Urteil des LG Münster vom 19.03.2009

LG Münster: anmeldung der forderung, sammelklage, versicherungsnehmer, gebühr, vertretung, mutwilligkeit, erste gläubigerversammlung, nennwert, versicherer, verbindlichkeit

Landgericht Münster, 015 O 281/08
Datum:
19.03.2009
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
Zivilgericht
Entscheidungsart:
Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil
Aktenzeichen:
015 O 281/08
Tenor:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Verbindlichkeit aus der
Kostenrechnung der Kanzlei N vom 28.04.2008, Rechnungsnummer
######, in Höhe von 1.011,50 € freizustellen;
2.
die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Verbindlichkeit aus der
Kostenrechnung der Kanzlei N vom 06.03.2008, Rechnungsnummer
######, in Höhe von 517,65 € freizustellen;
3.
es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag mit
der Vertragsnummer ##### verpflichtet ist, den Kläger für die
gerichtliche Durchsetzung seiner Ansprüche gegen die Konzeptanten
und ehemaligen Vorstände der T Immobilienanlagen und
Vermögensmanagement AG und der H, Herrn Diplom-Kaufmann X und
Herrn T1, Kostenschutz für die erste Instanz ohne die Beschränkung auf
eine Sammelklage zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 5 % und die Beklagte
zu 95 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des insgesamt zu
vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige
Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger ist mit der Beklagten durch einen Rechtsschutzversicherungsvertrag
verbunden. Es gelten die "ARB 75" der Beklagten.
2
Der Kläger hatte 1997 in zwei Gruppen der sog. "H" investiert. Er beteiligte sich als
atypisch stiller Gesellschafter an der T Immobilienanlagen und Vermögensmanagement
AG (nachfolgend "T") und an der G Beteiligungs-Aktiengesellschaft, die später auf die H
(nachfolgend "H") verschmolzen wurde.
3
Mit Beschluss vom 14.06.2007 wurde über das Vermögen der "T" und mit Beschluss
vom 20.06.2007 über das Vermögen der "H" das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger
wandte sich im Juli 2007 an seine Prozessbevollmächtigten zur Wahrnehmung seiner
rechtlichen Interessen.
4
Mit Schreiben vom 21.08.2007 kündigte der Kläger gegenüber dem Insolvenzverwalter
der "T" seine Beteiligungen. Hinsichtlich etwaiger negativer
Auseinandersetzungsguthaben erklärte er vorsorglich die Aufrechnung mit
Schadensersatzansprüchen. Der damalige Insolvenzverwalter kündigte unmittelbar
nach Insolvenzeröffnung an, dass er etwaige Forderungen eigenkapitalersetzenden
Darlehen gleichsetzen und diese daher nicht in die Insolvenztabelle aufnehmen wolle.
Der Kläger schilderte der Beklagten mit Schreiben vom 24.09.2007 die Sach- und
Rechtslage und bat um Versicherungsschutz für die Vertretung im Insolvenzverfahren.
Mit Schreiben vom 25.10.2007 sagte die Beklagte Kostenschutz für die Anmeldung der
Forderungen zur Insolvenztabelle der "T" zu. Die Übernahme der Kosten für die
Vertretung im Insolvenzverfahren lehnte sie hingegen ab. Die Anmeldung zur
Insolvenztabelle erfolgte am 11.03.2008. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers
nahmen am 29.03.2008 an der Gläubigerversammlung teil. Es kam zu einer
Auseinandersetzung mit dem damaligen Insolvenzverwalter und die Bevollmächtigten
des Klägers und die übrigen Gläubiger erreichten, dass der Insolvenzrichter (wegen
Befangenheit) und auch der Insolvenzverwalter ausgewechselt wurden. Hintergrund der
Auseinandersetzung war die Weigerung des Insolvenzverwalters, die Forderungen zur
Insolvenztabelle zu nehmen. Er vertrat die Auffassung, es handele sich um nachrangige
Forderungen im Sinne des § 39 InsO.
5
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers berechneten ihm eine 1,0-Gebühr für die
Vertretung im Insolvenzverfahren gemäß der §§ 2, 13 RVG, Nr. 3317 VV nach einem
Gegenstandswert von 33.522,71 € (Nennwert der Forderung) und verlangten von der
Beklagten die Begleichung dieser Rechnung in Höhe von 1.011,50 €. Die Beklagte hat
im vorliegenden Rechtsstreit einen Betrag in Höhe von 60,69 € anerkannt und im
Übrigen die Begleichung der Rechnung verweigert.
6
Mit Schreiben vom 21.08.2007 kündigte der Kläger gegenüber dem Insolvenzverwalter
der "H" die Beteiligungen. In dem Verfahren kam es nicht zu der gleichen
Auseinandersetzung im Hinblick auf die Anmeldung zur Insolvenztabelle. Am
22.08.2007 fand die erste Gläubigerversammlung statt, bei der sich der Kläger ebenfalls
von dem Prozessbevollmächtigten vertreten ließ. Der Kläger machte mit Schreiben vom
7
24.09.2007 Versicherungsschutz bei der Beklagten geltend und diese sagte am
25.10.2007 Kostenschutz wiederum nur für die Anmeldung der Forderung zur
Insolvenztabelle zu. Die Forderungsanmeldung erfolgte am 29.02.2008 und mit
Rechnung vom 06.03.2008 stellten die Prozessbevollmächtigten wiederum eine 1,0-
Gebühr nach dem Gegenstandswert in Höhe des Nennwertes der Forderung in
Rechnung. Sie verlangten von der Beklagten die Begleichung der 1.011,50 €. Die
Beklagte hat jedoch auch insoweit im hiesigen Verfahren nur 60,69 € anerkannt und im
Übrigen die Begleichung der Rechnung verweigert.
Darüber hinaus beabsichtigt der Kläger, die Konzeptanten und ehemaligen Vorstände in
Anspruch zu nehmen und richtete daher am 16.06.2008 unter Vorlage eines
Klageentwurfes eine Deckungsanfrage an die Beklagte. Diese sagte mit Schreiben vom
23.06.2008 Kostenschutz für die Interessenwahrnehmung in erster Instanz zu,
beschränkte diese Zusage jedoch
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ausdrücklich auf Kosten einer "gemeinsamen Sammelklage" sämtlicher
Versicherungsnehmer. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich des
Wortlauts der Zusage auf Blatt 83 der Akte Bezug genommen.
9
Der Kläger ist der Ansicht, er habe einen Anspruch auf Rechtsschutz nicht nur für die
Anmeldung der Forderungen zur Insolvenztabelle, sondern auch für die Vertretung im
Insolvenzverfahren. Dabei sei als Gegenstandswert der Nennwert der Forderungen
anzusetzen. Das nach den Versicherungsbedingungen erforderliche Schadensereignis
liege hier bereits bei der Beratung zur Investierung des Geldes in die G und dieser
Versicherungsfall umfasse auch die Vertretung im Insolvenzverfahren. Die Vertretung im
Insolvenzverfahren sei auch nicht mutwillig im Sinne des § 15 der ARB.
10
Darüber hinaus ist der Kläger der Ansicht, die Beklagte könne ihn nicht auf die
Geltendmachung der Ansprüche im Rahmen einer Sammelklage verweisen.
11
Er beantragt daher,
12
1.
13
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der Verbindlichkeit aus der
Kostenrechnung der Kanzlei N vom 28.04.2008, Rechnungsnummer ######, in
Höhe von 1.011,50 € nebst Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit freizustellen;
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2.
15
die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Verbindlichkeit aus der
Kostenrechnung der Kanzlei N vom 06.03.2008, Rechnungsnummer ##### in
Höhe von 1.011,50 € freizustellen;
16
3.
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festzustellen, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag mit der
Vertragsnummer ####### verpflichtet ist, den Kläger für die gerichtliche
Durchsetzung seiner Ansprüche gegen die Konzeptanten und ehemaligen
Vorstände der T Immobilienanlagen und Vermögensmanagement AG und der
H, Herrn Diplom-Kaufmann X und Herrn T1, Kostenschutz für die erste Instanz
18
ohne die Beschränkung auf eine Sammelklage zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
19
die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, hinsichtlich der Gebühren für das Insolvenzverfahren sei nach der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rechtsbeziehung zwischen Schuldner und
Gläubiger beendet. Es gäbe eine Zäsur, die das maßgebliche Streitverhältnis auf die
beteiligten Gläubiger und Insolvenzverwalter verlagere. Ein Versicherungsfall nach der
Anmeldung der Forderung komme daher nur dann in Betracht, wenn der
Insolvenzverwalter einen Pflichtverstoß begehe. Daran fehle es hier. Eine Tätigkeit über
die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle hinaus sei eine
Obliegenheitsverletzung nach § 15 Abs. 1 d cc ARB 75 und darüber hinaus mutwillig. Im
Übrigen sei als Gegenstandswert für die Tätigkeit nicht der Nennwert der Forderung,
sondern lediglich nach § 28 Abs. 3 RVG das wirtschaftliche Interesse, welches sich hier
nach der prognostizierten Insolvenzquote richte. Vor diesem Hintergrund sei über die
anerkannten Beträge hinaus kein Anspruch gegeben.
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Die Beklagte ist auch der Ansicht, die Verweisung auf die Geltendmachung der
Ansprüche im Rahmen einer Sammelklage sei mit den ARB vereinbar und die
Geltendmachung im Wege der Einzelklage verstoße gegen die Obliegenheit aus § 15
Abs. 1 d cc ARB 75, wonach der Versicherungsnehmer alles zu vermeiden habe, was
eine unnötige Kostenerhöhung verursachen könnte. Sie behauptet, jedenfalls
mindestens 5 Klageentwürfe, die durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers
vertretene Versicherungsnehmer zur Gewährung von Rechtsschutz vorgelegt hätten,
seien derart identisch, dass eine Sammelklage nicht nur zulässig, sondern auch
geboten sei. Eine Beeinträchtigung der Interessen der jeweiligen Versicherungsnehmer
seien in keinem Fall zu befürchten.
22
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze
nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
23
Entscheidungsgründe:
24
Die Klage ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
25
I.
26
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von den
Gebührenrechnungen seiner Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit der T (1.)
in Höhe von 1.011,50 € und im Zusammenhang mit der H (2.) in Höhe von 517,65 €. In
Höhe von jeweils 60,69 € war der Klage auf Grund des Anerkenntnisses der Beklagten
durch Teil-Anerkenntnisurteil stattzugeben. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden
Beträge hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 1 der ARB 75.
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Unstreitig ist das Vorliegen eines Versicherungsfalles auf Grund der Pflichtverletzungen
bei den Anlageberatungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens. Die Beklagte hat
insoweit Rechtsschutz für die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle gewährt
und es besteht folglich in jedem Fall ein Anspruch auf Zahlung einer 0,5-
Verfahrensgebühr nach Ziffer 3320 des Vergütungsverzeichnisses des RVG (Anlage 1
28
zu § 2 Abs. 2). Streitig ist zwischen den Parteien insoweit nur die Höhe des
anzusetzenden Gegenstandswertes, auf die später noch eingegangen wird (3.).
1.
29
Hinsichtlich der Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit der
Angelegenheit T hat der Kläger aber darüber hinausgehend auch einen Anspruch
gegen die Beklagte auf Freistellung von einer weiteren 0,5-Verfahrensgebühr. Dabei
teilt die Kammer die Auffassung der Beklagten dahingehend, dass zunächst der
maßgebliche Versicherungsfall im Vorfeld des Insolvenzverfahrens liegt, dann jedoch
durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die streitige Interessenwahrnehmung
zwischen den ursprünglichen Parteien, nämlich Gläubiger und Schuldner, beendet wird.
Es ist zutreffend, dass nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein neues
Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Insolvenzverwalter entsteht, der an
die Stelle des Schuldners tritt. Ansprüche können nur noch unmittelbar gegenüber dem
Insolvenzverwalter und nicht mehr gegenüber dem Schuldner geltend gemacht werden.
30
Hinsichtlich des oben beschriebenen, dem Insolvenzverfahren vorgelagerten
Versicherungsfalls führt dies dazu, dass mit der Einleitung des Insolvenzverfahrens für
den Gläubiger zunächst nur noch die Anmeldung zur Insolvenztabelle zu erledigen ist.
Ist diese nämlich erfolgt, nimmt das Insolvenzverfahren üblicherweise –wenn alles
normal verläuft- seinen Lauf, die Forderung wird von dem Insolvenzverwalter bei der
Verteilung der Masse berücksichtigt und es ist daher durch den Gläubiger nichts weiter
zu veranlassen. Vor diesem Hintergrund erschöpft sich die gebotene Tätigkeit, für die
dann auch Rechtsschutz verlangt werden kann, in der Anmeldung zur Insolvenztabelle.
Eine Notwendigkeit, sich auch noch im laufenden Insolvenzverfahren vertreten zu
lassen, besteht nicht. Im Normalfall besteht dort kein weiterer Handlungsbedarf. Aus §
15 Abs. 1 d cc folgt die Obliegenheit des Versicherungsnehmers, sich grundsätzlich auf
das rechtlich Notwendige zu beschränken, sofern seine Interessen nicht unbillig
beeinträchtigt werden. Im oben geschilderten normalen Lauf des Insolvenzverfahrens
beschränkt sich das rechtlich Notwendige auf die Anmeldung der Insolvenzforderung.
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Da, wie oben ausgeführt, nach Auffassung der Kammer nach der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens in Bezug auf das bisherige Streitverhältnis Gläubiger/Schuldner
eine Zäsur eintritt und nunmehr das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und
Insolvenzverwalter maßgeblich ist, und da –wie ebenfalls oben ausgeführt- mit der
Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle –jedenfalls, dann, wenn das
Insolvenzverfahren normal läuft- alles für die Wahrnehmung der Rechte der Gläubiger
im Verhältnis zum bisherigen Schuldner erforderlich getan ist, bedarf es für die
Geltendmachung weiterer Rechtsschutzansprüche für die weitere Vertretung im
Insolvenzverfahren durch einen Rechtsanwalt eines neuen Versicherungsfalles im
Sinne des § 14 ARB 75.
32
Wenn –wie oben ausgeführt- das bisherige Rechtsverhältnis zwischen dem Gläubiger
und dem bisherigen Schuldner nicht mehr maßgeblich ist, kann ein weiterer
Versicherungsfall nur dann vorliegen, wenn im nun maßgeblichen Rechtsverhältnis
Gläubiger/Insolvenzverwalter ein Versicherungsfall nach § 14 ARB 75 eingetreten ist.
Gemäß § 14 Abs. 3 ARB gilt der Versicherungsfall in dem Zeitpunkt als eingetreten, in
dem der Versicherungsnehmer, der Gegner oder ein Dritter begonnen hat oder
begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Im
hier maßgeblichen Fall "T" ist ein solcher neuer Versicherungsfall darin zu sehen, dass
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der Insolvenzverwalter bereits zu Beginn seiner Tätigkeit angekündigt hat, die geltend
gemachten Ansprüche des Klägers nicht in die Insolvenztabelle aufnehmen zu wollen.
Der Kläger macht geltend, dass der Insolvenzverwalter dadurch gegen seine ihm
obliegenden Rechtspflichten verstoßen hat, da die Argumentation des
Insolvenzverwalters fehl gehe und er einen Anspruch auf Aufnahme seiner Forderungen
in die Insolvenztabelle habe. Wenn der Insolvenzverwalter somit angekündigt hat,
unrechtmäßiger Weise die Forderung nicht aufzunehmen, stellt dies einen
Rechtsverstoß dar. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt der Verstoß nicht erst
im Falle der endgültigen Ablehnung vor, sondern es genügt schon das unrechtmäßige
Verhalten im Vorfeld der abschließenden Entscheidung. Es ist dem
Versicherungsnehmer nicht zuzumuten, die sich ankündigende Entscheidung
abzuwarten. Er darf vielmehr darauf hinwirken, dass sie gar nicht erst ergeht.
Andernfalls müsste er abwarten, bis die Anmeldung abgelehnt wird und dann gleich
Klage erheben. Dies führt für ihn zu weiteren Verzögerungen und Prozessrisiken, die er
billigerweise nicht hinnehmen muss. Er kann sich daher auch der Hilfe eines
Rechtsanwaltes bedienen, damit dieser genau das macht, was die
Prozessbevollmächtigten des Klägers hier auch letztlich tatsächlich gemacht haben.
Aus diesem Grund hatte der Kläger bereits auf Grund der bloßen Ankündigung des
Insolvenzverwalters, die Forderungen zurückzuweisen, einen Anspruch auf Gewährung
von Rechtsschutz. Eine Obliegenheitsverletzung nach § 15 Abs. 1 d cc der ARB 75 liegt
nicht vor.
Die Beauftragung des Rechtsanwalts für die Vertretung im Insolvenzverfahren ist auch
nicht mutwillig i.S.d. § 1 ARB 75. Insofern gehen die von der Beklagten angestellten
Vergleiche mit der Beurteilung der Mutwilligkeit im Prozesskostenhilfeverfahren fehl.
Während im Prozesskostenhilfeverfahren Mutwilligkeit dann anzunehmen ist, wenn eine
kostenempfindliche, wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Maßnahmen nicht
ergreifen würde, ist für die Frage der Mutwilligkeit nach den ARB entscheidend, wie sich
ein nicht rechtsschutzversicherter Rechtsuchender, der aber auf Kostenüberlegungen
keine Rücksicht nehmen muss, in gleicher Lage verhalten würde. Dass hier ein
kostenunempfindlicher Gläubiger darauf verzichten würde, seine Ansprüche im
Insolvenzverfahren auch durchsetzen zu lassen, nur weil die Quote möglicherweise nur
3 % beträgt, ist nicht nachvollziehbar.
34
Auch die Frage etwaiger Pflichtverletzungen des Anwaltes im Rahmen des
Beratungsvertrages sind für das Rechtsverhältnis Versicherungsnehmer/Versicherer
irrelevant, worauf noch im folgenden (II.) genauer eingegangen wird.
35
Die weitere Vertretung durch den Prozessbevollmächtigten im Insolvenzverfahren war
geboten und löst statt der 3320-Gebühr des Vergütungsverzeichnisses des RVG die 1,0-
Gebühr der Nummer 3317 des Vergütungsverzeichnisses aus. Die Gebühr für die
vorangegangene Anmeldung zur Insolvenztabelle geht nach Ziffer 3320 des
Vergütungsverzeichnisses in der Verfahrensgebühr auf, so dass insgesamt ein
Anspruch auf eine 1,0-Gebühr besteht.
36
2.
37
Etwas Anderes gilt für den Komplex "H". Insoweit hat der Kläger deshalb keinen über
die 3320-Gebühr hinausgehenden Anspruch, weil es hier an dem oben beschriebenen
weiteren Versicherungsfall im Laufe des Insolvenzverfahrens fehlt. Im
Insolvenzverfahren der "H" hat der Insolvenzverwalter im Gegensatz zum "T"-Fall nicht
38
angekündigt, die Forderungen nicht zur Insolvenztabelle zu nehmen. Somit gilt das
eingangs Gesagte, dass nämlich der ursprüngliche Versicherungsfall, der in den
Pflichtverletzungen aus der Sphäre der H zu sehen ist, durch die Anmeldung der
Forderung zur Insolvenztabelle zum Abschluss gekommen ist. Das bisherige
Streitverhältnis Gläubiger/Schuldner ist erloschen und es ist ein neues Streitverhältnis
Gläubiger/Insolvenzverwalter entstanden, in dem es jedoch zu keiner Pflichtverletzung
des Insolvenzverwalters gekommen ist. Es liegt folglich auch kein Versicherungsfall vor,
der eine weitere anwaltliche Vertretung und somit Rechtsschutz erfordert hätte.
3.
39
Hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Gebührenforderungen haben die
Prozessbevollmächtigten des Klägers hinsichtlich der Gebühr im Fall "T" zu Recht den
Gegenstandswert in Höhe des Nennwertes der geltend gemachten Forderung
angesetzt. Dies ergibt sich bereits unzweifelhaft aus dem Wortlaut des § 28 Abs. 1, Abs.
2 RVG, wonach sich der Gegenstandswert der 3317-Gebühr, die hier, wie oben
geschildert, einschlägig ist, im Falle des Auftrages von einem Insolvenzgläubiger nach
dem Nennwert der Forderung (§ 28 Abs. 2 RVG) richtet.
40
Aber auch hinsichtlich der 0,5-Gebühr der Ziffer 3320, die der Kläger geltend macht, ist
als Gegenstandswert der Nennwert der Forderungen anzusetzen. Dies ergibt sich
ebenfalls aus dem Wortlaut des § 28 RVG in Verbindung mit dem
Vergütungsverzeichnis. Es geht um die 3320-Gebühr des Vergütungsverzeichnisses.
Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine völlig eigenständige Gebühr. Vielmehr
ergibt sich aus dem Wortlaut des Gebührentatbestandes, dass die 3320-Gebühr
lediglich eine reduzierte 3317-Gebühr ist. Die Formulierung des Gesetzes ist nach
Auffassung der Kammer insoweit eindeutig. Es heißt in Ziffer 3320: "Die
Verfahrensgebühr 3317 beträgt 0,5". Damit hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck
gebracht, dass es sich um eine 3317-Gebühr handelt, da andernfalls die Bezugnahme
auf diese Ziffer sinnlos und überflüssig wäre. Da § 28 Abs. 2 RVG bestimmt, dass sich
der Gegenstandswert der 3317-Gebühr nach dem Nennwert der Forderung berechnet,
gilt dies somit auch für die 3320-Gebühr. § 28 Abs. 3 RVG ist daher entgegen der
Auffassung der Beklagten nicht anwendbar.
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Ob dies im Einzelfall zu fraglichen Ergebnissen führen kann, ist ohne Belang. Der
Gesetzgeber hat in § 28 Abs. 2, Abs. 1 RVG unmissverständlich die Entscheidung
getroffen, die 3317-Gebühr nach dem Gegenstandswert festsetzen zu lassen. Das ist
maßgeblich. Für eine Gebührenfestsetzung contra legem ist kein Raum.
42
Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung der Beklagten, es sei "völlig systemwidrig",
dass der Streitwert im Falle einer Klage auf Aufnahme einer Forderung zur
Insolvenztabelle nach dem wirtschaftlichen Interesse zu bemessen ist, während der
Streitwert die Anmeldung zur Insolvenztabelle sich nach dem Nennwert richtet. In dem
Zeitpunkt, in dem die Aufnahme der Forderung zur Insolvenztabelle abgelehnt wurde,
steht im Wesentlichen fest, welche Forderungen Berücksichtigung finden sollen und
welche Masse zu verteilen ist. Es ist zutreffend, dass es dann für den Gläubiger
wirtschaftlich gesehen nur noch um die geringe Befriedigungsquote ging. Bei der
Anmeldung der Forderung zur Tabelle ist das Verfahren jedoch noch im
Anfangsstadium, es ist kaum absehbar, wie hoch die voraussichtlich die Masse und wie
hoch die zur Insolvenztabelle zu nehmenden Forderungen der Gläubiger insgesamt
sein werden. Es kann daher auch noch gar nicht abgeschätzt werden, wie hoch das
43
Interesse des Gläubigers sein könnte. Dies mag eine Rechtfertigung für die gesetzliche
Wertung sein, den Gegenstandswert in beiden Fällen unterschiedlich anzusetzen.
Nach alledem war auch hinsichtlich der 0,5-Gebühr des 3320/3317 der Nennwert der
Forderung für den Gegenstandswert maßgeblich.
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Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Gebühren im Zusammenhang mit dem
Komplex "H" war die Klage hinsichtlich der Freistellungsanträge abzuweisen. Ebenfalls
abzuweisen war die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Zinsen, da für den
Freistellungsanspruch keine Rechtshängigkeitszinsen geltend gemacht werden können
und nicht dargelegt ist, dass ein Zinsanspruch hinsichtlich der Ansprüche der
Prozessbevollmächtigten gegen den Kläger besteht.
45
II.
46
Hinsichtlich des Feststellungsantrages ist die Klage begründet. Die Beklagte hat
Rechtsschutz für die beabsichtigte Rechtsverfolgung gewährt. Deshalb sind auch die
Ausführungen der Beklagten zu den Erfolgsaussichten der Klage ohne Bedeutung.
Allein noch streitentscheidend ist hier vielmehr, ob die Beklagte den Rechtsschutz zu
Recht auf die Erhebung der Klage im Rahmen einer Sammelklage eingeschränkt hat.
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Der Kläger hat jedoch einen uneingeschränkten Anspruch auf Rechtsschutz und die von
der Beklagten vorgenommene Einschränkung ist mit den Versicherungsbedingungen
nicht vereinbar.
48
Maßgeblich für den Umfang des Versicherungsschutzes sind die zwischen den Parteien
vereinbarten Versicherungsbedingungen und ihre Auslegung. Eine Beschränkung auf
eine Sammelklage darf der Versicherer nach Auffassung der Kammer nur dann
vornehmen, wenn sich eine solche Berechtigung aus den Versicherungsbedingungen
ergibt. Eine ausdrückliche entsprechende Regelung enthalten die ARB 75 nicht. Bei der
Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist darauf abzustellen, wie ein
durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Allgemeinen Bedingungen bei verständiger
Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren
Sinnzusammenhangs verstehen muss (vgl. BGHZ 123, 83 m.w.N.). Den §§ 1 und 2 der
ARB lässt sich aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ein solches
Recht der Versicherung nicht entnehmen. Grundsätzlich wird der durchschnittliche
Versicherungsnehmer den gewährten Versicherungsschutz so verstehen, dass er eine
Klage erheben und dafür einen eigenen Rechtsanwalt beauftragen darf. Von der
Möglichkeit, ihn zu einer gemeinsamen Geltendmachung mit anderen anzuhalten, ist bei
der Beschreibung des Versicherungsschutzes keine Rede. Der durchschnittliche
Versicherungsnehmer wird auf den allgemeinen "Normalfall" abstellen, der eine
Einzelvertretung und die Erhebung einer Einzelklage betrifft.
49
Nach Auffassung der Beklagten ergibt sich eine Verpflichtung des
Versicherungsnehmers zur Erhebung einer Sammelklage aus der Obliegenheit des § 15
Abs. 1 d, cc ARB 75, wonach Maßnahmen, die Kosten auslösen, insbesondere die
Erhebung von Klagen und Einlegung von Rechtsmitteln mit dem Versicherer
abzustimmen sind und alles zu vermeiden ist, was eine unnötige Erhöhung der Kosten
oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte. Auch
diese Klausel ist aus der Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers
auszulegen. Dieser wird im Normalfall die Einzelklage, nicht aber zwingend eine
50
Sammelklage kennen.
Jedenfalls wird er der Vorschrift des § 15 nicht entnehmen können, dass ihm
vorgeschrieben werden kann, ob er alleine klagen oder sich anderen Klägern
anschließen muss. Der Wortlaut der Klausel gibt für ein solches Recht des Versicherers
nichts her und der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann auch dem Sinn und
Zweck der Vorschrift ein solches Verweisungsrecht nicht entnehmen. Es versteht sich
von selbst, dass der Kläger bei der Erhebung der Klage keine unnötigen und sinnlosen
Kosten verursachen darf. Eine Verpflichtung zur Geltendmachung der Ansprüche im
Rahmen eines umfangreichen Sammelprozesses erwartet der Versicherungsnehmer
indes – auch nach der Lektüre des § 15 ARB 75 – nicht. Dies gilt um so mehr, als der
durchschnittliche Versicherungsnehmer bei der Erhebung einer Sammelklage die Sorge
haben würde, dass seine Interessen nicht in gleichem Maße vertreten werden, wie im
Falle einer Einzelklage. In § 15 Abs. 1 d, cc ARB 75 ist ausgeführt, dass
kostenauslösende Maßnahmen, insbesondere die Erhebung von Klagen, einer
Abstimmung bedürfen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird unter dieser
Obliegenheit nur verstehen, dass er vor der Entscheidung, das Gericht überhaupt
anzurufen, eine Abstimmung vornehmen muss. Er wird die Norm hingegen nicht
dahingehend verstehen, dass er auch die Art der Klage abstimmen muss. Zwar muss er
darlegen, dass die beabsichtigte Klage Erfolgsaussicht hat. Ein Recht auf
Einschränkung des Rechtsschutzes auf das Institut der Sammelklage folgt aus den ARB
aber nicht.
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Das ergibt sich beispielsweise auch daraus, dass in den ARB der Verweis auf eine
Teilklage in einer Extravorschrift (§ 15 Abs. 1 d, aa) geregelt ist. Wäre § 15 Abs. 1 d, cc
ARB 75 in dem weiten Sinne der Beklagten auszulegen, bestünde kein Bedarf für eine
Extraregelung im Hinblick auf eine Teilklage, da dann auch diese von Ziffer dd umfasst
wäre. Das wird in der Rechtsprechung indes so nicht gesehen. Die Teilklage wird dem
durchschnittlichen Versicherungsnehmer jedoch wesentlich bekannter und in ihrer
prozessualen Sinnhaftigkeit wesentlich nachvollziehbarer sein als eine Sammelklage.
Wenn die ARB 75 für die näher liegende Teilklage schon eine eigenständige Regelung
enthalten, kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer die allgemeinere Klausel d,
cc nicht so verstehen, dass sie ein Verweisungsrecht auf die ferner liegende
Sammelklage ermöglicht. Dafür würde der Versicherungsnehmer erst recht eine
eigenständige Regelung erwarten.
52
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer darf bei Abschluss des
Rechtsschutzversicherungsvertrages davon ausgehen, dass seine individuellen
Interessen durch die Versicherung geschützt sind. Er darf daher davon ausgehen, dass
er – alleine – einen Prozess führen darf. Will sich der Versicherer ein Verweisungsrecht
auf eine Sammelklage vorbehalten, muss er dies in den Versicherungsbedingungen
ausdrücklich regeln.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die beabsichtigte Geltendmachung im Wege
einer Einzelklage auch nicht mutwillig im Sinne des § 1 Abs. 1 ARB 75, so dass die
Beklagte auch daraus kein Verweisungsrecht auf eine Sammelklage herleiten kann.
Unabhängig davon, dass der Verweis auf die Mutwilligkeit schon nach § 158 n VVG
ausgeschlossen sein dürfte, liegen die Voraussetzungen der Mutwilligkeit hier auch
nicht vor. Wie oben bereits dargelegt, überzeugt der Vergleich mit der
Prozesskostenhilfe nicht. Für die Mutwilligkeit nach den ARB ist allein entscheidend,
wie sich ein nicht rechtsschutzversicherter Rechtsuchender, der aber auf
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Kostenüberlegungen keine Rücksicht nehmen muss, in gleicher Lage verhalten würde.
Es mag sein, dass eine kostenempfindliche Partei von der beabsichtigten Einzelklage
auf Grund der geringen Erwartungen an die Realisierbarkeit der Forderung absehen
würde. Eine nicht rechtsschutzversicherte Partei, die jegliche Kostenüberlegungen aber
ausblenden könnte, würde von der Einzelklage indes nicht absehen, da er seiner Klage
mehr Chancen einräumen würde, wenn er wüsste, dass in dem Verfahren allein seine
persönlichen Interessen vertreten würden. Davon wird der normale Rechtssuchende
ausgehen. Und da die Klage auch dann im Ergebnis lohnenswert sein dürfte, wenn nur
wenige tausend Euro realisiert werden können, würde er auch nicht überhaupt – wie
von der Beklagten behauptet – von der gerichtlichen Geltendmachung absehen. Selbst
wenn sich nicht unmittelbar Geld realisieren lassen könnte, wäre die Erhebung der
Klage angesichts des über viele Jahre vollstreckbaren Titels immer noch sinnvoll. Es ist
nicht ersichtlich, weshalb eine nicht auf Kosten Rücksicht nehmende Partei auf diese
Gewinnchance verzichten sollte, wenn ihr selbst kein wirtschaftlicher Schaden durch die
Klageerhebung droht. Mutwilligkeit wäre hier nur dann gegeben, wenn der Erfolg die
Lage des Klägers nicht nennenswert verbessern würde, auf einfacherem Weg erreicht
werden könnte oder der Aufwand völlig außer Verhältnis zum Nutzen steht (vgl. Prölss-
Martin, VVG, 27. Aufl., § 1 ARB 75, Rdnr. 4). Lediglich die Finanzierung sinnloser und
wirtschaftlich in hohem Maße unvernünftiger rechtlicher Maßnahmen Einzelner wird mit
Rücksicht auf die Gefahrengemeinschaft der Versicherten ausgeschlossen sein. Die
Grenze ist dort zu ziehen, wo sich das Verhalten des Versicherungsnehmers mit dem
einer vernünftigen, unversicherten, aber nicht auf Kostenüberlegungen angewiesenen
Partei, nicht mehr in Einklang bringen lässt, vgl. OLG Hamm, VersR 1993, 310 (zwar zu
§ 15, in der Sache aber zu den Kriterien der Mutwilligkeit). Nach diesen Grundsätzen,
die auch die Kammer zugrunde legt, kann hier indes von Mutwilligkeit keine Rede sein.
Dass die Erhebung einer Sammelklage erheblich niedrigere Anwaltskosten und
Gerichtsgebühren auslösen würde, ist nicht von Relevanz. Entscheidend ist allein, ob
die Versicherungsbedingungen eine Regelung vorsehen, die solche Überlegungen in
der Berechtigung des Versicherers münden lassen, den Versicherungsnehmer auf eine
Sammelklage zu verweisen. Das ist –wie aufgezeigt – nicht der Fall.
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Ebenfalls irrelevant sind die Ausführungen der Beklagten zu den Pflichten des Anwalts
gegenüber seinem Mandanten. Es ist zwar zutreffend, dass der Anwalt die Partei über
kostengünstigere Alternativen belehren muss. Aber auch, wenn er dies getan hat, steht
es dem Mandanten natürlich frei, die kostspieligere Variante zu wählen. Wenn diese
Entscheidung im vorliegenden Fall auf dem Umstand beruht, dass der Kläger
rechtsschutzversichert ist, ist dies die rechtspolitische Folge der Existenz der
Rechtsschutzversicherung. Ob der Anwalt seinen Beratungspflichten hinreichend
nachgekommen ist – was hier unbekannt ist –, spielt allein eine Rolle für das Verhältnis
Mandant/Anwalt, nicht hingegen für das Verhältnis Versicherungsnehmer/Versicherer.
Es mag auch sein - und es bestehen hier auch gewisse Anhaltspunkte dafür - dass das
Vorgehen der Prozessbevollmächtigten des Klägers von eigenen pekuniären Interessen
bestimmt ist. Dies führt aber nicht zu einer Beschneidung der Rechte des
Versicherungsnehmers im Verhältnis zu seinem Versicherer, da hierfür allein die
Versicherungsbedingungen maßgeblich sind. Bewegt sich der Versicherungsnehmer im
Rahmen seiner versicherungsrechtlichen Rechte, besteht für den Versicherer keine
Möglichkeit, seine Leistungspflicht abzuwenden.
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Nach alledem durfte die Beklagte den Kläger nicht auf die Erhebung einer Sammelklage
verweisen.
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Selbst wenn man den Verweis auf die Sammelklage für zulässig halten würde – wie die
Kammer auch zunächst erwogen hatte – wäre der Feststellungsantrag im vorliegenden
Fall begründet. Die Grenze für den Verweis auf die Sammelklage wäre nämlich bei
einer unbilligen Benachteiligung des Versicherungsnehmers zu ziehen (§ 15 Abs. 1 d).
Davon wäre hier auszugehen. Die Beklagte hätte nachweisen müssen, dass die von ihr
geltend gemachten Fälle derart identisch sind, für den Versicherungsnehmer jede
relevante Benachteiligung auszuschließen wäre. Dies ist der Beklagten mit den von ihr
vorgelegten Klageentwürfen nicht gelungen. Diese sind zwar nahezu wortidentisch,
aber letztlich in einigen – wenn auch wenigen aber entscheidenden – Punkten
unterschiedlich. So beispielsweise in der Frage, wie und unter welchen ganz genauen
Umständen es zu der Zeichnung der Anlagen gekommen ist. Auch hinsichtlich der
Motive für die Zeichnung dürfte jeder Sachverhalt anders gelagert sein. Wenn – was
nicht auszuschließen ist – auf die konkreten Umstände der Zeichnung abzustellen ist,
könnte für jeden Fall eine Beweisaufnahme durchzuführen sein. Dann wäre die
Sammelklage aber zum einen nach Auffassung der Kammer schon insgesamt
ungeeignet, zum anderen läge dann jedenfalls eine unbillige Beeinträchtigung der
Interessen des Versicherungsnehmers vor. Dieser dürfte dann nämlich befürchten, dass
seine individuellen Interessen im Rahmen eines derartigen Massenverfahrens
untergehen und eine sachgerechte Durchführung einer auf seinen Fall bezogenen
Beweisaufnahme gefährdet ist. Aufgrund dieser unbilligen Beeinträchtigung der Rechte
des Klägers wäre der Verweis auf die Sammelklage daher schon nicht mehr mit § 15
ARB 75 vereinbar. Eine Benachteiligung dürfte allenfalls in solchen Fällen fraglich sein,
in denen es allein um – gleich gelagerte – Rechtsfragen geht. Das ist hier
möglicherweise nicht der Fall. Dabei kommt es im Übrigen auch nicht allein auf die
ursprünglichen Klageentwürfe an, sondern auf das, was letztlich im Laufe des
Prozesses vorzutragen wäre. Daher ist auch zu berücksichtigen, welche Erkenntnisse
sich aus den bereits ergangenen Urteilen des Landgerichts Göttingen ergeben haben.
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Nach alledem war der Klage auch hinsichtlich des Feststellungsantrages stattzugeben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der
vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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