Urteil des LG Mönchengladbach vom 27.08.2007

LG Mönchengladbach: grundstück, eigentümer, grundbuch, aufgebot, auflage, einzelrichter, eigenbesitz, unterliegen, anwendungsbereich, bedürfnis

Landgericht Mönchengladbach, 5 T 120/07
Datum:
27.08.2007
Gericht:
Landgericht Mönchengladbach
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 T 120/07
Schlagworte:
Aufgebotsverfahren, nicht gebuchte Grundstücke, kein Grundbuchblatt
Normen:
BGB § 927, ZPO §§ 946 ff., BGO § 3 Abs. 2
Leitsätze:
Das Aufgebotsverfahren gem. § 927 BGB, §§ 946 ff. ZPO ist auch auf
nicht gebuchte Grundstücke, also solche, die bei Anlegung des
Grundbuchs kein Grundbuchblatt er-halten haben, anwendbar. Dies gilt
unabhängig davon, ob sie dem Buchungszwang unterliegen oder ob sie
gemäß § 3 Abs. 2 GBO vom Buchungszwang befreit sind
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin werden die Beschlüsse
des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt vom 8. Oktober 2006 und
23. Februar 2007 aufgehoben.
Das Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt Rechtspfleger wird
angewiesen, das Aufgebot zu erlassen.
I.
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Die Antragstellerin hat beantragt, das Aufgebot des Eigentümers des Grundstücks mit
der Bezeichnung Gemarkung Schelsen, XXXX qm, im Grundbuch nicht gebucht,
Eigentümervermerk laut Liegenschaftskataster "die Anlieger", zu erlassen. Die
Antragstellerin hat darauf hingewiesen, dass sie seit weit über 30 Jahren den Besitz an
dem Grundstück ausübt und das Grundstück seit 1976 ausgebauter Teil der öffentlich
gewidmeten Gemeindestraße "XXX" ist.
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Das Amtsgericht – Rechtspfleger – hat den Antrag durch Beschluss vom 18. Oktober
2006 mit der Begründung zurückgewiesen, das Aufgebotsverfahren sei wegen
fehlender Buchung im Grundbuch unzulässig. Es komme das Verfahren nach §§ 116 ff.
GBO in Betracht.
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Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin unter dem 26. Oktober 2006 sofortige
Beschwerde eingelegt und die Auffassung vertreten, das Aufgebotsverfahren gelte auch
für nicht gebuchte Grundstücke, die vom Buchungszwang gemäß § 3 Abs. 2 GBO befreit
seien. Das Amtsgericht – Rechtspfleger – hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und
die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Der Einzelrichter der Kammer hat
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die Antragstellerin darauf hingewiesen, statthaftes Rechtsmittel sei gemäß § 11 Abs. 2
RPflG die befristete Rechtspflegererinnerung und hat die Akten an das Amtsgericht
Mönchengladbach-Rheydt – Abteilungsrichter – zur Entscheidung zurückgesandt.
Dieser hat die Erinnerung durch Beschluss vom 23. Februar 2007 zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin unter dem 27. Februar 2007 erneut
Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht – Abteilungsrichter – hat dem Rechtsmittel
nicht abgeholfen und die Sache der Kammer erneut zur Entscheidung vorgelegt.
II.
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Das ursprüngliche Rechtsmittel der Antragstellerin vom 26. Oktober 2006 ist gemäß
§§ 11 Abs. 1 RPflG, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO als sofortige Beschwerde statthaft und auch
im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.
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Der Einzelrichter der Kammer hält – nach Dezernatswechsel – an der mit Verfügung
vom 5. Februar 2007 geäußerten Auffassung, bei dem Rechtsmittel vom 26. Oktober
2006 handele es sich um eine befristete Rechtspflegererinnerung nach § 11 Abs. 2
RPflG nicht fest. Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss vom 18.
Oktober 2006 den Antrag der Antragstellerin zur Aufbietung des Eigentümers des
Grundstücks Gemarkung Schelsen, XXX zurückgewiesen. Hierbei handelt es sich um
eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, durch die ein das Verfahren
betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), so dass die
sofortige Beschwerde statt findet (Musielack, ZPO, 5. Auflage, § 947 Rn. 5).
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Die sofortige Beschwerde hat in der Sache auch Erfolg, da die Voraussetzungen für das
Aufgebotsverfahren nach § 927 BGB vorliegen.
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Nach dieser Vorschrift kann der Eigentümer eines Grundstücks, wenn das Grundstück
seit 30 Jahren im Eigenbesitz eines anderen ist, im Wege des Aufgebotsverfahrens mit
seinem Recht ausgeschlossen werden (§ 927 Abs. 1 Satz 1 BGB). Voraussetzungen
sind, dass der Antragsteller das Grundstück seit 30 Jahren im Eigenbesitz hat und der
wahre Eigentümer nicht eingetragen ist, also kein Eigentümer oder ein Nichteigentümer
eingetragen ist. Bei Herrenlosigkeit des Grundstücks im Sinne von § 928 BGB gilt § 927
BGB nach herrschender Meinung gleichfalls (Staudinger-Pfeifer, BGB, 13. Bearbeitung,
§ 927 Rn. 10; Soergel/Stürner, BGB, Stand 2002, § 927 Rn. 1; Ermann/Hagen/Lorenz,
BGB, 10. Auflage, § 927 Rn. 4). Streitig ist, ob nicht gebuchte Grundstücke, die gemäß §
3 Abs. 2 GBO vom Buchungszwang befreit sind, dem Aufgebotsverfahren nach § 927
BGB unterliegen.
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Pfeifer (in Staudinger, a.a.O.) und Süß (AcP 151 [1950/51], 1, 28) vertreten ohne nähere
Begründung die Auffassung, für öffentliche Grundstücke, die gemäß § 3 Abs. 2 GBO
buchungsfrei seien, gelte § 927 BGB nicht. Demgegenüber vertreten Hagen/Lorenz (in
Ermann, a.a.O.) und Stellwaag (VIZ 2002, 607) die Auffassung, § 927 BGB komme auch
zur Anwendung, wenn das betreffende Grundstück wegen § 3 Abs. 2 GBO kein
Grundbuchblatt erhalten habe.
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Der Einzelrichter der Kammer schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Bereits
der Wortlaut des § 927 Abs. 1 Satz 1 BGB lässt keine dahingehende Einschränkung zu,
dass buchungsfreie Grundstücke vom Anwendungsbereich der Vorschrift auszunehmen
sind. Der Fall, dass kein Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, muss nach dem
Wortlaut der Vorschrift dem Fall, dass kein Grundbuchblatt – sei es versehentlich oder
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wegen § 3 Abs. 2 GBO – angelegt wurde, gleichgestellt sein. Denn Voraussetzung für
die Zulässigkeit des Aufgebotsverfahrens ist neben der dreißigjährigen Besitzzeit
lediglich, dass kein Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Das ist auch dann der
Fall, wenn ein Grundbuchblatt nicht existiert. Für die Anwendung des § 927 BGB spricht
ferner, dass die nachträgliche Buchung eines buchungsfreien Grundstücks gemäß §§
116 ff. GBO keine materiell-rechtliche Wirkung hinsichtlich des Eigentumserwerbs
entfaltet (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 12. Auflage, Rn. 1011; Staudinger/Pfeifer,
a.a.O.), so dass auch ein Bedürfnis für die Durchführung des Aufgebotsverfahrens
besteht.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist anzumerken, dass der Beschluss des Amtsgerichts
vom 23. Februar 2007 gleichfalls aufzuheben war, da die Zurückverweisung – wie
ausgeführt wurde – fehlerhaft war.
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Das Amtsgericht war anzuweisen, das Aufgebot zu erlassen, da der Antrag zulässig ist
(§ 947 Abs. 2 ZPO) und das Aufgebot vom Beschwerdegericht nicht erlassen werden
kann.
13
Fuchs
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