Urteil des LG Mönchengladbach vom 23.03.2010

LG Mönchengladbach (grundsatz der erforderlichkeit, höhe, liste, gebiet, berechnung, teilkaskoversicherung, zpo, vergleich, tarif, erforderlichkeit)

Landgericht Mönchengladbach, 5 S 101/09
Datum:
23.03.2010
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
5. Zivilkammer des Landgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 S 101/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt, 10 C 312/08
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 13. August 2009 verkündete
Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt – 10 C 312/08 – unter
Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert
und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 416,00 € nebst Zin-sen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. April
2005 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 70,20 € zu
zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 62 % und die
Beklagte zu 38 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Berufungswert: 1.092,35 €
G r ü n d e :
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I.
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Die Klägerin, eine Autovermietung, macht gegen die beklagte Kraftfahrzeug-
Haftpflichtversicherung aus abgetretenem Recht restliche Mietwagenkosten in Höhe von
1.092,35 € (1.924,35 € abzüglich gezahlter 832,00 €) geltend. Die volle Haftung des
Versicherungsnehmers der Beklagten ist dem Grunde nach außer Streit. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 203/204
d.A.) Bezug genommen.
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Das Amtsgericht hat die Klage mangels Schlüssigkeit abgewiesen, da die Klägerin nicht
zur Nichtzugänglichkeit des "Normaltarifs" – wofür sie darlegungs- und beweisbelastet
sei – vorgetragen habe.
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sei – vorgetragen habe.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
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Sie beantragt,
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das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilten, an sie
1.092,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 29. April 2005 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von
130,50 € zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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II.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Ersatz
restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 416,00 € gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1
PflVG a.F., 398 BGB.
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Die Klägerin ist zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Mietwagenkosten
aktivlegitimiert, da der Geschädigte seine Ansprüche gegen die Beklagte wirksam an
die Klägerin abgetreten hat, § 398 BGB (vgl. hierzu Landgericht Mönchengladbach,
Urteil vom 13.01.2009 – 5 S 81/08 – Juris).
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Zu Unrecht hat das Amtsgericht die Klage mangels Schlüssigkeit mit der Begründung
abgewiesen, die Klägerin habe zur Nichtzugänglichkeit des "Normaltarifs" nicht
vorgetragen.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2009, 58) kann der
Geschädigte nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen
Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender
Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte hat
nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot
im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der
Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten,
dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte
– erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs
(innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis
verlangen kann.
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Das amtsgerichtliche Urteil führt insoweit aus, dass der von der Klägerin verlangte Tarif
nicht berechtigt sei, weil sie zur Nichtzugänglichkeit des "Normaltarifs" nicht vorgetragen
habe, folglich sei die Klage abzuweisen. Das ist falsch, da sich nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (a.a.O.) die Erforderlichkeit eines
Unfallersatztarifs im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB aufgrund unfallspezifischer
Kostenfaktoren (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der
Ersatzforderung welcher falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den
Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.a.) ergeben kann. Das bedeutet, dass im
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Falle fehlenden Vortrags zur Nichtzugänglichkeit des "Normaltarifs" für den
Geschädigten alternativ die Möglichkeit besteht, die Rechtfertigung der Erhöhung durch
unfallspezifische Kostenfaktoren zu belegen. So liegt der Fall hier. Die Klägerin hatte im
Einzelnen vorgetragen, dass der von ihr verlangte Tarif durch unfallspezifische
Kostenfaktoren gerechtfertigt sei.
Ausgangspunkt für die Betrachtung bildet hierbei der marktübliche Normaltarif. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2008, 1519) ist es zulässig, zu dessen
Bestimmung in Ausübung tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO auf das
gewichtete Mittel (jetzt Modus) des "Schwacke-Automietpreis-Spiegels" ((im folgenden:
Schwacke-Liste) zurückzugreifen.
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Die Kammer (Urteil vom 14.10.2008 – 5 S 64/08 – Juris) hat bereits mehrfach
festgestellt, dass die von der Klägerin herangezogene Schwacke-Liste 2006
grundsätzlich eine geeignete Schätzgrundlage darstellt. Allerdings ist die Anmietung
vorliegend am 14. April 2005 und damit vor der Veröffentlichung der Schwacke-Liste
2006 erfolgt. Das Oberlandesgericht Köln hat in seinem Urteil vom 18. März 2008
(15 U 145/07 – Juris) überzeugend ausgeführt, dass die Schwacke-Liste 2006 nur eine
geeignete Schätzgrundlage für Anmietungen ab April/Mai 2006 sein kann, weil die
Mietpreise in dieser Zeit erhoben worden seien und für die Bestimmung der
Schadenshöhe der Zeitpunkt des Schadenseintritts maßgeblich sei. Es entspricht daher
der Rechtsprechung der Kammer (a.a.O.), dass für Schadensfälle aus dem Jahr 2005
die Schwacke-Liste 2003 zur Anwendung kommt.
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Ob als Schätzgrundlage auch der Mietpreisspiegel des Frauenhofer-Instituts
herangezogen werden kann, bedarf im Übrigen keiner Entscheidung, da diese Daten im
Jahr 2008 erhoben wurden und er für die vorliegende Anmietsituation im Jahr 2005
daher nicht relevant ist (vgl. hierzu Landgericht Mönchengladbach, Urteil vom
14.10.2008, a.a.O.).
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Bei der Berechnung der Mietwagenkosten sind die sich bei mehrtätiger Vermietung
ergebenden Reduzierungen nach der Schwacke-Liste nach Wochen-, 3-Tages- und
Tagespauschalen zu berücksichtigen anstelle einer Multiplikation des Tagessatzes mit
der Anzahl der Miettage (OLG Köln NZV 2007, 199).
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Die von der Klägerin in Rechnung gestellten Nebenkosten für die Voll- und
Teilkaskoversicherung sind gleichfalls erstattungsfähig und nach der
Nebenkostentabelle der Schwacke-Liste zu berechnen (OLG Köln, a.a.O.). Dies gilt
allerdings nicht für die veranschlagten Zustellkosten, da die Zustellung des Fahrzeugs
von der Beklagten substantiiert bestritten wurde, ohne dass nachfolgend von der
Klägerin hierzu weiter vorgetragen worden wäre.
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Der Geschädigte hat ein klassentieferes Fahrzeug angemietet, so dass im Wege der
Vorteilsausgleichung keine ersparten Eigenaufwendungen abzuziehen sind.
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Die Kammer hält einen pauschalen Aufschlag auf den "Normaltarif" in Höhe von 20 %
für angemessen, um die Besonderheiten der Kosten und Risiken des
Unfallersatzgeschäfts im Vergleich zur "normalen" Autovermietung angemessen zu
berücksichtigen (vgl. hierzu Landgericht Mönchengladbach, Urteil vom 20.01.2009,
a.a.O.).
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Hinsichtlich des Postleitenzahlen-Gebietes hält es die Kammer – in Abweichung der
Ausführungen in der Kammersitzung vom 23. Februar 2010 – für gerechtfertigt, der
Berechnung das Postleitenzahlen-Gebiet 411 zugrundezulegen. Nach dem Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 11. März 2008 (VI ZR 164/07) ist es nicht zu beanstanden, zum
Vergleich die Tarife für das Postleitzahlen-Gebiet heranzuziehen, in dem die Anmietung
des Mietwagens erfolgte und nicht diejenigen, die für den Wohnort des Geschädigten
gelten. Denn bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Mietwagenkosten ist
grundsätzlich das Mietpreisniveau an dem Ort maßgebend, an dem das Fahrzeug
angemietet und übernommen wird, weil dort der Bedarf für ein Mietfahrzeug entsteht.
Die Klägerin hat – ohne dass dies bestritten worden wäre – vorgetragen, dass die
Übergabe des Mietwagens bei der Firma BMW Hahnen, heute Kirsch, in
Mönchengladbach-Rheydt, also im Postleitzahlen-Gebiet 411, erfolgt ist. Aus diesem
Grunde legt die Kammer auch dieses Postleitenzahlen-Gebiet seiner Berechnung
zugrunde.
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Danach ergibt sich folgende Berechnung:
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Schwacke-Liste 2003, gewichtetes Mittel, Postleitenzahlen-Gebiet 411,
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Gruppe 7, 8 Tage:
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1 x Wochenpreis 750,00 €
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1 x Tagespreis 150,00 €
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pauschaler Aufschlag von 20 % 180,00 €
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1 x Wochenpreis Voll- und Teilkaskoversicherung 147,00 €
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1 x Tagespreis Voll- und Teilkaskoversicherung 21,00 €
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Gesamt:
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abzüglich gezahlter 832,00 €
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Restbetrag:
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Nebenforderungen (Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) ergeben sich im
zuerkannten Umfang aus §§ 280, 286, 288 BGB.
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Die Höhe der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten errechnet sich aus einem Streitwert
von 416,00 € mit einer 1,3-Verfahrensgebühr in Höhe von 58,50 € zuzüglich 11,70 €
Auslagenpauschale, insgesamt also 70,20 €.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass.
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