Urteil des LG Mönchengladbach vom 14.10.2008

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Landgericht Mönchengladbach, 5 S 64/08
Datum:
14.10.2008
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 S 64/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Mönchengladbach, 3 C 479/07
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 15. April 2008 verkündete
Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte haftet als Haftpflichtversicherung zu 100 % für ein Verkehrsunfallereignis
vom 1.8.2006 in Mönchengladbach.
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Der Unfallgeschädigte mietete nach dem Unfall für den Zeitraum vom 1.8. bis 11.8.2006
bei der Klägerin ein Ersatzfahrzeug an. Hierüber erteilte die Klägerin am 14.8.2006 ihre
Rechnung mit einem Gesamtbetrag von 1.730,33 Euro. Auf den Rechnungsbetrag
zahlte die Beklagte 813,16 Euro. Da der Unfallgeschädigte seine Ersatzansprüche
gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten hatte, verlangt die Klägerin mit der
vorliegenden Klage aus abgetretenem Recht restlichen Mietzins in Höhe eines Betrages
von 613,04 Euro auf der Grundlage der in der Klageschrift vorgenommenen Berechnung
des Unfallersatztarifes. Hierbei hat die Klägerin die Schwacke-Liste 2006 zugrunde
gelegt.
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Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, gegen die Anwendung der Schwacke-Liste
2006 bestünden erhebliche Bedenken, weil die Liste die marktwirtschaftlichen
Verhältnisse nicht realistisch wiedergebe.
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Das Amtsgericht hat sodann mit dem angefochtenen Urteil die Beklagte antragsgemäß
zur Zahlung restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 613,04 Euro verurteilt. Es hat sich
auf den Standpunkt gestellt, dass die Schwacke-Liste 2006 als Schätzungsgrundlage
herangezogen werden könne.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie macht geltend, das
Urteil sei zwar auf der Grundlage der zitierten BGH Rechtsprechung nicht zu
beanstanden, es seien jedoch inzwischen neue Tatsachen zu Tage getreten, aufgrund
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deren das Urteil keinen Bestand haben könne. Nach einer wissenschaftlichen Erhebung
des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (Marktpreisspiegel
Mietwagen Deutschland 2008), die im Mai 2008 erschienen sei, stünde fest, dass die
aus dem Schwacke Mietpreisspiegel zu entnehmenden Daten nicht die tatsächlichen
Marktverhältnisse auf dem Gebiet der Mietwagenkosten wiedergeben würden und
deshalb nicht für eine Schätzung der angemessenen Mietkosten zugrunde gelegt
werden könnten.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
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Zu Recht hat das Amtsgericht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die
Beklagte aus abgetretenem Recht auf Zahlung restlicher Mietwagenkosten in Höhe von
613,04 Euro aus dem Verkehrsunfallereignis vom 1.8.2006 bejaht. Die Kammer erachtet
die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung in jeder Hinsicht für zutreffend
und nimmt auf diese zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Das Vorbringen der
Beklagten in der Berufungsschrift rechtfertigt keine andere Betrachtung.
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Der Bundesgerichtshof hat in der Vergangenheit mehrfach entschieden, dass für die
Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines Unfallersatztarifes der
Tatrichter in Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO den Normaltarif auf der
Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels im
Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermitteln darf (vgl. zum Beispiel BGH VersR
2006, 986, BGH VersR 2007, 1144). Auch wenn nach dieser Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs die Ermittlung des Normaltarifs auf der Grundlage des
SchwackeMietpreisspiegels grundsätzlich keinen Bedenken begegnet, darf die
Schadenshöhe nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht auf der Grundlage
falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden. Jedoch ist es nicht
die Aufgabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine
Schadensgrundlage nachzugehen. Einwendungen gegen die Grundlagen der
Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall
bezogen sind. Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der
Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann der Klärung, wenn mit
konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden
Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (vgl. BGH NJW
2008, 1519). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
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Mit Vorlage der Studie des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation
"Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008" hat die Beklagte keine konkreten
Fehler hinsichtlich der vom Amtsgericht herangezogenen Schwacke-Liste 2006 als
Schätzungsgrundlage aufgezeigt. Zwar sind die Durchschnittspreise der
Mietwagentarife dieser Studie niedriger als die Normaltarife, die sich nach der
Schwacke-Liste 2006 errechnen. Die Kammer verkennt auch nicht, dass die
Mietwagenpreise der Schwacke-Liste 2006 aufgrund einer Selbstauskunft der
Mietwagenvermieter in Kenntnis, dass die Angaben zur Grundlage einer
Marktuntersuchung gemacht werden, erfolgten, während das Ergebnis des
Preisspiegels des Fraunhofer Instituts auf einer anonymen Befragung im Rahmen eines
typischen Anmietszenarios beruht und das Oberlandesgericht München in seiner
Entscheidung vom 25.7.2008 (AZ: 10 O 2539/08) deshalb die Studie des Fraunhofer
Instituts Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008 und nicht die Schwacke-Liste
2006 bei der Schätzung des Normaltarifs im Rahmen des 249 BGB zugrunde gelegt hat.
Gleichwohl kann nach Auffassung der Kammer die Studie des Fraunhofer Instituts im
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Entscheidungsfalle keine geeignete Schätzungsgrundlage sein. Denn die Erhebungen
des Fraunhofer Instituts, die Grundlage des Marktpreisspiegels Mietwagen Deutschland
2008 sind, stammen aus dem Zeitraum von Februar bis April 2008, während sich das
vorliegende Unfallereignis bereits am 1.8.2006 ereignet hat. Deshalb sind die
Erhebungen der Studie des Fraunhofer Instituts für den vorliegend zu beurteilenden
Anmietungsfall von August 2006 nicht repräsentativ. Diese Auffassung der Kammer
entspricht auch der Rechtssprechung des Oberlandesgerichts Köln, das in seiner
Entscheidung vom 18.03.2008 ( vgl. Schaden-Praxis 2008, 218 ) festgestellt hat, dass
für Schadensfälle ab April und Mai 2006 die Schwacke-Liste 2006 eine geeignete
Schätzungsgrundlage darstellt.
Eine abschließende Beurteilung der Frage, ob die Studie des Fraunhofer Instituts von
Mai 2008 in Zukunft grundsätzlich besser dazu geeignet ist, das tatsächliche
Marktgefüge hinsichtlich der Mietwagenkosten wiederzugeben und deshalb als
Schätzungsgrundlage heranzuziehen ist, ist im vorliegenden Fall nicht geboten.
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Die vom Amtsgericht vorgenommene Berechnung der angefallenen Mietwagenkosten
ist nicht zu beanstanden und wird von der Beklagten mit der Berufung auch nicht
angegriffen.
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Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die gesetzlichen
Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine
grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Revisionsgerichts.
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Der Streitwert für die Berufung beträgt 613,04 Euro.
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