Urteil des LG Mönchengladbach vom 02.07.2008

LG Mönchengladbach: zahnärztliche behandlung, lege artis, implantat, rechtshängigkeit, behandlungsfehler, klageänderung, anhörung, schmerzensgeld, zahnarzt, herbst

Landgericht Mönchengladbach, 6 O 511/04
Datum:
02.07.2008
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 O 511/04
Schlagworte:
Arzthaftung, Zahnarzt
Normen:
BGB § 823
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
TATBESTAND
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Der Kläger macht Ansprüche wegen einer angeblich fehlerhaften zahnärztlichen
Behandlung im Bereich der Zähne 26 / 27 geltend (Bl. 6 d. A.).
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Im Juli 2002 begab sich der Kläger bei dem Beklagten in zahnärztliche Behandlung, um
Implantate in seinen linken Oberkiefer einsetzen zu lassen. Auf Vorschlag des
Beklagten wurden zunächst die Zähne 23 und 27 entfernt mit anschließender
Eingliederung eines konventionellen Interimersatzes. Nach einer Knochenverpflanzung
wurden spätestens Ende Januar 2003 (der Kläger geht von einem früheren Zeitpunkt
aus, während der Sachverständige von einem Einsetzen am 31. Januar 2003 ausgeht)
die Implantate eingesetzt. Am 30. Juni 2003 stellte der Beklagte bei der Freilegung der
Implantate fest, dass das hintere Implantat lose war. Das Implantat fiel heraus. Der
Beklagte setzte daraufhin ein neues, größeres Implantat ein.
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Mit dem Einsatz einer Brückenkrone beauftragte der Kläger Herrn ….. auf ……. Dieser
setzte im Januar 2004 die Brückenkrone ein. Kurze Zeit später trat eine Entzündung im
linken Oberkiefer im Bereich der eingesetzten Implantate auf. Diese behandelte ……
unter anderem durch Einsatz eines Elektrokauters sowie einer Einlage mit Socetol (vgl.
Bl. 16 d. A.). Im weiteren Verlauf wurde die Entzündung auch von …. behandelt.
Nachdem beide Zahnärzte dem Kläger die Entfernung des Implantats in Regio 26
geraten hatten, ließ der Kläger dieses Implantat am 27. September 2004 von ……
entfernen.
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Der Kläger behauptet, dass bereits das erste Implantat im Oktober 2002 nicht
fachgerecht eingesetzt worden sei, da entweder nicht genügend Knochensubstanz
vorhanden gewesen oder der Einsatz nicht ausreichend vorbereitet worden sei. Zudem
sei der unmittelbare neue Einsatz eines Implantats, nachdem das alte herausgefallen
sei, nicht fachgerecht gewesen. Vielmehr hätte der Beklagte zunächst die Ursache der
Lockerung des Implantats und dessen Herausfallen erforschen müssen. Anschließend
hätte er die Implantatregion gezielt auf die neuerliche Aufnahme eines neuen Implantats
vorbereiten müssen.
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Der Kläger machte zunächst einen materiellen Schaden in Höhe von € 2.584,74 geltend
nebst Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für weitere zukünftige Schäden.
Wegen der ursprünglichen Schadensaufstellung wird auf Bl. 7 – 8 d. A. Bezug
genommen. Weiterhin begehrt er ein Schmerzensgeld von € 5.000,00.
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Mit Schriftsatz vom 15. Mai 2008 (Bl. 300 ff. d. A.) hat der Kläger eine Klageänderung
vorgenommen, die der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 21. Mai
2008 unter Verzicht auf alle Fristen als zugestellt entgegennahm. Mit der
Klageänderung hat der Kläger insbesondere die materiellen Schadenspositionen erhöht
und den Feststellungsanspruch fallen lassen (vgl. ausdrückliche Erklärung insoweit in
der mündlichen Verhandlung vom 21. Mai 2008 / Bl. 318 d. A.). Wegen der
Aufschlüsselung der einzelnen Schadenspositionen wird auf Bl 301 – 308 d. A.
verwiesen.
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Der Kläger beantragt somit nunmehr,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn
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1.
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ein angemessenes, in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld
zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen,
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2.
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sowie weitere € 5.807,80 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz aus € 2.684,74 seit Rechtshängigkeit der Klage vom
30. Dezember 2004 und aus weiteren € 3.223,10 ab Rechtshängigkeit (des
Schriftsatzes vom 15. Mai 2008) zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt auch hinsichtlich der Klageänderung,
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die Klage abzuweisen.
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Er behauptet, er habe den Kläger vor der Behandlung ausführlich über die Risiken
aufgeklärt und ihm die geplanten Eingriffe erläutert. Jede Einbringung von Implantaten
sei mit Risiken behaftet und ein Erfolg könne nicht garantiert werden. Die Lockerung
eines Implantats stelle ein typisches und gegebenenfalls unvermeidbares Risiko dar.
Nach Feststellung der Lockerung des Implantats in der Region 26 habe er lege artis
reagiert und behandelt. Die Entzündungen und damit verbundenen Beschwerden seien
nicht auf die Behandlung des Beklagten zurückzuführen. Die Behandlung auf ….. mittels
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eines Elektrokauters und mit Socetol sei zu beanstanden.
Das Gericht hat Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird
auf die Gutachten des Sachverständigen …… vom 31. Mai 2006 (Bl. 179 – 196 d. A.)
und vom 10. August 2007 (Bl. 248 – 262 d. A.) und die mündliche Anhörung gemäß der
Sitzungsniederschrift vom 21. Mai 2008 (Bl. 311 – 319 d. A.) Bezug genommen. Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien
überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die tatsächlichen Feststellungen in den
nachfolgenden Entscheidungsgründen verwiesen.
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ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
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Die Klage ist unbegründet. (Zur Beurteilung des Falles ist neues Schuld- und
Schadensrecht heranzuziehen, da die eigentliche beanstandete Behandlung im Herbst
2002 begann.)
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Schadensersatzansprüche des Klägers gegen den Beklagten gemäß §§ 823, 249, 253
BGB oder auf vertraglicher Basis bestehen nicht, da auf Grund der überzeugenden und
nachvollziehbaren, den streitigen Sachverhalt umfassend beleuchtenden Ausführungen
des Sachverständigen, denen sich die erkennende Kammer in eigenständiger
Würdigung anschließt, ein Behandlungsfehler des Beklagten nicht festgestellt werden
kann.
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Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass die Planung der Behandlung durch
den Beklagten nicht zu beanstanden sei. Insbesondere sei durch
Kieferaufbaumaßnahmen vor der Implantatsetzung eine ausreichende Knochenstärke
erzielt worden. Die Implantate seien auch regelrecht positioniert worden, was auf dem
Röntgenbild vom 31. Januar 2003 zu erkennen sei. Ferner habe der Beklagte alle
Möglichkeiten ausgeschöpft, so unter anderem ein Bone Condensing durchgeführt, um
eine höhere Festigkeit des Kieferknochens zu erreichen, da erfahrungsgemäß der
hintere Oberkieferknochen durch eine weichere Knochensubstanz gekennzeichnet sei.
Konkrete Ursachen für die Lockerung des Implantats in der Region 26 sind nach der
Beurteilung des Sachverständigen nicht festzustellen, so dass sie als schicksalhaft zu
bezeichnen sei.
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Letztlich beanstandet der Sachverständige auch nicht die Vorgehensweise des
Beklagten im Zusammenhang mit der Einsetzung des zweiten größeren Implantats. Hier
stünden zwar zwei Möglichkeiten zur Verfügung, nämlich einmal ein direktes
Neueinsetzen eines Implantats sowie das Einsetzen zu einem späteren Zeitpunkt nach
gegebenenfalls nochmaligem Kieferaufbau. Der letzteren Methode sei der Vorzug zu
geben, wenn die Voraussetzungen für die Einheilung des Implantats, zum Beispiel bei
einer akuten eitrigen Entzündung, schlecht seien. Derartige Umstände sind vom
Sachverständigen aber nicht festgestellt worden. Vielmehr hat der Sachverständige im
Rahmen seiner mündlichen Anhörung erläutert, dass bei der vom Beklagten gewählten
geschlossenen Einheilung des Implantats, es nicht wahrscheinlich sei, dass eine länger
andauernde Entzündung dadurch hervorgerufen werden kann, dass eine Öffnung für ein
Implantat gemacht werde. Deshalb sei im vorliegenden Fall durchaus das sofortige
Einsetzen des zweiten Implantats regelgerecht gewesen, zumal auch bei diesem
Einsetzen wiederum ein Bone Condensing durchgeführt worden sei.
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Soweit der Kläger beanstandet, dass nach dem Einsetzen der Implantate ein
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Knochenabbau geschehen sei und die auf einen Behandlungsfehler des Beklagten
zurückzuführen sei, so hat der Sachverständige diesen Vorhalt nicht bestätigt. Ein
Knochenabbau könnte auf vielfältigste Ursachen zurückzuführen sein. Hinweise auf
eine fehlerhafte Behandlung lägen insoweit nicht vor. Insbesondere können hier auch
Gesichtspunkte der Mundhygiene bedeutsam sein. Im Rahmen der vom
Sachverständigen vorgenommenen Untersuchung des Klägers beurteilte er die
Mundhygiene zumindest als nicht optimal. Dies könne auch der Grund für eine
Entzündung gewesen sein, wobei auch eine Reihe von anderen Ursachen in Betracht
zu ziehen seien. Anhaltspunkte für das Hervorrufen einer Entzündung durch einen
Behandlungsfehler des Beklagten bestehen nach den Angaben des Sachverständigen
jedoch nicht.
Schließlich hätte der Beklagte nach den Ausführungen des Sachverständigen auch
nicht verstärkt die Ursachen der Lockerung des ersten Implantats in der Region 26
erforschen müssen. Insoweit ist – wie bereits ausgeführt – darauf zu verweisen, dass der
Sachverständige hier den sofortigen Neueinsatz eines Implantats als regelrecht
bezeichnet. Ferner geht der Sachverständige auch davon aus, dass zunächst jedenfalls
eine gewisse ausreichende Festigkeit des Implantats auch erzielt worden ist. Denn
ansonsten hätten diese Implantate auch nicht mit einer Brückenkrone auf …. versorgt
werden können. Ergänzend führt der Sachverständige aus, dass es bei jedem Implantat
im Laufe der Zeit zu einem Knochenabbau kommt oder kommen kann. Auch aus diesem
Grund war nach Auffassung des Sachverständigen, dem sich die Kammer unter
Berücksichtigung der mündlichen Erläuterungen anschließt, weder das Neueinsetzen
fehlerhaft noch hätte zuvor eine Ursachenforschung für die Lockerung betrieben werden
müssen.
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Schließlich hat der Sachverständige auch den Einwand des Klägers, es sei fehlerhaft
kein Antibiotikaschutz vorgenommen worden, nicht bestätigt. Er hat ausgeführt, dass es
insoweit keine offiziellen Empfehlungen gebe. Von daher sei ein Antibiotikaschutz
sinnvoll bei schwierigen und umfangreichen Implantationen sowie bei Patienten mit
geschwächter Abwehrlage. Diese Indikationen seien im vorliegenden Fall nicht
gegeben. Ob ein anderer Behandler, wie auch der Sachverständige, zur größeren
Sicherheit einen Antibiotikaschutz auch im vorliegenden Fall gewählt hätte, ist für die
Entscheidung nicht erheblich. Denn jedenfalls ist das Unterlassen einer solchen
Maßnahme nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht behandlungsfehlerhaft.
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Da somit schon eine Haftung des Beklagten dem Grunde nach ausscheidet, braucht zur
Höhe der geltend gemachten Ansprüche, auch im Hinblick auf die Einwendungen des
Beklagten, nicht Stellung genommen werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergeht nach §§ 709,
108 ZPO.
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Streitwert: bis zum 15. Mai 2008 € 9.084,74 (€ 1.500,00 für den Feststellungsantrag)
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seit dem 15. Mai 2008 € 10.807,80 (€ 5.000,00 Schmerzensgeldanspruch)
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