Urteil des LG Münster vom 04.09.2007

LG Münster: ordentliche kündigung, emissionsprospekt, auszahlung, anleger, zwangsvollstreckung, agio, geldanlage, anlageberatung, rendite, rente

Landgericht Münster, 11 O 386/06
Datum:
04.09.2007
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
11. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 O 386/06
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 23.892,71 Euro (dreiund-
zwanzigtausendachthundertzweiundneunzig 71/100 Euro) nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 16.558,17
Euro seit dem 21.12.2004 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin freizustellen von den
ausstehen-den Verbindlichkeiten für Zins und Kosten aus den
Kreditverträgen bei der C2 AG Nr. 1553882051 und 6611965251.
Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit im Übrigen in Höhe von
1.544,51 Euro teilweise erledigt hat.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstre-
ckenden Betrages zuzüglich 25 % vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz aufgrund einer fehlerhaften
Anlageberatung bzw. Anlagevermittlung.
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Am 10.06.1999 unterzeichnete die Klägerin einen Zeichnungsschein über eine
Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter am Unternehmenssegment VIII der T AG.
Aus Gründen, die die Anlagegesellschaft mit Gesetzesänderung beschrieb, sollte die
ursprüngliche Beteiligung am Segment VIII der T AG durch einen Änderungsantrag in
das Segment VII überführt werden. Mit Zeichnungsschein vom 11.11.1999,
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angenommen durch T AG am 18.11.1999 zu Vertrags-Nr. 18632882 EK1, schloss die
Klägerin eine Beteiligung im Wege einer Einmaleinlage als atypisch stiller
Gesellschafter ab mit einem Einzahlungsbetrag von 21.000,00 DM inklusive 5 % Agio.
Sogleich schloss die Klägerin eine Ratenbeteiligung (18 x 632882 EK8) von 630,00 DM
monatlich inklusive 5 % Agio ab. Als Laufzeit waren jeweils 180 Monate, also 15 Jahre
vereinbart. Der Gesamtbetrag der Rateneinlage war mit 113.400,00 DM vereinbart. Die
Klägerin zahlte auf die Beteiligung insgesamt inklusive Agio 16.558,00 Euro an T AG,
wobei zurückgeflossene Entnahmen in diesem Betrag bereits abgezogen sind.
Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass sich die Klägerin auf Beratung und
Vermittlung des seinerzeitigen Mitarbeiters der Beklagten, des Herrn K, an dem
Beteiligungsprogramm "S.-Rente" der T AG beteiligte. Unstreitig zwischen den Parteien
ist auch, dass der Zeuge K der Klägerin erklärte, dass für den Fall, dass eine Barsumme
für die Einmaleinlage nicht zur Verfügung stünde, auch eine Kreditaufnahme zur
Finanzierung sinnvoll wäre. Mit der Ausschüttung aus der Anlage könne dann der Kredit
wieder abbezahlt werden. Die Klägerin schloss daraufhin mit der C AG die
Kreditverträge Nr. 1553882051 und 6611965251 ab.
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Mit Beschluss vom 09.03.2006 stellte das Landgericht N2 in dem Verfahren
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15 O 598/05 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO einen von der Klägerin mit der T AG
geschlossenen Vergleich fest (vgl. Blatt 69 der Beiakte). Hierin hieß es unter anderem,
dass die Klägerin und T AG sich darüber einig sind, dass T AG aus den Beteiligungen
der Klägerin keine Ansprüche gegen die Klägerin hat und dass T AG an die Klägerin
einen Betrag von 16.558,16 Euro, der 100 % der von der Klägerin an T AG geleisteten
Einlage entspricht, zahlt. Am 14.12.2006 hat die Klägerin von der T AG im Wege der
Zwangsvollstreckung einen Betrag in Höhe von 1.544,51 Euro erhalten. Im Juni 2007
wurde über das Vermögen der T AG das Insolvenzverfahren eröffnet.
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Die Klägerin ist der Ansicht, mit der Beklagten, vertreten durch Herrn K, sei ein
Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Hierzu behauptet sie, dass Herr K in
mehreren Beratungsgesprächen vor der Vertragsunterzeichnung verschiedene
Möglichkeiten zur Geldanlage unterbreitet habe und sich eingehend nach den
klägerischen Vermögensverhältnissen erkundigt habe. Nach Empfehlung des Herrn K
sollte angeblich die vorteilhafteste Geldanlage darin liegen, die streitgegenständlichen
Verträge bei der T AG abzuschließen. Nach der Darstellung des Herrn K sollte diese
Anlage im Vergleich etwa zu privaten Lebensversicherungen eine wesentlich bessere
Rendite erzielen. Herr K habe auch dazu geraten, einen bereits bestehenden
Lebensversicherungsvertrag zu kündigen, um das Geld in der streitgegenständlichen
Anlage anzulegen. Unstreitig hat Herr K eine individuelle Berechnung unterbreitet, aus
der sich Verlauf und Wert einer Anlage der Klägerin bei der T AG ergeben sollte (Blatt
36 der Akte).
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Die Klägerin behauptet, Herr K habe ihr vor Unterzeichnung des Zeichnungsscheines
am 11.11.1999 den Emissionsprospekt über die hier streitgegenständliche Beteiligung
nicht überreicht. Eine verständliche Erläuterung des Konzepts der Mitunternehmerschaft
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sei durch Herrn K nicht erfolgt, ebenso wenig wie eine Erläuterung des Konzepts der
Verlustzuweisung. Auch habe Herr K nicht über das spezifische Risiko einer atypischen,
am Verlust zu beteiligenden stillen Gesellschaft aufgeklärt. Er habe insbesondere nicht
erläutert, dass auch ohne Insolvenz der T AG die Einlagen der Anleger verloren sein
könnten. Ferner sei nicht erklärt worden, dass ein vorzeitiger Ausstieg aus der Anlage
durch ordentliche Kündigung nicht möglich gewesen sei. Auch seien keine Hinweise
des Herrn K darüber erfolgt, dass es bereits seit 1991 sehr kritische
Presseveröffentlichungen über die Göttinger Gruppe und ihre Anlagemodelle, also auch
die Anlagemodelle der T AG gab, die von einer Anlage dort als sehr riskant abrieten.
Ferner sei kein Hinweis auf die Novellierung des Kreditwesengesetzes und deren
Auswirkungen auch auf die Beteiligungsverträge der Klägerin erfolgt.
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Die Klägerin macht als Schaden die von ihr an T AG geleisteten Einzahlungen inklusive
des jeweiligen Agio abzüglich der Entnahmen geltend. Ferner macht sie unter näherer
Darlegung bezifferte Zinsen in Höhe von 5.092,66 Euro bis zum 20.12.2004 geltend mit
der Begründung, dass bei anlegergerechter Anlage, zum Beispiel Bundeswertpapiere,
eine durchschnittliche Verzinsung von zumindest 6 % p.a. zu erzielen gewesen wäre.
Auf diese Zinsforderung lässt sich die Klägerin den von der T AG im Wege der
Zwangsvollstreckung gezahlten Betrag von 1.544,51 Euro anrechnen. Ferner macht die
Klägerin unter näherer Darlegung die Zinsen und Kreditkosten in Höhe von 3.786,39
Euro hinsichtlich der bei der C2 aufgenommenen Kredite geltend und begehrt
Freistellung von den ausstehenden Verbindlichkeiten für Zins und Kosten aus diesen
Kreditverträgen.
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Unstreitig forderte die Klägerin durch Anwaltschreiben vom 07.12.2004 die Beklagte
zum Schadensersatz auf, Zug um Zug gegen Abtretung des
Auseinandersetzungsguthabens an der Beteiligung und der Erklärung der Übertragung
der Anlage.
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Mit Schriftsatz vom 16.03.2002 hat die Klägerin den Rechtsstreit in Höhe von 1.544,51
Euro für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht
angeschlossen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 16.558,17 Euro zu zahlen nebst
Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 21.12.2004 sowie weiterer Zinsen in Höhe von 3.548,15 Euro,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 3.786,39 Euro zu zahlen
und die Klägerin freizustellen von den ausstehenden Verbindlichkeiten für
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Zins und Kosten aus den Kreditverträgen bei der C2 AG Nr. 1553882051 und
6611965251,
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festzustellen, dass der Rechtsstreit in Höhe von 1.544,51 Euro erledigt ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, ein Anlageberatungsvertrag sei zwischen den Parteien
nicht zustande gekommen. Die Beklagte behauptet, dass Herr K auf der Grundlage der
ihm von der T AG zur Verfügung gestellten Unterlagen das Produkt vorgestellt und
hinsichtlich der Chancen und Risiken auf die Ausführungen im Emissionsprospekt der T
AG hingewiesen habe, welcher der Klägerin anlässlich der Beratungen bei
Vertragsabschluss ausgehändigt worden sei. Herr K habe unmittelbar nach Vorstellung
des Produktes anhand des Emissionsprospektes eingehend die wesentlichen Risiken
dieser Anlageform mit der Klägerin erörtert. Dies sei in der Weise erfolgt, dass die im
Emissionsprospekt dargelegten Risiken für eingesetztes Kapital, den erwarteten Betrag,
die steuerlichen Risiken, das Risiko bei vorzeitiger Beendigung, das
Veräußerungsrisiko sowie die sonstigen Risiken anhand des Emissionsprospektes
eingehend und ausführlich erörtert worden seien. So sei die Klägerin von Herrn K
besonders auf die auf Seite 31 des Emissionsprospektes unter der Überschrift "Ihre
Chancen und Risiken auf einen Blick" dargestellten Risiken hingewiesen worden. Auch
sei die Klägerin von Herrn K darauf hingewiesen worden, dass aufgrund der
Verpflichtungen der T AG die Gefahr bestehe, dass die Rendite geringer oder ganz
ausfallen könne.
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Die Beklagte bestreitet die Höhe des geltend gemachten Schadens.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist vollumfänglich begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen
Schadensersatzanspruch in Höhe des ausgeurteilten Betrages gemäß §§ 280 Abs. 1,
241 Abs. 2 BGB.
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Die Beklagte, vertreten durch ihren ehemaligen Mitarbeiter, Herrn K, hat schuldhaft
Vertragspflichten aus einem zwischen den Parteien zustande gekommenen
Anlageberatungsvertrag verletzt. Dass zwischen den Parteien ein
Anlageberatungsvertrag zustande gekommen ist, ergibt sich bereits aus dem
unstreitigen Vortrag der Parteien. Ein auf Anlageberatung zielender Vertrag liegt dann
vor, wenn der Kunde den Berater hinzuzieht, wenn er selbst keine ausreichenden
wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche
Zusammenhänge hat, um sein Anlageproblem zu lösen. Er erwartet dann nicht nur die
Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und
Beurteilung. Er wünscht eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene
Beratung. Der zwischen dem Anlageinteressenten und einem bloßen Anlagevermittler
zustande gekommene Vertrag zielt demgegenüber lediglich auf Auskunftserteilung zu
einer bestimmten, vom Anleger bereits ins Auge gefassten Anlageform ab. Er
verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen
tatsächlichen Umstände, die für den konkreten Anlageentschluss des Interessenten von
besonderer Bedeutung sind (vgl. OLG N, 20 U 2694/06, Urteil vom 06.09.2006, m.w.N.).
Nach diesen Kriterien liegt hier ein Anlageberatungsvertrag vor. Unstreitig zwischen den
Parteien ist, dass die Klägerin eine Geldanlage zu Zwecken der Altersvorsorge
wünschte. Unstreitig ist auch, dass die Anlage bei der T AG zu diesem Zweck nicht von
der Klägerin selber ins Auge gefasst wurde, sondern von dem Mitarbeiter der Beklagten,
Herrn K, empfohlen wurde. Entscheidend für die Annahme eines
Anlageberatungsvertrages ist in diesem Zusammenhang, dass der Zeuge K eine
individuelle Berechnung aufgrund der von der Klägerin gemachten Angaben,
beispielsweise des jährlichen Einkommens und der steuerlichen Merkmale der
Klägerin, machte. Bereits eine solche individuelle Berechnung einer zu erwartenden
Rendite hinsichtlich der Altersversorgung macht deutlich, dass es der Klägerin nicht
lediglich um Auskunftserteilung zu einer bestimmten, von ihr ins Auge gefassten
Anlageform ging, sondern um eine individuelle Beratung hinsichtlich einer
sachgerechten Altersvorsorge. Unschädlich ist insoweit, wie bereits oben ausgeführt,
wenn Herr K als Vertreter der Beklagten der Klägerin die gewählte Anlage bei der T AG
als einzige Anlageform vorstellte. Maßgeblich für die Annahme eines
Beratungsvertrages ist insbesondere, wie bereits ausgeführt, das Abfragen und
Auswerten der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ratsuchenden. Diese Art des
Tätigwerdens ist klassische Anlageberatung (vgl. OLG N, a.a.o.). Aus diesem
Anlageberatungsvertrag folgt die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin sorgfältig,
sachlich richtig, vollständig und umfassend unter Berücksichtigung ihrer Interessen
aufzuklären bzw. entsprechende Auskünfte zu erteilen. Die Beklagte hat hierzu lediglich
vorgetragen, der Mitarbeiter K der Beklagten habe die Klägerin anhand des
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Emissionsprospektes insbesondere auch über die Risiken der gewählten Anlage bei
der T AG aufgeklärt. Unabhängig davon, dass diese Darlegungen der Beklagten bereits
unsubstantiiert sind, wäre die Beratung der Beklagten auch dann nicht ausreichend,
wenn sämtliche Punkte des Emissionsprospektes mit der Klägerin im Einzelnen
durchgegangen worden wären, was allerdings angesichts des Umfanges des
Emissionsprospektes von immerhin 136 eng bedruckten Seiten eher unplausibel
erscheint. Entscheidend ist insoweit nämlich, dass die Beklagte der Klägerin zu der
gewählten Anlageform, also einer atypisch stillen Beteiligung an der T AG, zu Zwecken
der Altersvorsorge gar nicht hätte raten dürfen. Diese Anlageform war wegen ihres
jedenfalls bestehenden Risikos eines Totalverlustes – auch in dem Fall, dass die
Anlagegesellschaft nicht insolvent werden würde – zu Zwecken der Altersvorsorge
objektiv ungeeignet.
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Bei Unterstellung des Vortrages der Beklagten, der Mitarbeiter K habe anhand des
Emissionsprospektes der T AG über die negative Presse hinsichtlich der Anlagemodelle
der T AG informiert, wäre auch diese Information im Rahmen eines
Anlageberatungsvertrages unzureichend gewesen. Aus dem Emissionsprospekt (Seite
115/116 dieses Prospektes) geht hervor, dass T AG sich zur Zeit verstärkt negativen
Berichterstattungen in den Medien ausgesetzt sieht, insbesondere wegen einer
Unterstellung, dass die S.-Rente auf einem modifizierten Schneeballsystem beruhe. Die
allgemeine Information über eine diesbezügliche Pressekampagne und die damit
verbundenen Risiken reichte allerdings im Rahmen eines Anlageberatungsvertrages
nicht aus. Die Klägerin hat insbesondere in ihrem Schriftsatz vom 16.03.2007 (Blatt 156
bis 159 der Akte) eine Vielzahl von Quellen und Berichterstattungen aufgeführt, aus
denen sich Bedenken hinsichtlich der Anlageprodukte der Göttinger Gruppe ergaben.
Insbesondere berichtete auch die Zeitschrift "Finanztest" unter Berufung auf die
Verbraucherzentrale C4 darüber, dass die Anlageprodukte und Beteiligungsmodelle der
Göttinger Gruppe als unseriös und dubios in die schwarze Liste der Verbraucherzentrale
C4 aufgenommen worden waren. Die Beklagte als Anlageberaterin hätte hierauf in
deutlicherer Form, als in dem Emissionsprospekt dargestellt, hinweisen müssen. Die
Hinweise im Emissionsprospekt stellen sich insoweit als verharmlosende Darstellung
der einschlägigen Berichte der Presse sowie auch von Verbraucherorganisatoren dar.
Dies gilt insbesondere in Anbetracht dessen, dass die Klägerin sich für eine
Altersvorsorge interessierte. Unstreitig hat der Mitarbeiter der Beklagten K auch nicht
darüber aufgeklärt (dies ergibt sich insoweit nicht aus dem Emissionsprospekt der T
AG), dass sich aus einer Novellierung des Kreditwesengesetzes negative
Auswirkungen auf die Beteiligungsverträge der Klägerin ergeben könnten. So waren in
den Anlageverträgen der T AG bis zum Prospekt Nr. 13.2 die S.-Rente in der Form
vereinbart, dass nach Ende der Beteiligung die Auszahlung des
Auseinandersetzungsguthabens grundsätzlich in monatlichen Raten über einen
Zeitraum von 10 bis 40 Jahren erfolgen sollte. Der zwischenzeitlich stehen gelassene
Vertrag des Auseinandersetzungsguthabens sollte von der Gesellschaft mit 7 % p.a.
verzinst werden. Diese Gestaltung war nach der 6. KWG-Novelle mit Wirkung zum
01.01.1998 von der rechtlichen Wertung betroffen, ein Einlagengeschäft im Sinne des §
1 KWG darzustellen. Die dafür erforderliche bankrechtliche Genehmigung besaßen die
Anlaggesellschaften aber nicht, sodass der Vertragsschluss fehlerhaft, zumindest aber
besonders riskant war. T AG hatte zu den Vertragsbedingungen einer ratierlichen
Auszahlung bei Vertragsschluss der Klägerin Anfang 1999 nach Mitteilung des
Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen bereits rund 80.000 rechtlich fehlerhafte
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Anlageverträge abgeschlossen. Zwar sieht der Prospekt Nr. 13.3 vom 01.08.1999 und
der dazugehörige Anlagevertrag nur noch eine Auszahlung des
Auseinandersetzungsguthabens in einer Summe vor, sodass in der Vereinbarung kein
Einlagengeschäft durch verzinslich zurückbehaltene Anlegergelder zu sehen ist. Zum
Zeitpunkt der Prospektaufstellung im Jahr 1999 war jedoch bereits erkennbar, dass aus
den seit Oktober 1997 geschlossenen, rechtlich anfechtbaren Verträgen nach den
Prospekten 13.2 und 13.2.1 Haftungsrisiken auf die Anlagegesellschaft zukamen. Denn
unter Berufung auf die fehlerhaften Verträge konnten sich die dortigen Anleger von den
geschlossenen Verträgen lösen, ihre Einzahlung einstellen, die Einlagebeträge im
Wege des Schadensersatzes zurückfordern und die Anlagegesellschaft daher mit einer
Vielzahl von rechtlichen Streitigkeiten überziehen. Es war damit das Risiko ersichtlich,
dass das zur erfolgreichen Geschäftstätigkeit erforderliche Anlagekapital massiv
geschmälert werden konnte und die angestrebte Gewinnerzielung – wie sie zum
Ausgleich der 100 %-igen Verlustzuweisung des Anlegers unbedingt erforderlich war –
allein deshalb ausbleiben konnte, dem neuen Anleger also ein Totalverlust allein
wegen der Risiken aus den Altverträgen drohte. Zwar betrifft die von der Klägerin zitierte
Rechtsprechung, insbesondere auch des OLG C3 im Urteil vom 30.11.2005, ZIP 2006,
180, nur die Fälle, bei denen eine ratierliche Auszahlung vorgesehen war und daher ein
unmittelbares Risiko für diese Verträge bestand. Da aber die Verträge, bei denen die
Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens in einer Summe vorgesehen war,
jedenfalls mittelbar durch die drohende Rückabwicklung der Altverträge betroffen war,
wie von der Klägerin unwidersprochen vorgetragen, musste hierüber seitens der
Beklagten als Anlageberaterin informiert werden.
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Schließlich hatte die Beklagte als Anlageberaterin die Klägerin darüber zu informieren,
dass ihre positive Bewertung des Anlagemodells bei der T AG ausschließlich auf nicht
überprüften Informationen der kapitalsuchenden Anlagegesellschaft beruhte. Eine
solche Information der Klägerin durch den Zeugen K ist unstreitig unterblieben. Selbst
wenn – was nicht der Fall ist – die Beklagte, vertreten durch Herrn K, lediglich
Anlagevermittlerin gewesen wäre, so hätte sie hierüber auch im Rahmen des
Anlagevermittelungsvertrages aufklären müssen (vgl. Palandt-Heinrichs, § 280 BGB,
Rd.-Nr. 52 m.w.N.).Unter diesem Gesichtspunkt wäre die Beklagte selbst als
Anlagevermittlerin haftbar.
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Schließlich hat die Beklagte eine Pflicht aus dem Anlageberatungsvertrag auch deshalb
verletzt, weil sie die Klägerin nicht rechtzeitig informiert hat und diese letztlich keine
Gelegenheit hatte, über die nicht ohne Weiteres für einen Laien einfach zu
durchschauende Anlagebeteiligung bei der T AG nachzudenken. Hierbei kann unstreitig
bleiben, wann die Beklagte, vertreten durch Herrn K, den Emissionsprospekt der
Klägerin übergeben hat. Jedenfalls ist auch ausweislich des Vortrags der Beklagten
eine Übergabe des Emissionsprospektes der Anlagegesellschaft erst anlässlich des
Gesprächs vor Unterzeichnung des Zeichnungsscheins am 11.11.1999 erfolgt. Wenn
erst zu diesem Termin eine ausführliche Information der Klägerin anhand des
Emissionsprospektes erfolgt ist, war dies angesichts des Umfangs der zu erteilenden
Informationen und des Emissionsprospektes zu spät.
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Hinsichtlich der Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Forderungen ist der
schlüssige Vortrag der Klägerin von der Beklagten nicht substantiiert bestritten worden.
Unstreitig hat die Klägerin an T AG inklusive eines 5 %-igen Aufschlags abzüglich ihrer
Entnahmen 16.558,17 Euro gezahlt. Die Klägerin hat auch substantiiert dargelegt, dass
ihr bei anlegergerechter Anlage, zum Beispiel bei der Anlage in Bundeswertpapieren,
eine durchschnittliche Verzinsung von zumindest
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6 % p.a. zugutegekommen wäre. Die konkret bis zum 20.12.2004 bei einer derartigen
Anlage erlangten Zinsen in Höhe von insgesamt 5.092,66 Euro hat die Klägerin auch
substantiiert dargelegt. Ein substantiiertes Bestreiten der Beklagen diesbezüglich ist
nicht erfolgt. Ebenfalls von der Beklagten nicht substantiiert bestritten worden ist, dass
die Klägerin auf die Kreditverträge bei der C2 AG insgesamt 3.786,39 Euro Kreditzinsen
und Kreditkosten bisher gezahlt hat. Im Übrigen hat die Klägerin dies durch Vorlage
entsprechender Belege und Kontoauszüge auch bewiesen. Auch diese Beträge stehen
der Klägerin daher im Wege des Schadensersatzes zu.
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Auf den bis zum 20.12.2004 angefallenen Zinsschaden hat sich die Klägerin den von
der T AG im Wege der Zwangsvollstreckung erlangten Betrag in Höhe von 1.544,51
Euro anrechnen lassen, sodass insoweit lediglich ein Zinsschaden in Höhe von
3.548,15 Euro von der Klägerin geltend gemacht wird. Hinsichtlich des Betrages von
1.544,51 Euro hat die Klägerin den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt. Die Klägerin
muss sich insoweit nicht, wie von der Beklagten vorgetragen, einen weiteren Betrag aus
dem in T AG im Verfahren Landgericht N2 14 O 598/05 erlangten Zahlungstitel
anrechnen lassen. Da eine über 1.544,51 Euro hinausgehende Zahlung seitens der T
AG auf diesen Titel unstreitig bisher nicht erfolgt ist, mindert sich die
Schadensersatzforderung der Klägerin gegen die Beklagte durch das bloßen Bestehen
einer titulierten Forderung gegen T AG nicht. Dies gilt insbesondere in Anbetracht
dessen, dass über das Vermögen der T AG mittlerweile das Insolvenzverfahren eröffnet
worden ist und weitere Zahlungen der Anlagegesellschaft zeitnah nicht zu erwarten
sind.
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Die hinsichtlich der geltend gemachten Hauptforderung in Höhe von 16.558,17 Euro
zugesprochenen Zinsen seit dem 21.12.2004 ergeben sich aus
Verzugsgesichtspunkten, §§ 286, 288 BGB. Ferner war die Klägerin im Wege des
Schadensersatzes von den ausstehenden Zins- und Kostenverbindlichkeiten aus den
Kreditverträgen, die bei der C2 aufgenommen worden sind, freizustellen.
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Soweit die Klägerin den Rechtsstreit in Höhe eines Betrages in Höhe von 1.544,51 Euro
einseitig für erledigt erklärt hat, war auszusprechen, dass sich der Rechtsstreit teilweise
in Höhe dieser Forderung erledigt hat. Diesbezüglich lag durch den im Wege der
Zwangsvollstreckung der T AG erlangten Zahlung von 1.544,51 Euro ein erledigendes
Ereignis vor. Da die Klage nach obigen Ausführungen von Anfang an zulässig und
begründet war, war die von der Klägerin begehrte Feststellung der Erledigung
auszusprechen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige hinsichtlich der
vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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