Urteil des LG Münster vom 18.01.2005

LG Münster: wiedereinsetzung in den vorigen stand, einspruch, erlass, zustellung, sorgfalt, prozesspartei, verschulden, anforderung, verdacht, postsendung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Münster, 16 O 637/04
18.01.2005
Landgericht Münster
16. Zivilkammer
Urteil
16 O 637/04
Der Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid des
Amtsgerichts I vom 30.08.2004 – Geschäfts-Nummer 04-2110676-0-6 –
wird als unzulässig verworfen.
Die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung eines Vorschusses nach dem
Nichtzustandekommen eines Pachtvertrages über die Gaststätte "K" in D in Anspruch.
Das Amtsgericht I hat unter der im Tenor genannten Geschäftsnummer auf Antrag der
Klägerin am 09.08.2004 einen Mahnbescheid über 10.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.07.2004 sowie Kosten in Höhe von
966,84 € erlassen.
Ebenfalls antragsgemäß hat das Amtsgericht I am 30.08.2004 entsprechenden
Vollstreckungsbescheid gegen den Beklagten erlassen, der diesem am 01.09.2004
zugestellt worden ist.
Am 21.09.2004 ist ein Widerspruch des Beklagten bei dem Amtsgericht I eingegangen.
Der Beklagte hat am 28.12.2004 Widerspruch gegen den Mahnbescheid sowie Einspruch
gegen den Vollstreckungsbescheid eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand beantragt.
Die Klägerin beantragt,
den Einspruch als unzulässig zu verwerfen.
Der Beklagte beantragt,
unter Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand den
Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Er behauptet, dass er sechs bis sieben Tage nach Zustellung des Mahnbescheides etwa
Anfang August 2004 das ausgefüllte Widerspruchsformular an das Amtsgericht I per Post
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abgesandt habe. Er sei dabei davon ausgegangen, dass das Schreiben bei dem
Amtsgericht I auch angekommen sei.
Nachdem ihm der Vollstreckungsbescheid zugesandt worden sei, habe er sich gewundert,
dass dieser überhaupt noch ergangen sei. Sicherheitshalber habe er deshalb das
Widerspruchsformular nochmals ausgefüllt und an das Amtsgericht I gesandt.
Er habe keine Erklärung dafür, dass sein erstes Widerspruchsschreiben nicht angekommen
sei und könne lediglich Vermutungen dahingehend anstellen, dass es nach Eingang des
zweiten Widerspruchsschreibens vernichtet worden sei.
Wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid ist unzulässig und war
daher zu verwerfen.
Zwar ist er gemäß §§ 700, 338 ZPO statthaft, die Einspruchsfrist der §§ 700, 339 Abs.1
ZPO ist jedoch durch den Einspruch vom 21.09.2004 nicht gewahrt.
Die Zustellung des Vollstreckungsbescheides erfolgte am 01.09.2004, die zweiwöchige
Einspruchsfrist war nach dem 15.09.2004 abgelaufen, §§ 222 ZPO, 187, 188 BGB.
Der Beklagte hat auch nicht behauptet, dass die Einspruchs- bzw. Widerspruchsfrist durch
das erste von ihm behauptete Widerspruchsschreiben aus dem August 2004 gewahrt
worden sei. Vielmehr geht er in der Eidesstattlichen Versicherung vom 28.12.2004 selber
davon aus, dass dieses nicht angekommen sei und stellt lediglich Mutmaßungen darüber
an, dass es vernichtet worden sein könnte. Ein Fall, in dem der Beklagte gleichzeitig die
Zulässigkeit des Rechtsmittels behauptet und Wiedereinsetzungsantrag stellt, vgl. hierzu
BGH vom 16.03.2000 in NJW 2000, Seite 2280, liegt damit nicht vor.
Auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unbegründet. Die
Voraussetzungen des § 233 ZPO liegen nicht vor.
Der Beklagte behauptet, er sei nach dem Erhalt des Vollstreckungsbescheides am
01.09.2004 davon ausgegangen, dass sein Widerspruch aus dem Monat August
eingegangen sei und habe sich deshalb über den Erlass des Vollstreckungsbescheides
gewundert.
Der Beklagte war bereits nach seinem eigenen Vorbringen nicht ohne Verschulden an der
Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert. Er hat nicht die insoweit maßgebliche Sorgfalt
einer ordentlichen Prozesspartei walten lassen. Anzulegen ist dabei ein objektiv-abstrakter
Maßstab in Anlehnung an § 276 Abs.2 BGB, vgl. Zöller-Greger, § 233 ZPO, Rz. 12.
Gemessen an diesen Anforderungen, hat der Beklagte die Sorgfaltspflichten einer
ordentlichen Prozesspartei verletzt, indem er trotz Erhalt des Vollstreckungsbescheides
davon ausging, dass sein etwa 2 Wochen zuvor vermeintlich abgesandter Widerspruch in
jedem Fall bei dem Amtsgericht I eingegangen ist. An eine sorgfältig handelnde Partei ist
die Anforderung zu stellen, zumindest Erkundigungen einzuholen bei dem Mahngericht, ob
der Widerspruch dort vorliegt. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte den ersten
Widerspruch mit normaler Postsendung, also ohne Sicherheitsmaßnahmen wie
beispielweise ein Einschreiben mit Rückschein o.ä., versandt haben will. Nach dem Erhalt
des Vollstreckungsbescheides hatte er allen Anlass, sich insoweit zu vergewissern. Es
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musste sich ihm der Verdacht aufdrängen, dass der Widerspruch nicht eingegangen war.
Dafür sprechen auch die zeitlichen Abläufe. Nach eigenem Vorbringen hat der Beklagte
das Widerspruchsschreiben etwa Mitte August abgesandt. Bei dem vom 30.08. datierten
Vollstreckungsbescheid konnte er nicht von einer zeitlichen Überschneidung seines
Widerspruches mit dem Erlass und Versand des Vollstreckungsbescheides ausgehen. Den
Eingang konnte er spätestens für den 20.08. erwarten, somit liegen zehn Tage zwischen
dem vermeintlichen Eingang des Widerspruches und dem Erlass des
Vollstreckungsbescheides. Der Beklagte konnte deshalb nicht auf den Eingang des
Widerspruches vertrauen.
Nach alledem stellt es eine Verletzung der Sorgfalt dar, dass der Beklagte nicht innerhalb
der Einspruchsfrist Erkundigungen über seinen Widerspruch eingeholt und gegebenenfalls
den Einspruch nochmals eingelegt hat. Genau dies hat der Beklagte später auch getan,
jedoch vorwerfbarerweise erst nach Ablauf der Einspruchsfrist.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91,708 Nr.3 ZPO.