche Teilnahme an einem Aufbauseminar für
alkoholauffällige Kraftfahrer ist deshalb mit dem Gesetzgeber als geeignetes Mittel zur
Beseitigung des Eignungsmangels anzusehen.
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Der Verurteilte hat zwar nicht an einem verwaltungsrechtlichen Aufbauseminar, wie es
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im Straßenverkehrsgesetz vorgesehen ist
(vgl. § 2 b, § 4 Abs. 4 und Abs. 8 f StVG und §§ 43, 36 der Fahrerlaubnis-Verordnung –
FeV -) teilgenommen und deshalb auch nicht seine erfolgreiche Teilnahme durch eine
Bescheinigung gemäß §§ 44, 37 FeV nachgewiesen. Der Teilnahme an einem solchen
Seminar ist im Bereich des Strafrechts jedoch auch die Telnahme an einer anderen
(psychologischen) Nachschulung im weiteren Sinne,
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aber auch an verkehrspsychologischen oder verkehrstherapeutischen Schulungen, die
der Strafrichter nach Prüfung für wirksam und geeignet hält, gleichzustellen (vgl.
Himmelreich, Nachschulung – Aufbau-Seminar, DAR 2004, 8, 9).
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Arbeitet der Träger der zu prüfenden Schulungsmaßnahme auf privatwirtschaftlich-
gewerbsmäßiger Ebene und unterliegen organisatorische und inhaltliche Ausgestaltung
sowie Qualität solcher Nachschulungen und die Objektivität der
Teilnahmebescheinigungen keiner zuverlässigen Kontrolle, so trifft den Tatrichter im
Einzelfall insoweit in der Regel eine besondere Prüfungspflicht (vgl. Hentschel, aaO,
Rdn. 642; Himmelreich, aaO, S. 9 unter FN 20 und DAR 2005, 130, 132 unter FN 18).
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Dabei hat das Gericht zu prüfen, ob die Teilnahme an der Schulungsmaßnahme im
konkreten Fall Grund zur Annahme einer Beseitigung des Eignungsmangels bietet.
Letzteres ist hier der Fall.
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Der Verurteilte hat sich für die Dauer von über einem Jahr einer
verkehrstherapeutischen Schulung unterzogen und hat in diesem Rahmen monatlich an
zwei Therapiestunden teilgenommen. In der vorgelegten Verkehrstherapeutischen
Stellungnahme vom 06. April 2005 hat seine Therapeutin die Vorgeschichte,
Behandlungsinhalte und Verlauf sowie ihre abschließende Prognose ausführlich und
nachvollziehbar dargestellt. Danach hat der Verurteilte, dessen wiederholte
Verkehrsverstöße auf eine kurze und kritische Phase seines Lebens beschränkt waren
und dessen persönliche Lebensverhältnisse sich in der Zwischenzeit in einer
prognostisch günstig zu wertenden Weise verändert haben, aus begangenem
Fehlverhalten positive Konsequenzen in Form systematischer Verhaltensänderungen
gezogen. Gegen diese Stellungnahme bestehen keine durchgreifenden Bedenken,
zumal Qualifikation und Objektivität sowohl des Therapieinstituts als auch der
behandelnden Therapeutin außer Frage stehen.
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Damit besteht hinreichender Grund für die Annahme, dass der bei dem Verurteilten
festgestellte Eignungsmangel bereits nach Ablauf von nahezu 16 Monaten der 18-
monatigen Sperrfrist beseitigt sein könnte. In diesem Fall ist die Sperre aufzuheben. Die
positive Feststellung seiner Eignung ist damit nicht verbunden. Sie festzustellen, ist
Aufgabe der Straßenverkehrsbehörden (vgl. Himmelreich, DAR 2005, 130).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO analog.
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