Urteil des LG Mönchengladbach vom 28.04.2009

LG Mönchengladbach: grobe fahrlässigkeit, haftpflichtversicherung, betriebsgefahr, mithaftung, beschädigung, haftpflichtversicherer, verkehrsunfall, wartezeit, versicherungsnehmer, vollstreckbarkeit

Landgericht Mönchengladbach, 5 S 159/08
Datum:
28.04.2009
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
5. Zivilkammer des Landgerichts
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 S 159/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Mönchengladbach, 4 C 269/08
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 14. Novem-ber 2008
verkündete Urteil des Amtsgerichts Mönchenglad-bach – 4 C 269/08 –
unter Zurückweisung des weitergehen-den Rechtsmittels teilweise
abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3,74 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins-satz seit dem 6. August 2008
sowie außergerichtliche An-waltskosten in Höhe von 229,55 € nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
6. August 2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 79 %
und der Beklagte zu 21 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen
die Klägerin zu 76 % und der Beklagte zu 24 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Berufungswert: 641,98 €.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung restlichen Schadensersatzes aus einem
Verkehrsunfall vom 25.01.2008 in Anspruch. Die Klägerin hatte ihr Fahrzeug
verkehrswidrig vor schräg zur Fahrbahn verlaufenden Parkbuchten abgestellt. Als der
Beklagte versuchte, sein Fahrzeug aus der Parkbucht auszuparken, kam es zur
Beschädigung des Fahrzeugs der Klägerin. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten
3
hat den Schaden außergerichtlich unter Zugrundelegung einer Mithaftungsquote der
Klägerin von 25 % reguliert, die Gegenstand der Klage sind. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 32-34 der Akte)
Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat der Klage – mit Ausnahme eines Betrages von 8,00 € – in vollem
Umfang stattgegeben. Es hat ausgeführt, die vom verkehrswidrig geparkten Fahrzeug
der Klägerin ausgehende Betriebsgefahr trete hinter dem grob fahrlässigen Verhalten
des Beklagten zurück. Dieser habe grob fahrlässig gehandelt, da er das verkehrswidrig
geparkte Fahrzeug der Klägerin wahrgenommen und daher gewusst habe, dass ihm
zum Ausparken nicht der erforderliche Raum zur Verfügung stehe.
4
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er rügt die vom Amtsgericht
gebildete Haftungsquote und vertritt die Auffassung, dass eine Mithaftung der Klägerin
von 25 % aufgrund des verkehrswidrigen Parkvorgangs angezeigt sei.
5
Der Beklagte beantragt,
6
das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage
7
insgesamt abzuweisen.
8
Die Klägerin beantragt,
9
die Berufung zurückzuweisen.
10
II.
11
Die zulässige Berufung ist ganz überwiegend begründet.
12
Der Klägerin steht aus § 7 Abs. 1 StVG lediglich ein restlicher Schadensersatzanspruch
in Höhe von 3,74 € sowie ein Erstattungsanspruch hinsichtlich außergerichtlicher
Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 229,55 € zu.
13
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts tritt die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der
Klägerin nicht vollständig hinter dem Verursachungsanteil des Beklagten zurück, da
beide Parteien den Verkehrsunfall schuldhaft verursacht haben. Dies rechtfertigt eine
Mithaftung der Klägerin von zumindest 25 %.
14
Die Klägerin hat ihr Fahrzeug entgegen der Vorschrift des § 12 Abs. 3 Nr. 2 StVO
verkehrswidrig vor der Parkbucht geparkt. Wenn das Amtsgericht meint, hierdurch sei
keine besondere Gefährdungslage für den Beklagten entstanden, so vermag dem die
Kammer nicht zu folgen. Der Parkverstoß der Klägerin hat sich im vorliegenden Fall als
konkrete Behinderung für den ausparkenden Beklagten dargestellt, so dass der
Verkehrsverstoß auch kausal für das Unfallgeschehen geworden ist. Das Verhalten der
Klägerin ist zumindest als einfach fahrlässig anzusehen, wenn man zu ihren Gunsten
unterstellt, dass sie ihr Fahrzeug aus Gedankenlosigkeit behindernd abgestellt hat.
15
Den Beklagten trifft gleichfalls ein Verschulden an dem Unfallgeschehen, er hat gegen
das allgemeine Rücksichtnahmegebot aus § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, weil er beim
Ausparken die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Dem Beklagten kann
16
allerdings entgegen der Auffassung des Amtsgerichts keine grobe Fahrlässigkeit
vorgeworfen werden. Wenn er nach längerer Wartezeit versucht, sein Fahrzeug
vorsichtig auszuparken und es hierbei zu einer Beschädigung kommt, mag er
unachtsam gewesen sein, grob fahrlässig hat er allerdings nicht gehandelt. Dies würde
voraussetzen, dass er ausgeparkt hat, obwohl dies für einen durchschnittlichen
Autofahrer mangels ausreichenden Raumes nicht möglich gewesen wäre. Hierfür gibt
es keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat auch nicht Entsprechendes vorgetragen.
Danach hält die Kammer in Übereinstimmung mit der hinter dem Beklagten stehenden
Haftpflichtversicherung im Rahmen der Abwägung der Verursachungsanteile eine
Haftungsquote von 25 % zu 75 % zu Lasten des Beklagten jedenfalls nicht für
unangemessen. Es ist nicht gerechtfertigt, die vom klägerischen Fahrzeug in der
konkreten Situation ausgehende Betriebsgefahr vollständig hinter dem
Verursachungsanteil des Beklagten zurücktreten zu lassen. Die Klägerin hat durch ihr
Parken eine Gefährdungslage und damit die erste und entscheidende Ursache für das
Unfallgeschehen gesetzt.
Die Schadenshöhe ist zwischen den Parteien in der Berufung unstreitig, sie beläuft sich
auf 2.552,95 €. Soweit das Amtsgericht vom Schaden, den die Klägerin geltend
gemacht hat, 8,00 € abgezogen hat (Nutzungsausfallentschädigung von 4 x 43,00 €
anstelle 4 x 45,00 €), ist dies von der Klägerin im Berufungsverfahren nicht angegriffen
worden. Unter Zugrundlegung obiger Haftungsquote steht der Klägerin daher ein
Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.914,71 € (2.552,95 € x 75 %) zu. Abzüglich der
außergerichtlich erfolgten Zahlungen durch die Haftpflichtversicherung des Beklagten in
Höhe von 1.910,97 € (1.411,88 € + 370,09 € + 129,00 €) verbleibt ein restlicher
Schadensersatzanspruch in Höhe von 3,74 €, der der Klägerin zuzusprechen war.
17
Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind dem Grunde nach aus § 7 Abs. 1
StVG erstattungsfähig. Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin
vorgerichtlich durch ihren Rechtsanwalt ausschließlich die Haftpflichtversicherung des
Beklagten in Anspruch genommen hat, die im Rechtsstreit nicht beklagte Partei ist.
Denn der Beklagte hat gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 249 Abs. 1 BGB für den adäquat
verursachten Schaden einzustehen. Hierzu gehören auch die Rechtsanwaltskosten, die
durch die (ausschließliche) Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers im
Verkehrsunfallprozess entstehen. Hierfür muss der Versicherungsnehmer als
Fahrzeughalter gemäß § 7 Abs. 1 StVG einstehen.
18
Die Höhe der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten beläuft sich bei einem Streitwert
von 1.914,71 € auf 229,55 € (1,3-Geschäftsgebühr in Höhe von 172,90 € zuzüglich
20,00 € Auslagenpauschale und 36,65 € Mehrwertsteuer).
19
Der Zinsanspruch ist im zugesprochenen Umfang aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB
(Rechtshängigkeitszinsen) begründet. Ein früherer Verzugseintritt ist von der Klägerin
nicht schlüssig dargetan worden.
20
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Für die Anwendung
des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO besteht vorliegend trotz des nur geringen Unterliegens des
Beklagten hinsichtlich der Hauptforderung in Höhe von 3,74 € kein Anlass, da die
Nebenforderung (Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 229,55 €) mehr als 10 % der
Hauptforderung ausmacht (vgl. dazu Anders/Gehle, 9. Aufl., A-193). Aus diesem Grund
ist für die Kostenentscheidung ein fiktiver Streitwert bestehend aus Hauptforderung und
(streitwertneutraler) Nebenforderung zu bilden. Unter Berücksichtigung dieses fiktiven
21
Streitwertes ergibt sich die ausgesprochene Kostenquote.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
22
Der Streitwert für das Berufungsverfahren war auf 641,94 € festzusetzen, da die
außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (MDR 2007, 1149, zitiert nach Juris), die von der Kammer
gleichfalls vertreten wird (vgl. den Beschluss des Einzelrichters der Kammer in dieser
Sache vom 17.12.2008), sich als Nebenforderung im Sinne von § 4 ZPO nicht
werterhöhend auswirkten. Im vorliegenden Rechtsstreit besteht zwar die Besonderheit,
dass die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren für eine Tätigkeit gegenüber dem
Haftpflichtversicherer, der nicht Partei des Rechtsstreits ist, entstanden sind. Dies ändert
jedoch nichts daran, dass es sich nicht um eine selbständige Schadensposition,
sondern um einen Nebenanspruch handelt, der vom Bestehen der Hauptforderung
abhängt. Dies ergibt sich daraus, dass die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren
dem Grunde und der Höhe nach von der Haftung des Beklagten und dessen
Haftpflichtversicherer aus § 7 Abs. 1 StVG und § 3 PflVG (jetzt § 115 VVG) abhängt.
23
Jopen zum Bruch Fuchs
24