Urteil des LG Münster vom 07.10.2003

LG Münster: arglistige täuschung, kaufvertrag, vertragserfüllung, gegenleistung, akte, heizungsanlage, zubehör, agb, montage, auslieferung

Landgericht Münster, 16 O 425/02
Datum:
07.10.2003
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
16. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 O 425/02
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.573,08 € nebst 5 % Zinsen
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2001 zu zahlen Zug
um Zug gegen Auslieferung eines Heizungsbausatzes zur
Selbstmontage, bestehend aus
- 1 Stück Heizzentrale Typ Tornado, 21 Kw, Öl und sämtlichem zur
Heizzentrale
gehörendem Zubehör,
- 1 Stück Armaturenblock, HK,
- 1 Stück witterungsgeführte Regelung, Typ Unitherm I,
- 2 Stück Komfortheizkörper, Betriebstemperatur 70/55 °, kpl. mit
Thermostatventilen, absperrbarer Rücklaufverschraubung, Halterung,
Verbindungsleitung ohne Cu-S.
Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme der
vorgenannten Zug-um-Zug zu bewirkenden Gegenleistung in
Annahmeverzug befindet.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu
vollstreckenden Betrages zuzüglich 25 % vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin vertreibt Heizungsartikel, insbesondere Bausätze zur Selbstmontage.
2
Nach einem längeren Verkaufsgespräch auf einer Messe unterzeichneten die Parteien
am 17.03.2001 einen Kaufvertrag über einen Heizungsbausatz zur Selbstmontage.
3
Danach sollte die Lieferung auf Abruf im Monat Mai 2001 erfolgen. Die Klägerin stellte
dem Beklagten insoweit eine Abrufkarte zur Verfügung. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Kaufvertrages vom 17.03.2001 wird auf die Anlage zur
Klagebegründung vom 04.09.2002, Blatt 13 der Akte, und wegen des genauen Inhalts
der Abrufkarte auf die Anlage zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 06.11.2002,
Blatt 31 der Akte, verwiesen.
4
Mit Schreiben vom 05.04.2001 kündigte der Beklagte den Kaufvertrag ohne Angabe von
Gründen. Die Klägerin wies die Kündigung mit Schreiben vom selben Tage zurück. Mit
weiterem Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 06.04.2001 lehnte der Beklagte
nochmals die Vertragserfüllung ab.
5
Mit weiteren Schreiben vom 28.05.2001 und vom 29.01.2002 forderte die Klägerin den
Beklagten vergeblich zur Vertragserfüllung auf.
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Die Klägerin macht vorliegend den am 17.03.2001 vereinbarten Festpreis in Höhe von
10.900,00 DM (5.573,08 €) geltend.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.573,08 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 01.06.2001 zu zahlen, Zug um Zug gegen Auslieferung
eines Heizungsbausatzes zur Selbstmontage, bestehend aus
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- 1 Stück Heizzentrale Typ Tornado, 21 Kw, Öl und sämtlichem zur Heizzentrale
gehörendem Zubehör,
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- 1 Stück Armaturenblock, HK,
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- 1 Stück witterungsgeführte Regelung, Typ Unitherm I,
12
- 2 Stück Komfortheizkörper, Betriebstemperatur 70/55 °, kpl mit
Thermostatventilen, absperrbarer Rücklaufverschraubung, Halterung,
Verbindungsleitung ohne Cu-S.
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Festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Zug um Zug zu
bewirkenden Gegenleistung in Annahmeverzug befindet.
14
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 06.11.2002 die
Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt. Er behauptet, die
Klägerin habe ihm mehrfach erklärt, dass selbstverständlich eine Montage der
Heizungsanlage durch die Klägerin erfolgen werde.
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Er ist der Ansicht, dass der Kaufvertrag und die zugrunde liegenden allgemeinen
Geschäftsbedingungen widersprüchlichen Inhalts seien.
18
Der Beklagte behauptet weiter, der vereinbarte Kaufpreis überschreite den
marktüblichen Preis erheblich. Er ist daher der Ansicht, dass der Kaufvertrag nach § 138
BGB nichtig sei.
19
Schließlich sei der Kaufvertrag auch inhaltlich zu unbestimmt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
21
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen
Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf
das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. P vom 10.06.2003 und auf dessen
ergänzende Stellungnahme vom 01.09.2003 (Blatt 57 ff. und 91 ff. der Akte) Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
23
Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
24
I.
25
Der Beklagte ist der Klägerin zur Zahlung von 5.573,08 € Zug um Zug gegen Lieferung
der Heizungsanlage nebst weiterem Zubehör nach den §§ 433 Abs. 2, 320 BGB
verpflichtet.
26
Die Parteien haben sich am 17.03.2001 wirksam nach § 433 BGB geeinigt.
27
Die Einigung ist hinreichend bestimmt genug. Das für die geschuldeten
Komfortheizkörper keine Leistung oder aber konkrete Abmessungen, sondern nur die
Betriebstemperatur vereinbart worden ist, steht der Einigung nicht entgegen. Nach den
Umständen des Vertragsschlusses und dem Inhalt der weiteren Vertragsbestimmungen
(Ziffer VII der allgemeinen Geschäftsbedingungen, Abrufkarte) sollte die Klägerin nach
Überprüfung und Feststellung der baulichen Gegebenheiten beim Beklagten und der
Erstellung der Wärmebedarfsberechnung berechtigt sein, die konkrete Größe der
Heizkörper nach billigem Ermessen zu bestimmen (vgl. § 315 BGB). Hierzu hatte der
Beklagte zunächst ausweislich der Abrufkarte weitere Unterlagen beizubringen. Beide
Parteien mussten auch davon ausgehen, dass aufgrund des Umstandes, dass der
Vertragsschluss auf einer Verkaufsmesse erfolgte, ggfs. eine nähere Bestimmung der
Komfortheizkörper erforderlich war.
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Eine arglistige Täuschung durch die Klägerin hat der Beklagte nicht substantiiert
dargelegt. Der Beklagte ist insbesondere hinsichtlich seiner Behauptung, die Klägerin
habe im Verkaufsgespräch die Montage der Heizungsanlage zugesichert, beweisfällig
geblieben. Für eine vom schriftlichen Kaufvertrag vom 17.03.2001, in welchem
ausdrücklich auf die vom Beklagten durchzuführende Selbstmontage hingewiesen wird,
abweichende mündliche Individualerklärung ist der Beklagte beweispflichtig (vgl. BGH
NJW 1987, 2011).
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Entgegen der Ansicht des Beklagten ist Ziffer III der zugrunde liegenden AGB
hinreichend verständlich. Es heißt dort ausdrücklich, dass nach Ablauf der
Preisgarantiezeit die zur Zeit der Lieferung gültige Preisliste maßgebend sein soll.
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Es besteht auch kein Widerspruch zu Ziffer IV der zugrunde liegenden AGB. Nach der
hier vorrangigen Individualabrede sollte die Lieferung auf Abruf im Monat Mai des
Jahres 2001 erfolgen. Es ist weiter nicht zu erkennen, inwieweit etwaige
widersprüchliche Angaben auf der Abrufkarte die Unwirksamkeit des Vertrages oder
aber ein Kündigungs- oder Widerrufsrecht des Beklagten begründen sollten. Ziffer 1 der
Abrufkarte bezieht sich erkennbar nur auf vertraglich vereinbarte Anzahlungen.
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Schließlich ist der Kaufvertrag nicht unwirksam nach § 138 BGB. Es liegt kein
Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung vor. Ein im Sinne des § 138 BGB
relevantes Mißverhältnis ist in der Regel erst dann anzunehmen, wenn die vom
Schuldner zu erbringende Leistung um 100 % oder mehr über dem Markpreis liegt oder
aber der Wert der Leistung zumindest "knapp" doppelt so hoch, wie die der
Gegenleistung ist (vgl. Palandt-Heinrichs, Kommentar zum BGB, 62. Auflage, § 138, Rz.
67, 34 m.w.N.).
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Nach den plausiblen widerspruchsfreien Feststellungen des Sachverständigen ergibt
sich allein für die Materialien unter Berücksichtigung eines Skontoabzuges ein
Materialwert von 8.000,00 DM. Hierbei sind die weiter von der Klägerin aufgrund des
Kaufvertrages vom 17.03.2003 geschuldeten Leistungen wie die Fertigung einer
Wärmebedarfsberechnung, Vorbereitung der behördlichen Antragsformulare und der
Stördienst im ersten Betriebsjahr nicht berücksichtigt. Entgegen der Ansicht des
Beklagten hat der Sachverständige den marktüblichen Preis auch in plausibler Weise
ermittelt. Entgegen dem Vortrag des Beklagten hat der Sachverständige nicht
Durchschnittspreise verschiedener Anbieter zugrunde gelegt, sondern den Marktpreis
auf der Grundlage der Einkaufspreise des Heizungsbauerhandwerks zuzüglich eines
vom ihm erfahrensgemäß verwandten branchenüblichen Aufschlags von bis zu 30 %
zugrunde gelegt. Diese Preise beruhen nach Angaben des Sachverständigen auf den
Zeitraum 2001.
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Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB a.F. Der Beklagte hat
bereits mit Schreiben vom 05. und 06.04.2001 die Erfüllung des Vertrages ernsthaft und
endgültig verweigert.
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II.
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Der Feststellungsantrag ist ebenfalls begründet.
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Der Beklagte befindet sich in Annahmeverzug (§ 293 BGB). Es genügte hier gem. § 295
BGB ein wörtliches Angebot der Klägerin, da es zur Bewirkung der Leistung einer
Handlung des Beklagten, nämlich des Abrufes der Leistung, bedurfte. Die Klägerin hat
dem Beklagten mit Schreiben vom 05. April und 28. Mai 2001 zur Vertragserfüllung
aufgefordert. Der Beklagte hatte bereits mit Schreiben vom 05. und 06.04.2001 die
Vertragserfüllung abgelehnt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2
ZPO.
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