Urteil des LG Mönchengladbach vom 04.02.2009

LG Mönchengladbach: krankenversicherung, ivf, therapie, heilbehandlung, leistungsanspruch, alter, koch, bestandteil, komplikationen, minderung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Landgericht Mönchengladbach, 2 S 173/08
04.02.2009
Landgericht Mönchengladbach
2. Zivilkammer des Landgerichts
Urteil
2 S 173/08
Amtsgericht Mönchengladbach, 5 C 260/08
Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird das Urteil des
Amtsgerichts Mönchengladbach vom 26. August 2008 (Aktenzei-chen: 5
C 2650/08) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.043,77 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 9.
Februar 2008 sowie weitere 608,57 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 94 % der Beklagte und zu 6 % der
Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
I.
Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, führt jedoch in der Sache nur in geringem Umfange zum Erfolg.
Das Amtsgericht hat dem Kläger zu Recht einen grundsätzlichen Anspruch auf die geltend
gemachten Aufwendungen für seine Heilbehandlung, unter die auch die Behandlung
seiner Ehefrau fiel, zugesprochen.
Die Einwendungen des Beklagten gegen seine Haftungsverpflichtung greifen überwiegend
nicht durch.
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1.
Zum einen hat der klägerische Versicherungsnehmer nicht gegen seine
Mitwirkungspflichten bei der Abwendung und Minderung des Schadens verstoßen, § 82
Abs. 1 VVG (fälschlicherweise spricht der Beklagte hier von § 62 VVG), § 9 Teil I Abs. 4
MB/K.
Es gehört grundsätzlich nicht zu den Pflichten eines Ehepartners (hier Ehefrau des
Klägers), eigene Ansprüche gegen die gesetzliche Krankenversicherung an die
Krankenversicherung des anderen (dem Beklagten) abzutreten. Denn damit sind nicht
innerfamiliäre Interessen (§ 1353 Abs. 1 BGB) betroffen, sondern allein die Interessen der
Krankenversicherung. Der Kläger konnte daher von seiner Ehefrau entsprechendes nicht
verlangen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Grundsatzentscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 03.03.2004 (Bl. 94 d.A.). Denn der Anspruch der Ehefrau gegen
ihre eigene gesetzliche Krankenversicherung wurde bei der rechtlichen Prüfung außer
Betracht gelassen, ebenso wie die Frage, ob die Ehefrau des Klägers aus § 27a SGB V
einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die In-vitro-Fertilisation hat. Denn ein
eigener Anspruch des Klägers gegen die Krankenkasse seiner Ehefrau besteht nicht mit
der Folge, dass die Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs. 3 MB/KK 94 nicht greift.
Unterlassene Mitwirkungspflichten durch mangelnde Einflussnahme auf die Ehefrau
zwecks Geltendmachung eigener Ansprüche bzw. Abtretung ihrer Ansprüche an die
Krankenversicherung des Beklagten hat der BGH noch nicht einmal in Erwägung gezogen.
Die Kammer kann auch nicht erkennen, dass dieses Ergebnis, nämlich die alleinige
Kostentragungspflicht des Beklagten gegen sozialethische Wertvorstellungen verstieße.
Zwar sind mit den Gesamtkosten einer Behandlung bei mehreren Kostenträgern diese
gleichmäßig zu belasten. Ein solcher Fall liegt indes hier nicht vor. Denn wie der
Bundesgerichtshof in seiner ausführlichen Grundsatzentscheidung überzeugend
dargestellt hat, handelt es sich bei der IVF-Behandlung um eine einheitliche
Gesamtbehandlung des Klägers. Die Ehefrau des Klägers, bei der keine erkennbaren
Fruchtbarkeitsprobleme vorlagen, musste mit behandelt werden, da ansonsten die
Fertilitätsprobleme des Klägers nicht hätten gelindert bzw. behandelt werden können. Die
Mitbehandlung der Ehefrau stellte damit eine umfangreiche Behandlung des Klägers dar.
Mangels eigener gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Ehefrau stand dieser daher auch
kein eigener Anspruch gegen ihre Versicherung zu. Veranlassung für die
Gesamtbehandlung lagen in der Fertilitätsproblematik des Klägers. Daraus folgt, dass der
Beklagte auch allein für die Gesamtkosten aufkommen muss. Ein Verstoß gegen
sozialethische Wertvorstellungen ist damit nicht verknüpft.
2.
Gerade dieser Umstand wirkt sich auch auf den Leistungsanspruch des Klägers
hinsichtlich der privatärztlichen Leistungen im Hinblick auf die Behandlungsschritte der
Ehefrau aus. Sie waren unabdingbarer Bestandteil für den Erfolg seiner Therapie. Die
Gesamtbehandlung beider Ehegatten kann nicht aufgespalten werden. Ohne den
Behandlungsteil der Ehefrau wäre auch keine erfolgreiche Therapie des Klägers möglich
gewesen. Sein Anspruch auf privatärztliche Leistungen umfasst daher auch die
Behandlungsschritte der Ehefrau.
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3.
Die ovarielle hormonelle Hyperstimulation als typische Komplikation der IVF/ICSI-
Behandlung, die gesundheitliche Beeinträchtigungen der Ehefrau zur Folge hatte,
unterfallen dem Risiko der Behandlung des Klägers und damit dem Haftungsrisiko des
Beklagten. Denn ohne die notwendige Fruchtbarkeitsbehandlung wäre es nicht zu den
gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Ehefrau gekommen.
Der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 03.03.2004 ist auch nicht zu
entnehmen, dass nicht auch typische Komplikationen von der einheitlichen
Heilbehandlung mit umfasst werden.
4.
Dies gilt indes nicht für die Kosten des "assisted hatching". Die zumeist mittels Laser
vorgenommene Reduzierung der Eizellenhülle zur Verbesserung der Einnistung des
Embryos stellt keine typische und in der Regel notwendige Behandlung der Ehefrau im
Rahmen des IVF/ICSI-Programms dar. Die Gründe für diese Behandlungsmethode können
mannigfaltig sein. Die Ursache kann auch in einer Problematik der mit behandelten
Ehefrau (z.B. Alter, Eizellenqualität) liegen.
Es hätte daher näheren Vortrags bedurft, warum diese Methode angewandt worden ist und
notwendig geworden war. Das Klägervorbringen entbehrt jedoch trotz substantiierten
Bestreitens der Gegenseite hierzu jeglichen Vortrages.
Eine Notwendigkeit dieser Behandlungsmethode im Rahmen der Gesamtbehandlung des
Klägers kann die Kammer daher nicht erkennen. Mangels entsprechender schlüssiger
Substantiierung kann dieser Behandlungsteil daher auch nicht dem Leistungsanspruch des
Klägers unterfallen.
Die im Rahmen der Klageerhöhung geltend gemachte Klagesumme von 258,82 €, die die
Heilbehandlungskosten hinsichtlich dieser Methode beinhaltet, kann daher nicht in Ansatz
gebracht werden.
Es verbleibt ein Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 4.043,77 €.
Der Verzugs- und Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 ff. BGB.
Zu den Verzugskosten zählt der Vergütungsanspruch des Kläger-Vertreters, der im
Schreiben vom 06.02.2008 (Anlage K 30, Blatt 60 d.A.) nachvollziehbar und zutreffend
berechnet worden ist.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Streitwert wird auf 4.302,59 € festgesetzt.
Vorsitzender Richter am Landgericht
Wolters Vormbrock Koch