Urteil des LG Münster vom 15.11.2007

LG Münster: straftat, telefonüberwachung, wohnung, verdacht, durchsuchung, daten, beweismittel, mitgliedschaft, strafbarkeit, verwertung

Landgericht Münster, 12 Qs - 44 FSH 208/07 - 20/08 - 23 Gs 5392/07 AG
Münster
Datum:
07.04.2008
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
12. Strafkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 Qs - 44 FSH 208/07 - 20/08 - 23 Gs 5392/07 AG Münster
Tenor:
Der Beschluss des Amtsgerichts N2 vom 15.11.2007, Az.: 23 Gs
#####/####, wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen
Auslagen des Beschuldigten werden der Staatskasse auferlegt.
G r ü n d e
1
2
I.
3
Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Amtsgericht N2 wegen "Verdachts der
Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und anderer Straftaten" den dinglichen
Arrest in Höhe von 23.699,52 € in das Vermögen des Beschuldigten angeordnet. Die
Gründe des Beschlusses enthalten keine Ausführungen zu dem zuvor genannten
Verdacht einer Straftat gem. § 129 StGB. Vielmehr erfüllte die näher beschriebene
Handlung – Erhalt und anschließende Weiterveräußerung von 864 Stangen
unversteuerter Zigaretten am 15.09.2007 – den Tatbestand der Steuerhehlerei gem. §
374 AO.
4
Ausweislich des Vermerkes des Zollfahndungsamtes F – Dienstsitz N2 – vom
05.10.2007 (Bl. 159 f. FSH = 463 f. d.A.) gründet sich dieser Verdacht auf Erkenntnisse
aus einer Überwachung von Telefongesprächen zwischen dem anderweitig verfolgten
Schuster und dem Beschuldigten sowie Erkenntnissen aus einer Observation am
15.09.2007. Diese Überwachung der Telekommunikation war wegen des Verdachtes
von Straftaten gem. § 129 StGB ausschließlich gegen anderweitig Verfolgte und
insbesondere nicht auch gegen den Beschuldigten angeordnet worden.
5
Ausweislich der weiteren Vermerke des Zollfahndungsamtes F – Dienstsitz N2 – vom
6
18.09.2007 (Bl. 95 f. FSH = 344 f. d.A.) und 05.10.2007 (Bl. 144 f. FSH = 448 f. d.A.) ist
der Beschuldigte nicht selbst observiert worden. Man hat ihn auch nicht im Rahmen der
Observation von anderweitig Verfolgten (mit diesen) gesehen. Auch hat die unmittelbare
Observation von anderweitig Verfolgten nicht ergeben, dass diese sich in oder im
Bereich der Wohnung des Beschuldigten in C aufgehalten hätten. Lediglich die
Auswertung von GEO-Daten von ebenfalls überwachten Mobiltelefonen von anderweitig
Verfolgten führte zu Erkenntnissen, wonach diese sich zu bestimmten Zeitpunkten im
Bereich der Wohnung des Beschuldigten in C aufgehalten haben.
7
II.
8
Auf die zulässige Beschwerde war der Beschluss des Amtsgerichts N2 vom 15.11.2007
aufzuheben, weil die Voraussetzungen eines dinglichen Arrestes gem. § 111b Abs. 2, 5
StPO nicht vorgelegen haben. Es mangelte an einem auf in zulässiger Weise
verwertbaren Ermittlungsergebnissen beruhenden Verdachts einer Straftat des
Beschuldigten.
9
10
Zunächst rechtfertigt auch das Ergebnis der Telefonüberwachung – niedergelegt in den
zuvor genannten Vermerken des Zollfahndungsamtes F – Dienstsitz N2 – gegen
anderweitig Verfolgte nicht auch die Annahme eines Verdachtes gegen den
Beschuldigten einer Katalogstraftat im Sinne des § 100a StPO in der zum Zeitpunkt des
angegriffenen Beschlusses geltenden Fassung.
11
Insbesondere fehlte es auch danach an einem Verdacht einer Straftat gem. § 129 StGB.
Denn auch die abgehörten Telefongespräche und die Überwachung der GEO-Daten
von anderweitig Verfolgten liefern keinen Hinweis darauf, der Beschuldigte sei Mitglied
einer kriminellen Vereinigung im Sinne dieser Vorschrift. Es ist auch danach nicht
ersichtlich, dass der Beschuldigte sich so mit anderen Personen organisatorisch
zusammengeschlossen hat, dass er bei Unterordnung seines Willens unter den Willen
der Gesamtheit gemeinsame strafbare Zwecke verfolgt und mit anderen Mitgliedern
dieser Vereinigung dergestalt in Beziehung stand, dass er sich mit diesen als
einheitlicher Verband gefühlt hat.
12
Allein der Ankauf von unversteuerten Zigaretten und die hierfür organisatorisch
erforderlichen Absprachen reichen hierfür nicht aus. Weitergehende Erkenntnisse
ergeben sich auch nicht aus der Telefonüberwachung.
13
14
Zwar ergibt sich aus dem Ergebnis der Telefonüberwachung gegen anderweitig
Verfolgte ein für die Anordnung des Arrestes gem. § 111b Abs. 2, 5 StPO grundsätzlich
ausreichender Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten einer Straftat gem. § 374 AO.
Diese Zufallsfunde sind aber zum Nachteil des Beschuldigten nicht verwertbar.
15
Zufallserkenntnisse aus einer Telefonüberwachung dürfen zur Strafverfolgung gegen
dritte Personen nur dann uneingeschränkt verwertet werden, sofern diese sich auf eine
Katalogtat im Sinne des § 100a StPO bezieht. Dies war zum Zeitpunkt des Erlasses des
16
angegriffenen Beschlusses bezogen auf § 374 AO aber nicht der Fall.
Für die Verfolgung von Nichtkatalogtaten ist demgegenüber eine unmittelbare
Verwertung als Beweismittel unzulässig (Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., N, 2007, §
100a, Rz. 20). Ausgeschlossen von der Verwertbarkeit sind insbesondere auch
Erkenntnisse, die sich – wie vorliegend – auf ein Anschlussdelikt zu einer möglichen
Katalogtat beziehen (OLG E in NStZ 2001, S. 657). Deshalb kann dahingestellt bleiben,
ob die anderweitig Verfolgten einer Straftat gem. § 129 StGB verdächtig sind oder
waren.
17
18
Allein aus Ermittlungsergebnissen außerhalb der Telefonüberwachung gegen
anderweitig Verfolgte und auf Anschlussermittlungen gegen den Beschuldigten
(Durchsuchung in seiner Wohnung und seiner Person) ergibt sich schließlich kein
Verdacht auf eine Straftat des Beschuldigten.
19
Ausweislich der zuvor genannten Vermerke des Zollfahndungsamtes F – Dienstsitz N2
– vom 18.09. und 05.10.2007 ist der Beschuldigte weder bei der durchgeführten
Observierung selbst noch sind anderweitig Verfolgte im Bereich der Wohnung des
Beschuldigten gesehen worden. Auch sind bei der genannten Durchsuchung keine
Gegenstände gefunden worden, die einen unmittelbar zwingenden Rückschluss auf
eine Strafbarkeit des Beschuldigten gestatteten.
20