Urteil des LG Münster vom 23.01.2003

LG Münster: professor, abweichende meinung, persönlichkeitsrecht, kunstfreiheit, eingriff, fiktive figur, verbreitung, verfügung, gefahr, veröffentlichung

Landgericht Münster, 12 O 601/02
Datum:
23.01.2003
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 601/02
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird
zurückgewiesen.
Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Verfügungskläger kann die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Verfügungsbeklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leisten.
Tatbestand:
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Der Verfügungsbeklagte zu 2) ist Autor des im November 2002 erschienenen
Kriminalromans "Wilsberg und der tote Professor", verlegt bei der Verfügungsbeklagten
zu 1). Vorausgegangene Romane dieser Reihe dienten als Vorlage für Verfilmungen im
ZDF. Auf Seite 6 dieses Buches heißt es: "Dies ist ein Roman. Wer sich mit einer der
erfundenen Figuren identifizieren möchte, sollte sein Selbstbild überprüfen."
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Der Verfügungskläger ist Privatdozent für Germanistische Sprachwissenschaft am
Institut für Deutsche Philologie der Universität in M. Dort gab er im Sommersemester
2002 sowie im Wintersemester 2002/2003 jeweils ein Oberseminar. Gleichzeitig nahm
der Verfügungskläger im Sommersemester 2002 wissenschaftliche Tätigkeiten an der
Universität D. auf, die er auch aktuell noch fortführt.
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Das Institut für Deutsche Philologie befindet sich zwischen A-Markt und P-Kirche in der
J-Straße. Seit Ende der achtziger Jahre beschäftigt sich der Verfügungskläger
schwerpunktmäßig mit der Erforschung von Sondersprachen und wirkt an mehreren
Forschungsprojekten sowie in mehreren Gesellschaften mit, die sich mit
Sondersprachen beschäftigen. Seine Habilitation verfasste der Verfügungskläger zu
dem Thema "Grundlagen und Methoden der Sondersprachenforschung, Mit einem
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dem Thema "Grundlagen und Methoden der Sondersprachenforschung, Mit einem
Wörterbuch der Masematte aus Sprecherbefragungen und den schriftlichen Quellen".
Neben zahlreichen weiteren wissenschaftlichen Publikationen veröffentlichte er vier
Textbücher zur Sonder- und Geheimsprache Masematte sowie ein "Handbuch der
Münsterschen Masematte". Die Veröffentlichungen des Verfügungsklägers fanden reges
Interesse in den lokalen und überregionalen Medien (Berichte u.a. in den
"Westfälischen Nachrichten", der "Münsterschen Zeitung", der "Frankfurter Allgemeinen
Zeitung," der "Süddeutschen Zeitung" etc; Interviews und Berichte der Rundfunksender
WDR I, II, V, Antenne Münster sowie anderen Lokalradios; Fernsehberichte von WDR
und SAT.1). In einem im Jahr 2002 erscheinen Buch des Verfügungsklägers ("Die
Kedelkloppersprook, Geheimsprache aus dem Hamburger Hafen", Hamburg 2002), das
sowohl in den Printmedien als auch in Fernsehsendungen der ARD/NDR vorgestellt
wurde, berichtet er u.a. über seinen Fund der bisher einzig bekannten Schallplatte mit
Originalaufnahmen einer hamburger Geheimsprache. Momentan arbeitet der
Verfügungskläger an einem Lexikon der Geheimsprachen. Für diese Forschungen legte
er ein umfangreiches Archiv mit Schriftstücken und Tondokumenten an.
In dem von dem Verfügungsbeklagten zu 2) verfassten Kriminalroman geht es um den
Mord an einem "Professor Kaiser" und die Aufklärung dieses Mordes aus Sicht des
Privatdetektivs Wilsberg im Sommer 2002. Die Romanfigur Professor Kaiser ist
Sprachwissenschaftler am Philologischen Fachbereich der Westfälischen Wilhelms-
Universität, ansässig zwischen A-Markt und P-Kirche in der J-Straße in M. (S.7 und S.33
f. des Krimis). Im Rahmen dieser Tätigkeit leitet er auch ein Oberseminar. Seine
"Leidenschaft" ist die Erforschung von Geheimsprachen (vgl. S.38), wobei er auch die
Veröffentlichung eines Lexikons der Geheimsprachen (vgl. S.142) plant. Sein aktueller
Forschungsschwerpunkt liegt auf der Erforschung der Tourette-Sprache (S.176 ff.). In
dem Keller seines Privathauses befindet sich eine Sammlung von Tondokumenten und
schriftlichen Zeugnissen seiner Sprachenforschung (S.58 f.). Professor Kaiser hat eine
Assistentin und einen Assistenten, die beide ebenfalls im Bereich der Geheimsprachen
forschen. Der Assistent habilitiert über die münsteraner Geheimsprache Masematte. In
einem Gespräch zwischen dem Detektiv Wilsberg und dem Assistenten zitiert letzterer
Wörter und Sätze in Masematte und erläutert deren Bedeutung sowie historische und
aktuelle Hintergrundinformationen zu dieser Geheimsprache. (S.38 f.). Die Übersetzung
dieser Wörter sowie die dargestellten Hintergrundinformation stimmen mit Darstellungen
in dem vom Verfügungskläger herausgegebenen Buch "Es war einmal ein kurantes
anim...: Textbuch Masematte", 3. Auflage, Münster/New York 1993, überein.
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In menschlicher Hinsicht wird Professor Kaiser, der mit einer seiner ehemaligen
Doktorandinnen verheiratet ist, als unsympathischer "Grabscher" (S.78) beschrieben,
der seine Mitarbeiter/innen und Studenten/innen ausnutzt und zahlreiche Affären mit
seinen Studentinnen sowie mit seiner aktuellen Assistentin hat (vgl. S.7, S.10 f. und
S.52). Aus Sicht seiner Kollegen, seiner Frau, seines Sohnes und des
Hauptkommissars des Polizeipräsidiums wird Professor Kaiser als "verdammtes
Arschloch" (S.26), "einfach rücksichtslos" (S.124) und hassenswert (S.92) dargestellt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Erzählung wird auf den der Gerichtsakte
beigefügten Roman "Wilsberg und der tote Professor" verwiesen.
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Der Verfügungskläger ist der Ansicht, dass ihn die Darstellungen in dem Roman in
seinem Persönlichkeitsrecht verletzten. Mit der Romanfigur des Professor Kaisers sei
der Verfügungskläger gemeint, was sich jedem objektiven Beobachter erschließe, der
den Verfügungskläger aufgrund seiner Forschungen und der erwähnten
Medienberichten kenne. Dazu behauptet er weiter, dass sich in M. kein anderer der
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Thematik der Sonder- und Geheimsprachen in Forschung und Lehre widme. Im Übrigen
ist er der Ansicht, dass er aufgrund der negativen Darstellung der menschlichen
Eigenschaften des Professor Kaisers beleidigt und verleumdet werde. Zudem bestehe
die mit der zunehmenden Verbreitung des Romans ständig wachsende Gefahr, dass der
wissenschaftliche Ruf sowie die aktuelle Bewerbung um eine Professur erheblich
beeinträchtigt werde. Dabei könnten sich die Verfügungsbeklagten auch nicht auf die
verfassungsrechtlich geschützte Kunstfreiheit berufen, da diese im vorliegenden Fall
durch das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers eingeschränkt werde.
Der Verfügungskläger beantragt,
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1. dem Verfügungsbeklagten zu 1) aufzugeben, es bei Meidung eines vom Gericht
für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu
250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten, zu unterlassen, den vom Verfügungsbeklagten zu 2) verfassten
Kriminalroman "Wilsberg und der tote Professor", Dortmund, Grafit Verlag GmbH
2002 (ISBN 3-89425-272-3), aufzulegen, zu vertreiben oder Dritten den Nachdruck
zu gestatten, solange und soweit der Verfügungskläger als Romanfigur "Professor
Günter Kaiser" in Zusammenhang gebracht wird mit sexuellen Belästigungen und
geschildert wird als "widerlicher" Dozent, der seine Mitarbeiter und Studenten
ausnutzt;
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1. dem Verfügungsbeklagten zu 2) aufzugeben, es bei Meidung eines vom Gericht
für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu
250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten, zu unterlassen, den vom ihm verfassten Kriminalroman "Wilsberg und
der tote Professor", zu verbreiten, seinen Inhalt - insbesondere durch
Autorenlesungen - Dritten bekannt zu machen, solange und soweit der
Verfügungskläger als Romanfigur "Professor Günter Kaiser" in Zusammenhang
gebracht wird mit sexuellen Belästigungen und geschildert wird als "widerlicher"
Dozent, der seine Mitarbeiter und Studenten ausnutzt.
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Der Verfügungsbeklagte zu 1) und der Verfügungsbeklagte zu 2) beantragen jeweils,
13
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
14
Die Verfügungsbeklagten sind der Ansicht, der Antrag sei bereits mangels
hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Im Übrigen sei der Antrag auch unbegründet, da
kein Leser des Romans in einer der Romanfiguren eine tatsächlich lebende Person
wiedererkennen werde. Dies ergebe sich daraus, dass sich die Romanfigur in ganz
wesentlichen Merkmalen von dem Verfügungskläger unterscheide. Anders als die
15
Romanfigur des Professor Kaisers sei der Verfügungskläger gerade nicht Inhaber eines
Lehrstuhls und könne als Privatdozent auch nicht eine einem Professor vergleichbare
Machtposition ausnutzen. Darüber hinaus wiesen auch die weiteren Lebensumstände
wie der Wohnort, die Familienverhältnisse und das äußere Erscheinungsbild keine
Übereinstimmungen zwischen Professor Kaiser und dem Verfügungskläger auf. Auch
die Befassung mit Masematte sei nicht zur Identifizierung geeignet. Dies folge schon
daraus, dass sich der Assistent des Professor Kaisers im Rahmen seiner Habilitation
noch intensiver mit dieser Geheimsprache beschäftige, als Professor Kaiser. Insofern
hätte der Verfügungskläger sein vermeintliches Abbild noch eher in der Romanfigur des
Assistenten, als in der des Professors wiedererkennen können.
Entscheidungsgründe:
16
Die zulässigen Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sind unbegründet.
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Der Zulässigkeit der Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung steht nicht die
mangelnde Bestimmtheit der Anträge entgegen. Die Antragsformulierung, den
Verfügungsbeklagten aufzugeben, es zu unterlassen, den Kriminalroman 'Wilsberg und
der tote Professor' aufzulegen, zu vertreiben, zu verbreiten oder Dritten den Nachdruck
zu gestatten "solange und soweit der Antragssteller als Romanfigur 'Professor Günter
Kaiser' in Zusammenhang gebracht wird mit sexuellen Belästigungen und geschildert
wird als 'widerlicher' Dozent, der seine Mitarbeiter und Studenten ausnutzt", kann
dahingehend ausgelegt werden, dass der Verfügungskläger beantragt, dem
Verfügungsbeklagten die Veröffentlichung und Verbreitung des Romans "Wilsberg und
der tote Professor" insgesamt zu versagen. Bei Zugrundelegung dieser Auslegung wäre
es dem Gericht auch möglich gewesen, einen stattgebenden, vollstreckungsfähigen
Tenor zu verfassen.
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Die zulässigen Anträge sind jedoch unbegründet, da es an dem für den Erlass einer
einstweiligen Verfügung erforderlichem Verfügungsanspruch fehlt, § 935 ZPO. Ein
solcher Verfügungsanspruch setzt voraus, dass dem Verfügungskläger nach
materiellem Recht ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung
des Romans zusteht. Ein derartiger Unterlassungsanspruch ergibt sich jedoch weder
aus § 823 Abs.1 i.V.m. § 1004 Abs.1 S.2 BGB noch aus § 823 Abs.2 i.V.m. §§ 185 ff
StGB i.V.m. § 1004 Abs.1 S.2 BGB.
19
Zwar ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht als "sonstiges Recht" im Rahmen des §
823 BGB geschützt und kann bei einer widerrechtlichen Verletzung einen sogenannten
quasinegatorischen Unterlassungsanspruch nach § 823 Abs.1 i.V.m. § 1004 Abs.1 S.2
BGB begründen (BGHZ 27, 284 (286); Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003,
Art.2 Rn.67). Dabei kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob durch das vom
Verfügungsbeklagten zu 2) verfasste Buch tatsächlich in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers eingegriffen wird. Denn selbst wenn man
einen solchen Eingriff annimmt, fehlt ihm die für einen Unterlassungsanspruch
erforderliche Widerrechtlichkeit. Letztere ist durch eine umfassende Güter- und
Interessenabwägung zu ermitteln. Vorliegend sind in diese Güter- und
Interessenabwägung einerseits das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
Verfügungsklägers und andererseits die Kunstfreiheit der Verfügungsbeklagten
einzustellen, wobei letztere im Ergebnis überwiegt.
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Das aus Art.1, 2 Abs.1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht beinhaltet das
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Recht des einzelnen auf Achtung seiner individuellen Persönlichkeit gegenüber dem
Staat und im privaten Rechtsverkehr (BGHZ, 27, 284 (286); Thomas, in: Palandt, BGB,
61. Aufl. 2002, § 823 Rn.177; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art.2 Rn.59
f.). Der Schutzbereich dieses Rechts wird durch drei Sphären beschrieben: Auf der
ersten Stufe ist die Individualsphäre anzusiedeln, die das Selbstbestimmungsrecht
sowie die persönliche Eigenart des Menschen in seinen Beziehungen zur Umwelt und
seinem öffentlichen, wirtschaftlichen und beruflichen Wirken schützt (vgl. BAG NJW
1990, 2272; Thomas, in: Palandt, BGB, 61. Aufl. 2002, § 823 Rn.178). Als zweite
Schutzebene ist die Privatsphäre zu nennen und als "Kern" des Persönlichkeitsrechts
schließlich die Intimsphäre (vgl. BGH, NJW 1988, 1984; Thomas, in: Palandt, BGB, 61.
Aufl. 2002, § 823 Rn.178).
Im vorliegenden Fall ist schon fraglich, ob das von dem Verfügungsbeklagten zu 2)
verfasste und von der Verfügungsbeklagten zu 1) verlegte Buch einen Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers darstellt. Für die Annahme eines solchen
Eingriffs könnte man die genaue Beschreibung der Örtlichkeiten des Instituts, in dem
sowohl der Verfügungskläger als auch die Romanfigur Professor Kaiser tätig sind,
sowie der beiden gemeinsame, vergleichsweise seltene Forschungsschwerpunkt
Geheimsprachen anführen. Aufgrund dieser Überschneidungsmerkmale könnte die
Gefahr entstehen, dass diejenigen Leser, die mit den Örtlichkeiten in M. vertraut sind
und die den Verfügungskläger zumindest aus den Medien kennen, den
Verfügungskläger in der Romanfigur des Professor Kaisers wiedererkennen. Aufgrund
der Anknüpfung an reale Gegebenheiten - es gibt in dem im Roman genau
bezeichneten und real existierenden Institut tatsächlich einen Wissenschaftler, der sich
schwerpunktmäßig mit Geheimsprachen beschäftigt - könnte weiterhin die Gefahr
bestehen, dass ortskundige Leser nicht in der Lage sind, zwischen diesen realen
Gegebenheiten und der fiktiven Beschreibungen der negativen Charakterzüge der
Romanfigur des Professor Kaisers zu unterscheiden. Da die Romanfigur des Professor
Kaisers als "Antiheld" dargestellt wird, der seine Mitarbeiter und Studenten ausnutzt und
die Frauen unter ihnen sexuell bedrängt, könnte diese Darstellung den
Verfügungskläger in seinem Recht auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit
beeinträchtigen.
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Gegen einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers spricht jedoch,
dass die Romanfigur des Professor Kaisers durch die Gestaltung des Stoffs und seine
Ein- und Unterordnung in die Gesamtdarstellung des Romans so verselbstständigt und
gegenüber der Person und dem Leben des Verfügungsklägers so losgelöst erscheint,
dass das Individuelle, Persönlich-Intime zugunsten des Allgemeinen und Zeichenhaften
der Romanfigur objektiviert wird (vgl. hierzu BVerfGE 30, 173 (195); Zeuner, in: Soergel
(Hrsg.), GG, Bd. 5/2, 1998, § 823 Rn.89; Henschel, NJW 1990, 1927 (1941)). Diese
Verselbständigung der Romanfigur des Professor Kaisers ergibt sich unter anderem
daraus, dass sich die Romanfigur neben den erwähnten Übereinstimmungen auch
deutlich von der Persönlichkeit des Verfügungsklägers unterscheidet und abgrenzt. So
wird Professor Kaiser in dem Roman als eine Person geschildert, die ihre Machtposition
als Professor gegenüber seinen Studenten und Lehrstuhlmitarbeitern eigennützig
missbraucht und ausnutzt. Der Verfügungskläger ist jedoch im Gegensatz zur
Romanfigur nicht Professor, sondern Privatdozent ohne eigenen Lehrstuhlapparat,
dessen "Machtposition" naturgemäß weniger ausgeprägt ist. Insofern ist es ebenfalls
denkbar, dass einige Leser, denen bekannt ist, dass der Verfügungskläger die
Geheimsprache Masematte erforscht, den Verfügungskläger in dem Assistenten des
Professor Kaisers wiedererkennen. Denn zum einen ist es der Assistent, der in
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Masematte habilitiert und zum anderen ist die wirtschaftliche und gesellschaftliche
Stellung eines Privatdozenten eher mit der eines Assistenten als mit der eines
Professors vergleichbar. Dieser Umstand verdeutlicht, dass nicht zwangsweise jeder mit
den Örtlichkeiten in M. vertrauten Leser den Verfügungskläger in der Figur des
Professor Kaisers wiedererkennt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der
Verfügungskläger seine wissenschaftlichen Aktivitäten mittlerweile in nicht
unerheblichem Maße in D. ausübt und damit, anders als bei der Romanfigur Professor
Kaiser, nicht nur in M. wissenschaftlich tätig ist.
Eine weitere, wesentliche Verselbstständigung der Romanfigur gegenüber dem
Verfügungskläger ergibt sich auch daraus, dass Professor Kaiser gleich zu Beginn der
Erzählung ermordet wird, während der Verfügungskläger noch lebt. Auch die weiteren
persönlichen Lebensumstände des Professor Kaisers, etwa der Wohnort Gievenbeck
und die familiären Verhältnisse heben sich von den Lebensumständen des
Verfügungsklägers ab. Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch das Vorwort des
Verfügungsbeklagten zu 2) (Seite 6 des Romans) von Bedeutung, in dem noch einmal
ausdrücklich erwähnt wird, dass die Romanfiguren erfunden sind. Daraus folgt, dass der
Verfügungsbeklagte zu 2) mit seiner Romanfigur Professor Kaiser kein "Porträt" des
Verfügungsklägers gezeichnet hat oder gar zeichnen wollte, sondern eine von der
Persönlichkeit des Verfügungsklägers losgelöste, fiktive Figur geschaffen hat.
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Letztlich kann jedoch dahingestellt bleiben, ob durch den Roman in das
Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers eingegriffen wird. Denn selbst wenn man
aufgrund der erstgenannten Überlegungen vorliegend einen Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers annimmt, fehlt diesem Eingriff die
Rechtswidrigkeit. Letztere wird bei einer Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts nicht - wie bei der Beeinträchtigung anderer in § 823 Abs.1 BGB
aufgeführter Rechte - durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert ist, sondern muss positiv
festgestellt werden (Thomas, in: Palandt, BGB, 61. Aufl. 2002, § 823 Rn.184). Grundlage
für diese Feststellung, die anhand der Umstände eines jeden Einzelfalls vorgenommen
werden muss, ist eine umfassende Güter- und Interessenabwägung. Dabei ist vor allem
zu berücksichtigen, in welche Sphäre der Persönlichkeit eingegriffen wurde, welches
Verhalten des Verletzten dem Eingriff vorausgegangen ist sowie die Schwere der
Eingriffe (Thomas, in: Palandt, BGB, 61. Aufl. 2002, § 823 Rn.185 ff.). Auf Seiten des
Verfügungsbeklagten ist zusätzlich von Bedeutung, welches Motiv und welcher Zweck
hinter dem Eingriff zu erkennen ist (Thomas, in: Palandt, BGB, 61. Aufl. 2002, § 823
Rn.189). Unterstellt man also vorliegend, dass der Roman in das Persönlichkeitsrechts
des Verfügungsklägers eingreift, wäre dieser Eingriff durch die verfassungsrechtlich in
Art.5 Abs.3 GG vorbehaltlos gewährleistete Kunstfreiheit gerechtfertigt.
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Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner grundlegenden "Mephisto-Entscheidung"
Kunst beschrieben als "die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke,
Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten
Formsprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Alle künstlerische
Tätigkeit ist ein Ineinander von bewussten und unbewussten Vorgängen, die rational
nicht aufzulösen sind. Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und
Kunstverstand zusammen; es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck und zwar
unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers" (BVerfGE 30,
173 (189)). Dabei darf die Anerkennung der Kunsteigenschaft nicht von einer staatlichen
Stil-, Niveau- und Inhaltskontrolle oder von einer Beurteilung der Wirkungen des
Kunstwerks abhängig gemacht werden (BVerfGE 83, 130 (139); Bethge, in: Sachs
26
(Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art.5 Rn.187). Obwohl das Bundesverfassungsgericht in einer
späteren Entscheidung eingeräumt hat, dass es unmöglich sei, Kunst generell zu
definieren (BVerfG, NJW 1995, 261 (262)), dürfte im hier zu entscheidenden Fall kein
Zweifel daran bestehen, dass es sich bei dem Roman "Wilsberg und der tote Professor"
um ein Kunstwerk im Sinne des Art.5 Abs.3 GG handelt: Der Verfügungsbeklagte zu 2)
bringt darin durch das Medium eines Kriminalromans mit Lokalkolorit seine Eindrücke,
Erfahrungen und Erlebnisse in freier schöpferischer Gestaltung zum Ausdruck (vgl.
insgesamt zum Kunstbegriff in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
Henschel, NJW 1990, 1937 ff.).
Sinn und Aufgabe des Grundrechts aus Art.5 Abs.3 GG ist es vor allem, die auf der
Eigengesetzlichkeit der Kunst beruhenden Verhaltensweisen und Entscheidungen von
jeglicher Ingerenz öffentlicher Gewalt freizuhalten. Die Art und Weise, in der der
Künstler der Wirklichkeit begegnet und die Vorgänge gestaltet, darf ihm nicht
vorgeschrieben werden. Insofern beinhaltet die Kunstfreiheitsgarantie auch das Verbot,
auf Methoden, Inhalte und Tendenzen der künstlerischen Tätigkeit einzuwirken,
insbesondere den künstlerischen Gestaltungsspielraum einzuengen und allgemein
verbindliche Regelungen für den künstlerischen Schaffensprozess vorzuschreiben. Für
das erzählende Kunstwerk ergibt sich daraus im Besondern, dass die
Verfassungsgarantie die freie Themenwahl und die freie Themengestaltung umfasst und
es dem Staat verboten ist, diesen Bereich durch verbindliche Regeln oder Wertungen zu
beschränken (siehe dazu insgesamt BVerfGE 30, 173 (190)).
27
Aus diesem Verständnis der Kunstfreiheit erschließt sich auch die Ausdehnung des
personellen Schutzbereichs auf diejenigen, die wie die Verfügungsbeklagte zu 1) in
einer für die Verbreitung des Werkes unentbehrlichen Mittelfunktion zwischen Künstler
und Publikum tätig sind (BVerfGE 30, 173 (191 ff); Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I,
1996, Art.5 Abs.3 Rn.27; Henschel, NJW 1990, 1937 (1939 f.)). Art.5 Abs.3 GG erfasst in
gleicher Weise sowohl den "Werkbereich" als auch den "Wirkbereich" des
künstlerischen Schaffens. Beide Bereiche bilden eine unlösbare Einheit. Demzufolge ist
nicht nur die dem Verfügungsbeklagten zu 2) zuzubilligende künstlerische Betätigung -
der Werkbereich - sondern darüber hinaus auch die Tätigkeit der Verfügungsbeklagten
zu 1), nämlich die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks - der Wirkbereich -
geschützt (BVerfGE 30, 173 (191); Bethge, in: Sachs, (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art.5
Rn.188).
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Trotz dieser weitgefassten und vorbehaltlosen Freiheit folgt daraus allerdings nicht,
dass die Kunstfreiheit schrankenlos gewährleistet wird (vgl. BVerfGE 30, 173, (191 ff.);
Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art.5 Rn.187). Zwar wird die Kunstfreiheit
nicht durch den Schrankenvorbehalt der allgemeinen Gesetze des Art.5 Abs.2 GG oder
durch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art.2 Abs.1 GG begrenzt. Denn Art.5 Abs.2
GG gilt, was sich aus der Systematik der Norm ergibt, nur für die in Art.5 Abs.1 GG
benannten Rechte. Art.2 Abs.1 GG ist als Auffanggrundrecht sowohl auf der
Tatbestands- als auch auf der Schrankenseite subsidiär (BVerfGE 30, 173, (192 f.);
Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art.5 Rn.197; Henschel, NJW 1990, 1937
(1940)). Schranken können der Kunstfreiheit aber durch kollidierende Grundrechte
Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter gesetzt werden
(BVerfGE 30, 173, 193; Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 1996, Art.5 Abs.3, Rn.31).
Dabei ist der Freiheitsgewährleistung aus Art.5 Abs.3 GG dadurch Rechnung zu tragen,
dass die inkiminierte Handlung anhand der jeweiligen Kunstgattung eigenen
Strukturmerkmalen beurteilt wird (Henschel, NJW 1990, 1937 (1941)). Abzustellen ist
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auf eine Gesamtbetrachtung des Kunstwerks; demgegenüber verbieten die
verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art.5 Abs.3 GG, einzelne Teile eines
Kunstwerks aus dessen Zusammenhang zu lösen und gesondert darauf zu
untersuchen, ob sie eine Rechtsverletzung darstellen (BVerfG, NJW 1985, 216 (263)).
Vorliegend handelt es sich um einen Kriminalroman, der seine besondere Eigenart und
seinen besonderen Reiz dadurch erhält, dass er in einer tatsächlich existierenden Stadt
an tatsächlich existierenden Orten spielt und Personen beschreibt, deren
wissenschaftlicher Tätigkeitsbereich mit dem von real existierenden Personen
vergleichbar ist. Insofern ist es der von dem Verfügungsbeklagten zu 2) hier
verwendeten Kunstgattung des "Kriminalromans mit Lokalkolorit" wesensimmanent,
dass es gewisse Übereinstimmungen mit der Realität gibt. Machte man nun die
Veröffentlichung und Verbreitung des Romans davon abhängig, dass keinerlei
Übereinstimmung mit realen Orten und Persönlichkeiten erkennbar bleibt, nähme man
der hier vorliegenden Kunstgattung gerade ihr prägendes, wesenseigene Merkmal. Eine
derartige Untersagung liefe damit auf eine komplette "Verdrängung" der hier
vorliegenden Kunstgattung hinaus und würde die Kunstfreiheit in diesem Bereich nicht
nur einschränken, sondern eliminieren.
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Im Rahmen der "Gesamtschau des Werks" (BVerfG, NJW 1985, 261 (263)) wird zudem
ersichtlich, dass denjenigen Merkmalen, die tatsächlich Übereinstimmungen mit dem
Verfügungskläger aufweisen, eine noch größere Anzahl von äußeren und inneren
Merkmalen gegenüberstehen, die gerade zu einer Abgrenzung und Unterscheidung
zwischen Professor Kaiser und dem Verfügungskläger führen. Darüber hinaus wäre es
wenig stringent, dem Verfügungsbeklagten zu 2) einerseits den Vorwurf zu machen, der
habe zu sehr mit tatsächlich existierenden Örtlichkeiten und Personen gearbeitet, also
zu wenig "verfremdet" und andererseits zu beanstanden, er habe zu stark "verfremdet",
nämlich der Romanfigur des Professor Kaisers mit fiktiven negativen Verhaltensweisen
und Charaktereigenschaften ausgestattet, die die real existierende Person des
Verfügungsklägers gar nicht habe (vgl. die abweichende Meinung der Richterin Rupp-v.
Brünneck zum "Mephisto-Beschluss", BVerfGE 30, 173 (222)).
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Von Bedeutung ist schließlich auch, dass der Verfügungsbeklagten zu 2) mit seinem
Roman bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nicht ganz überwiegend das Ziel
verfolgt, bestimmte Personen zu beleidigen oder zu verleumden. Motiv und Zweck des
Verfügungsbeklagten waren vielmehr, unter Einbeziehung realer Örtlichkeiten und
Fakten einen besonders spannenden und unterhaltsamen Kriminalroman zu verfassen
(vgl. die abweichende Meinung der Richterin Rupp-v. Brünneck zum "Mephisto-
Beschluss", BVerfGE 30, 173 (224)).
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Dieser Interessenlage auf Seiten des Verfügungsbeklagten zu 2) steht selbst bei
Annahme eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht nur eine geringe Beeinträchtigung
des Verfügungsklägers gegenüber. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass - wenn
überhaupt - nur in die Individualsphäre des Verfügungsklägers eingegriffen wird und
sich der Eingriff damit als verhältnismäßig gering darstellt. Vorliegend ist auch nicht
etwa deshalb eine Beeinträchtigung der Intimsphäre und damit des "Kerns" des
Persönlichkeitsrechts gegeben, weil die fiktiven Beschreibungen der Romanfigur auch
dessen Privat- und Sexualleben umfassen. Denn ein Anknüpfungspunkt für eine
Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts kann sich nur daraus ergeben, dass in dem
Roman eine Figur beschrieben wird, deren Arbeitsstätte identisch ist mit der des
Verfügungsklägers und deren Forschungsgebiete gewisse Parallelen aufweisen. Diese
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Aspekte betreffen aber die persönliche Eigenart des Verfügungsklägers in seiner
Beziehung zur Umwelt, genauer in seinem beruflichen Wirken und daher die
Individualsphäre (vgl. obige Ausführungen zur Definition der Individualsphäre). Für eine
vergleichsweise geringe Schwere eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des
Verfügungsklägers spricht auch, dass nur diejenigen Leser überhaupt auf diese
Überschneidungspunkte aufmerksam werden können, die mit den Örtlichkeiten in M.
vertraut sind. Ein Leser in Bayern oder Thüringen wird, sofern er den Verfügungskläger
überhaupt kennt, nicht wissen, wo sich dessen Arbeitsstätte in M. befindet und demnach
nicht automatisch die Romanfigur des Professor Kaisers mit dem Verfügungskläger in
Verbindung bringen. Aber selbst den Lesern, die mit den Örtlichkeiten in M. vertraut
sind, kann nicht pauschal unterstellt werden, dass sie nicht in der Lage wären, zwischen
der Anknüpfung an reale Gegebenheiten einerseits und einer fiktiven Erzählung und
Beschreibung einer Romanfigur andererseits zu unterscheiden (vgl. die abweichende
Meinung des Richters Dr. Stein zum "Mephisto-Beschluss", BVerfGE 30, 173 (223):
nach seiner Auffassung ergibt sich schon aus der vorbehaltlosen Gewährung der
Kunstfreiheit, dass die Verfassung grundsätzlich von der Mündigkeit der Bürger ausgeht,
ein Kunstwerk als ein aliud zu einer gewöhnlichen Meinungsäußerung zu betrachten,
also einen Roman als Schöpfung der Phantasie zu verstehen, die als solche niemand
zu beleidigen vermag). Damit reduziert sich die Beeinträchtigung des
Persönlichkeitsrechts selbst bei Annahme eines Eingriffs darauf, dass die Gefahr
besteht, dass manche Leser aus der Beschreibung der Charaktereigenschaften des
Professor Kaisers Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Verfügungsklägers ziehen
könnten. Besteht jedoch lediglich die Möglichkeit einer Beeinträchtigung, muss diese
angesichts der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit zurücktreten (vgl. BVerfG, NJW 1985,
261 (263)).
Schließlich ist im Rahmen der Abwägung nicht zu vernachlässigen, dass es der
Verfügungskläger dadurch, dass er selbst oft in den regionalen, aber auch teilweise in
den überregionalen Medien in Erscheinung getreten ist, erst ermöglicht hat, dass der
Verfügungsbeklagte zu 2) auf Details über die Geheimsprachenforschung zurückgreifen
konnte. Gegenüber dem ganz erheblichen und extrem schwerwiegenden Eingriff, den
ein Veröffentlichungsverbot des Romans für die Verfügungsbeklagten zur Folge hätte,
stellt sich die mögliche Beeinträchtigung des Verfügungsklägers als verhältnismäßig
gering dar. Insbesondere im Bereich seiner beruflichen Tätigkeit ist nicht damit zu
rechnen, dass andere Forscher und Wissenschaftler ihre Beurteilung der
wissenschaftlichen Arbeiten des Verfügungsklägers danach beurteilen, ob es in einem
fiktiven Kriminalroman gewisse Parallelen gibt. Bei der gebotenen Abwägung der
widerstreitenden Interessen übersteigen damit die nachteiligen Auswirkungen der
beanstandeten Textstellen für den Verfügungskläger nicht die Belastungen, die von
einer Gesellschaft, die sich zu einer freien Kunst bekennt, hingenommen werden
müssen (vgl. BGH, NJW 1983, 1196 (1195).
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Ein Verfügungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs.2 i.V.m. §§ 185 ff. StGB
i.V.m. § 1004 Abs.1 S.2 BGB.
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Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen dürfte ein derartiger
Unterlassungsanspruch schon daran scheitern, dass in dem Roman keine Tatsachen
behauptet oder verbreitet werden, die den Verfügungskläger verächtlich zu machen oder
in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet sind. Aber selbst wenn man die
Erfüllung einer oder mehrerer Tatbestände der §§ 185-187 StGB für gegeben ansehen
würde, wäre das Verhalten des Verfügungsbeklagten aus Art.5 Abs.3 GG gerechtfertigt.
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Denn für die Rechtfertigung von tatbestandlichen Ehrenverletzungen sind nicht die
Abwägungsgrundsätze des § 193 StGB, sondern unmittelbar die Maßstäbe des Art.5
Abs.3 GG ausschlaggebend (Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl. 2001, § 193 Rn.26). Dies
führt dazu, dass das bereits dargelegte Überwiegen der Kunstfreiheit gegenüber den
Interessen des Verfügungsklägers auch einen Anspruch aus § 823 Abs.2 i.V.m. §§ 185
ff. StGB i.V.m. § 1004 Abs.1 S.2 BGB entfallen lässt.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs.1 S.1, 708 Nr.6, 711
ZPO.
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