Urteil des LG Münster vom 25.04.2008

LG Münster: gegen die guten sitten, fahrzeug, firma, kaufvertrag, amtspflicht, hebebühne, akte, rechtshängigkeit, käufer, subsidiarität

Landgericht Münster, 011 O 374/07
Datum:
25.04.2008
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
011 O 374/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streithelfer trägt seine eigenen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höeh von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden,
wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger verlangt von dem beklagten Land Schadensersatz wegen
Amtspflichtverletzung eines TÜV-Gutachters bei der Durchführung einer
Hauptuntersuchung.
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Der Kläger erwarb von dem Streithelfer am 21.01.2007 einen mit einer Gasanlage
ausgestatteten gebrauchten Pkw I zum Preis von 7.500,00 Euro.
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Das Fahrzeug stammte aus C2. In dem "Kaufvertrag über ein gebrauchtes
Kraftfahrzeug" fand sich die Klausel, dass der Verkauf "unter Ausschluss jedweder
Sachmängelhaftung" erfolgte. Wegen des weiteren Inhalts des Kaufvertrages wird auf
die Anlage K 1 zur Klageschrift Bezug genommen (Blatt 10 der Akte). Das
Kaufvertragsformular hatte der Kläger selbst dem Streithelfer vorgelegt, als der
Streithelfer ihm mitteilte, dass er einen mündlichen Vertrag abschließen wollte.
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Bei den Vertragsverhandlungen hatte der Streithelfer eine von der Firma C GmbH durch
den Sachverständigen Dipl.-Ing. C ausgestellte TÜV-Bescheinigung vom 21.12.2006
vorgelegt. Als Untersuchungsergebnis war festgelegt: "geringe Mängel". Ferner heißt
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es: "Das Fahrzeug ist zur Zeit nicht angemeldet.
Die Prüfplakette wird durch die Zulassungsstelle vergeben." Festgestellte Mängel
betrafen eine Undichtigkeit der Schwingungsdämpfer/Dämperbein. Zum Zeitpunkt der
TÜV-Abnahme am 21.12.2006 war die Gasanlage bereits in dem Pkw installiert.
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Nach dem Kauf wollte der Kläger den Pkw neu zulassen, es ergaben sich jedoch
Unklarheiten bezüglich der Emmissionsklasse. Aus diesem Grund musste der Kläger
seinen Pkw erneut beim TÜV vorstellen. Die neuerliche Vorstellung beim TÜV Nord
ergab, dass die Gasanlage in grober Weise gegen die gesetzlichen Vorschriften
verstieß. Der Untersuchungsbericht des TÜV Nord vom 05.02.2007, auf den wegen der
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Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlage K 3 zur Klageschrift, Blatt 12 der Akte),
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stellte folgende Mängel fest:
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"
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Gasanlage: Abgasgutachten fehlt, Nachweis über die
Gassystemeinbauprüfung fehlt. Kabel scheuern am Verdampfer, Gasleitung
hat Unterdruckschläuche am Ansaugkrümmer durchgescheuert, Gasleistung
am Tank lose, Tank beschädigt und angerostet, Füllleitungg nicht mit
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Metallschellen befestigt, Füllstutzen besser in Karosserie anbringen.
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Das Fahrzeug entspricht nicht den gesetzlichen Vorschriften. Bitte lassen Sie
die Mängel unverzüglich beheben.
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"
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Nach Einschätzung des Sachverständigen I2 des TÜV Nord, der die Untersuchung
durchführte, war die Flüssiggasanlage in dem vorgefundenen Zustand gefährlich, weil
sie außen am Fahrzeug angebracht war und deshalb bei einem Unfall Explosionsgefahr
bestand.
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Die von dem TÜV Nord festgestellten Mängel waren bei einer ordnungsgemäßen
Untersuchung durch einen TÜV-Sachverständigen offenkundig erkennbar.
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Der Kläger ließ die Gasanlage in der Folgezeit instandsetzen. Für die erforderlich
gewordene Abgasuntersuchung zahlte er 121,38 Euro, für die Inspektionsüberprüfung,
ob weitere Mängel vorhanden waren, die nicht in dem ersten TÜV-Gutachten vermerkt
worden waren, entstanden weitere
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Kosten in Höhe von 164,90 Euro.
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Die Prüfung der Gasanlage verursachte Kosten in Höhe von 165,33 Euro.
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Die Kosten für einen fehlgeschlagenen Versuch, die Mängel an der
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Gasanlage zu beseitigen, betrugen 1.374,38 Euro.
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Der Kläger ließ daraufhin eine neue Gasanlage in das Fahrzeug einbauen.
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Die Firma N berechnete ihm nur einen Gasumrüstungs-Sonderpreis in
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Höhe von 2.050,00 Euro.
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Wegen der nicht betriebenen Gasanlage entstand dem Kläger in
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der Zeit von Februar bis April 2007 eine steuerliche Mehrbelastung von 90,00 Euro.
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Der Kläger macht einen Gesamtschaden von 3.965,99 Euro
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geltend.
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Er ist der Auffassung, das Land hafte wegen Amtspflichtverletzung des mit der
Durchführung von TÜV-Hauptuntersuchungen beliehenen Sachverständigen der Firma
E GmbH. Eine Amtspflichtverletzung des TÜV-Sachverständigen entfalte jedenfalls
dann Drittwirkung zu Gunsten des Käufers des Fahrzeuges, wenn der Sachverständige
in besonderer Weise nachlässig und grob fahrlässig wesentliche Mängel nicht erkannt
habe. Im vorliegenden Fall könne nur davon ausgegangen werden, dass der
Sachverständige sich die Gasanlage gar nicht angeschaut habe.
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Der Streithelfer behauptet, der Sachverständige habe bei der Untersuchung die
Motorhaube geöffnet, in den Motorraum hineingeleuchtet, den Wagen auf der
Hebebühne hochgefahren und ihn rundum angesehen. Der Kläger bestreitet den
Vortrag des Streithelfers.
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Der Streithelfer ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beigetreten, nachdem ihm
von dem Kläger der Streit verkündet worden ist.
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Der Kläger beantragt,
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das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 3.965,99 Euro nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit am 29.10.2007 zu zahlen.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Es ist der Auffassung, auch im vorliegenden Fall entfalte die Amtspflicht des TÜV-
Sachverständigen zur Durchführung der Hauptuntersuchung keine drittschützende
Wirkung zugunsten des Käufers des untersuchten Kraftfahrzeuges.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Dem Kläger steht kein Anspruch gegen das beklagte Land aus § 839 BGB i.V.m. Artikel
34 Grundgesetz zu.
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Der amtlich anerkannte Sachverständige für den Kraftfahrzeugverkehr handelt zwar in
Ausübung hoheitlicher Befugnisse, jedoch verletzt er keine ihm gegenüber einem
späteren Erwerber des Fahrzeugs obliegende Amtspflicht, wenn er fahrlässig Mängel
übersieht und eine inhaltlich unzutreffende Bescheinigung über eine durchgeführte
Hauptuntersuchung ausstellt und dadurch dem Erwerber ein Vermögensschaden
entsteht. Denn die TÜV-Bescheinigung dient nicht dazu, allgemein im
rechtsgeschäftlichen Verkehr das Vertrauen auf die Richtigkeit der Bescheinigung zu
schätzen und dem Erwerber eine eigene Prüfung des technischen Zustands des
Fahrzeugs abzunehmen (BGH NJW 204, 3484, NJW 1973, 458). Dies gilt auch dann,
wenn der TÜV wesentliche Mängel des zu prüfenden Fahrzeugs, die die
Verkehrssicherheit desselben betreffen, und die Zulassungsfähigkeit des Fahrzeugs
verhindern, übersieht (BGH NJW 2004, 3484).
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Eine drittschützende Wirkung ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht aus einem
amtsmissbräuchlichen Verhalten des TÜV-Sachverständigen. Zwar ist anerkannt, dass
im Falle eines Amtsmissbrauchs eine drittschützende Wirkung besteht und sich jeder
durch diese amtsmissbräuchliche Verhaltensweise Geschädigte auf einen Anspruch
aus § 839 BGB berufen kann. Die Voraussetzungen amtsmissbräuchlichen Verhaltens
sind jedoch im vorliegenden Fall von dem Kläger nicht dargelegt. Für die Annahme
eines Amtsmissbrauchs genügt nicht jede schuldhafte Pflichtverletzung. Allerdings
reicht immer ein Verhalten aus, das die Voraussetzungen des § 826 erfüllt, wenn also
der Beamte in einer gegen die guten Sitten verstoßende Weise einen anderen
vorsätzlich schädigt. Für ein solches Verhalten des TÜV-Sachverständigen sind im
vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte erkennbar. Anerkannt ist aber auch, dass ein
Amtsmissbrauch bereits bei gewissen fahrlässigen Verhaltensweisen vorliegen kann,
was jedoch immer von den Besonderheiten des Einzelfalls abhängig ist (BGH NJW
1973, 458). Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das Verhalten des
Beamten in die Nähe von sittenwidrigem Verhalten rücken. Allein ein grob fahrlässiges
Verhalten reicht hierfür nicht aus. Solche Umstände werden von dem Kläger nicht
hinreichend substantiiert dargelegt. Er selbst behauptet nicht, dass der TÜV-
Sachverständige die Prüfung gar nicht durchgeführt und lediglich eine
"Gefälligkeitsbescheinigung" ausgestellt hat. Er behauptet lediglich, der
Sachverständige könne sich die Gasanlage nicht angeschaut haben. Das allein reicht
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jedoch nicht aus, um ein amtsmissbräuchliches Verhalten des Sachverständigen
annehmen zu können.
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Der Streithelfer selbst hat auf Frage des Gerichts im Termin zur mündlichen
Verhandlung behauptet, der Sachverständige habe das Fahrzeug untersucht, in den
Motorraum geschaut und das Fahrzeug auf der Hebebühne hochgefahren, um auch
unter das Fahrzeug schauen zu können. Der Kläger hat diese Behauptungen bestritten.
Auch wenn seine Behauptung grundsätzlich dem Tatsachenvortrag des Streithelfers
vorgehen, ergibt sich aus diesem Bestreiten nicht der substantiierte Tatsachenvortrag
des Klägers, der Sachverständige habe die Bescheinigung ausgestellt, ohne das
Fahrzeug insgesamt untersucht zu haben. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der
Sachverständige unstreitig Mängel an dem Fahrzeug, nämlich eine Undichtigkeit des
Schwingungsdämpfers bzw. Dämpferbeins, festgestellt hat. Es mag daher grob
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fahrlässig gewesen sein, dass der Sachverständige die Mängel an der Gasanlage nicht
erkannt hat, amtsmissbräuchliches Verhalten ist darin jedoch nicht zu erkennen.
Darüber hinaus war zu berücksichtigen, dass auch bei einem unterstellten Anspruch
aus § 839 BGB ein anspruchsausschließendes Mitverschulden gemäß § 254 BGB
gegeben wäre. Denn dem Käufer eines Fahrzeuges obliegt die eigene Verpflichtung,
das Fahrzeug auf Mängel zu untersuchen. Er kann sich nicht auf eine TÜV-
Bescheinigung verlassen (BGH NJW 2004, 3484). Hier kommt hinzu, dass der Kläger
dem Streithelfer selbst einen Kaufvertrag vorgelegt hat, nach dem alle
Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Verkäufer entfallen. Bei einem Bestehen
von Gewährleistungsansprüchen wäre die Subsidiarität des Amtshaftungsanspruches
gemäß § 839 Abs. 1 Satz 2 zum Tragen gekommen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 ff.
ZPO.
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