Urteil des LG Mönchengladbach vom 20.11.2007

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Landgericht Mönchengladbach, 5 T 317/07
Datum:
20.11.2007
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 T 317/07
Schlagworte:
Rechtsschutzbedürfnis, Durchsuchungsanordnung, vergeblicher
Vollstreckungsversuch zur Nachtzeit
Normen:
ZPO § 758a
Leitsätze:
Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer
Durchsuchungsanord-nung gemäß § 758a Abs. 1 ZPO ist in der Regel
gegeben, wenn der Gerichtsvollzieher bei zwei
Vollstreckungsversuchen innerhalb einer Woche, einmal um 8.04 Uhr
und einmal um 20.59 Uhr, in der Wohnung des Schuldners niemand
angetroffen hat. Insbe-sondere gebietet der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz keinen vorherigen erfolglosen
Vollstreckungsversuch zur Nachtzeit oder an einem Sonn- oder Feiertag
gemäß § 758a Abs. 4 ZPO.
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Das Amtsgericht Viersen wird angewiesen, die
Durchsuchungsanordnung an-tragsgemäß zu erlassen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Schuldner.
Beschwerdewert: 5.768,76 Euro.
I.
1
Die Gläubigerin vollstreckt gegen den Schuldner wegen vollstreckbarer Ansprüche aus
Steuerschulden in Höhe von insgesamt 115.375,25 Euro. Ein angekündigter
Vollstreckungsversuch des Vollziehungsbeamten der Gläubigerin am 19.4.2007 um
8.04 Uhr blieb erfolglos, weil er den Schuldner nicht in seiner Wohnung antraf. Er stellte
fest, dass sich die Post staute und nahm an, dass sich der Schuldner schon seit Tagen
nicht mehr in der Wohnung aufgehalten hatte. Ein weiterer vergeblicher
Vollstreckungsversuch erfolgte am 25.4.2007 um 20.59 Uhr.
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Unter dem 26.4.2007 hat die Gläubigerin einen Antrag auf Erlass einer
Durchsuchungsermächtigung gestellt.
3
Das Amtsgericht Viersen hat den Antrag durch den angefochtenen Beschluss vom
26.4.2007 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, die Durchsuchungsanordnung könne
mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht erlassen werden, da nicht ersichtlich sei, dass
der Schuldner sich weigere, das Betreten seiner Wohnung zu gestatten. Es könne nicht
ausgeschlossen werden, dass der Schuldner aus Gründen, die er nicht zu vertreten
habe, nicht erreichbar sei. Deshalb sei zunächst als milderes Mittel gegenüber der
Durchsuchungsanordnung nach § 758 a Abs. 1 ZPO ein vorheriger
Vollstreckungsversuch zur Nachtzeit oder an Sonn- und Feiertagen gemäß § 758 a Abs.
4 ZPO erfolglos durchzuführen.
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Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie vertritt die
Auffassung, das Rechtsschutzbedürfnis sei zu bejahen, insbesondere sei kein
vergeblicher Vollstreckungsversuch zur Nachtzeit oder an einem Sonn- oder Feiertag
erforderlich.
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Das Amtsgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur
Entscheidung vorgelegt.
6
II.
7
Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung
des angefochtenen Beschlusses.
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Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass zur Durchsuchungsanordnung
im Sinne des § 758 a Abs. 1 ZPO ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts
gegeben. Es ist allgemein anerkannt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für eine
Durchsuchungsanordnung fehlt, wenn dem Gerichtsvollzieher – bzw. hier
Vollziehungsbeamten des Finanzamtes – der Zutritt zur Wohnung oder deren
Durchsuchung noch nicht verweigert worden oder der Schuldner mit der Durchsuchung
sogar einverstanden ist. Das Rechtsschutzbedürfnis ist hingegen gegeben, wenn der
Gerichtsvollzieher bei versuchter Vollstreckung in der Wohnung des Schuldners
niemand angetroffen hat, soweit nicht die Wohnung zu Zeiten aufgesucht wurde, zu
denen sich Berufstätige im allgemeinen nicht zu Hause befinden. Wenn der
Gerichtsvollzieher niemand angetroffen hat, wird ein weiterer Vollstreckungsversuch
nach Vorankündigung in angemessenem zeitlichem Abstand oder zu einer Zeit
gefordert, in der mit der Anwesenheit des Schuldners gerechnet werden kann
(Zöller/Stöber, ZPO, 25. Auflage, § 758 a Rn. 20; Musielak, ZPO, 5. Auflage, § 758 a Rn.
12).
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Die Voraussetzungen für die Annahme, dass der Schuldner die Durchsuchung
verweigert, liegen vor. Die Gläubigerin hat innerhalb eines kurzen zeitlichen Abstandes
2 Vollstreckungsversuche, den ersten nach Vorankündigung und den zweiten in den
Abendstunden (20.59 Uhr), durchgeführt. Dies reicht aus, insbesondere ist der
Auffassung entgegen zu treten, es sei aus Verhältnismäßigkeitsgründen zunächst ein
vergeblicher Vollstreckungsversuch zur Nachtzeit oder an einem Sonn- oder Feiertag
gemäß § 758 a Abs. 4 ZPO erforderlich. Es stellt sich bereits die Frage, ob ein solcher
nächtlicher Vollstreckungsversuch tatsächlich das mildere Mittel gegenüber einer
Durchsuchung nach § 758 a Abs. 1 ZPO darstellt. Hinzu kommt, dass im vorliegenden
Fall ohnehin nicht damit zu rechnen war, dass ein solcher Vollstreckungsversuch zur
Nachtzeit erfolgversprechend ist. Aufgrund des Umstandes, dass der Briefkasten des
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Schuldners längere Zeit nicht geleert wurde, war auf eine längere Ortsabwesenheit zu
schließen, so dass ein solcher Vollstreckungsversuch ins Leere gegangen wäre. Im
übrigen werden die Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis überspannt, wenn
angenommen wird, dass der zweite Vollstreckungsversuch, der um 20.59 Uhr, also kurz
vor dem Beginn der Nachtzeit im Sinne des § 758 a Abs. 4 S. 2 ZPO (21.00 Uhr)
stattfand, in zeitlicher Hinsicht nicht ausreichen soll.
Das Amtsgericht war daher anzuweisen, die Durchsuchungsanordnung antragsgemäß
zu erlassen.
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III.
12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Der Beschwerdewert war gemaß § 3 ZPO mit 1/20 des zu vollstreckenden Anspruches
in Ansatz zu bringen.
14
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 574
Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
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Fuchs
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