Urteil des LG Münster vom 12.09.2008

LG Münster: darlehen, firma, verfügung, insolvenz, buchführung, strafzumessung, untersuchungshaft, kontrolle, verhaftung, absicht

Landgericht Münster, 7 KLs 540 Js 748/07 (22/08)
Datum:
12.09.2008
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
Strafgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 KLs 540 Js 748/07 (22/08)
Tenor:
Der Angeklagte wird wegen Untreue in 80 Fällen kostenpflichtig zu ei-
ner Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt.
Es wird festgestellt, dass hinsichtlich eines Betrages von 72.500,00 Euro
die Ansprüche Verletzter der Anordnung des Verfalls von Wertersatz
entgegenstehen.
Angewendete Vorschriften:
§§ 266 Abs. 1 und 2, 263 Abs. 3 Nr. 1, 53 StGB, §111 i Abs. 2 StPO
G r ü n d e
1
(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
2
I.
3
Der heute 57 Jahre alte Angeklagte wurde in M geboren und wuchs dort auch auf. Nach
Abschluss der Schulzeit absolvierte er eine Lehre zum Groß- und
Einzelhandelskaufmann, die er erfolgreich abschloss. 1972 heiratete der Angeklagte.
Kinder hat er nicht. 1972/1973 bauten der Angeklagte und seine Ehefrau in M ein
Einfamilienhaus. Der Angeklagte ist als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen.
1974 trat der Angeklagte in die X Partei (X PARTEI) ein, 1979 wurde er
Landesschatzmeister der X PARTEI in Nordrhein-Westfalen. 1989 bis 1991 bildete sich
der Angeklagte in Abendkursen erfolgreich zum Bilanzbuchhalter fort. 1996 wurde der
Angeklagte Bundesschatzmeister und Finanzvorstand der X PARTEI. 2002 kaufte der
Angeklagte, der zuvor als mit der Buchhaltung betrauter leitender Angestellter eines
Baustoffgroßhandels tätig gewesen war, die Firma X GmbH, die ein Küchenstudio
betrieb. Mit dieser GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der
Angeklagte ist, war der Angeklagte nunmehr selbstständig tätig. Zwei Jahre nach der
Übernahme der GmbH eröffnete der Angeklagte zudem eine Geschenkboutique, die er
Ende 2006 von ehemals 100 qm Verkaufsfläche auf nunmehr 500 bis 600 qm
Verkaufsfläche stark vergrößerte.
4
Der nicht vorbestrafte Angeklagte wurde in der vorliegenden Sache am 07.02.2008
vorläufig festgenommen und befand sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts N
vom 31.01.2008, Az. ######, vom 08.02.2008 bis zum 12.09.2008 in
Untersuchungshaft.
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Über das Vermögen der Firma X GmbH, die schon seit Jahren Verluste schrieb, wurde
kurz nach der Inhaftierung des Angeklagten auf dessen Antrag das Insolvenzverfahren
eröffnet, das derzeit noch nicht beendet ist.
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In Vollziehung des dinglichen Arrestes des Amtsgerichts N vom 31.01.2008, Az.
######, wurden durch die Staatsanwaltschaft N praktisch sämtliche Vermögenswerte
des Angeklagten gepfändet, einschließlich der Lebensversicherungen, die der
Alterssicherung des Angeklagten dienen sollten. Das Hausgrundstück des Angeklagten
wurde mit einer Sicherungshypothek belastet. Da sich der Angeklagte auch persönlich
für Verbindlichkeiten der Firma X GmbH verpflichtet hat, betreiben nach deren Insolvenz
zudem die finanzierenden Banken die Zwangsvollstreckung in das Privathaus des
Angeklagten. Es ist damit zu rechnen, dass nach Beendigung aller
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen dem Angeklagten keinerlei Vermögen verbleiben
wird. Als Alterssicherung steht nur eine geringe gesetzliche Rente zur Verfügung.
7
II.
8
Bei der Volksbank M1 unterhält die X PARTEI Konten mit den Kontonummern
######## und ########. Für diese Konten hatte der Angeklagte aufgrund seiner
Stellung als Bundesschatzmeister der Partei Kontovollmacht. Gemäß Nr. 6 der
Finanzordnung der X PARTEI sind die Schatzmeister gegenüber der Partei für die
Beschaffung und Verwaltung der Gelder verantwortlich, die zur Erfüllung der politischen
und organisatorischen Aufgaben der Partei benötigt werden. Sie können im Rahmen der
Satzung, der Beitragsordnung und der Finanzordnung alle für die Durchführung ihrer
Aufgaben geeigneten Maßnahmen treffen. Die ihm danach zufallenden Aufgaben
erledigte der Angeklagte allein. Er allein veranlasste im Wege des Online-Bankings von
M aus auch sämtliche Abflüsse von den vorgenannten Konten der X PARTEI.
9
Die X PARTEI befand sich seit Jahren in einer beengten finanziellen Lage. Das
Finanzierungsmodell der Partei sah so aus, dass sie sich zur Finanzierung von
Wahlkämpfen zunächst in erheblichem Umfang Darlehen von Mitgliedern und
Sympathisanten beschaffte. Wurden bei den Wahlen die erforderlichen Stimmenanteile
erreicht, flossen der X PARTEI namhafte Beträge aus der staatlichen
Parteienfinanzierung zu. Mit diesen Geldzuflüssen wurden wiederum die zuvor als
Darlehen gewährten Beträge zurückgeführt. Waren neue Wahlkämpfe zu führen, wurden
wiederum Darlehen in Anspruch genommen, so dass sich quasi ein Kreislauf ergab. Als
Bundesschatzmeister der X PARTEI trieb der Angeklagte die nach dem
Finanzierungsmodell erforderlichen Darlehensgeber auf. Die zu Grunde liegenden
Vereinbarungen wurden nur teilweise schriftlich fixiert, weil die Hingabe und
Rückgewähr der Darlehen in weiten Teilen Vertrauenssache war und unter der Ägide
des Angeklagten auch jahrelang im Wesentlichen reibungslos funktionierte.
10
In dem Zeitraum bis 2002 stellte auch der Angeklagte der X PARTEI nicht unerhebliche
Beträge, die er sich zum Teil selbst bei Banken leihen musste, als Darlehen zur
Verfügung. In der Buchführung der X PARTEI war deshalb ein Konto "Darlehen H"
angelegt. Aus ihm ergibt sich, dass der Angeklagte der X PARTEI zeitweise Beträge
11
von mehr als 500.000,00 DM zur Verfügung gestellt hat. Diese wurden jedoch nach und
nach zurückgeführt, so dass zum Ende des Jahres 2002 das Darlehenskonto des
Angeklagten bei der X PARTEI ausgeglichen war. 2003 gewährte der Angeklagte der X
PARTEI für einen kurzen Zeitraum ein Darlehen in Höhe von 2.500,00 €. Der Betrag
wurde ausweislich der Buchführung im selben Jahr an den Angeklagten zurückgeführt,
so dass auch zum Ende des Jahres 2003 das Darlehenskonto auf Null gestellt war.
Mit Beginn des Jahres 2004 wurde das Darlehenskonto des Angeklagten bei der X
PARTEI wieder aufgebaut, jetzt aber zu Lasten des Angeklagten. In der Absicht, sich
eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, entnahm der Angeklagte den Konten
der X PARTEI bei der Volksbank M1 nun fortlaufend unberechtigt und eigenmächtig
Beträge zwischen 2.000,00 € und 25.000,00 €, indem er diese – zum Teil über mehrere
Konten hinweg – auf Konten seiner GmbH transferierte. Dies geschah vornehmlich
dann, wenn die Firma X GmbH hohe Einkaufsrechnungen zu bezahlen hatte. Das
Küchenstudio lief schlecht und fuhr Verluste ein. Die Geschäftskonten der GmbH
wurden fortlaufend am Limit geführt, so dass der Angeklagte auch sofort Insolvenzantrag
stellen musste, als nach seiner Verhaftung die Kapitalzuflüsse von den Konten der X
PARTEI ausblieben.
12
In der Anfangsphase buchte der Angeklagte seine eigenmächtigen Entnahmen bei der
X PARTEI als Darlehen zu seinen Lasten. Dies beruht zur Überzeugung der Kammer
darauf, dass der Angeklagte anfänglich noch glaubte, seine Firma retten, wieder in die
Gewinnzone führen und sodann die Darlehen an die X PARTEI zurückzahlen zu
können. Dies gelang dem Angeklagten jedoch nicht. Zum Ende des Jahres 2004 wies
das Darlehenskonto bei der X PARTEI einen Bestand von 63.250,00 € zu Lasten des
Angeklagten aus, im Mai 2005 waren die Verbindlichkeiten des Angeklagten gegenüber
der X PARTEI bereits auf 267.750,00 € angewachsen. Der Angeklagte erkannte, dass
ihm die Dinge finanziell über den Kopf wuchsen und er nicht in der Lage sein würde, die
unberechtigten Entnahmen bei der X PARTEI an diese zurückzuführen. Der von dem
Angeklagten selbst auf dem Buchführungskonto der X PARTEI angegebene
Verwendungszweck wurde seitdem zunehmend nichtssagender und beispielsweise mit
"Darlehen durchlaufend" oder nur "Darlehen" angegeben. Anfang des Jahres 2006
stellte der Angeklagte dann jegliche Buchung auf dem Darlehenskonto bei der X
PARTEI ein.
13
Insgesamt verfügte der Angeklagte unrechtmäßig in 80 Transaktionen über Gelder in
Höhe von insgesamt 741.250,00 €. Dabei ging der Angeklagte in der Regel so vor, dass
er Geld von den Konten der X PARTEI bei der Volksbank M1 auf sein privates Konto mit
der Nummer ######### bei der Volksbank M1 transferierte. Von dort überwies er das
Geld – teilweise in veränderten Tranchen – weiter auf andere private Konten oder auf
Konten der Firma X GmbH. Nicht selten verfuhr der Angeklagte so, dass Gelder, die er
von seinem Konto bei der Volksbank M1 auf andere Konten transferiert hatte, in bar
abhob und sogleich auf ein anderes Konto der X GmbH wieder einzahlte.
14
Im Einzelnen überwies der Angeklagte zu folgenden Tatzeiten folgende Beträge von
den Konten der X PARTEI auf eigene private Konten oder Konten der X GmbH:
15
Fall Nr.
Tatzeitpunkt
Betrag
1
15.01.2004
2.000,00 €
16
2
16.01.2004
5.000,00 €
3
27.01.2004
20.000,00 €
4
06.04.2004
2.500,00 €
5
11.05.2004
2.000,00 €
6
17.05.2004
2.500,00 €
7
28.05.2004
2.750,00 €
8
02.11.2004
5.000,00 €
9
05.01.2005
10.000,00 €
10
07.01.2005
5.000,00 €
11
14.01.2005
5.000,00 €
12
05.04.2005
5.000,00 €
13
17.05.2005
10.000,00 €
14
20.05.2005
8.000,00 €
15
01.06.2005
10.000,00 €
16
21.06.2005
1.250,00 €
17
04.07.2005
15.000,00 €
18
07.07.2005
2.750,00 €
19
15.08.2005
15.000,00 €
20
16.08.2005
6.000,00 €
21
24.08.2005
8.000,00 €
22
03.01.2006
2.500,00 €
23
06.04.2006
5.000,00 €
24
15.05.2006
3.500,00 €
25
02.06.2006
6.000,00 €
26
17.01.2007
10.000,00 €
27
20.10.2004
5.000,00 €
28
09.12.2004
5.000,00 €
29
18.05.2005
15.000,00 €
30
08.06.2005
12.000,00 €
31
29.08.2005
15.000,00 €
32
23.11.2005
25.000,00 €
33
18.01.2005
5.000,00 €
34
28.01.2005
6.000,00 €
35
09.02.2005
4.000,00 €
36
14.02.2005
15.000,00 €
37
28.02.2005
15.000,00 €
38
09.03.2005
22.000,00 €
39
18.03.2005
18.000,00 €
40
30.03.2005
10.000,00 €
41
11.04.2005
10.000,00 €
42
10.05.2005
5.000,00 €
43
30.05.2005
22.500,00 €
44
28.06.2005
23.750,00 €
45
17.08.2005
12.000,00 €
46
22.02.2006
22.000,00 €
47
23.02.2006
20.000,00 €
48
09.03.2006
15.000,00 €
49
17.03.2006
25.000,00 €
50
17.05.2006
20.000,00 €
51
31.05.2006
10.000,00 €
52
16.08.2006
10.000,00 €
53
04.08.2005
3.250,00 €
54
08.08.2005
5.000,00 €
55
01.02.2007
5.000,00 €
56
08.02.2007
10.000,00 €
57
12.03.2007
2.000,00 €
58
15.03.2007
2.500,00 €
59
20.03.2007
5.000,00 €
60
11.05.2007
5.000,00 €
61
04.06.2007
5.000,00 €
62
21.02.2005
17.500,00 €
63
21.08.2006
10.000,00 €
64
23.01.2004
2.500,00 €
65
23.04.2004
4.000,00 €
66
18.07.2005
3.000,00 €
67
31.08.2005
12.000,00 €
68
13.09.2005
5.000,00 €
69
29.12.2005
5.000,00 €
70
12.04.2006
2.000,00 €
71
06.06.2006
7.500,00 €
72
31.07.2006
5.000,00 €
73
06.09.2006
15.000,00 €
74
27.11.2006
25.000,00 €
75
11.01.2007
10.000,00 €
76
05.03.2007
10.000,00 €
77
15.11.2004
10.000,00 €
78
16.11.2004
5.000,00 €
79
11.01.2007
8.000,00 €
80
15.10.2004
5.000,00 €
Summe
741.250,00 €
Die unberechtigten Entnahmen des Angeklagten blieben bei der X PARTEI unbemerkt.
Dafür gab es mehrere Gründe: Aufgrund seines erheblichen und viele Jahre
beanstandungsfreien Einsatzes für die Partei genoss der Angeklagte innerhalb der X
PARTEI praktisch grenzenloses Vertrauen. Das Konto der X PARTEI bei der Volksbank
M1 führte er allein. Eine Kontrolle fand faktisch nicht statt. Zwar sprach der
Bundesparteivorsitzende der X PARTEI, W, den Angeklagten Ende des Jahres 2005
darauf an, dass die Darlehensgewährung im Verhältnis H1 – X PARTEI transparenter
werden müsse. Hierbei ging er aber davon aus, dass allenfalls die X PARTEI dem
Angeklagten noch Geld schulde, nicht umgekehrt. Herr W teilte dem Angeklagten mit, es
müssten – ebenso wie bei anderen Darlehensgebern – auch im Verhältnis H1 – X
PARTEI schriftliche Verträge geschlossen werden. Aufgeschreckt durch die gestiegene
Aufmerksamkeit des Herrn W nahm der Angeklagte daraufhin am 30.12.2005 eine
Buchungsmanipulation an seinem Darlehenskonto bei der X PARTEI vor, indem er den
Bestand am Jahresanfang um 257.500,00 € zu seinen Gunsten änderte. Dies führte
dazu, dass das Konto am Jahresende ausgeglichen erschien. Sodann teilte der
Angeklagte Herrn W in einem zweiten Gespräch mit, die Darlehensangelegenheiten
seien geregelt und das Konto ausgeglichen. Eine weitergehende Nachprüfung fand
seitens der X PARTEI nicht statt.
17
Ein wirksames Kontrollsystem wurde seitens der X PARTEI auch dann nicht eingeführt,
als dazu spätestens konkreter Anlass bestanden hätte: Innerhalb der Partei war etwa
seit dem Jahr 2003 bekannt, dass das Küchenstudio des Angeklagten schlecht lief und
Verluste schrieb. Herr W hatte zudem spätestens im Jahr 2006 den Eindruck, dass dem
Angeklagten seine diversen Tätigkeiten insgesamt über den Kopf wuchsen. Dieser
Eindruck war zutreffend. Der Angeklagte war vollständig überlastet. Bei der
Durchsuchung des Wohnhauses des Angeklagten fanden die Ermittlungsbehörden
chaotische Zustände vor. Im Arbeitszimmer des Angeklagten lagen in allen Ecken und
Winkeln des Raumes, besonders auf großen Flächen des Fußbodens, unsortiert etliche
ca. 50 cm hohe Stapel von losen Blättern. Hierbei handelte es sich überwiegend um
Schriftstücke im Zusammenhang mit der X PARTEI, aber auch um private Dokumente
und Unterlagen. Zudem war eine große Anzahl ungeöffneter Post vorhanden, bei der es
sich vornehmlich um Mahnungen und Beschwerdeschreiben handelte, die kreuz und
quer unter alten Zeitungen, Buchhaltungsunterlagen und Büchern lagen.
Buchhaltungsunterlagen verschiedener Jahre waren untereinander gemischt.
Darlehensverträge und Spendenbescheinigungen waren mit alten Zeitungen und
sonstigen Ablagen vermengt. Schließlich hatte der Angeklagte Herrn W spätestens im
Sommer 2007 konkret mitgeteilt, er habe mit dem Küchenstudio einen ungedeckten
18
Finanzbedarf von ca. 150.000,00 Euro. Bessere sich die Situation nicht, werde er
spätestens im nächsten Jahr Insolvenz anmelden müssen, obwohl die
Geschenkboutique sehr gute Zahlen schreibe und damit Verluste des Küchenstudios
teilweise ausgeglichen werden könnten.
Auch in Kenntnis dieser Umstände wurde seitens der X PARTEI kein wirksames
Kontrollsystem installiert. Zwar sollte dem Angeklagten zu seiner Unterstützung der
Landesschatzmeister der X PARTEI in Nordrhein-Westfalen, I, zur Seite gestellt werden.
Dieses Bestreben wurde vom Angeklagten jedoch zielgerichtet unterlaufen, indem er
einerseits Herrn I nicht anforderte und andererseits Herrn W unzutreffend mitteilte, Herr I
sei aufgrund der Krankheit und des späteren Todes seiner Ehefrau an der Erbringung
von Unterstützungsleistungen verhindert. Eine Nachprüfung oder Ersatzbestellung für
den angeblich verhinderten Herrn I erfolgten seitens der X PARTEI nicht.
19
III.
20
Diese Feststellungen beruhen auf dem glaubhaften Geständnis des Angeklagten und
dem weiteren Ergebnis der Beweisaufnahme, deren Inhalt und Umfang sich aus dem
Protokoll der Hauptverhandlung ergeben.
21
Die Kammer hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme insbesondere keinen Zweifel
daran, dass der Angeklagte eigenmächtig und ohne Kenntnis der X PARTEI die von
den Konten der X PARTEI transferierten Gelder in sein Küchenstudio eingeschleust und
dort verbraucht hat. Die Kammer hat anhand typischer Fälle den Weg des Geldes
nachvollzogen und festgestellt, dass Entnahmen vom Konto der X PARTEI regelmäßig
dann erfolgten, wenn die Firma X GmbH größere Einkaufsrechnungen zu begleichen
hatte und/oder ihre Konten bereits am Limit geführt wurden und weitere Überziehungen
nicht hergaben.
22
IV.
23
Der Angeklagte hat sich nach dem festgestellten Sachverhalt wie aus dem Tenor
ersichtlich strafbar gemacht. Als Schatzmeister der X PARTEI hatte der Angeklagte –
wie er wusste – eine Vermögensbetreuungspflicht zu deren Gunsten. Diese hat er in
Kenntnis aller relevanten Tatumstände verletzt, indem er sich selbst unrechtmäßig
"Darlehen" gewährte und dabei zumindest billigend in Kauf nahm, dass er diese nicht
würde zurückführen können. Der Angeklagte handelte gewerbsmäßig, weil er von
vornherein beabsichtigte, sich für einen längeren Zeitraum eine nicht unerhebliche
zusätzliche Einnahmequelle zu verschaffen, um die Firma X GmbH fortführen zu
können.
24
V.
25
Bei der Strafzumessung hat die Kammer den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB zu
Grunde gelegt, der über § 266 Abs. 2 StGB entsprechend gilt. Aufgrund des
gewerbsmäßigen Handelns des Angeklagten ist das Vorliegen besonders schwerer
Fälle indiziert. Die zu Gunsten des Angeklagten sprechenden Umstände führen nicht zu
einer abweichenden Beurteilung, weil der Angeklagte über einen langen Zeitraum
hinweg eine Vielzahl von Taten begangen und einen hohen Gesamtschaden verursacht
hat.
26
Bei der konkreten Strafzumessung hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten
zunächst berücksichtigt, dass dieser bislang nicht vorbestraft ist. Sie hat ferner zu
Gunsten des Angeklagten gesehen, dass er etwas mehr als sieben Monate in
Untersuchungshaft gesessen hat, was für einen nicht vorbestraften Geschäftsmann im
Alter des Angeklagten, der plötzlich aus seinen gewohnten Lebensumständen
herausgerissen wird, einschneidend ist. Strafmildernd hat die Kammer darüber hinaus
berücksichtigt, dass die Folgen der Tat für den Angeklagten massiv sind: Der
Angeklagte hat zwischenzeitlich seine Ämter und sein Ansehen in der X PARTEI
verloren. Sein Ruf ist zerstört. Die Firma des Angeklagten befindet sich im
Insolvenzverfahren, ohne dass festgestellt werden könnte, dass der Angeklagte für sich
persönlich irgendwelche Vorteile aus den Untreuetaten gezogen hat. Infolge der
Insolvenz und der seitens der Staatsanwaltschaft ausgebrachten Pfändungen hat der
Angeklagte in fortgeschrittenem Lebensalter praktisch sämtliche Vermögenswerte
verloren. Zu Gunsten des Angeklagten hat die Kammer weiterhin gewertet, dass ihm die
Taten leicht gemacht wurden. Eine effektive Kontrolle seiner Tätigkeit als
Bundesschatzmeister hat nicht stattgefunden, obwohl zumindest der Bundesvorsitzende
der X PARTEI wusste, dass das Küchenstudio des Angeklagten ernsthaft
insolvenzgefährdet war. Positiv hatte ferner zu wirken, dass der Angeklagte zur
Überzeugung der Kammer jedenfalls in der Anfangsphase Rückzahlungswillen hatte.
Dieser dokumentiert sich darin, dass der Angeklagte selbst jedenfalls anfänglich seine
Untreuehandlungen durch entsprechende Buchungssätze als "Darlehen" deklarierte.
Eine besonders raffinierte Vorgehensweise vermag die Kammer dem Angeklagten
daher nicht zu attestieren. Im Gegenteil hätte die X PARTEI die unberechtigten
Entnahmen anhand der Buchführung unschwer erkennen können. Auch die
Buchhaltungsmanipulation im Jahr 2005 war leicht erkennbar. Hierzu musste lediglich
der Anfangsbestand des Jahres 2005 mit dem Endbestand des Jahres 2004 verglichen
werden. Für den Angeklagten spricht schließlich maßgeblich, dass er sich umfassend
geständig eingelassen hat. Infolgedessen konnte die Hauptverhandlung an nur einem
Tag durchgeführt werden, während ansonsten voraussichtlich eine Vielzahl von
Verhandlungstagen erforderlich gewesen wäre.
27
Zu Lasten des Angeklagten hat die Kammer die Vielzahl der Taten, den langen
Tatzeitraum und den hohen angerichteten Schaden berücksichtigt.
28
Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände
hat die Kammer folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen gehalten und auf
sie erkannt:
29
Für jede Tat mit einer Schadenshöhe von
eine Einzelstrafe von
bis zu 5.000,00 €
jeweils sechs Monaten
5.000,01 € bis 10.000,00 €
jeweils sieben Monaten
10.000,01 € bis 15.000,00 €
jeweils acht Monaten
15.000,01 € bis 20.000,00 €
jeweils neun Monaten
über 20.000,00 €
jeweils einem Jahr
30
Unter nochmaliger Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden
31
Umstände erschien der Kammer eine Gesamtfreiheitsstrafe von
zwei Jahren und acht Monaten
32
tat- und schuldangemessen, so dass hierauf erkannt wurde.
33
VI.
34
Die Ansprüche der geschädigten X PARTEI stehen der Anordnung von
Wertersatzverfall entgegen. Die Kammer hatte dies nach § 111 i Abs. 2 StPO
festzustellen. Aufgrund des Rückwirkungsverbots waren insoweit nur diejenigen Taten
einzubeziehen, die der Angeklagte ab dem 01.01.2007 begangen hat. Aus diesen Taten
hat der Angeklagte insgesamt einen Betrag von 72.500,00 € erlangt.
35
VII.
36
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.
37