Urteil des LG Mönchengladbach vom 19.01.2005

LG Mönchengladbach: rechtsform, ermessen, markt, drucksache, einfluss, vergleich, sachverständiger, gesetzgebungsverfahren, abrechnung, sachverständigenvergütung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Schlagworte:
Normen:
Leitsätze:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Mönchengladbach, 5 T 627/04
19.01.2005
Landgericht Mönchengladbach
5. Zivilkammer
Beschluss
5 T 627/04
Amtsgericht Mönchengladbach, 20 IN 168/04
Insolvenzeröffnungsverfahren, Stundensatz, Sachverständiger
JVEG § 9, JVEG § 22
Der Sachverständige, der im Insolvenzeröffnungsverfahren mit der
Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens darüber
beauftragt ist, ob und gegebenen-falls welche Sicherungsmaßnahmen zu
treffen sind, ob ein nach der Rechtsform der Schuldnerin maßgeblicher
Eröffnungsgrund vorliegt, welche Aussichten gegebenenfalls für eine
Fortführung des schuldnerischen Unternehmens bestehen und ob eine
kosten-deckende Masse vorhanden ist, steht gem. § 9 Abs. 1 JVEG ein
Stundensatz von 65 € zu.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
I.
Unter dem 29.09.2004 beantragte die Gläubigerin die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
über das Vermögen der Frau B.
Das Amtsgericht Mönchengladbach ordnete durch Beschluss vom 22.10.2004 zur
Aufklärung des Sachverhalts die Einholung eines schriftlichen
Sachverständigengutachtens darüber an, ob und gegebenenfalls welche
Sicherungsmaßnahmen zu treffen sind, ob ein nach der Rechtsform der Schuldnerin
maßgeblicher Eröffnungsgrund vorliegt, welche Aussichten gegebenenfalls für eine
Fortführung des schuldnerischen Unternehmens bestehen und ob eine kostendeckende
Masse vorhanden ist. Mit der Erstattung des Gutachtens beauftragte das Amtsgericht die
Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin legte unter dem 25.10.2004 einen Bericht
vor. Im Folgenden bestellte das Amtsgericht Mönchengladbach durch weiteren Beschluss
vom 02.11.2004 die Sachverständige zur vorläufigen Insolvenzverwalterin. Nach Zahlung
der Rückstände durch die Schuldnerin wurde das Insolvenzeröffnungsverfahren eingestellt.
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Mit Schriftsatz vom 08.11.2004 hat die Sachverständige ihre Kosten und Auslagen zur
Gerichtsakte gereicht und um Festsetzung gebeten. Sie hat ihrer Abrechnung einen
Stundensatz von 95,00 € zu Grunde gelegt. Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen
Beschluss vom 19.11.2004 die Sachverständigenvergütung auf 263,90 € festgesetzt und
dabei einen Stundensatz von 65,00 € gemäß Honorargruppe 4 zu Grunde gelegt. Zur
Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Sachverständige auch im Falle ihrer
Einsetzung als vorläufige Insolvenzverwalterin nach § 9 Abs. 2 Abs. 3 JVEG lediglich 65,00
€ pro Stunde hätte liquidieren können und der Umfang der Tätigkeit als Sachverständige
nicht über den einer vorläufigen Insolvenzverwalterin hinausreiche. Gegen diesen
Beschluss hat die Sachverständige die vom Amtsgericht zugelassene sofortige
Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, dass die Ausnahmevorschrift des § 9 Abs. 2
JVEG vorliegend nicht zur Anwendung komme, da die Beauftragung auf § 5 InsO beruhe,
nicht auf § 22 InsO. Aus diesem Grunde sei eine Einordnung in die Honorargruppen
erforderlich. Dies führe hier zur Einordnung in die höchste Honorarstufe. Der Bezirksrevisor
beim Landgericht hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Er beantragt die Zulassung der
weiteren Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung. Das Amtsgericht hat der
Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1.
Die Beschwerde ist gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässig, da das Amtsgericht die Beschwerde
zugelassen hat.
2.
Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Amtsgericht Mönchengladbach hat im Ergebnis zu Recht die Tätigkeit der Beteiligten
zu 1) mit einem Stundensatz von 65,00 € honoriert. Grundlage ist jedoch nicht § 9 Abs. 2
JVEG analog, sondern § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG.
Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG erhält der Sachverständige als Vergütung ein Honorar für
seine Leistungen. Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es für
jede Stunde der erfolgten Zeit einschließlich notwendiger Reisekosten und Wartezeiten
gewährt, § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG.
Die Höhe des Stundensatzes ergibt sich aus § 9 JVEG. Die Kammer teilt nicht die
Auffassung des Amtsgerichts, dass auf den isolierten Sachverständigen im
Insolvenzeröffnungsverfahren § 9 Abs. 2 JVEG analog Anwendung findet. Nach dieser
Vorschrift beträgt im Falle des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO das Honorar des
Sachverständigen abweichend von Abs. 1 für jede Stunde 65,00 €. Die Kammer vertritt mit
dem Amtsgericht Göttingen (NZI 2004, 676; ebenso Schmerbach, ZInsO 2003, 882 und
Ley, ZIP 2004, 1391) die Auffassung, dass die Vorschrift weder direkt noch in analoger
Anwendung auf den isolierten Sachverständigen im Insolvenzeröffnungsverfahren
Anwendung findet. Gegen eine direkte Anwendung spricht bereits der eindeutige Wortlaut
der Norm. Eine analoge Anwendung kommt mangels Regelungslücke nicht in Betracht, da
die Problematik des isolierten Sachverständigen im Insolvenzeröffnungsverfahren im
Gesetzgebungsverfahren gesehen worden ist (vgl. Schmerbach, a.a.O.).
Findet § 9 Abs. 2 JVEG keine Anwendung, so bestimmt sich die Vergütung des
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Sachverständigen im Insolvenzeröffnungsverfahren gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG nach
billigem Ermessen, da diese Art von Sachverständigentätigkeit in Übereinstimmung mit der
Beschwerdeführerin keiner der genannten Honorargruppen von § 9 Abs. 1 Satz 2 JVEG
zuzuordnen ist. Die Ausübung des billigen Ermessens führt dazu, dass ein Stundensatz
von 65,00 € anzusetzen ist. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG ist die Tätigkeit des
Sachverständigen nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der allgemein für
Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze
einer Honorargruppe zuzuordnen, wenn die Leistung auf einem Sachgebiet erbracht wird,
dass in keiner Honorargruppe genannt ist. Ebenso wie für den Sachverständigen nach § 22
Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 JVEG existiert kein außergerichtlicher Markt für die Tätigkeit des
isolierten Sachverständigen im Insolvenzeröffnungsverfahren. Gerade dieser Gedanke hat
zur Aufnahme des § 9 Abs. 2 JVEG in das JVEG geführt (vgl. BT-Drucksache 15/2487,
Seite 139/140). Die Kammer ist der Auffassung, dass im Rahmen des billigen Ermessens
nach § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG auf den in § 9 Abs. 2 JVEG genannten Stundensatz
zurückgegriffen werden kann, wenn die Tätigkeit des isolierten Sachverständigen mit der
Tätigkeit des Sachverständigen nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 InsO identisch ist. Dabei ist keine
vollständige Übereinstimmung zu fordern; es reicht eine Vergleichbarkeit im Kern aus.
Dies ist hier der Fall. Der als Sachverständige beauftragte vorläufige Insolvenzverwalter hat
nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu prüfen, ob das Vermögen des Schuldners die Kosten des
Verfahrens decken wird und – wenn zusätzlich beauftragt - ob ein Eröffnungsgrund vorliegt
und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen.
Diese Aufgabenbereiche entsprechen qualitativ den Ermittlungen, die die Sachverständige
hier gemäß Beweisbeschluss vom 22.10.2004 zu treffen hatte. Die Sachverständige sollte
Feststellungen dazu treffen, ob und gegebenenfalls welche Sicherungsmaßnahmen zu
treffen sind, ob ein nach der Rechtsform der Schuldnerin maßgeblicher Eröffnungsgrund
vorliegt und welche Aussichten gegebenenfalls eine Fortführung des schuldnerischen
Unternehmens bestehen sowie ob eine kostendeckende Masse vorhanden ist. Die
Aufgabenbereiche sind unter qualitativen Gesichtspunkten weitgehend identisch. Der Kern
liegt in der Feststellung des Insolvenzgrundes und der Fortführungsmöglichkeit. Die
zusätzlich beauftragten Ermittlungen betreffend die Notwendigkeit von
Sicherungsmaßnahmen haben auf die Höhe des Stundensatzes keinen Einfluss, weil
diese Tätigkeit im Vergleich zu den übrigen Aufgaben nicht qualitativ höherwertiger sind
und im Rahmen der Anzahl der geleisteten Stunden vergütet werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.
Die weitere Beschwerde wird gemäß § 4 Abs. 5 JVEG zugelassen. Die Frage, wie der
isolierte Sachverständige im Insolvenzeröffnungsverfahren zu vergüten ist, hat
grundsätzliche Bedeutung.