Urteil des LG Münster vom 24.02.2005
LG Münster: ablauf der frist, rechtskräftiges urteil, berufsunfähigkeit, anfechtung, polyarthritis, beitragsbefreiung, rücktritt, lebensversicherung, rente, klagerücknahme
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Münster, 15 O 546/04
24.02.2005
Landgericht Münster
15. Zivilkammer
Urteil
15 O 546/04
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d :
Die Klägerin unterhielt seit dem 01.09.1990 bei der Beklagten zum einen unter der
Versicherungs-Nr. ###### eine Lebensversicherung mit
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, deren Laufzeit in der Lebensversicherung bis zum
01.09.2015, in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bis zum 01.09.2006 dauern sollte.
Ursprünglich war ein monatlicher Beitrag in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung von
600,00 DM vereinbart und eine Prämie von insgesamt 111,50 DM monatlich. Die Rente ist
inzwischen mit 603,32 Euro oder 603,30 Euro vereinbart.
Darüber hinaus unterhielt die Klägerin bei der Beklagten unter der Nummer ###### - eine
weitere Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung und einer Laufzeit
bis zum 1.9.2024. Die monatliche Rente in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung war
ursprünglich mit 600,00 DM nebst Beitragsbefreiung von ursprünglich 103,30 DM
vereinbart. Die monatliche Rente für den Fall der Berufsunfähigkeit beträgt inzwischen
589,93 Euro.
Den Versicherungen liegen die Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
Blatt 77,78 zugrunde.
Die Klägerin ist seit 1989 technische Angestellte in der Arbeitsvorbereitung bei der Firma C
in P. Seit dem 24.06.2002 ist die Klägerin arbeitsunfähig krank geschrieben wegen einer
chronischen Polyarthritis. Mit Schreiben vom 05.09.2002 stellte die Klägerin bei der
Beklagten Antrag auf Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsleistungen. Mit Schreiben vom
29.01.2003 (Bl. 44, 45 d.A.) erklärte die Beklagte die Anfechtung beider
Versicherungsverträge mit der Begründung, die Klägerin habe sie über das Bestehen von
Störungen und Beschwerden der Gelenke und von Rheuma arglistig getäuscht. Dem
Schreiben ist folgende Belehrung angefügt:
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"Wenn Sie meinen, dass Ihnen Versicherungsleistungen zustehen und die
Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen und die Lebensversicherungen weitergeführt
werden müssen, können Sie diesen Anspruch nur innerhalb von 6 Monaten nach Empfang
dieses Briefes gerichtlich geltend machen. Wird dieses Recht nicht genutzt, erlischt der
Anspruch allein schon wegen des Fristablaufs (§ 12 Abs. 3 VVG).
Unter dem 21.07.2003 erhob die Klägerin in dem Rechtsstreit #### Landgericht N Klage
mit zunächst folgenden Anträgen:
1.Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag
mit der Versicherungsschein-Nr. ###### unverändert fortbesteht und nicht durch Rücktritt
der Beklagten beendet worden ist.
2.Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag
mit der Versicherungs-Nr.###### unverändert fortbesteht und nicht durch Rücktritt der
Beklagten beendet worden ist.
3.Es wird festgestellt, dass die Klägerin aus den in den Anträgen 1. und 2. genannten
Versicherungen Leistungen zustehen.
Ausführungen zu ihrer Tätigkeit und deren Beeinträchtigung machte die Klägerin im
damaligen Verfahren zunächst nicht, was die Beklagte in der Klageerwiderung rügte. Im
Termin zur mündlichen Verhandlung stellte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die
Anträge zu 1. und 2. aus der Klageschrift vom 16. Juli 2003 mit der Maßgabe, dass es
anstelle von "Rücktritt" "Anfechtung" heißen müsse und nahm im Übrigen den Antrag zu 3.
zurück. Durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts I vom 23. April 2004 ist der
Klage stattgegeben worden.
Mit der nunmehr am 08.10.2004 erhobenen Klage verlangt die Klägerin Zahlung der
Berufsunfähigkeitszusatzrenten sowie Beitragsbefreiung für den Zeitraum ab dem
01.07.2002. Die Beklagte beruft sich demgegenüber auf Verfristung gemäß § 12 Abs. 3
VVG.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Frist sei durch die Erhebung der Klage #### Landgericht N
ausreichend gewahrt worden. Sie behauptet, sie leide seit 12 Jahren an einer chronischen
Polyarthritis mit Verschlechterungstendenz. Hierdurch sei sie zumindest zu 50 %
berufsunfähig.
Die Klägerin beantragt,
1.
Die Beklagte zu verurteilen, an sie aus der Versicherung mit der Versicherungs-Nr. ######
eine Berufsunfähigkeitsrentennachzahlung in Höhe von
a) 15.686,32 Euro nebst 5 % Zinsen aus jeweils 603,32 Euro seit dem 01.07.2002,
01.08.2002, 01.09.2002, 01.10.2002, 01.11.2002, 01.12.2002, 01.01.2003, 01.02.2003,
01.03.2003, 01.04.2003, 01.05.2003, 01.06.2003, 01.07.2003. 01.08.2003, 01.09.2003,
01.10.2003, 01.11.2003, 01.12.2003, 01.01.2004, 01.02.2004, 01.03.2004, 01.04.2004,
01.05.2004, 01.06.2004, 01.07.2004 und 01.08.2004 zu zahlen,
b) ab dem 01.09.2004 bis einschließlich 01.09.2006 monatlich im Voraus 603,32 Euro
an die Klägerin zu zahlen,
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c) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin aus der Versicherung mit
der Versicherungs-Nr. ###### von der Beitragszahlung bis zum 01.09.2006 freizustellen.
2.
Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin aus der Versicherung mit der
Versicherungsschein-Nr. ###### eine Berufsunfähigkeitsrentennachzahlung in Höhe von
a) 15.338,18 Euro nebst 5 % Zinsen aus 589,93 Euro seit dem
01.07.2002, 01.08.2002, 01.09.2002, 01.10.2002, 01.11.2002, 01.12.2002,
01.01.2003, 01.02.2003, 01.03.2003, 01.04.2003, 01.05.2003, 01.06.2003,
01.07.2003. 01.08.2003, 01.09.2003, 01.10.2003, 01.11.2003, 01.12.2003,
01.01.2004, 01.02.2004, 01.03.2004, 01.04.2004, 01.05.2004, 01.06.2004,
01.07.2004 und 01.08.2004 zu zahlen,
b) ab dem 01.09.2004 bis zum 01.09.2024 monatlich im Voraus 589,93 Euro an
die Klägerin zu zahlen,
d) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin aus der Versiche
rung mit der Versicherungs-Nr. ###### von der Beitragszahlungs-
pflicht bis zum 01.09.2024 freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet eine Berufsunfähigkeit.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Klägerin stehen keine Leistungsansprüche aus der
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung wegen der geklagten Polyarthritis zu, weil die
Beklagte jedenfalls gemäß § 12 Abs. 3 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei
geworden ist.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente und auf
Freistellung von der Beitragszahlungspflicht nicht fristgemäß innerhalb von 6 Monaten
gerichtlich geltend gemacht. Die Klägerin hatte diese Leistungen zunächst bereits mit ihrem
Schreiben vom 05.09.2002 verlangt. Dieser Anspruch ist mit Schreiben der Beklagten vom
29.01.2003 unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolgen schriftlich
abgelehnt worden. Die Belehrung war ausreichend und eindeutig. Die Beklagte hat in
diesem Schreiben ausdrücklich erklärt: "Wenn Sie meinen, dass Ihnen
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Versicherungsleistungen zustehen und die Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen und
die Lebensversicherungen weitergeführt werden müssen, können Sie diesen Anspruch nur
innerhalb von 6 Monaten ... gerichtlich geltend machen". Damit ist die Klägerin
ausdrücklich nicht nur hinsichtlich der erklärten Anfechtung, sondern insbesondere
hinsichtlich der Beanspruchung von Versicherungsleistungen auf die Frist verwiesen
worden.
Die Klägerin kann vorliegend auch nicht einwenden, dass die Beklagte ihre Ablehnung
nicht auf § 6 der Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung,
sondern auf § 12 Abs. 3 VVG gestützt hat. Um den Versicherungsnehmer ausreichend zu
belehren, ist weder die wörtliche Übernahme der Formulierung, aus der die Klagefrist
hergeleitet wird, erforderlich, noch die Angabe der Gesetzesstelle (vgl. Prölss-Martin, § 12
Rdnr. 37 m.w.N.). Es muss auch nicht auf § 12 Abs. 3 VVG verwiesen werden oder zum
Ausdruck kommen, dass der Versicherungsnehmer den Anspruch kraft Gesetzes verliert.
Im Übrigen führt § 6 der Besonderen Bedingungen für die
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Regelung
entspricht § 12 VVG mit der Maßgabe, dass die Frist durch Klageerhebung gewahrt wird.
Es kann dahinstehen, wieweit diese Einschränkung gegenüber § 12 VVG wirksam ist.
Jedenfalls wird hierdurch nicht § 12 VVG abbedungen.
Ansprüche auf Versicherungsleistungen hat die Klägerin jedoch innerhalb der bis Ende
August 2003 laufenden Frist nicht gerichtlich geltend gemacht. Der ursprünglich
angekündigte Antrag auf Feststellung, dass ihr aus den Versicherungsverträgen
Leistungen zustehen, ist vielmehr zurückgenommen worden. Bei einer teilweisen
Klagerücknahme tritt jedoch keine Fristwahrung im Hinblick auf die nicht mehr anhängigen
Ansprüche ein, wenn nicht klar ist, dass die aufrecht erhaltene Klage als Teilklage gedacht
ist, Prölss/Martin, VVG, 27.Aufl, § 12 RN 66 aE. Durch die teilweise Klagerücknahme ist die
ursprünglich auch insoweit eingetretene Rechtshängigkeit wieder entfallen, § 269 Abs. 3
ZPO.
Mit der innerhalb der Frist erhobenen Klage LG N #### ist lediglich Feststellung begehrt
worden, dass die von der Beklagten erklärte Anfechtung nicht zu einer Beendigung der
Versicherungsverträge geführt habe. Die Klägerin konnte auch nicht davon ausgehen, dass
allein die Klage auf Feststellung des Fortbestandes der Versicherung geeignet war, auch
den Streit der Parteien über die aufgrund der geklagten Polyarthritis geltend gemachte
Berufsunfähigkeitsrente und Beitragsbefreiung beizulegen. Die Klägerin selbst hat in der
damaligen Klage keinerlei Angaben zu dem Problem einer evtl. bestehenden
Berufsunfähigkeit gemacht; die Beklagte hat jedoch von Anfang an in der Klageerwiderung
beanstandet, dass keinerlei einlassungsfähiges Vorbringen zu den Voraussetzungen
vorliege und einen Anspruch auf Versicherungsleistungen bestritten. Auch aus den
Gesamtumständen ergibt sich vorliegend nicht, dass bereits auch die
Leistungsverpflichtung mit dem Vorprozess geklärt werden sollte. Immerhin dient die
Regelung des § 12 Abs. 3 VVG dem Zweck, im Interesse des Versicherers die
Rechtmäßigkeit der Deckungsablehnung möglichst rasch zu klären und möglichst schnell
eine klare Rechtslage zu schaffen. Dies fordert prinzipiell, dass der ganze abgelehnte
Anspruch geltend gemacht wird. Wird der abgelehnte Anspruch nur teilweise eingeklagt, so
wird die Ausschlussfrist auf nur insoweit gewahrt, selbst dann, wenn nur über den Grund,
nicht über die Höhe gestritten wird (vgl. Prölss-Martin, 27. Aufl., § 12 Rdnr. 66).
Die Frist des § 12 Abs. 3 VVG für Leistungsansprüche aus der Berufsunfähigkeit ist damit
durch die im Juli 2003 erhobene Klage nicht gewahrt.
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Die jetzige Klage ist am 8.10.2004 und damit außerhalb der Frist erhoben.
Dem von der Klägerin erhobenen Klageanspruch steht die Ausschlusswirkung des § 12
Abs. 3 VVG auch hinsichtlich der für die Zukunft begehrten
Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsleistungen entgegen. Der von der Klägerin geltend
gemachte Anspruch ist auf eine Erkrankung gestützt, die bereits im Jahre 2002 zu einer
Berufsunfähigkeit geführt haben soll. Gerade dieser Anspruch ist durch die Beklagte mit
dem Schreiben vom 29.01.2003 abgelehnt worden. Es handelt sich danach um denselben
Versicherungsfall, da später aufgetretene Gesundheitsbeeinträchtigungen geltend gemacht
werden. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Gesundheitszustand der Klägerin
zwar im Jahre 2002 noch nicht, aber nunmehr aufgrund einer weitergehenden
Verschlechterung zu einer Berufsunfähigkeit geführt hätte. Dies macht die Klägerin jedoch
gerade nicht geltend; sie verlangt vielmehr einheitlich Leistungen seit dem 01.07.2002.
Dem steht auch für die Zukunft daher der Ausschluss des § 12 Abs. 3 VVG entgegen.
Nach allem ist die Klage mit den Nebenentscheidungen aus §§ 91, 709 ZPO abzuweisen.