Urteil des LG Münster vom 07.10.2004

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Landgericht Münster, 2 O 339/03
Datum:
07.10.2004
Gericht:
Landgericht Münster
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 339/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einer
behaupteten fehlerhaften Ankaufsuntersuchung geltend.
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Die Klägerin beabsichtigte von einer Frau H, die im Klageantrag näher bezeichnete
Stute "D" zu kaufen. Zu diesem Zweck beauftragte der Ehemann der Klägerin die
Beklagten, die in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Tierärztliche
Klinik für Pferde in U betreiben, eine Kaufuntersuchung vorzunehmen. Der Beklagte zu
5) führte diese Kaufuntersuchung am 23.1.2003 durch. Hierbei fertigte er auch
Röntgenaufnahmen. Bei dieser Untersuchung haben die Beklagten mehrere
medizinisch erhebliche klinische und radiologische Befunde aufgezeigt. Insofern wird
auf die Eintragungen im Untersuchungsprotokoll verwiesen.
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Für die Durchführung der Ankaufsuntersuchung erstellten die Beklagten gegenüber der
Klägerin eine Rechnung in Höhe von 629,49 EUR.
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Im Anschluss an die Ankaufsuntersuchung schloss die Klägerin mit der Frau H einen
Kaufvertrag über die Stute "D" zu einem Kaufpreis von 5.500,00 EUR.
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Die Klägerin nimmt nunmehr die Beklagten auf Rückzahlung dieses Kaufpreises sowie
Rückerstattung von Aufwendungen für das Pferd Zug um Zug gegen Herausgabe
dieses Pferdes in Anspruch.
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Die Klägerin behauptet, die Stute habe im Fesselgelenk der linken Beckengliedmaße
eine OCD. Dies würde sich auch aus den gefertigten Röntgenaufnahmen ergeben.
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Hierauf sei nicht hingewiesen worden. Wenn der Beklagte zu 5) hierauf
- pflichtgemäß - hingewiesen hätte, hätte die Klägerin das Pferd nicht gekauft.
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Die Klägerin beantragt,
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1.
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die Beklagten zu 1) bis 6) zu verurteilen,
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als Gesamtschuldner an sie 6.662,00 EUR
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nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
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jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.6.2003 zu zahlen
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und zwar Zug um Zug gegen Herausgabe der 1996
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geboren dunkelbraunen Stute "D", Abstammung:
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Dimension ## R ####, Lebensnummer #######,
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nebst Abstammungspapier und Equidenpass,
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2.
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festzustellen, dass
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a. sich die Beklagten mit der Annahme der vorbezeichneten Stute in Verzug befinden
und
b. die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner der Klägerin deren künftige
Aufwendungen für die vorbezeichnete Stute (Stall, Futter, artgerechte Bewegung,
Hufschmied, Tierarzt usw.) zu erstatten.
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Einen weiteren ursprünglich angekündigten Klageantrag, festzustellen, dass den
Beklagten zu 1) bis 6) gegen die Klägerin aus ihrer Rechnung vom 14.5.2003
Ansprüche in Höhe von 629,49 EUR nicht zustehen, haben die Parteien in der
mündlichen Verhandlung vom 3.11.2003 übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem
die Beklagten die Erklärung abgegeben haben, dass Ansprüche aus dieser Rechnung
sich nicht gegen die Klägerin, sondern gegen deren Ehemann richten.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten behaupten, dass zum Zeitpunkt der Ankaufsuntersuchung lediglich eine
Normabweichung im Bereich des Fesselgelenks vorgelegen habe, nicht jedoch um
einen plantaren Fesselgelenk-Chip. Die Beklagten seien nicht verpflichtet, auf diese
Normabweichung hinzuweisen. Die Normabweichung unterfalle nach dem
Röntgenleitfaden als Veränderung in der Gleichbein-Basis (1.93 Zubildung-Basis) der
Klasse 2. Nach dem Röntgenleitfaden seien die Beklagten zu einer Erwähnung der
Normabweichung in der Befundbeschreibung nicht verpflichtet, da bei dieser
Normabweichung klinische Erscheinungen unwahrscheinlich seien.
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Hierzu entgegnet die Klägerin, dass die Beklagten auch bezüglich dieser
Normabweichung aufklärungspflichtig gewesen seien. Sie - die Klägerin - hätte das
Pferd auch bei Bekanntsein dieser Normabweichung nicht gekauft.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des
Sachverständigen Dr. H2.
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Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 10.5.2004
Bezug genommen. Außerdem hat das Gericht den Gutachter in der mündlichen
Verhandlung vom 7.10.2004 persönlich angehört. Insofern wird auf die
Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
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Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschriften
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB
in Verbindung mit einer Drittschadensliquidation bzw. einem Vertrag mit Schutzwirkung
zu Gunsten Dritter zu.
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Die Beklagten haben nämlich anlässlich der Ankaufsuntersuchung vom 23.1.2003 keine
Pflichtverletzung begangen.
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Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H2 steht fest, dass die Stute "D" zum
Zeitpunkt der klinischen und röntgenologischen Untersuchung durch den Beklagten zu
5) am 23.1.2003 keinen plantaren Fesselgelenkchip aufwies. Die Stute wies nach dem
Gutachten des Sachverständigen Dr. H2 vielmehr lediglich eine radiologische
nachweisbare Verschattung im plantaren Gelenksbereich bzw. in den angrenzenden
kurzen und schrägen Gleichbeinbändern auf. Der Sachverständige Dr. H2 hat hierzu in
seinem Gutachten aufgeführt, dass es sich hierbei mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit nicht um einen plantaren Fesselgelenkchip aufwies.
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Nach einer Empfehlung des Röntgenleitfadens sind die von dem Sachverständigen
festgestellten Veränderungen in der Gleichbeinbasis (1.93 Zubildung Basis) als Klasse
II zu klassifizieren.
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Die Beklagten waren zu einer Aufklärung gegenüber der Klägerin bezüglich dieses
Befundes nicht verpflichtet.
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Nachdem aktuellen Röntgenleitfaden können Befunde der Klasse II bei der
Befundbeschreibung erwähnt werden, müssen aber nicht.
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Einer Verpflichtung zur Aufklärung hätte nur dann bestanden, wenn aufgrund des
Röntgenbefundes spätere auftretende klinische Erscheinungen an den Fesselgelenken
der Stute für wahrscheinlich gehalten worden wären. Eine solche Wahrscheinlichkeit für
spätere klinische Erscheinungen bestand jedoch nicht und hat sich in der Folgezeit
auch nicht bestätigt. Wie aus dem Gutachten des Sachverständigen nämlich hervorgeht,
ist eine dauerhafte Leistungsminderung als sehr gering oder sogar unwahrscheinlich
einzustufen. Klinische Folgen der in der Vergangenheit entstandenen
Normabweichungen sind nicht manifest.
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Nach dem Röntgenleitfaden waren die Beklagten daher nicht zur Aufklärung verpflichtet.
Der gegenteiligen Rechtsauffassung der Klägerin folgt die Kammer nicht. Soweit die
Klägerin sich in ihrem Schriftsatz vom 25.6.2004 für ihre gegenteilige Rechtsauffassung
auf ein Urteil des Landgerichts G von November 200 (########) beruft, so galt zu
diesem Zeitpunkt noch ein anderer Röntgenleitfaden. Hierauf haben die Beklagten in
ihrem Schriftsatz vom 14.9.2004 zu Recht hingewiesen.
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Da keine Pflichtverletzung der Beklagten vorlag, war die Klage mit der Kostenfolge aus
§ 91 Abs. 1 ZPO entsprechend abzuweisen.
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Soweit die Parteien bezüglich des ursprünglich angekündigten Klageantrages zu Ziffer
3) den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat
auch insoweit die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a ZPO unter
Berücksichtigung des Gedankens aus § 92 Abs. 2 ZPO zu tragen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbar beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
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