Urteil des LG Mönchengladbach vom 29.08.2005

LG Mönchengladbach: gutgläubiger erwerb, fahrzeug, brief, berechtigung, firma, stadt, halter, transit, eigentum, original

Landgericht Mönchengladbach, 2 O 36/05
Datum:
29.08.2005
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 36/05
Schlagworte:
Abhandenkommen; gutgläubiger Erwerb; totalgefälschter Kfz-Brief;
Umfang der Nachforschungspflicht des Erwerbers
Normen:
§§ 985, 952, 935, 932, 1006 BGB
Leitsätze:
Der Käufer eines unterschlagenen Leasingfahrzeuges kann
ausnahmsweise dann gutgläubig Eigentum erwerben, wenn ihm u.a.
sowohl eine echte Abmeldebescheinigung als auch ein mittels eines
gestohlenen Blanketts hergestellter totalgefälschter Fahrzeugbrief
vorgelegt werden, aufgrund dessen zuvor eine amtliche
Zulassungsstelle das Fahrzeug zugelassen hatte und sonst gebotene
weitere Nachforschungen - etwa bei der Polizei oder dem eingetragenen
letzten Halter offensichtlich keinen Erfolg gehabt hätten.
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, den Fahrzeugbrief zu dem Pkw der Marke
Ford, Typ Transit, Fahrgestell-Nr. WFOVXXGBFV XXX, erstmals
zugelassen mit dem Kennzeichen DO-XXXXX von der Stadt Dort-mund
auf die Firma xxx GmbH, im Original an den Kläger herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine Si-cherheitsleistung in
Höhe von 4.000,00 €, die auch durch Bankbürgschaft erbracht werden
kann.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger suchte im Frühjahr 2004 u.a. über die Internet-Plattformen mobile.de und
AutoScout24.de einen gebrauchten Lieferwagen, den er zum Campingbus um- und
ausbauen wollte. Auf einer dieser Internetplattformen wurde er auf den streitbefangenen
Ford Transit aufmerksam, der dort für 11.900,00 € angeboten wurde.
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Aufgrund telefonischer Vereinbarung traf er sich mit dem Anbieter des Fahrzeugs, der
sich ihm gegenüber als ein Herr xxx ausgab, am 25. Juni 2004 in Hamburg. Dieser
erklärte ihm unter Vorlage eines auf dieses Fahrzeug lautenden Kfz-Briefes, einer
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Abmeldebescheinigung und eines Kaufvertrages zwischen ihm – xxx – und der im Kfz-
Brief als erster Halter ausgewiesenen Firma xxx GmbH, er habe das Fahrzeug günstig
aus einer Insolvenzmasse erworben und wolle es nunmehr, ohne es vorher noch auf
sich zuzulassen, weiterveräußern.
Tatsächlich war – wie sich im Nachhinein herausstellte – der Ford Transit neben
zahlreichen weiteren Fahrzeugen von der anscheinend eigens zu diesem Zweck
gegründeten Firma xxx GmbH mit dem Ziel geleast worden, das Fahrzeug zu
unterschlagen und es, wie die anderen Fahrzeuge auch, unter Nutzung einiger zuvor
gestohlener Kfz-Brief-Blankette weiterzuveräußern.
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Der Kläger schloss an diesem Tag einen Kaufvertrag über das Fahrzeug, zahlte den
ausgehandelten Kaufpreis von 11.700,00 € und nahm das Fahrzeug nebst Schlüssel
und Kfz-Brief sofort mit. Am 14. Juli 2004 wurde das Fahrzeug durch die Zulassungs-
stelle der Stadt Schwabach auf den Kläger zugelassen.
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Ende Juli 2004 erfuhr der Kläger durch entsprechende Kontaktaufnahme seitens der
örtlichen Kriminalpolizei, dass die Staatsanwaltschaft Dortmund wegen des von ihm
erworbenen und anderer unterschlagener Fahrzeuge gegen die ursprünglich
eingetragene Halterin bzw. die hinter dieser stehenden Personen ermittle, sowie, dass
die Beklagte im Besitz des Original-Kfz-Briefes für das Fahrzeug sei.
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Der Kläger ist der Auffassung, aufgrund gutgläubigen Erwerbs Eigentümer des
Fahrzeugs geworden zu sein, so dass ihm ein Herausgabeanspruch hinsichtlich des
Kfz-Briefes zustehe.
7
Er beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, den Fahrzeugbrief zu dem Pkw der Marke Ford, Typ
Transit, Fahrgestell-Nr. WFOVXXGBFV XXX, erstmals zugelassen mit dem
Kennzeichen DO-xxx von der Stadt Dortmund am 29. Dezember 2003 auf die
Firma xxx GmbH im Original an den Kläger herauszugeben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
11
Sie ist der Auffassung, ein gutgläubiger Erwerb durch den Kläger sei aufgrund der
Gesamtumstände des Erwerbs ausgeschlossen.
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Zum einen sei ihm – unstreitig – nicht der Original-Kfz-Brief, sondern lediglich eine
Fälschung übergeben worden, zum anderen sei auch in diesem gefälschten Kfz-Brief
als einziger bisheriger Halter eine GmbH und nicht die als Verkäufer aufgetretene
Person eingetragen gewesen, ohne dass eine Vertretungsbefugnis oder sonstige
Berechtigung des "Verkäufers" erkennbar gewesen sei.
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Auch der weitere Umstand, dass der Verkauf von einem Privatmann auf der Straße
abgewickelt worden sei, hätte dem Kläger Veranlassung zu Nachforschungen
hinsichtlich der Berechtigung des Verkäufers geben müssen; da er diese nicht angestellt
habe, scheide ein gutgläubiger Erwerb aus.
14
Das Gericht hat die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Dortmund - Js xxx /04 -
beigezogen; der den Kläger bzw. das streitbefangene Fahrzeug betreffende Teil der
Ermittlungsakte lag im Termin zur mündlichen Verhandlung vor und war Gegenstand
der Erörterung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
16
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
17
I.
18
Dem Kläger steht Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugbriefes gegen die Beklagte
gemäß § 985 in Verbindung mit § 952 BGB zu.
19
1.
20
Der Kläger ist Eigentümer des im Urteilsausspruch näher bezeichneten Fahrzeugs Ford
Typ Transit geworden; da das Eigentum am Fahrzeugbrief im Sinne des § 25 StVZO
dem Eigentum am Kraftfahrzeug folgt und die Beklagte den Originalkraftfahrzeugbrief in
Besitz hat, kann der Kläger die Herausgabe des Briefes an sich verlangen.
21
2.
22
Das Eigentum an dem Fahrzeug hat der Kläger gemäß § 929, 932 BGB erworben.
23
a)
24
Dem gutgläubigen Erwerb steht nicht die Vorschrift des § 935 BGB entgegen, da der
Lieferwagen nicht im Sinne dieser Vorschrift "abhanden gekommen" ist; vielmehr hat die
Beklagte im Rahmen des mit ihr abgeschlossenen Leasingvertrages den Besitz am
Fahrzeug freiwillig aufgegeben, in dem sie diesem dem Leasingnehmer xxx GmbH,
ihrem Vertragspartner, zur Nutzung zur Verfügung stellte.
25
b)
26
Der Kläger ist aber beim Erwerb auch nicht bösgläubig im Sinne von § 932 Abs. 2 BGB
gewesen.
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Zunächst stritt für die Berechtigung der Annahme des Klägers, der sich ihm gegenüber
als Herr xxx bezeichnende Verkäufer sei Eigentümer des Fahrzeugs, die
Eigentumsvermutung des § 1006 BGB. Der Veräußerer war seinerzeit sowohl im Besitz
des Fahrzeuges, so dass der Kläger zu Recht die Vermutung haben konnte, xxx habe
als Eigenbesitzer das Eigentum zugleich mit dem Besitz erworben (vgl. Münchener
Kommentar/Medicus, § 1006 BGB Rdnr. 13).
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Dabei wurde entgegen der Auffassung des Beklagten der gutgläubige Erwerb auch
nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Verkäufer nicht als letzter eingetragener Halter
im Kfz-Brief vermerkt war.
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Der Verkäufer hat dem Kläger nämlich neben dem Kfz-Brief - bei dem es sich unstreitig
um ein, wenn auch in seinen Eintragungen von Unbefugten ergänztes, Originalblankett
aus einer Reihe gestohlener Kraftfahrzeugbriefblankette handelte, die offensichtlich so
gut gefälscht waren, dass auch bei der rund 2 Wochen später erfolgten Zulassung des
Fahrzeuges auf den Kläger seitens der Zulassungsstelle der Stadt Schwabach keine
Verdachtsmomente aufkamen - sowohl eine Original-Abmeldebescheinigung vom 3.
Juni 2004 der Stadt Dortmund als auch (nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des
Klägers im Termin vom 10.06.2005) einen Kaufvertrag zwischen dem Verkäufer –xxx--
und dem vorher eingetragenen Halter, der Firma xxx GmbH, vorgelegt.
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In diesem Zusammenhang ist zugunsten des Klägers zu würdigen, dass nicht nur bei
der Zulassungsstelle in Schwabach, sondern zuvor offensichtlich auch in der
Zulassungsstelle der Stadt Dortmund bei Erteilung der Abmeldebescheinigung vom
3. Juni 2004 keine Bedenken gegen die Echtheit des Kfz-Briefes, in dem immerhin die
Stilllegung ebenfalls vermerkt werden musste, aufgekommen sind.
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3.
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Zwar ist der Hinweis der Beklagten grundsätzlich zutreffend, dass der Käufer eines
Fahrzeuges, der von einem anderen Privatmann ein gebrauchtes Kraftfahrzeug erwirbt,
selbst bei Vorlage des Kfz-Briefes dann Nachforschungen anzustellen hat, wenn der
Verkäufer nicht als letzter Halter im Kfz-Brief eingetragen ist, um dem Vorwurf der
groben Fahrlässigkeit und damit der Bösgläubigkeit im Sinne des § 932 Abs. 2 BGB zu
entgehen (vgl. Reinking-Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl., Rdnr. 1812, m.w.N.).
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Aufgrund der soeben geschilderten besonderen Umstände und der Vielzahl der
Dokumente, die seitens des Verkäufers vorgelegt worden sind und auf seine
Berechtigung zur Veräußerung des Fahrzeuges hindeuteten, hindert die Unterlassung
weiterer Nachforschungen des Klägers seinen gutgläubigen Erwerb hier jedoch
ausnahmsweise nicht.
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Hinzu kommt, dass die mangelnde Berechtigung des Verkäufers für ihn auch bei
Durchführung der naheliegenden Nachforschungsmöglichkeit, nämlich der Nachfrage
bei der eingetragenen letzten Halterin, nicht zur Feststellung der mangelnden
Berechtigung des Verkäufers hätte führen können.
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Da nämlich nach dem Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in dem
beigezogenen Verfahren der Staatsanwaltschaft Dortmund feststehen dürfte, dass die
hinter der Firma xxx GmbH stehenden Personen das hier streitgegenständliche und
weitere Fahrzeuge bei der Beklagten und anderen Leasinggesellschaften mit der
Absicht einer Unterschlagung und anschließenden Weiterveräußerung an ahnungslose
Dritte auf sich zugelassen haben, wäre dem Kläger – wenn er überhaupt unter der alten
Firmenanschrift in Dortmund anders als die ermittelnde Polizei jemanden erreicht hätte -
die Berechtigung des Verkäufers, der offensichtlich mit den Verantwortlichen der Firma
xxx GmbH zusammengearbeitet hat, bestätigt worden.
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Auch eine Rückfrage bei der Polizei hätte ausweislich der beigezogenen
Ermittlungsakte nicht zu dem Ergebnis führen können, dass der gutgläubige Erwerb
durch den Kläger gemäß § 935 BGB ausgeschlossen wäre, da das Fahrzeug zu keinem
Zeitpunkt als gestohlen gemeldet worden ist.
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Lässt sich jedoch ein Diebstahl nicht nachweisen und wäre auch im Übrigen die
fehlende Berechtigung des Verkäufers im Sinne von § 932 Abs. 1 BGB seinerzeit nicht
festzustellen gewesen, kann auch die nicht durchgeführte Nachforschung einem
gutgläubigen Erwerb des Klägers nicht entgegenstehen (vgl. hierzu auch OLG
Düsseldorf, Urteil vom 14.11.1991, OLG-Report 1992, S. 1).
38
II.
39
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
40
Der Streitwert wird auf bis 6.000,00 € festgesetzt.
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