Urteil des LG Münster vom 09.11.2004

LG Münster: unbefristeter vertrag, beendigung, genehmigung, kündigungsfrist, gegenleistung, empfang, auflage, behinderung, pflege, datum

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Münster, 5 T 1001/04
09.11.2004
Landgericht Münster
5. Zivilkammer
Beschluss
5 T 1001/04
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
Der Betroffene leidet an einer geistigen Behinderung. Für ihn ist der Beteiligte zu 2) seit
dem 11. März 2004 zum Betreuer bestellt worden. Der Aufgabenkreis umfasst die
Wahrnehmung der Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Vertretung vor Behörden,
Gerichten, Versicherungen u.ä. und die Befugnis zum Empfang von Post. Für den
Abschluss eines Pflege- und Arbeitsvertrages mit dem Beteiligten zu 2) wurde der
Beteiligte zu 3) zum Ergänzungsbetreuer bestellt.
Unter dem 24. August 2004 schloss der Beteiligte zu 1), vertreten durch den Beteiligten zu
3) mit dem Beteiligten zu 2) und dessen Ehefrau eine "Vereinbarung". Nach § 1 dieser
Vereinbarung verpflichtete sich der Beteiligte zu 1) als landwirtschaftlicher Helfer gegen
Entgelt (brutto 620.- €/Monat) tätig zu werden. Die Ehefrau des Beteiligten zu 2)
verpflichtete sich gemäß § 2 der Vereinbarung gegenüber dem Beteiligten zu 1) zu
haushaltsnahen Dienstleistungen (Kochen, Putzen etc.) gegen ein Entgelt in Höhe von
monatlich 337,50 €.
Eine bestimmte Laufzeit des Vertrages wurde nicht festgelegt. Regelungen zur Kündigung
der Vereinbarung fehlen.
Mit Schreiben vom 26. August 2004 beantragte der Beteiligte zu 1), vertreten durch den
Beteiligten zu 3), die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Vereinbarung. Mit dem
angefochtenen Beschluss, auf den zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird,
hat das Amtsgericht festgestellt, dass eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nicht
erforderlich ist. Dagegen wendet sich der Beteiligte zu 1) mit der Erinnerung, mit der er
weiterhin die Ansicht vertritt, dass die Vereinbarung genehmigungsbedürftig sei.
Der Rechtspfleger hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Beschwerde ist gemäß § 20 FGG zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Nach §
1907 Abs. 3 BGB bedarf ein Vertrag, durch den der Betreute zu wiederkehrenden
Leistungen verpflichtet wird, der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, wenn das
Vertragsverhältnis länger als vier Jahre dauern soll. Der Genehmigungsvorbehalt greift
auch bei Verträgen, die auf unbestimmte Zeit geschlossen werden, wenn eine Lösung vom
Vertrag (z. B. durch Kündigung) mit Wirkung vor Ablauf von vier Jahren entweder überhaupt
nicht möglich oder mit Einbußen verbunden ist. Ob ein unbefristeter Vertrag mit dem hier
festgelegten Inhalt genehmigungsbedürftig ist, hängt folglich davon ab, in welcher Frist er
vom Betreuten gekündigt werden kann und welche Rechtsnachteile nach der konkreten
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Vertragsgestaltung mit einer vorzeitigen Kündigung verbunden sind (siehe BGHZ 28, 78;
LG H NdsRPfl. 1996, 7; MünchKomm/Schwab, BGB, 4. Auflage, § 1907 RN 21; Fink in:
Heidelberger Kommentar zum Betreuungs- und Unterbringungsrecht, § 1907 BGB RN 20;).
Bei der vorliegenden Vereinbarung handelt es sich um zwei Arbeitsverträge, bei denen der
Betreute zum einen Arbeitnehmer (§ 1) und zum anderen Arbeitgeber (§ 2) ist. Mangels
anderweitiger Abreden können diese Verträge mit einer Frist von vier Wochen zum
Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden, §§ 620 Abs. 2; 622
Abs. 1 BGB. Ferner besteht immer die Möglichkeit zur Kündigung aus wichtigem Grund
ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist nach § 626 BGB. Rechtsnachteile sind für den
Betreuten mit der Kündigung grundsätzlich nicht verbunden, denn der Betreute erhält die
Gegenleistung für seine bis zur vorzeitigen Beendigung des Vertrages erbrachten
Leistungen in vollem Umfang. Er hat nach vorzeitiger Beendigung des
Betreuungsvertrages auch keine Leistungen zu erbringen, denen keine Gegenleistungen
gegenüberstehen. Irgendwelche Einbußen wirtschaftlicher oder rechtlicher Art erleidet der
Betreute bei Beendigung des Vertrages nicht. Durch die Beendigung des Vertrages tritt
keine Äquivalenzstörung ein. Da eine Kündigung des Vertrages auch innerhalb von vier
Jahren möglich ist, ohne dass damit ein Nachteil für den Betreuten verbunden ist, ist der
vorliegende Betreuungsvertrag genehmigungsfrei. Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu
3) handelt es sich nicht um einen Vertrag auf Lebenszeit auf den § 624 BGB anzuwenden
wäre, denn zur Vertragsdauer fehlen Regelungen in der Vereinbarung.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.