Urteil des LG Münster vom 17.06.2002
LG Münster: eheliche wohnung, zuschlagserteilung, verkehrswert, versteigerung, drohung, vermietung, härte, mieter, kausalität, erfahrung
Landgericht Münster, 5 T 293/02
Datum:
17.06.2002
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
5. Zivil-(Beschwerde-)Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 T 293/02
Vorinstanz:
Amtsgericht Dülmen, 7 K 5/01
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Dem Beteiligten zu 2) wird auf sein im Versteigerungstermin
vom 26. Februar 2002 abgegebenes Meistgebot von
30.000,-- (i.W.: dreißigtausend) Euro zu den im Termin vom
26.02.02 festgesetzten Versteigerungsbedingungen der Zuschlag
erteilt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Die Beteiligte zu 1) hat dem Beteiligten zu 2) dessen außergerichtlichen
Kosten im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Wert: 15.000,-- EUR.
G r ü n d e :
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Auf Antrag der Beteiligten zu 1) wurde am 25. Mai 2001 die Teilungsversteigerung des
im Rubrum genannten Grundstücks angeordnet. Der Beteiligte zu 2) ist mit
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Beschluss des Amtsgerichts vom 5. November 2001 dem
Teilungsversteigerungsverfahren beigetreten. Bei dem Versteigerungsobjekt handelt es
sich um ein
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Einfamilienhaus und um die frühere eheliche Wohnung der Beteiligten zu 1) und 2). Der
Beteiligte zu 2) bewohnt das Haus zusammen mit zwei minderjährigen gemeinsamen
Kindern. Der Verkehrswert war mit Beschluss des Amtsgerichts vom
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12. November 2001 auf 600.000,-- DM festgesetzt worden.
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Der Beteiligte zu 2) ist im Versteigerungstermin vom 26. Februar 2002 mit einem Gebot
von 30.000,-- EUR bei bestehenbleibenden Rechten i.H.v. insgesamt
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171.184,61 EUR Meistbietender geblieben. Das Amtsgericht hat im angefochtenen
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Beschluss dem Beteiligten zu 2) den Zuschlag versagt, weil dieser seine
Beteiligtenstellung als Antragsteller des Verfahrens ( Beitritt vom 05.11.01)
rechtsmißbräuchlich ausgeübt habe und das Meistgebot nicht aus einem durch freien
Wettbewerb der Bieter geprägten fairen Verfahren resultiere. Dies ergebe sich aus dem
im vorliegenden Verfahren zu Tage getretenen Verhalten des Beteiligten zu 2),
insbesondere im Versteigerungstermin. Einmal habe er zur Verkehrswertfestsetzung
eine Innenbesichtigung des Versteigerungsobjektes nicht zugelassen, zum anderen
habe er auch bezüglich der Vermietung des Objektes im Vorfeld der Versteigerung
keine und während der Versteigerung widersprüchliche Angaben gemacht und letztlich
im Termin den Bietinteressenten den Eindruck vermittelt, dass sie im Falle der Erteilung
des Zuschlags mit Hindernissen bei der Inbesitznahme des Versteigerungsobjektes
rechnen müßten, indem er sofort zu Beginn der Bieterstunde erklärte, dass er als
Eigentümer an dem Erhalt des Objektes für sich und seine Kinder
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interessiert sei und er im Falle der Erteilung des Zuschlags an einen anderen das
Objekt nicht freiwillig räumen werde. Das Verhalten des Beteiligten zu 2) in seiner
Gesamtschau mache daher erkennbar, dass der Beteiligte zu 2) sich als Bietinteressent
in dem Versteigerungstermin einem freien Wettbewerb nicht stellen wollte. Demzufolge
sei auch das Meistgebot nicht so hoch ausgefallen, dass es den
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Erwartungen an einen vernünftigen Erlös gerecht werde. Mitbieter im Termin sei xxx aus
xxx gewesen. Bei diesem Herrn handele es sich um einen erfahrenen Bietinteressenten
in zahlreichen Zwangsversteigerungsverfahren. Die Tatsache, dass Herr xxx nach
einem letzten Gebot i.H.v. 29.900,-- EUR aufgehört habe, weiter mitzubieten, zeige,
dass dieser deswegen nicht weiter mitgeboten habe, weil er sich durch die
Ankündigung des Beteiligten zu 2) im Termin, bei einer Zuschlagserteilung an einen
anderen als ihn selbst werde er nicht freiwillig räumen, wegen der zu erwartenden
Schwierigkeiten habe abschrecken lassen. Es sei anzunehmen, dass ohne das
beeinträchtigende Verhalten des Beteiligten zu 2) ein erheblich höherer Erlös möglich
gewesen wäre. Eine Zuschlagserteilung an den Beteiligten zu 2) sei deswegen als
Eingriff in die Eigentumsrechte der Beteiligten zu 1) nicht vertretbar und der Zuschlag
sei deswegen nach § 83 Ziff. 6 ZVG zu versagen gewesen.
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Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2), mit der er
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Erteilung des Zuschlags an ihn selbst begehrt, ist zulässig. Sie ist am letzten Tage der
Beschwerdefrist, am 19.03.02 per Fax beim Amtsgericht eingegangen.
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Die Beschwerde hat auch Erfolg, so dass dem Beschwerdeführer der Zuschlag zu
erteilen war.
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Der Beschwerdeführer ist Meistbietender geblieben, § 81 Abs. 1 ZVG.
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Die Vorschrift des § 43 Abs. 1 ZVG (rechtzeitige Veröffentlichung vor dem Termin) und §
73 Abs. 1 ZVG (Einhaltung der Bieterstunde) sind eingehalten worden,
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§ 100 Abs. 3, 83 Ziff. 7 ZVG.
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Eine Zuschlagsversagung nach § 85 a ZVG kommt nicht in Betracht, da das Meistgebot
einschließlich der bei stehenbleibenden Rechte 201.184,61 EUR beträgt, also 65,6 %
des festgesetzten Verkehrswertes. Das Gebot bleibt zwar unter 7/10teln des
Grundstückswerts (§ 74 Abs. 1 ZVG), diese Tatsache würde jedoch lediglich einem
beteiligten Gläubiger, hier also den Beteiligten zu 3) und 4), das Recht geben, die
Versagung des Zuschlags zu beantragen. Dies ist nicht geschehen. Die Gläubigerin xxx
hat im Gegenteil noch im Versteigerungstermin die Erteilung des Zuschlags an den
Beschwerdeführer beantragt.
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Die Kammer vermag auch die Auffassung des Amtsgerichts, aus dem Verhalten des
Beschwerdeführers ergebe sich eine Sittenwidrigkeit des von ihm abgegebenen
Meistgebots und die Zuschlagserteilung würde für die Beteiligte zu 1) eine Härte
bedeuten, welche mit den guten Sitten nicht vereinbar wäre, § 765 a ZPO, nicht zu
teilen. Ein krasses Mißverhältnis zwischen Gebot und Verkehrswert, wie es in den
Jahren 1976 und 1978 zu Zuschlagsversagungsentscheidungen durch das
Bundesverfassungsgericht geführt hat (Rpfl. 78, 206, MDR 76, 821) ist nicht gegeben.
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Hiervor schützt bereits die gesetzliche Vorschrift des § 85 a ZVG, die auch im
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Teilungsversteigerungsverfahren gilt, dass nämlich zumindest im ersten
Versteigerungstermin der Zuschlag versagt werden muß, wenn das abgegebene
Meistgebot einschließlich des Kapitalwertes der nach den Versteigerungsbedigungen
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bestehenbleibenden Rechte die Hälfte des Grundstückswertes nicht erreicht. Hier ist,
wie oben bereits ausgeführt, mit einem Gebot i.H.v. 65,6 % des Verkehrswertes die
Hälfte des Verkehrswertes deutlich überschritten.
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Auch das vom Versteigerungsgericht geschilderte und vom Rechtspfleger im
Terminsprotokoll vom 26.02.02 festgehaltene Verhalten des Beschwerdeführers vermag
nicht den Schluß zu rechtfertigen, der Beschwerdeführer habe ein sittenwidriges
Meistgebot abgegeben.
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Die Nichtzulassung der Innenbesichtigung anläßlich des Verfahrens zur Festsetzung
des Verkehrswertes hat keinen Einfluß auf die im Termin abgegebenen Gebote
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gehabt.
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Der Vorwurf des Gerichts, der Beschwerdeführer habe den im Hause befindlichen
Mieter xxx zunächst nicht angegeben und sodann im Termin dazu widersprüchliche
Angaben gemacht, wie auch der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe durch seine
Drohung im Termin, er werde nicht freiwillig räumen, wenn der Zuschlag an einen
Dritten erteilt werde, kann nicht den Schluß rechtfertigen, das Ergebnis der Bieterstunde
beruhe auf einem "unfairen" Verhalten des Beschwerdeführers und auf einer
rechtsmißbräuchlichen Ausübung seiner Beteiligtenstellung. Das Verschweigen der
Vermietung wie auch die Drohung, nicht freiwillig ausziehen zu wollen, mag zwar
Bietinteressenten abschrecken, jedoch kann ein solches Verhalten nicht als arglistige
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und sittenwidrige Manipulation gewertet werden wie etwa in dem vom Amtsgericht
herangezogenen Fall des OLG Hamm (Rpfl. 95, 34). Dort waren Gebote abgegeben
worden mit dem Vorsatz, nicht bezahlen zu wollen, um bei einer
späteren Wiederversteigerung nach inzwischen vorgenommenen Abtretungen das
Verfahren zu komplizieren bzw. zu verhindern. Herr xxx ist auch der Kammer als
erfahrener Bietinteressent in zahlreichen Zwangsversteigerungsverfahren
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bekannt. Er betreibt das Ersteigern und das spätere Wiedervermarkten von
Grundstücken professionell. Die Annahme des Amtsgerichts, dass er sich durch das
Verhalten des Beschwerdeführers, welches im übrigen nach der Erfahrung der Kammer
keineswegs ungewöhnlich ist, von höheren Geboten hat abschrecken lassen, beruht auf
einer Spekulation, die durch keinerlei konkrete Tatsachen erhärtet wird. Immerhin hat
Herr xxx den Beschwerdeführer in der Bieterstunde 36 mal überboten, und zwar zum
Teil mit Bietsprüngen von mehreren hundert Euro. Auch hat das letzte Gebot von Herrn
xxx nahezu 65 % des Verkehrswerts erreicht. Wenn Herr xxx bei einer solchen Biethöhe
keine weiteren Gebote mehr abgibt, kann daraus nicht der Schluß gezogen werden, der
Mitbieter habe sich durch
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erpresserisches oder drohendes Verhalten des Beschwerdeführers von weiteren
Geboten abhalten lassen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass das Verhalten des
Herrn xxx auf rein ökonomischen Erwägungen beruht . Es ist im übrigen auch im
Versteigerungstermin noch erörtert worden, dass unter Umständen der Verkehrswert
wegen verschiedener Baumängel zu hoch angesetzt gewesen sei. Auch dies mag den
Mitbieter dazu bewogen haben, bei einem Gebot von über
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200.000,-- EUR aufzuhören.
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Das vom Beschwerdeführer abgegebene Meistgebot ist daher weder erkennbar zu
niedrich noch läßt sich eine Kausalität dafür ableiten, dass ohne das vom Amtsgericht
gerügte Verhalten des Beschwerdeführers höhere Gebote abgegeben worden wären
und deswegen der Beschwerdeführer durch sein Verhalten die Beteiligte zu 1) in
sittenwidriger Weise geschädigt habe.
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Es war daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses dem Beschwerdeführer
der Zuschlag zu erteilen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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